Vielen Dank, Herr Felke. - Vor der vereinbarten Fünfminutendebatte hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Heyer um das Wort gebeten. Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Sitte, die Situation ist ein bisschen anders als in Halberstadt. Wir haben es hierbei mit der beabsichtigten Fusion zweier großer Unternehmen zu tun, die insbesondere in Ostdeutschland - ich sage es einmal so: rund um Berlin in Ostdeutschland - eine Reihe von Standorten haben. Deshalb glaube ich, dass es sinnvoll ist, dass die Landesregierung und der Landtag deutlich machen, welches immense Interesse sie daran haben, dass dieser Standort nicht nur bestehen bleibt, sondern dass er - das ist ja auch eine Chance dieser Fusion - gestärkt wird.
Es gibt natürlich klassische Konkurrenzen zu anderen Standorten. Wir allesamt müssen in diesem Fall deutlich machen, was wir tatsächlich wollen. Aus diesem Grunde bin ich schon in Gespräche mit dem neuen Europabevollmächtigten Herrn Dr. Buttmann, dem Nachfolger von Herrn Witt, eingetreten.
Der Ministerpräsident, die Oberbürgermeisterin von Halle und ich selbst sind auf der Innotrans in Berlin gewesen und haben mit dem kanadischen Vorstand über diese Dinge gesprochen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man auch in Quebec sehr genau weiß, wie die Situation in Ostdeutschland ist, dass man über die Probleme der Arbeitslosigkeit Bescheid weiß, dass man über die Probleme des Standorts Halle-Ammendorf Bescheid weiß, dass man natürlich weiß, wie das Produktionsprofil ist. Aber man weiß auch, welche Fördergelder bereits in diesen Standort geflossen sind; diese will man auch nicht einfach wegwerfen.
Wir sind - das glaube ich auch für den Herrn Ministerpräsidenten sagen zu dürfen - auf viel Verständnis gestoßen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns dieser Fusion nicht entgegenstellen werden, sondern dass wir sie eher unterstützen würden. Ich muss Ihnen sagen: Ein langes Rumgerede über Fusionen tut beiden Unternehmen nicht gut.
Es gibt aber jetzt in Brüssel - das muss man einfach einmal so sagen - zwei Wege: einen schnellen und einen langsamen Weg. Der langsame Weg wird fünf Monate dauern. Ich hoffe eigentlich darauf, dass auch die Europäische Kommission in Brüssel sehr schnell entscheiden wird, sodass wir dann in Verhandlungen mit der Leitung von Bombardier eintreten werden.
Wir werden uns dann natürlich vor Ort begeben, ins Werk. Der Ministerpräsident, ich selbst und Frau Oberbürgermeisterin Häußler werden uns dann mit den Abgeordneten, die dazu eingeladen werden wollen, ins Werk begeben und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reden; denn ich glaube, wir müssen deutlich machen, dass das natürlich eine Gefahr sein kann für die Arbeiter - ich will das gar nicht wegreden -, dass wir aber auch eine große Chance darin sehen, diesen Standort weiter auszubauen.
Ein so starker Partner kann bei dem Vorstand der Deutschen Bahn AG - dort werden ja die Verträge geschlossen, dort werden die Aufträge erteilt - vielleicht mit größerer Überzeugungskraft erreichen, dass - Herr Felke hat darauf hingewiesen; er hat auch das Profil von Halle-Ammendorf genannt - Aufträge kontinuierlich über die Jahre hinweg erteilt werden, sodass man dann auch mit einem festen Personalbestand rechnen kann.
Das ist jetzt in Angriff genommen worden. Ich habe mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn auch über diese Frage gesprochen. Ich habe den Eindruck: So langsam sieht sich die Bahn in der Lage, auch die Aufträge, die dringend erforderlich sind, wieder zu erteilen.
Ich bitte Sie herzlich - ich darf das für die Landesregierung tun -, die Landesregierung zu unterstützen und damit auch diesen Antrag gemeinsam zu unterstützen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Die Debatte wird eröffnet von der CDUFraktion. Es spricht die Abgeordnete Frau Liebrecht. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, dass wir uns einem Thema widmen, das eine hohe Brisanz hat und deshalb unserer Aufmerksamkeit bedarf. Es ist selbstverständlich, dass es mich als örtliche Abgeordnete besonders tangiert.
Es geht um den Erhalt des größten Industriestandortes in Halle, der Waggonbau AG Ammendorf, und damit verbunden um die Sicherung von 930 Arbeitsplätzen. Die Sorge wird noch größer, wenn ich bedenke, dass die regierungstragende SPD-Fraktion die eigene Landesregierung in einem Antrag auffordert, sich für diesen wichtigen Standort des Landes einzusetzen.
(Herr Dr. Süß, PDS: Aber nicht verstanden! - Hei- terkeit bei der PDS - Herr Sachse, SPD: Auch Sie sollen zustimmen!)
Ich denke, das Thema hätte bereits umfassender im Rahmen der Selbstbefassung in den betreffenden Ausschüssen des Landtages beraten werden können;
denn wir müssen aufpassen, dass wir mit solchen Debatten im Plenum nicht dem Ruf des Unternehmens schaden.
Es ist richtig, dass wir uns damit befassen; denn zu dem Industriestandort Waggonbau sind keine Lippenbekenntnisse gefragt, sondern konkrete Zusagen und Verhandlungsergebnisse der Landesregierung.
Ich habe es positiv aufgenommen und hoffe, dass dann eine Kontinuität entsteht und dass die entsprechenden Aufträge folgen. Denn aus aktuellem Anlass haben die Vertreter des DWA-Vorstandes und der Werksleitung den Betriebsrat und die IG Metall unterrichtet, dass die Auftragslage ab Mitte 2001, bedingt durch nur eine Fertigung, nämlich die S-Bahn Berlin, nur noch eine Personalkapazität von 250 gegenüber bisher 930 Mit- arbeitern bindet.
Inzwischen zeichnet sich das Werk - trotz vieler überstandener Krisen - als ein flexibler Mehrproduktenstandort aus, der erhalten werden muss. Darüber sind wir uns alle einig.
Wir wissen, dass es Probleme in der Auftragsbeschaffung gibt. Die Akquisition von Aufträgen ist nicht die originäre Aufgabe der Politik, aber dieser Markt exis- tiert nicht unabhängig von den politischen Entscheidungen. Denn dieser Markt lebt von verkehrspolitischen Weichenstellungen, die die Politik zu entscheiden hat.
Im Zuge der Regionalisierung der Bahn ist die regionale Bahngesellschaft Nasa in Sachsen-Anhalt entstanden. In diesem Zusammenhang hat der Bund finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Diese gilt es für die regionalen Schienenfahrzeuge ebenfalls zu nutzen. Hier sind also auch konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für die Bahnindustrie gegeben, die das Land nutzen sollte, um dem Industriestandort Halle-Ammendorf, einem der modernsten Unternehmen unter den Bahnherstellern in Europa überhaupt, eine weitere Überlebenschance zu eröffnen und dadurch den Zugang zu neuen Märkten zu erhöhen.
Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Deutsche Bahn AG dringend notwendige Bestellungen gestrichen bzw. weiter hinausgezögert hat. Durch die ausbleibenden Aufträge von der Deutschen Bahn AG sehen sich die Hersteller von Bahntechnik in ihrer Existenz bedroht. Und wenn sich dies weiter hinzieht, können die schon reduzierten Kapazitäten der Industrie nicht weiter aufrechterhalten werden, zumal im Schienenfahrzeugbau - wir haben es bereits gehört - Überkapazitäten vorhanden sind.
Inzwischen geht es an die Substanz der Unternehmen, sodass Konkurse und weitere Betriebsschließungen absehbar sind und die Lebensfähigkeit der gesamten Branche gefährdet ist.
Deshalb fordert die CDU-Fraktion Ministerpräsident Höppner, Verkehrsminister Heyer und Wirtschaftsminister Gabriel auf, sich persönlich bei der Bundesregierung bzw. beim Bundesverkehrsminister dafür einzusetzen, dass die Deutsche Bahn AG endlich Aufträge erteilt, von denen unter anderem auch der Waggonbau Ammendorf profitieren kann.
Die Landesregierung ist in der Pflicht, - es hat den Anschein, dass sie es auch schon getan hat - sich offensiv für diesen Standort einzusetzen. Dabei geht es aber nicht nur um den Erhalt des Werkes Ammendorf, sondern auch um die zahlreichen Zulieferunternehmen. Das Werk muss einbezogen werden bei der Vergabe von Aufträgen zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs im Bahn- und Straßenbahnbereich mit Produktenaustausch anderer DWA-Standorte.
Die CDU-Fraktion unterstützt das Anliegen und fordert deshalb, dass sich die Ausschüsse für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten schnellstmöglich mit dem Industriestandort Waggonbau Ammendorf befassen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als zweitgrößter Arbeitgeber in der Metallindustrie im Land Sachsen-Anhalt muss die Waggonbau AG erhalten bleiben. Zurzeit beschäftigt die Deutsche Waggonbau AG in Halle-Ammendorf noch 960 Beschäftigte einschließ- lich Auszubildende. Doch durch die Konzernleitung ist ab dem 1. Januar 2001 eine Reduzierung auf 863 Arbeitnehmer vorgesehen. Als Grund hierfür wird eine schlechte Auftragslage angegeben.
Von der Landesregierung erwarten wir ein klares Bekenntnis zum Standort Halle-Ammendorf, um die dortigen Arbeitsplätze zu sichern und weiter auszubauen. Weiterhin erwarten wir, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene mit der Konzernleitung der Waggonbau AG zusammenfindet, um schnellstmöglich ein Konzept zu erarbeiten, den Standort Halle-Ammendorf wieder attraktiv zu gestalten.
Es gilt hier Arbeitsplätze zu erhalten und deren Zahl wenn möglich zu erhöhen. Jeder Verlust eines Arbeitsplatzes bedeutet auch Identitätsverlust. Gehen weitere Arbeitsplätze verloren, so ist der Abwanderungsprozess im Land Sachsen-Anhalt nicht mehr aufzuhalten.
Deshalb sollte sich die Landesregierung schnellstmöglich für eine Erhöhung und Verstetigung der Investitionsmittel zur Modernisierung des Fahrzeugparks, für den Neu- und Ausbau geplanter ICE-Trassen - deshalb auf Bundesebene - sowie für die Forcierung des Ausbaus der Bahninfrastruktur im Fern- und Nahbereich einsetzen.
Ich hoffe, dass dies die Landesregierung ebenso sieht und im Falle Halle-Ammendorf die Notbremse zieht, um einen weiteren Verfall zu stoppen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wort zu der öffentlichen Behandlung solcher Anträge hier im Landtag. Ich denke, es sollte jetzt nicht eine Partei gegen die andere ausgespielt werden, ob der eine Standort oder der andere hier richtig behandelt werden soll. Wenn es darum geht, dass der Landtag ein politisches Signal aussenden soll - und das soll er in beiden Fällen -, dann ist es richtig, hierüber zu reden.
Nach dem Antrag der SPD-Fraktion soll die Landesregierung im Wirtschaftsausschuss berichten, ob und in welchem Umfang der Standort Halle-Ammendorf durch die geplante Fusion der Daimler-Chrysler-Tochter Adtranz mit Bombardier Transportations betroffen ist und welche Perspektiven sich hieraus für die Arbeitsplätze ergeben.
Zu möglichen Standortschließungen sagte der Chef der Bahntechniksparte beim kanadischen BombardierKonzern Leblanc, hier gebe es keinerlei konkrete Pläne. Auch zur Zukunft des Bombardier-Werkes HalleAmmendorf äußerte sich der Manager nicht. Allerdings sprach er von Umstrukturierungsprogrammen, die notwendig seien. - Dies sagte er vorgestern, am 12. September, in Berlin zur geplanten Übernahme des Schienentechnikkonzerns Adtranz.
Von der Landesregierung ist kaum zu erwarten, dass sie eine Unternehmensentscheidung der Bombardier Transportations vorwegnehmen kann. Dennoch stimmen wir dem Antrag zu, weil im Punkt 2 die Landesregierung aufgefordert wird, die Befürchtungen der Mitarbeiter aufzunehmen und sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Erhalt des Standortes und die Sicherung der Arbeitsplätze einzusetzen.
Denn Herr Leblanc sagte auch: Im Verkehrsbereich rechnet der Bombardier-Konzern mit einem enormen Wachstum in den kommenden Jahren, mindestens 20 bis 25 % allein in den nächsten fünf Jahren.
Dazu meinen wir: Hier liegen Chancen für die Schienenfahrzeugbauunternehmen in Sachsen-Anhalt. Denn die Unternehmen Waggonbau Ammendorf, Fahrzeugtechnik Dessau, Fahrzeugbau Halberstadt, FEW Blankenburg, die Reparatur- und Dienstleistungsbetriebe Stendal und anderswo sowie Zulieferer, zum Beispiel in Ilsenburg, haben auf der einen Seite äußerst schmerzhafte Umstrukturierungsprozesse überstehen müssen, vor allem die entlassenen Menschen und Fachkräfte. Sie haben aber auch Produkte und Leistungen entwickelt, die wettbewerbs- und weltmarktfähig sind; ich nenne den Metropolitan-Zug aus Dessau oder S-Bahnen und ICE-Wagen aus Halle und anderes.
Wenn nun der Bombardier-Konzern einen wachsenden Markt einschätzt, so kommt nach unserer Auffassung der Deutschen Bahn AG gerade jetzt eine besondere Bedeutung als Auftraggeber zu und damit auch der Bundesregierung als Vertreter des Alleingesellschafters der Bahn AG.