Protocol of the Session on September 15, 2000

Unterbrechung: 13.31 Uhr.

Wiederbeginn: 13.48 Uhr.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir möchten die unterbrochene Sitzung fortsetzen, müssen uns aber vorher von der Beschluss- fähigkeit des Hauses überzeugen können.

Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: Der Landtag von Sachsen-Anhalt ist beschlussfähig.

Frau Bull, PDS: Jawohl!)

Wir setzen die Tagesordnung an der unterbrochenen Stelle fort und ich stelle zur Abstimmung den Antrag der Fraktion der FDVP in der Drs. 3/3557. Es war beantragt die Überweisung in den Innenausschuss und in den Finanzausschuss, von der Sache her, denke ich, in den Innenausschuss zur federführenden Beratung. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dann ist die Überweisung mit großer Mehrheit abgelehnt.

Nachdem eine Überweisung abgelehnt worden ist, müssen wir über den Antrag selbst abstimmen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag bei zwei Stimmenthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt worden und damit die Beratung zum Tagesordnungspunkt 24 abgeschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25:

Beratung

Symbolische Geste für die vormaligen Zwangsarbeiter in Deutschland

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3558

Dieser Antrag wird eingebracht von der Abgeordneten Frau Wiechmann. Bitte, Frau Wiechmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDVP-Fraktion mit seiner Begründung liegt Ihnen vor. Für jeden Parlamentarier in diesem Hohen Hause müsste sich eine weitere Erörterung erübrigen.

Gestatten Sie mir deshalb eine persönliche Bemerkung. Ich bin mir dessen bewusst, dass eine symbolische Geste weder erlittenes Unrecht heilt, noch Unrecht und Ungerechtigkeit vorbeugt. Aber wir setzen ein kleines und bescheidenes, vielleicht auch ein nicht überseh- und überhörbares Zeichen, dass wir Parlamentarier, ungeachtet unseres Lebensalters und unseres Lebenslaufes, einen Beitrag leisten, um Not zu lindern.

Zugleich wollen wir jenseits und fern von juristischen Fragestellungen und Formalia, frei von oft unwürdig anmutenden Schachereien und zähen Verhandlungen um Geld, Entschädigungen und deren Verteilung unserer Einsicht in individuell zu tragende Verantwortung Raum

geben. Wir wissen, meine Damen und Herren, es gibt nichts Gutes, außer man tut es. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDVP)

Vielen Dank. - Zu diesem Tagesordnungspunkt ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Für die CDUFraktion hat sich Herr Dr. Bergner als Redner angemeldet. - Da er nicht im Saal ist, rufe ich den nächsten Redner auf. Von der SPD-Fraktion ist keine Wortmeldung angemeldet worden, für die DVU-FL-Fraktion ebenfalls nicht. Für die PDS-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Dirlich das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion im Bundestag hat das Gesetz über die Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen trotz vieler Kritikpunkte mitgetragen. Ich will die Debatte dazu nicht wiederholen. Das ist auch nicht nötig.

Zwei Dinge müssen dennoch gesagt werden. Erstens. Das langjährige Gerangel um das Zustandekommen des Entschädigungsgesetzes hat dem Anliegen des Gesetzes mindestens so geschadet wie dem Ansehen der Bundesrepublik. Vor allem aber hat es den überlebenden Zwangsarbeiterinnen geschadet, die jahrzehntelang warten mussten und heute noch warten.

Zweitens. Seriöse Berechnungen gehen davon aus, dass deutsche Unternehmen aus der Zwangsarbeit und der Lohnvorenthaltung Vorteile gezogen haben, die heute einem Betrag zwischen 100 und 180 Milliarden DM entsprechen würden. Angesichts solcher Summen nimmt sich der Stiftungsbetrag von 10 Milliar- den DM doch recht bescheiden aus.

Noch problematischer wird es, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaft und die Banken, die immerhin die Hauptprofiteure der Zwangsarbeit waren, von den 5 Milliar- den DM, die sie einzahlen sollen, noch ca. 2,5 Milliarden DM über Steuereinsparungen zurückbekommen, die Steuerzahlerin also drei Viertel des Gesamtbetrages aufbringen wird.

Und: Noch ist die Zahlung der Beiträge nicht gesichert. Die bisherige Bereitschaft der Wirtschaft und der Banken, in den Stiftungsfonds einzuzahlen, füllt jedenfalls kein Ruhmesblatt.

Die PDS begrüßt alle Initiativen von Einzelpersonen, wie etwa von Günter Grass, oder von Kommunen, auch in Sachsen-Anhalt, zur Beteiligung am Entschädigungsfonds. Die PDS-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt wird sich solchen Initiativen nicht verschließen und denkt über konkrete Schritte nach, um sich daran zu beteiligen.

Aber, meine Damen und Herren, einer Partei wie der FDVP, die in der geistigen Nachfolge der nationalsozialistischen Ideologie steht,

(Zuruf von der FDVP: Pfui! - Herr Wiechmann, FDVP: Frau Dirlich!)

sprechen wir das Recht ab, im Namen der Opfer von Zwangsarbeit zu agieren und sich als Sachwalter ihrer Interessen aufzuspielen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Die Abgeordneten der FDVP sind ungeachtet der privaten und persönlichen Querelen in ihren Reihen für die DVU in den Landtag eingezogen. Der Vorsitzende dieser Partei, Frey, gehörte jahrelang zu den Hauptakteuren der Verhinderung einer Entschädigungsregelung in der Bundesrepublik.

(Frau Brandt, DVU-FL: Was hat denn das jetzt damit zu tun?)

Eines entlarvt diesen Antrag gerade aus dieser politischen Ecke besonders: Als im November des letzten Jahres ein Antrag der PDS-Fraktion zur sofortigen Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen debattiert und vom Hohen Haus mehrheitlich beschlossen wurde, war es der jetzige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDVP Herr Weich, der damals noch namens der DVU die Ablehnung des Antrages begründete.

Die PDS-Fraktion lehnt den Antrag ab.

(Zustimmung bei der PDS)

Da Herr Dr. Bergner wieder im Saal ist, frage ich ihn, bevor ich die Debatte schließe, ob er seinen Beitrag vortragen möchte. - Dann rufe ich Sie dazu auf. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Wir alle haben die Debatte über die Entschädigung der Zwangsarbeiter verfolgt. Wir wissen, dass es um ein sehr schwieriges, aber auch sehr wichtiges Problem geht.

Wir wissen aber auch, dass es eine Art von Missbrauch moralischer Argumente für parteipolitische Zwecke gibt. Wenn wir diesen Antrag ablehnen, dann deshalb, weil wir fürchten, dass hiermit zu einer Art Schaulaufen aufgerufen wird in einer Sache, die durchaus ernst ist.

Wir können hier eine Sammelbüchse herumgehen lassen. Wir brauchen aber nicht den Landtag beschließen zu lassen, dass wir eine bestimmte Spende für die Entschädigung der Zwangsarbeiter geben. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kanne- gießer, DVU-FL)

Danke. - Bevor ich die Debatte abschließe, frage ich, ob es weitere Wortmeldungen gibt.

(Frau Wiechmann, FDVP: Ja!)

Wenn das nicht der Fall ist, haben Sie als Einbringerin ohnehin noch einmal die Möglichkeit zu sprechen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in meiner Einbringungsrede auf den Ernst hingewiesen, Herr Dr. Bergner. Ich habe auch auf das symbolische Zeichen verwiesen, das wir als Parlamentarier setzen könnten. Das hat nichts mit einer Sammelbüchse zu tun, sondern das hat damit zu tun, wie bekennt sich jeder Einzelne zu dieser ernsten Sache.

Ich habe auch gesagt, dass ich es kurz machen werde und dass dieses symbolische Zeichen und diese Ernsthaftigkeit nicht zerredet werden sollen; denn täglich sind

die Zeitungen, die Medien voll auch mit Ihren Äußerungen, auch mit den Äußerungen der Abgeordneten der SPD-Fraktion, in denen die Zurschaustellung und die Anprangerung von Einrichtungen und Unternehmen gefordert wird, die sich aus den verschiedensten Gründen nicht am Entschädigungsfonds beteiligen.

Heute, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, finden Sie keine Worte für dieses ernsthafte Problem.

(Herr Felke, SPD: Wir handeln!)

Sie finden keine Worte des Mitgefühls und Sie finden keine Worte der eigenen Bereitschaft.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Quatsch!)

Nur als Frage auch an die Abgeordneten der Fraktionen von PDS, CDU und SPD, die signalisiert haben, dass Sie sich diesem Antrag nicht anschließen werden: Kann der Grund dafür der sein, dass hier nicht öffentliches Geld von anderen Einrichtungen eingefordert wird, sondern dass es jetzt an die eigene Tasche geht?

(Beifall bei der FDVP - Frau Bull, PDS: Mensch! - Zurufe von Frau Lindemann, SPD, und von Frau Stolfa, PDS)

Wir finden das doch beschämend. Wir möchten um eine namentliche Abstimmung bitten. - Danke schön.