Der sechste Punkt bezieht sich speziell auf die Möglichkeiten, die der Landtag hat, um diesen Prozeß zu unterstützen. Seit einiger Zeit versuche ich, den Prozeß der internationalen Kontakte des Landtages zu befördern; denn gerade in bezug auf Osteuropa ist es notwendig, daß die wirtschaftlichen Kontakte auf politischer Ebene begleitet werden. Die politischen Rahmenbedingungen und die gesetzgeberischen Kompetenzen, die in den von uns angestrebten Kontakten zu einzelnen Regionen vorhanden sind, sollten durchaus genutzt werden, um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß es interessant wird für die Wirtschaft, in Osteuropa zu investieren.
Die Kontakte zu Schottland, die wir aufgenommen haben und die auf positive Resonanz gestoßen sind, sollen ein Stück weit zeigen, daß wir die Brückenfunktion zwischen Westeuropa und Osteuropa wahrnehmen können. Ich bin froh, daß es uns gelungen ist, erste Ansätze für eine Zusammenarbeit zu finden.
Ich will in dem Zusammenhang, wenn ich darf, Herr Präsident, gleich auf den Antrag der CDU und unseren Änderungsantrag eingehen.
Wir haben zu dem Antrag der CDU einen Änderungsantrag vorgelegt. Dem ersten Punkt des CDU-Antrages werden wir zustimmen, dem zweiten Punkt ebenfalls. Beim dritten Punkt allerdings würden wir nur dem ersten Halbsatz zustimmen, weil es hierzu eindeutig eine andere Länderposition gibt. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat am 15. Juni, also am vorigen Freitag, einstimmig einen Beschluß gefaßt, der einen Auftrag an die Bundesregierung enthält. Unter Punkt 5 heißt es - ich zitiere -:
„Die Regierungschefs der Länder unterstreichen ihre Forderung, daß anläßlich des Abschlusses der laufenden Regierungskonferenz verbindlich die nächste Regierungskonferenz festgelegt wird. Sie soll mit dem Mandat ausgestattet werden, im Rahmen einer Konzentration der Union auf klar umrissene Aufgaben in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips eine präzise Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten zu erreichen.“
Das heißt, die Bundesländer haben das Signal gegeben, kein Junktim zwischen der Regierungskonferenz und der Kompetenzabgrenzung herzustellen. Das heißt, die aus meiner Sicht nicht sehr überzeugende erpresserische Haltung, die die Bundesländer gegenüber der Bundesregierung an den Tag gelegt haben, ist wieder zurückgenommen worden. Es kann nicht sein, daß aufgrund relativ kleiner technischer Probleme, die diskutiert werden müssen - das unterstreichen wir auch dadurch, daß wir Ihrem Antrag in weiten Teilen zustimmen -, das große Projekt der Osterweiterung zum Scheitern verurteilt wird.
Dem Punkt 4 stimmen wir ebenfalls zu. Wir wollen eine entsprechende Kompetenzabgrenzung, wobei ich eine persönliche Anmerkung machen will. Aus meiner Sicht hat sich Ex-Bundeskanzler Kohl hervorragende Verdienste um die europäische Einigung erworben.
Er hat allerdings seinen Schwerpunkt im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion gesetzt und hat erhebliche Defizite im Bereich von Sozial- und Umweltpolitik hinterlassen. Diese müssen natürlich geklärt und ausgeräumt werden.
Deshalb ist es aus meiner Sicht notwendig, die Frage der Kompetenzabgrenzung zu klären, aber nicht nur in der Hinsicht, daß wir als Bundesländer unseren Einfluß behalten wollen; vielmehr gibt es in der Sozial- und Umweltpolitik wie auch - das wird auch von Ihnen anerkannt - in der Außen- und Sicherheitspolitik Bereiche, in denen in verstärktem Maße Kompetenzen auf die Europäische Union übergehen müssen.
Ich weise allerdings auch darauf hin, daß die Bundesländer die Rechte, die sie durch den neuen Artikel 23 erhalten haben, wahrnehmen müssen, und zwar auch kompetent wahrnehmen müssen, indem sie die Aufgaben, die die Bundesregierung ihnen im Rahmen von Europa überläßt, entsprechend lösen.
Zu Punkt 5 haben wir einen Änderungsvorschlag vorgelegt, der darauf hinzielt, daß wir im Wirtschaftsausschuß die Frage der Daseinsvorsorge, die Sie da thematisiert haben, noch einmal diskutieren.
Entschuldigung, Herr Abgeordneter Tögel, die 15 Minuten Redezeit zur Einbringung Ihres Antrages sind jetzt abgelaufen. Sie haben noch fünf Minuten Redezeit in der Debatte für später angemeldet. Deswegen bitte ich darum, diesen ersten Teil erst einmal abzuschließen.
Herr Präsident, ich hatte gehofft, ich kann das gleich mit erledigen. Ich werde dann später noch einmal auf die Redebeiträge eingehen.
Wie gesagt, der Änderungsantrag zu Punkt 5 liegt ihnen vor. Wir würden bitten, daß wir über beide Anträge direkt abstimmen. Eine Überweisung ist aus unserer Sicht nicht notwendig. - Ich bedanke mich.
Der Antrag der CDU-Fraktion, der gleichzeitig mit aufgerufen wurde, wird vom Abgeordneten Herrn Dr. Sobetzko eingebracht. Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der europäischen Einigung liegt eine große Chance, die gewachsene europäische Wertegemeinschaft in der Welt von morgen zu behaupten. Mit dem Vertrag von Amsterdam, den Beschlüssen zur Erweiterung der Europäischen Union sowie der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Währung wurde ein politisches Fundament gelegt, das diesem Integrationsprozeß insbesondere mit seiner Osterweiterung auch die entsprechende Zukunft gibt. Europa in dieser Gemeinschaft ist unsere Zukunft, aber auch unsere Verantwortung. Und das heißt, rechtzeitig die richtigen Antworten auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu geben.
Die CDU hat in der Vergangenheit alle wichtigen europäischen Projekte und Entscheidungen politisch begleitet und mitgetragen. Wir wollen auch den Erfolg der aktuellen Projekte auf der europäischen Tagesordnung erreichen. Dies gilt sowohl für die Europäische Grundrechtecharta, als auch für die laufende Regierungskonferenz zu inneren Reformen der Europäischen Union. Diese Konferenz ist eine entscheidende Voraussetzung für den weiteren funktionsfähigen Bestand der Europäischen Union und ihre erfolgreiche Vergrößerung auf 25 bis 30 Mitgliedsstaaten. Die politische Integration Europas und die Erweiterung der Europäischen Union sind unverzichtbar für eine dauerhafte Friedens- und Freiheitsordnung auf dem europäischen Kontinent.
Meine Damen und Herren! In dem Ihnen vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 3/3270 wird die Landesregierung aufgefordert, sich im Rahmen der Regierungskonferenz nachdrücklich für eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union, den Ländern und Regionen sowie für eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzipes einzusetzen. Weiterhin soll die Landesregierung beauftragt werden, das Parlament gemäß Artikel 62 der Landesverfassung zum Stand der Verhandlungen und über ihre Verhandlungsposition zu offenen Fragen der Anwendung von Beihilfekontrollen hinsichtlich der für das Gemeinwohl in Sachsen-Anhalt bedeutsamen Aufgaben der Daseinsvorsorge - wir meinen, bis zum 31. Juli dieses Jahres - zu informieren.
Insbesondere hinsichtlich der Kompetenzabgrenzung besteht ein enormer Handlungsdruck. Bereits im Jahre 1996 gab es ähnliche Forderungen der deutschen Länder bei der damaligen Regierungskonferenz. Da diese unberücksichtigt blieben, haben die analogen Anliegen inzwischen an Dringlichkeit gewonnen.
Die Regierungschefs der Länder erwarten in einmaliger Einmütigkeit der A- und B-Länder bereits von der gegenwärtig laufenden Regierungskonferenz substantielle Fortschritte. Sie haben ihre Forderungen in der Ministerpräsidentenkonferenz am 24./25. März dieses Jahres abgestimmt und in Wertung des aktuellen Standes der Regierungskonferenz in der Ministerpräsidentenkonferenz am 15. Juni 2000 ähnlich lautende Entscheidungsvorschläge für die gemeinsamen Positionen von Bund und Ländern formuliert.
Darin heißt es unter anderem im Punkt 4, Herr Tögel: Sie erwarten von der Bundesregierung, die weitergehenden Vorschläge der Länder zur Präzisierung in den Kompetenzen bereits in den laufenden Verhandlungen zu berücksichtigen, soweit die betroffenen Vertragsartikel verhandelt werden. Unter Punkt 5, den Sie zitiert haben, wird zum Ausdruck gebracht, daß dieses Ziel in
Meine Damen und Herren! Wenn die CDU-Fraktion eine klare Kompetenzabgrenzung bzw. Kompetenzordnung als Voraussetzung für eine Zustimmung zu einem Ratifizierungsverfahren fordert, dann ist uns wohl bewußt, wie problematisch das ist. Wer hierbei nicht das zwingend Gebotene einfordert und nur den Weg der billigen Kompromisse beschreiten will, wirkt unglaubwürdig und zementiert längst überholte Positionen. Dabei ist es um so unverständlicher, wenn auf ähnlich fragwürdige Positionen anderer Politiker verwiesen wird.
Wir meinen, es darf eine vorhandene Chance nicht vertan werden. Ja, wir sind in der Pflicht, und das gerade als Deutsche. Unser föderales Verwaltungsprinzip hat sich bewährt und ist für das demokratische Gemeinwesen unersetzbar geworden. Dieses föderale Prinzip darf nicht durch weite Zielbestimmungen und unscharfe Zuständigkeitsbeschreibungen gestört werden.
Was sind gewachsene und bewährte Strukturen der Mitgliedsstaaten, Regionen und Kommunen wert, wenn zentrale Regelungen der Europäischen Union in fast alle Lebensbereiche eingreifen und zu einer unkontrollierten oder schleichenden Kompetenzausweitung der Europäischen Union führen? Dabei führen die dann geschaffenen Regularien noch zusätzlich zu zentralbürokratischen Verwerfungen, die das Prinzip der Subsidiarität und die Orientierung auf bürgernahe Entscheidungen behindern bzw. sogar verhindern.
Für uns klärt sich die Problematik nicht dadurch, daß wir unsere föderalen Aufgabenstrukturen gefälligst in Eigenverantwortung allein zu vertiefen und abzugrenzen haben. Nein, es muß eine ausgewogene Kompetenzabgrenzung zwischen der EU, den Ländern und ihren Regionen erfolgen. Wenn wir wiederum nicht den Mut zum Handeln aufbringen oder gar ängstlich auf andere Staaten schauen, die mit ihren unitären Strukturen für uns eventuell kein Interesse aufbringen, dann werden wir es auch zukünftig nicht meistern können.
Ich darf eine Äußerung von Herrn Henning Scherf, SPD Bremen, aus der letzten Bundestagsdebatte zitieren:
„Wir müssen hinsichtlich der Zuständigkeitsregelung eine vertragliche Klärung erreichen. Dabei muß herauskommen, daß wir uns vielleicht ähnlich wie im Grundgesetz über Zuständigkeiten verständigen und diese klären. Das muß in das Vertragswerk hineingenommen werden, denn sonst werden sie beim Europäischen Gerichtshof keinen Eindruck machen.“
Das trifft auch unsere Intentionen, meine Damen und Herren. Es ist nur folgerichtig, daß sich die Europäische Union bei einer vertraglich geregelten Zuständigkeit auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Das sind unter anderem die Handlungsfähigkeit der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ein europäischer Rechtsrahmen, die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Europäischen Union, die Bewahrung und Vollendung des Binnenmarktes, ein stabiler Euro, die Festlegung von Mindeststandards zum Beispiel im Umweltschutz und anderes mehr.
Bei weiteren Aufgaben ist es erforderlich, den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung vertraglich zu regeln.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen drei Beispiele aus der Fülle der Kompetenzverwerfungen nennen, bei denen die Europäische Union ihre Kompetenzen überschritten hat.
Erstens. Richtlinie zum Werbeverbot für Tabakerzeugnisse. Hierbei steht die gesundheitliche Zielstellung im Vordergrund. Hierbei gilt das sogenannte Harmonisierungsverbot nach Artikel 152 Abs. 4 Buchstabe c EGV. Ein Rückgriff auf die Generalklausel des Artikels 95 EGV ist unzulässig. Der Europäische Gerichtshof entschied entsprechend.
Zweitens. Quotenregelung nach EG-Fernsehrichtlinie. 50 % aller Fernsehsendungen müssen europäischen Ursprungs sein. Aber hier gilt die eingeschränkte EUKompetenz im Kulturbereich, ebenso das Harmonisierungsverbot nach Artikel 151 Abs. 5 Nr. 1.
Drittens. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Dienst von Frauen mit der Waffe. Hierbei geht es um die Organisation der nationalen Streitkräfte mit Blick auf ihre sicherheitspolitische Funktion. Der Ausschluß von Frauen aus kriegerischen Kampfhandlungen ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung, die allein den Parlamenten der Mitgliedsstaaten obliegt.
Meine Damen und Herren! Die bewährten Strukturen und Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie auch ihre hohe Qualität in den Mitgliedsstaaten, Regionen und Kommunen geraten in Gefahr, wenn sie ungeachtet ihrer besonderen Aufgaben und Gemeinwohlverpflichtungen dem Beihilferecht unterworfen werden. Das führt im Ergebnis zu Nachteilen für unsere Bürgerinnen und Bürger und schwächt die kommunale Selbstverwaltung. Diese gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge wird zur Zeit mit nicht absehbarem Ende oder einschätzbaren Konsequenzen von der Europäischen Kommission überprüft.
Sie kennen sicher die gegenwärtige Diskussion zu den Landesbanken, insbesondere zur West-LB, zu den Sparkassen, Volksbanken bis hin zu den öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, ja sogar bis hinein in Bereiche von Kultureinrichtungen und Wohlfahrtsverbänden.
Meine Damen und Herren! Wir erhoffen auch hierzu eine baldige Klarstellung, damit Ruhe und Arbeitssicherheit wieder einkehren können.
Die Vorschläge für Änderungen und Ergänzungen liegen Ihnen vor. Zum Stand der Abstimmung erwarten wir von der Landesregierung eine Einschätzung zur Situation.
Erstens. Eine Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Ländern und Regionen muß aus zwingenden Gründen vollzogen werden.
Zweitens. Die Handlungsvorschriften und Alternativen aus der Sicht der deutschen Länder liegen vor. Auch das Angebot vom Präsidenten der Europäischen Kommission Prodi zu dem Arbeitsauftrag für ein sogenanntes Weißbuch begrüßen wir als ein Angebot in die richtige Richtung.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie daher, ohne Einschränkung unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.