Protocol of the Session on September 14, 2000

Irgendwann hat ein Vertreter Ihrer Fraktion kritisiert, dass wir das Landesverwaltungsamt erst im Jahre 2007 bilden wollen. Jetzt spreche ich vom Jahr 2005. Erst kritisieren Sie das Jahr 2007 und jetzt, wenn wir es vorziehen wollen, das Jahr 2005.

Was haben Sie von diesem Gesetz erwartet? Es konnte doch nur ein Programm- oder Zielgesetz, ein deklaratorisches Gesetz sein. Wenn Sie konkret alle Aufgaben - es sind vielleicht 1 000 - und Strukturen aufgelistet haben wollen, dann hätten wir im dritten Quartal überhaupt nichts vorlegen können. Dann wäre es so etwas wie der Einigungsvertrag geworden. Wie der zusammengesetzt wurde, das wissen Sie selbst am besten.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Das waren wohl die entscheidenden Punkte. Mehr war dem, glaube ich, nicht zu entnehmen.

Noch ein schönes Beispiel. Ich war am Wochenende beim Sachsen-Anhalt-Tag. Es war ein wunderschönes Fest. Ich habe an einer Podiumsdiskussion teilgenommen zum Thema Bitterfeld/Wolfen.

(Herr Schulze, CDU: Lauter SPD-Bürgermeister, ja!)

- Es sind gewählte Bürgermeister. Es ist egal, von welcher Partei sie kommen. Ich spreche auch nicht vom CDU-Bürgermeister, sondern vom Oberbürgermeister Becker aus Naumburg.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD und von der PDS - Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

- Herr Schulze, Sie können sich doch zum Bürgermeister wählen lassen. Dann diskutieren Sie mit. Es waren gewählte Bürgermeister.

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

In der vorigen Woche fand in meinem Ministerium eine Beratung zur Verflechtungsanalyse Stadt/Umland statt. Dabei schlug jemand vor, man könnte doch Bitterfeld und Wolfen zu einer großen Stadt zusammenlegen und diese mit den umliegenden Gemeinden zusammenschließen. So entstünde die viertgrößte Stadt in Sachsen-Anhalt. Ich habe geglaubt, wir können es uns nicht erlauben, eine solche Diskussion anzufangen.

Ich war nun zu dieser Podiumsdiskussion auf dem Sachsen-Anhalt-Tag eingeladen. In der Diskussion waren alle, egal von welcher Partei, der Meinung, das wäre eine gute Lösung. Vor einem drei viertel Jahr hätte niemand in Bitterfeld oder Wolfen gesagt, wir wollen diese große Stadt bilden.

(Herr Becker, CDU, winkt ab)

Jetzt ist man viel weiter. Es wurde eine Umfrage durchgeführt, die zwar nicht repräsentativ, aber gut war. Danach haben sich 85 % der Befragten für diese größere Struktur ausgesprochen, weil man darin eine Chance für die Region sieht. Die Entwicklung ist weiter, als Sie denken. Bleiben Sie nicht auf der Stelle stehen, sonst werden Sie davon überrollt.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt darf der Abgeordnete Herr Dr. Bergner die von ihm angemeldete Frage stellen. Bitte schön.

Herr Minister, wir beide waren Gast beim letzten Landkreistag. Ich zitiere einen Satz, den Sie auch gehört haben. Er stammt aus der Rede des Präsidenten des Landkreistages, Landrat Ermrich. Ich habe mir diesen Satz notiert, er lautet:

„Angesichts der ungelösten Reform der Landesverwaltung und Funktionalreform ist für uns eine Kreisgebietsreform gegenwärtig kein Thema.“

Sie haben gehört, dass dies der einzige Satz war aus einer Rede, die an diesem Tag gehalten wurde, der spontan Beifall bekommen hat.

(Herr Becker, CDU: Wo ist die Zustimmung?)

Ich frage Sie:

Erstens. Wie beurteilen Sie die Zustimmung des Landkreistages im Lichte dieser Rede?

Zweitens. Müssen wir jetzt davon ausgehen, dass der Präsident des Landkreistages nach Ihren Kategorisierungen auch eine Totalopposition betreibt?

Die Rede des Präsidenten habe ich vollkommen anders verstanden. Er hat im Grunde gesagt - daher kam dann mein Beifall -: ohne Funktionalreform keine Kreisgebietsreform. Das ist die Kernaussage gewesen. Der Hintergrund war genau der.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ich habe wörtlich mit- geschrieben!)

Ich habe am Abend vorher mit den Landräten diskutiert. Das stand auch in der Zeitung. Genau die Grundstimmung ist es gewesen.

Warum, Herr Bergner, sprechen Sie nicht von der Rede, die dort Herr Pfützner gehalten hat, der Bürgermeister von Eisleben, als Grußwort des Städte- und Gemeindebundes? Er hat sich sehr positiv zu dieser Gemeinde- und Kreisgebietsreform geäußert. Wenn Sie das ansprechen, dann bitte vollständig. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Wernicke, CDU: Eine Meinung - keine Meinung!)

Danke. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Beantragt und der Sache nach geboten ist eine Ausschussüberweisung. Frau Budde hat die Überweisung in den zeitweiligen Ausschuss federführend und zur Mitberatung in den Innenausschuss sowie in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt. Da es um Geld geht, frage ich, ob auch der Finanzausschuss beteiligt werden sollte. Nach der Geschäftsordnung wäre das der Fall.

(Frau Budde, SPD: Nein! Aus unserer Sicht nicht!)

- Sie wünschen nicht, dass darüber abgestimmt wird. Das wäre dann eine Geschäftsordnungsfrage.

Dann lasse ich über die beantragte Überweisung in die drei Ausschüsse abstimmen. Die Federführung soll beim zeitweiligen Ausschuss liegen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer großen Zahl von Gegenstimmen ist dies mit Mehrheit beschlossen; 24 Stimmen wären ausreichend gewesen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 5 abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Konsolidierung der Verwaltungsgemeinschaften

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 3/3581

Der Gesetzentwurf wird vom Minister des Innern Herr Dr. Püchel eingebracht. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Vergangenheit hat sich der Landtag schon einmal ausführlich mit der Heilung von Gründungsfehlern beschäftigt. Damals, vor vier Jahren, betraf es Fehler bei der Gründung von Abwasserzweckverbänden. Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir einen

analogen Weg für die Verwaltungsgemeinschaften beschreiten; denn wir stehen hierbei vor einem ähnlichen Problem.

Die gesetzliche Grundlage für die Bildung der Verwaltungsgemeinschaften war das Gesetz zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit. Nachdem die Regelungen zur Verwaltungsgemeinschaft in die Gemeindeordnung übernommen worden waren, mussten die Gemeinschaftsvereinbarungen der in den Jahren 1990 bis 1993 gegründeten Verwaltungsgemeinschaften an die neue Gemeindeordnung angepasst werden.

Während in 60 % der Fälle neue Gemeinschaftsvereinbarungen abgeschlossen wurden, erfolgte dies bei den restlichen 40 % leider nicht. Diese Verwaltungsgemeinschaften arbeiten heute noch auf der Grundlage der ersten Gemeinschaftsvereinbarung, die jedoch in vielen Fällen mit Verfahrensfehlern verbunden war. Seit Mai 1996 versuchen die Kommunalaufsichtsbehörden aller Ebenen, diese Gründungsfehler durch eine Beratung zu heilen und die Rechtssicherheit vor Ort herzustellen.

Trotz intensiver Maßnahmen ist es in den vergangenen vier Jahren nicht gelungen, alle betroffenen Kommu- nen von der Notwendigkeit dieser Heilung zu überzeugen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Beteiligte Mitgliedsgemeinden konnten sich nicht über den Inhalt der neu abzuschließenden Gemeinschaftsvereinbarung einigen. Probleme entstanden vornehmlich hinsichtlich der Festlegung des Sitzes der Verwaltungsgemeinschaft, der zahlenmäßigen Besetzung des Gemeinschaftsausschusses und des Umlageschlüssels.

Einzelne Gemeinden versuchen sich durch ihre Verweigerungshaltung von der Verwaltungsgemeinschaft zu lösen und wieder eine hauptamtliche Verwaltung mit einem hauptamtlichen Bürgermeister zu bilden.

In zahlreichen Fällen sehen die Mitgliedsgemeinden die Notwendigkeit der Anpassung der Verwaltungsgemeinschaften trotz intensiver Beratung durch die Kommunalaufsichtsbehörden bis heute nicht bzw. sie wollen sie nicht sehen, was eine gewisse Beratungsresistenz erkennen lässt.

Die Folge dieser Versäumnisse ist, dass diese Verwaltungsgemeinschaften nicht als Personen des öffentlichen Rechts entstanden sind und dass die von ihnen gesetzten Rechtsakte angreifbar bzw. theoretisch sogar unwirksam sind.

Als Gründungsfehler treten insbesondere auf: a) fehlende Nachweise über die Beschlussfassung in den Mitgliedsgemeinden, b) fehlender Nachweis über die Bekanntmachung, c) fehlende öffentliche Bekanntmachung der Gemeinschaftsvereinbarung und der Genehmigung der Kommunalaufsicht im Wortlaut.

An dieser Stelle greift das vorliegende Gesetz ein. Mit ihm sollen die in der Vergangenheit bei der Gründung aufgetretenen Fehler geheilt und dadurch die Verwaltungsgemeinschaften in ihrer bisherigen Zusammensetzung stabilisiert werden. Mittels einer Fiktion gelten die wegen Gründungsfehlern nicht ordnungsgemäß gebildeten Verwaltungsgemeinschaften rückwirkend als geheilt.

(Herr Becker, CDU: Gut!)

Eine Sonderregelung ist im Gesetz für die Gemeinden vorgesehen, die zurzeit Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft sind, ohne dass der Gemeinderat je über

die Mitgliedschaft entschieden hat. Das Gesetz ermöglicht es diesen Gemeinden, aus der Verwaltungsgemeinschaft auszutreten.

Meine Damen und Herren! Alternativ zur vorgeschlagenen gesetzlichen Konsolidierung käme unter Beachtung der kommunalen Selbstverwaltung nur ein staatlicher Zuordnungsakt nach § 76 a der Gemeindeordnung in Betracht. Jedoch darf dieser nur im Einzelfall und unter anderem nach einer Anhörung der angrenzenden Gemeinden und des Landkreises erfolgen.