Protocol of the Session on September 14, 2000

Wir haben als Landtag die Aufgabe, die Rahmenbedingungen festzulegen, damit die Größenordnung, die kommunale Struktur bekannt ist. Wir sagen deutlich, was die Landkreisgrößen angeht und was die Größe der Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften angeht.

Wir haben gesagt, welchen Grundsatz wir bei der Aufgabenverteilung haben wollen, nämlich grundsätzliche Zweistufigkeit. Wir haben gesagt, die Beweislastumkehr soll gelten, und daran werden wir - das wissen wir - im Einzelfall hart diskutieren müssen. Wir haben auch gesagt: Die Kriterien, die Ausnahmekriterien, warum etwas nicht kommunalisiert werden kann, wird ein weiteres Gesetz regeln, und darüber werden wir uns zu verständigen haben, ob wir dafür eine Mehrheit im Landtag bekommen oder nicht.

Es ist also, alles in allem, ein prozesshafter Charakter dieser Verwaltungs- und dieser Funktional- und Kommunalreform. Da gibt es nicht ein Schwarz oder ein Weiß, sondern da gibt es ganz viele Grauzonen, die im Prozess gestaltet werden müssen. Es gibt keine einfache Antwort auf eine Reform unter laufendem Betrieb.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich würde jetzt gerne nur noch grundsätzliche Fragen zulassen, die für die erste Beratung wesentlich sind.

(Frau Lindemann, SPD: Ja!)

Sie, Frau Budde, würden auch keine weiteren mehr beantworten. Damit hat sich das erledigt. Ich bedanke mich.

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich Seniorinnen und Senioren aus Schwanebeck unter uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wiechmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann sich hier des Eindrucks nicht erwehren, dass die Landesregierung um jeden Preis etwas durchsetzen will und dabei selbst Ratschläge solcher erfahrenen Kommunalpolitiker wie unseres werten Kollegen Becker in den Wind schlägt.

Aus dem Ersten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform wurde ein zweites. Inhalt und Form haben sich nicht verändert. Die grundsätzlichen Bedenken bleiben.

Der Gesetzgebungsdienst hat zum Ersten Vorschaltgesetz eine vernichtende Kritik abgegeben. Diese ist nicht zu ergänzen und wird auch nicht dadurch nivelliert, dass quasi im Vorbeigehen die Kurzfassung einer gutachterlichen Stellungnahme in thesenartiger Zusammenfassung gegeben wird. Dabei ist bemerkenswert, dass hinsichtlich der Qualität und der Inhalte der gutachterlichen Stellungnahme der Gutachter für sich selbst ausführte, dass er wegen der Kürze des zur Verfügung ste

henden Zeitrahmens nur eine überschlägige Prüfung habe vornehmen können,

(Unruhe)

Für die Plenardebatte ist es einfach zu laut im Saal.

- ich danke Ihnen, Herr Präsident - gleichwohl aber eindeutige Aussagen hinsichtlich der Kritiken am so genannten Vorschaltgesetz erlaubt sein sollen.

Wenn der Gutachter von einer rechtlichen Irrelevanz der gesetzlichen Typenbezeichnung ausgeht, dann mag das seine Auffassung sein. Der Hinweis jedenfalls auf eine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung ohne Fundstelle vermag die dahin gehende Kritik des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes nicht zu entkräften, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung zumindest irreführend bleibt.

Es ging dabei nicht nur um rechtsdogmatische Fehlerhaftigkeit und Irreführung, sondern auch um politische. Hier hat die Landesregierung aus der Vergangenheit nicht allzu viel gelernt. Die Kritik ist umso angebrachter, als die Landesregierung bei allen möglichen und unmöglichen Aktualitäten vorgibt, politisch und rechtlich recht sensibel zu sein.

Die Kritik des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes ist damit rechtlich bedeutsam und auch politisch angezeigt. Dass zum Zwecke der Alibifunktion zugunsten der Landesregierung hinzugezogene Gutachten ist aus den Verweisungsgegebenheiten ohne inhaltliche Auseinandersetzung substanzlos. Deutlich wird die Inhaltslosigkeit auch dadurch, dass die Argumente des Innenministeriums herangezogen werden, ohne sich mit der Sache eigentlich auseinander zu setzen.

Gesetz und Freiwilligkeit werden hier miteinander verbunden, ohne dass die Inhalte - das kam vorhin schon recht deutlich heraus - zueinander passen. Es geht doch nicht um eine autonome Entscheidung, sondern um die Anordnung von Funktionen und Tätigkeiten.

Deutlich werden die Bedenken an den Gutachten insbesondere auch dadurch, dass der Gutachter selbst davon ausgeht, und zwar relativierend, dass das Vorschaltgesetz als durchaus sachgerecht erscheint. Einen deutlicheren Vorbehalt gegenüber dem Vorschaltgesetz kann es schon nicht mehr geben.

Auch die Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zur Veränderung der gemeindlichen Gebietsstrukturen durch freiwillige Vereinbarungen werden nicht entkräftet. Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Rigorosität die Landesregierung Positionen bezieht, um ihr Vorhaben zu rechtfertigen. Dabei wird übersehen, dass nicht die Landesregierung die gemeindlichen Gebietsstrukturen verändern kann, sondern im Prinzip nur der Souverän. Darüber hinaus können Körperschaften des öffentlichen Rechts unmittelbar durch Gesetz begründet, aufgelöst oder in ihrem Status modifiziert werden.

In der juristischen Ausbildung mag die Auseinandersetzung mit der Lehre ein wissenschaftliches Spiel sein. In der Praxis jedenfalls funktioniert es nicht. In der Praxis ist maßgebend, wie sich die gerichtliche Entscheidung darstellt.

Es mutet auch eigenartig an, wenn für die Position der Landesregierung sächsisches Verfassungsrecht herbeigezogen wird. Statt sich ernsthaft mit den Bedenken auseinander zu setzen, wird selbst der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst - gestatten Sie mir den Ausdruck - „abgebügelt“. Daraus ergibt sich aber keinerlei Grundposition für das Vorhaben der Landesregierung. An der Ernsthaftigkeit der Landesregierung bestehen somit grundsätzliche Bedenken.

Die Landesregierung mag daher zunächst eine umfassendere Lagebeurteilung erstellen, die allgemeine und besondere Lage der Gemeinden bewerten.

Ich komme zum Schluss. Wir werden einen Entschluss reifen lassen und einen Gesetzentwurf vorlegen, der es verdient, auch so genannt zu werden, dann Gutachter beiziehen, die auch Gutachter genannten werden können, für die Erstellung der Gutachten hinreichend Zeit einräumen, damit abgewogene rechtliche Entscheidungen getroffen werden können, die umsetzungsfähig sind und die Zustimmung des Hohen Hauses finden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Es gibt noch ganz geringe Restredezeiten. Ich frage deshalb: Gibt es noch Wortmeldungen? - Für die Landesregierung spricht der Herr Minister. Bitte schön.

Nur ganz kurz, Herr Präsident. - Verehrter Herr Gallert, ich spreche auch weiterhin vom schlanken Verwaltungsamt. Keine Frage. Dieses will ich auch, das wollte ich immer und das wird auch so bleiben.

Zu der anderen Frage: etwa zehn Landkreise. Ich glaube, wir können nicht einfach herangehen wie bei anderen Ländern, die in der Vergangenheit gestaltet wurden, indem wir Lineale nehmen und Striche ziehen. Es kann immer sein, dass es zum Schluss neun oder elf werden. Es wäre also falsch, so statisch heranzugehen. Das Ziel sind zehn Landkreise, zwei pro Planungsregion. Das steht auch im Entwurf. Aber man muss dann doch die örtlichen Gegebenheiten beachten.

Anfang des nächsten Jahres werden wir einen Entwurf für das Verbandsgemeindemodell vorlegen, sodass Sie dann darüber ausführlich diskutieren können.

Ihren letzten Satz würde ich gern im Protokoll nachlesen. Der klang fast wie eine Drohung. Ich weiß nur nicht, in welche Richtung das gehen sollte.

(Herr Gallert, PDS: Das können Sie selber ent- scheiden!)

- Wenn ich es gelesen habe, werde ich entscheiden: Es war nicht an mich gerichtet.

Nun zu Ihnen, sehr geehrter Herr Becker. Mit der Ihnen eigenen beeindruckenden Rhetorik haben Sie sich praktisch aus dem Reformprozess ausgeklinkt. Ich habe das schon ein bisschen als Fundamentalopposition empfunden.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Köck, PDS)

Was Sie von den beiden Geschäftsführern der Spitzenverbände behauptet haben, weise ich einfach mal zu

rück. Es sind nicht die beiden Geschäftsführer gewesen. Die Stellungnahmen wurden von den Mitgliedern der beiden Verbände erarbeitet. Wenn Sie an dem Wochenende dabei gewesen wären, als die Bürgermeister getagt haben, hätten Sie gewusst, dass es nicht von den Geschäftsführern allein kam.

(Herr Becker, CDU: Meine Meinung ist auch nicht drin! Da sind soundso viele Landkreise nicht ge- fragt worden!)

Ich bitte, Zwischenfragen anzumelden.

Der Landkreistag - da gab es übrigens auch keine Kritik - hat sich im Dezember 1998 für eine Funktionalreform und eine gemeindliche Gebietsreform ausgesprochen. Das ist auch nicht die Entscheidung des Geschäftsführers gewesen.

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Am Ende bitte, wenn ich diese Punkte abgearbeitet habe.

Zum Thema „Verunsicherung des Personals“, Herr Becker. Sie fordern seit Jahren die Abschaffung der Landesämter und die Reduzierung der Ämter. Seit einiger Zeit sprechen Sie davon, man sollte doch warten.

(Herr Becker, CDU: Eingliederung!)

- Das würde nicht reichen. Es müssen doch weniger werden. Ihre Aussage ist schon wieder falsch.

Ihr Fraktionsvorsitzender spricht seit einiger Zeit von zwei Regierungspräsidien, sagt aber nicht, welches eingespart werden soll. Das ist genau die gleiche Verunsicherung. Die gibt es immer, wenn man über Reformen nachdenkt. Reformen haben das Ziel, effizientere Strukturen zu schaffen. Dabei wird weniger Personal benötigt.

(Beifall bei der SPD)

Da gibt es keinen Unterschied zwischen uns. Aber Sie versuchen die Unterschiede herbeizureden.

Irgendwann hat ein Vertreter Ihrer Fraktion kritisiert, dass wir das Landesverwaltungsamt erst im Jahre 2007 bilden wollen. Jetzt spreche ich vom Jahr 2005. Erst kritisieren Sie das Jahr 2007 und jetzt, wenn wir es vorziehen wollen, das Jahr 2005.