Protocol of the Session on September 15, 2000

Auch der praktischen Umsetzung des Antrages der FDVP kann kein Bedenken begegnen; denn die Umsetzung ist einfach und würde in der Weise erfolgen können, dass bei im Augenblick zur Verfügung gestellten zwei Magazinen für die Pistole des Kalibers 9 mm ein Magazin mit Vollmantelmunition ausgestattet sein kann,

während das zweite Magazin mit Munition aufzufüllen wäre, die mannstoppend ist. Mehrkosten würden nicht entstehen. Sie würden nur dann anfallen, wenn die allgemeine Vollzugspolizei sowie die Kriminalpolizei mit einem dritten Pistolenmagazin ausgestattet werden würden. Ähnliches gilt für die Ausstattung der MP 5.

Eine solche Verfahrensweise würde den Interessen der Polizeibeamten in den polizeilichen Lagen jederzeit Rechnung tragen. Gegen Hartziele, zum Beispiel gegen Lkw-Reifen oder Lkw-Motorblöcke, könnte ohne zeitliche Verzögerung Vollmantelmunition des Kalibers 9 mm x 19 eingesetzt werden, während gegen Weichziele Munition mit mannstoppender Wirkung gebraucht werden könnte, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Auch würden sich für den Magazinwechsel keine zeitlichen Probleme ergeben; er ist in Sekundenschnelle zu bewältigen.

Auf Teil 2 unseres Antrages ist kurz wie folgt einzugehen. Zur Problematisierung erlauben Sie mir folgende Hinweise.

Ganz zu schweigen von der fehlenden Nahkampfausbildung der allgemeinen Vollzugspolizei und der Kriminalpolizei, zeichneten sich auch bei den SEK-Männern trotz ihrer hervorragenden Nahkampfausbildung in den letzten Jahren mehrfach die Grenzen des Möglichen ab. Aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit versuchten die Polizisten mehrfach, mit Messern bewaffnete Straftäter ohne Schusswaffengebrauch festzunehmen.

Wie gefährlich solche Situationen sind, belegt der Einsatz, der sich vor einigen Jahren in Süddeutschland ereignete. Damals bedrohte ein Täter mehrere Streifenbeamte mit einem Messer. Diese riefen das SEK. In dem Haus, in dem der Zugriff erfolgte, war es aber so eng, dass die Beamten den Mehrzweckrettungsstock nicht einsetzen und den Täter nicht überwältigen konnten. Daher versuchte ein Polizist, die Hand des wild mit dem Messer herumfuchtelnden Täters zu fixieren. Er bezahlte dies mit schweren Schnittverletzungen an der Hand.

Nach diesem Eingriff schaffte das SEK in München Kettenhemden und Kettenhandschuhe an, wie sie auch von Metzgern verwendet werden. Mit dieser Sicherheitskleidung ist es allerdings auch nicht immer möglich, Messerstecher ohne Waffengebrauch festzunehmen. Bei besonders gewalttätigen und im Umgang mit der kalten Waffe erfahrenen Tätern bleibt jedoch nur die Möglichkeit, die Schusswaffe einzusetzen. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen hat das Land Bayern Kettenhemden, Kettenhandschuhe und Kettenkapuzen beschafft. Sie werden auf großen Dienststellen für den jederzeitigen Einsatz verfügbar gehalten.

Das Land Sachsen-Anhalt sollte dem nicht nachstehen und Kettenhemden, Kettenhandschuhe und Kettenkapuzen beschaffen. Bei der Beschaffung geht es nicht darum, alle Polizeibeamten mit Kettenhemden auszustatten, sondern darum, die anlassbezogenen Tatorte zu ermitteln und den Polizeidienststellen die erforderlichen Mittel an die Hand zu geben. Mit dem Spezialeinsatzkommando in Magdeburg allein ist es nicht getan. Es kann bei der augenblicklichen Personalknappheit nicht überall eingesetzt werden.

Ich beantrage die Überweisung in den Innenausschuss sowie in den Finanzausschuss. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Vor der Debatte der Fraktionen hat der Herr Innenminister um das Wort gebeten. Bitte, Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Innenministerkonferenz hat im letzten Jahr die Neufassung der technischen Richtlinie „Patrone 9 mm x 19 schadstoffarm“ beschlossen und dem Bund und den Ländern die Einführung einer nach dieser technischen Richtlinie erprobten und zertifizierten Munition empfohlen. Unter anderem besitzt diese Patrone auch die physikalischen Eigenschaften, eine Mannstoppwirkung zu erzielen.

Da es sich hierbei um eine speziell auf die Bedürfnisse der deutschen Polizei abgestimmte Munition handelt, benötigen die Munitionshersteller einen gewissen Zeitraum, um diese Munition serienmäßig fertigen zu können.

Derzeit befinden sich verschiedene Munitionsarten der einzelnen Hersteller in der Zertifizierung und gleichzeitigen Erprobung durch die Grenzschutzschule in Lübeck. Dort testet ein Erprobungsteam, das aus Experten aller Landespolizeien besteht, diese Munitionsarten in den verwendeten Waffentypen auf Herz und Nieren.

Für mich ist es selbstverständlich, dass unseren Polizeibeamten zu jeder Zeit eine voll funktionierende Munition zur Verfügung gestellt wird. Sollten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer noch besseren Polizeimunition vorliegen, wird die Einsatzmunition der Landespolizei nach Haushaltslage in erster Priorität auch umgestellt. Eine Mischausstattung, wie vorgeschlagen, wird es aus polizeitaktischer und sicherheitstechnischer Sicht allerdings nicht geben.

Meine Damen und Herren! Zum zweiten Punkt. Neben ballistischen Schutzwesten werden für die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt seit 1992 kontinuierlich Oberkörperschlag- und -stichschutzausrüstungen beschafft. Die Polizei unseres Landes ist jederzeit in der Lage, ihre Einsatzhundertschaften für derartige Einsatzlagen auszustatten.

Da auch der Bereich der Schutzausstattung einem ständigen Entwicklungsprozess unterliegt, wird die Oberkörperschlag- und -stichschutzausrüstung der Landespolizei im Rahmen der Ersatzbeschaffung fortlaufend modernisiert. So werden in diesem Haushaltsjahr noch 275 neue Oberkörperschlag- und -stichschutzausrüstungen modernster Generation mit einem Haushaltsmittelaufwand von 400 000 DM beschafft. Gleiches trifft auf die Landesbereitschaftspolizei zu, da der Bundesinnenminister zuständigkeitshalber ebenfalls eine komplette Ersatzbeschaffung auf diesem Gebiet zugesichert hat.

Abschließend möchte ich noch feststellen, dass die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt bereits ausreichend mit Oberkörperschlag- und -stichschutzausrüstungen ausgestattet ist.

Noch einen Satz zu den Kettenhandschuhen und Kettenhemden. In Sachsen-Anhalt werden Kettenhemden und Kettenhandschuhe verwendet: Kettenhemden bei Theateraufführungen und bei Ritterspielen und die Kettenhandschuhe von Fleischern und Metzgern.

(Heiterkeit bei der SPD)

Bei den Fleischern und Metzgern wird zurzeit überlegt, diese Kettenhandschuhe durch Textilhandschuhe zu ersetzen, die besser geeignet sind. Sowohl die Kettenhemden als auch die Kettenhandschuhe sind nicht stichfest, sondern nur hiebfest. Ich würde niemandem raten, sich auf einen Stich - auch nicht bei Ritterspielen - einzulassen, weil dies gefährlich werden könnte. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Danke. - Im Ältestenrat ist zu diesem Tagesordnungspunkt eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Die DVU-FL-Fraktion hat auf einen Beitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Becker. Bitte schön.

(Herr Kühn, SPD: Kettenhöschen wären doch nicht schlecht!)

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Einer Frankfurter Zeitung vom heutigen Tag können wir entnehmen, dass seit 1945 in den deutschen Landen 382 Polizeibeamtinnen und -beamte in Verfolgung ihrer Aufgaben ihr Leben lassen mussten. Das sind genau 382 Menschenleben zu viel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Aber, meine Damen und Herren, Frau Antragstellerin, Ihr Antrag ist dennoch überflüssig wie ein Kropf. Wir werden ihn nicht mittragen, und zwar aus zwei Gründen.

Einmal was die Mannstoppmunition anbelangt: Hätten Sie die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Situation der Polizei, die Ihnen vor wenigen Wochen zugegangen ist, genau durchgelesen, hätten Sie bereits die Antwort gehabt, die jetzt der Herr Minister gegeben hat. Denn dort steht genau das, was er gesagt hat, unter Ziffer 2.5.1. Deshalb muss man das nicht wiederholen.

Zweitens zur Schutzwestendiskussion: Es ist mindestens das fünfte oder sechste Mal - vielleicht hat es das Innenministerium einmal gezählt -, dass wir uns mit dieser Problematik aufgrund Ihrer Anträge befassen.

(Herr Wolf, FDVP: Das ist aber gut angekom- men!)

Das Thema wird doch dadurch nicht besser. Wenn wir Haushaltsberatungen haben, glänzen Sie durch Abwesenheit, aber dort gehört das hin. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Wider- spruch bei der FDVP - Frau Wiechmann, FDVP: Das kann doch nicht wahr sein! Herr Becker!)

Es wird nicht besser; wir werden es ablehnen. Es gehört in die Ausschüsse, in die Haushaltsberatungen und nicht hierher. Das ist reiner Populismus. Dieser Antrag - das will ich Ihnen einmal sagen, so ernst die Situation ist, wenn ich auf die 382 Toten hinweise - ist hier verfehlt. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der PDS - Zurufe von Frau Wiechmann, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. - Die PDS verzichtet ebenfalls. Dann hat Frau Helmecke noch einmal das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minis- ter Püchel, ich finde das sehr schön: Sie zeigen im- mer wieder, dass Sie lernfähig sind, auch indem Sie 500 Schutzwesten im Anschluss an unsere Antragstellung beschafft haben. Während Ihre Genossen und die Linkspartei behauptet haben, es gebe diese Problematik nicht, haben Sie die Westen doch im Nachhinein beschafft. Das zeigt: Sie sind ein kleiner Mann, aber oho!

(Beifall bei der FDVP)

Herr Becker, eines muss ich noch zu Ihnen sagen. Sie waren ziemlich aufgeregt, aber bei der Anwesenheit zu den Haushaltsberatungen meinten Sie sicher die DVU. Wir sind aber die FDVP und wir nehmen an allen Ausschüssen teil.

(Beifall bei der FDVP - Herr Becker, CDU, winkt ab)

Und Sie von der PDS dürften sich gar nicht melden. Wer Herrn Mielke einen Mann mit hehren Zielen nennt, Frau Dr. Hein, brauchte zu diesem Antrag überhaupt nicht zu sprechen.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

- Seien Sie bitte lieber ruhig, regen Sie sich nicht auf und bedauern Sie Herrn Mielkes Tod!

(Herr Dr. Süß, PDS: Gehen Sie wieder! Das ist besser so! - Zuruf von Frau Dr. Hein, PDS)

Aber trotzdem fand ich es sinnvoll, dass wir diesen Antrag eingebracht haben. Wir sind nämlich der Meinung, dass die Polizei in Sachsen-Anhalt den bestmöglichen Schutz verdient. Dafür werden wir sorgen, wenn es der Innenminister nicht tut. Es folgen weitere Anträge. Ob sie überflüssig sein werden wie ein Kropf oder nicht, das wird sich zeigen. Ich schätze, Sie werden bestimmt auch dann wieder dem folgen, was wir Ihnen in unserem Antrag vorschlagen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Es war interessant, mit Ihnen zu diskutieren.

(Beifall bei der FDVP - Zuruf von Herrn Wolf, FDVP)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. - Eine Meldung zur Geschäftsordnung? - Frau Wiechmann.

Herr Präsident, wenn Sie jetzt zum Abstimmungsverfahren kommen, würde ich gern die Beschlussfähigkeit feststellen lassen. Ich zweifle die Beschlussfähigkeit an. Ich gönne jedem seine Mittagspause, aber ich denke, es sind zu wenige Abgeordnete anwesend.

Wenn ein solcher Antrag gestellt wird, muss dem nachgekommen werden. Wir zählen durch, ob wir beschlussfähig sind. Bitte. - Meine Damen und Herren! Ich stelle

fest: Das Plenum ist nicht beschlussfähig. Also kann diese Abstimmung jetzt nicht durchgeführt werden.

Ich unterbreche die Sitzung für 15 Minuten und bitte darum, in der Zwischenzeit für die Herstellung der Beschlussfähigkeit zu sorgen.

Unterbrechung: 13.31 Uhr.