Protocol of the Session on September 14, 2000

Meine Damen und Herren! Alternativ zur vorgeschlagenen gesetzlichen Konsolidierung käme unter Beachtung der kommunalen Selbstverwaltung nur ein staatlicher Zuordnungsakt nach § 76 a der Gemeindeordnung in Betracht. Jedoch darf dieser nur im Einzelfall und unter anderem nach einer Anhörung der angrenzenden Gemeinden und des Landkreises erfolgen.

Abgesehen von der Frage, ob bei 40 % der Verwaltungsgemeinschaften überhaupt noch von einem Einzelfall gesprochen werden kann, würde der Weg über § 76 a zudem ein sehr umfängliches und zeitaufwendiges Verfahren erfordern, dessen Ende bei streitlustigen Gemeinden im Hinblick auf das anschließende gericht- liche Verfahren in keiner Weise absehbar wäre.

Mit der pragmatischeren Lösung einer Konsolidierung durch Gesetz lehnt sich der vorliegende Entwurf an die Heilungsvorschriften bezüglich der Zeckverbände an. Mit diesem Gesetz wurden seinerzeit Gründungsfehler von Zweckverbänden geheilt. Das Landesverfassungsgericht hat dieses Gesetz im Dezember 1997 auch im Hinblick auf die besonders umstritten gewesene Frage der Rückwirkung im Gesetzgebungsverfahren für verfassungsgemäß erklärt. Diese Rechtsprechung war mit der Ausgangspunkt für unsere Überlegungen zu einem Heilungsgesetz für die Verwaltungsgemeinschaften.

Auch andere Bundesländer haben bereits von einer ähnlichen Heilungsregelung für ihre kommunalen Körperschaften Gebrauch gemacht. So traf der Freistaat Sachsen im Januar 1998 für seine Verwaltungsgemeinschaften eine ähnliche Regelung in Artikel 2 des Gesetzes zur Ordnung der Rechtsverhältnisse der Verwaltungsverbände, Verwaltungsgemeinschaften und Zweckverbände. Auch Thüringen schuf bereits 1996 eine vergleichbare Regelung. Diese wurde allerdings in die gesetzliche Neugliederung der kommunalen Landschaft mit eingegliedert.

Meine Damen und Herren! Das Ihnen heute vorgeleg- te Gesetz zur Konsolidierung der Verwaltungsgemeinschaften überwindet nicht nur die Gründungsfehler, es erfasst auch sämtliche von einer Verwaltungsgemeinschaft getätigten Rechtshandlungen wie Satzungen und Verwaltungsakte. Niemand, der sich von der Standesbeamtin seiner Verwaltungsgemeinschaft trauen ließ, muss mehr fürchten, dass er seit Jahren im Zustand ständiger Unzucht gelebt hat; andererseits kann auch niemand mehr darauf hoffen, dass seine Ehe nie geschlossen wurde.

(Heiterkeit - Herr Becker, CDU: Vielleicht wäre er ganz froh!)

Meine Damen und Herren! Auch und gerade für die anstehende Gemeindegebietsreform ist das Gesetz von besonderer Bedeutung. Es ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit die erforderliche Rechtssicherheit herzustellen, und schafft damit für die Verwaltungsgemeinschaften eine stabile Ausgangslage, von der aus die Reform durchgeführt werden kann, ohne dass dann vielleicht noch rechtliche Zweifel an der Ausgangssituation bestehen.

Die kommunalen Spitzenverbände haben den Gesetzentwurf in der Anhörung nachdrücklich begrüßt. Ich weiß nicht, wer die Stellungnahmen erstellt hat, ob die Geschäftsführer oder die Präsidien. Aber das muss heute keine Rolle spielen. Auch dies verdeutlicht die drin

gende Notwendigkeit zur Schaffung der erforder-lichen Rechtssicherheit vor Ort.

Um die bestehenden Unsicherheiten von vielen Verwaltungsgemeinschaften so bald wie möglich zu überwinden, bitte ich Sie um eine zügige Beratung im Innenausschuss und im Rechtsausschuss. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Be- cker, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Wir sind zwar erstaunt, was Sie alles mit diesem Gesetzentwurf heilen wollen, hielten aber im Ältestenrat dennoch eine Fünfminutendebatte für ausreichend.

(Heiterkeit)

Diese wird in folgender Reihenfolge durchgeführt: CDU, FDVP, SPD, DVU-FL und PDS.

Bevor ich den ersten Redner aufrufe, darf ich unter uns eine Gästegruppe vom Bundeswehrstandort Burg begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die CDU-Fraktion wird die Debatte vom Abgeordneten Herrn Jeziorsky eröffnet. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Konsolidierung der Verwaltungsgemeinschaften werden wir an die schwierigen Diskussionen in der vergangenen Wahlperiode um die Heilung von Gründungsfehlern bei Abwasserzweckverbänden erinnert. Letztendlich geht es bei beiden Formen der kommunalen Gemeinschafts- arbeit um dieselben Problemlagen.

Auf die besonderen Probleme bei den Verwaltungsgemeinschaften hat der Herr Innenminister in seiner Einbringung ausreichend hingewiesen, sodass ich mir das sparen kann.

Auf eines möchte ich jedoch hinweisen: Ende 1998 waren in Sachsen-Anhalt Gerichtsentscheidungen ergangen, in denen Gründungsfehler von Verwaltungsgemeinschaften maßgeblich für die Urteile waren. Die CDU-Landtagsfraktion hat in ihrer Anfrage zur Zukunft der Verwaltungsgemeinschaften auch Fragen nach diesen Fällen gestellt. Damals war schon erkennbar: Handlungen sind notwendig, um diese Gründungsfehler, die möglicherweise bei Gericht zu Konsequenzen führen, zu beseitigen.

Ich hoffe nur, dass diesmal, anders als beim Heilungsgesetz zu den Abwasserzweckverbänden, hier nicht politisiert wird, sondern das Sachthema zügig beraten wird.

Herr Innenminister, Sie hatten gesagt, das Heilungsgesetz - es war aber das zweite - habe beim Verfassungsgericht Sachsen-Anhalts Bestand gehabt. Beim ersten war dies nicht der Fall. Ich glaube, die Ursache dafür lag darin, dass dies zu einem Politikum hochstilisiert wurde und wir nicht an der Sache diskutiert haben.

Gerade bei einem solchen Gesetz, bei den schwerwiegenden Rechtsfolgen, die sich eventuell aus Gründungsmängeln ergeben können, und bei den komplizierten

Rückwirkungsproblematiken steckt der Teufel bekanntlich im Detail. Daher bin ich zwar für eine zügige Beratung, aber auch für eine sorgfältige. Insofern ist eine federführende Beratung im Innenausschuss und die Mitberatung im Ausschuss für Recht und Verfassung aus meiner Sicht wichtig, um diesem Aspekt der Sorgfalt Rechnung zu tragen.

Ich denke aber trotzdem, dass wir dieses Gesetz recht zügig beraten können und damit für die Rechtssicherheit der Verwaltungsgemeinschaften und für die rechtliche Bestandskraft ihrer Entscheidungen und Verwaltungsakte sorgen können. Vonseiten der CDU kann ich Ihnen eine konstruktive Beratung auf jeden Fall garantieren, zumal wir als CDU dieses bewährte Modell der kommunalen Gemeinschaftsarbeit auch in Zukunft dauerhaft erhalten wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Wolf. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wünsche gehen manchmal in Erfüllung, schneller als man es will. Sie wollten couragierte Bürger. Sie stehen auf dem Domplatz. Herr Höppner, man hat bereits nach Ihnen verlangt.

Zum Gesetzentwurf. Wäre der Schuster bei seinem Leisten geblieben, brauchte er nicht nachzubessern, nachzukleben, nachzuhämmern und nachzuschienen.

(Zuruf von Herrn Siegert, SPD)

Die Landesregierung fühlt sich für alles zuständig, kann alles, weiß alles besser und schustert dann einen Nachtrag ins Parlament, der sich bei einer sorgfältigen Vor- bereitung erübrigt hätte.

Bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Konsolidierung der Verwaltungsgemeinschaften handelt es sich um ein rückwirkendes Gesetz oder eben auch um ein Heilungsgesetz. Für begünstigende Gesetze gilt ein Verbot der Rückwirkung nicht. Der Betroffene kann auf das geltende Recht bei seinem Planen dann nicht vertrauen, wenn es unklar und verworren ist. In solchen Fällen muss es dem Gesetzgeber erlaubt sein, die Rechtslage rückwirkend zu klären.

Der Betroffene kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm oder nicht vorhandene Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Der Gesetzgeber kann daher unter Umständen eine nichtige Bestimmung rückwirkend ersetzen. Zwingende Gründe liegen im allgemeinen Wohl, das dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet ist und eine Rechtsrückwirkungsanordnung recht- fertigt.

Gemäß den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen dürfte der Vorgang gerade noch als verfassungskonform einzuordnen sein, weil der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bei unklarer und verworrener Rechtslage handeln darf.

§ 75 b des Entwurfes regelt Selbstverständliches: Wer in die Verwaltungsgemeinschaft eintritt, darf auch austreten, wenn er es für geboten erachtet. Dennoch ist

bezüglich des Austritts ein bestimmtes Prozedere zu beachten, das seinen Niederschlag in § 75 b Abs. 2 des Entwurfes gefunden hat.

Die Fraktion der FDVP stimmt dem Regierungsentwurf zu.

(Herr Siegert, SPD: Nein!)

Es wird geheilt. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Hoffmann. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir begrüßen die Vorlage dieses Gesetzentwurfes zur Konsolidierung der Verwaltungsgemeinschaften. Man könnte sagen: The same procedure wie schon bei anderen Heilungsgesetzen. Dennoch ist es nicht ganz vergleichbar.

Die bei fehlerhaft gegründeten Verwaltungsgemeinschaften zu bewältigenden Probleme gleichen weitgehend denen bei fehlerhaft gegründeten Zweckverbänden, sind aber nicht identisch. So wie hier bereits der Gesetzgeber erfolgreich und befriedend durch das zweite Heilungsgesetz eingegriffen hat, ist er auch bei den Verwaltungsgemeinschaften gefordert.

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch das in diesem Heilungsgesetz vorgesehene Austrittsfenster, das es Gemeinden, die die Gemeinschaftsvereinbarung nicht durch den Gemeinderat beschlossen haben, ermöglicht, innerhalb von drei Monaten nach In-Kraft-Treten des Gesetzes ihren Austritt zu erklären.

Damit wird richtigerweise sichergestellt, dass eine Gemeinde grundsätzlich nicht zwangsweise Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft sein muss, wenn ihr oberstes Organ, der Gemeinderat, einer Mitgliedschaft nie zugestimmt hat. Dies ist zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung unabdingbar.

Der Innenminister hat die Inhalte des Gesetzentwurfs umfassend dargestellt, sodass ich im Folgenden nur verdeutlichen will, in welchem politischen Kontext wir dies sehen.

Meine Damen und Herren! Es ist zu betonen, dass sich durch das Einbringen dieses Gesetzentwurfs an der fachlichen Bewertung von Verwaltungsgemeinschaften im Verhältnis zu Einheitsgemeinden nichts ändert. Einheitsgemeinden sind weiterhin die bessere Alternative und sind Verwaltungsgemeinschaften, egal in welcher Form, vorzuziehen. Insbesondere der Umstand, dass im Hinblick auf die Verwaltungsgemeinschaften von der Landesregierung ein Heilungsgesetz eingebracht werden muss, zeigt den Nachteil von Verwaltungsgemeinschaften gegenüber Einheitsgemeinden.

In 76 Fällen - diese sind nur bekannt - sind die handelnden Personen der Mitgliedsgemeinden in den Verwaltungsgemeinschaften offenbar so zerstritten, dass sie sich nicht zur Anpassung der Gemeinschaftsvereinbarungen in der Lage sehen. Dies hat die Folge, dass die Verwaltungsgemeinschaften ein rechtliches Nullum sind.

Mit welchen Argumenten derzeit auch immer im Lande versucht wird, Verwaltungsgemeinschaften schönzureden, der Umstand, dass für die Verwaltungsgemeinschaften ein Heilungsgesetz notwendig ist, illustriert wie kein anderer die Reibungsverluste, die bei einer auf den guten Willen der Beteiligten angewiesenen Verwaltungseinheit entstehen.

(Frau Wernicke, CDU: Das ist doch Quatsch! Es war doch ein Gründungsfehler! - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Der Gesetzentwurf dient nicht zuletzt der Vorbereitung der Kommunalreform. Verwaltungsgemeinschaften alter Prägung werden in der Zukunft keinen Bestand haben. Ihre Rechtsnachfolger bedürfen und erhalten aufgrund des heute eingebrachten Gesetzentwurfs Rechtssicherheit bezüglich ihrer Rechtsvorgänger. Dieses scheint uns und mir die wichtigste Botschaft des heutigen Tages zu sein.