Protocol of the Session on June 22, 2000

Meine Damen und Herren! Das ist nicht so einfach dahingesagt. Wenn Sie in diesen Tagen irgendeine Stellungnahme von Verbänden und Unternehmen aller Branchen zur Hand nehmen, können Sie es schwarz auf weiß nachlesen. Wer in der Regierungsverantwortung steht, hat die Pflicht, dies zu berücksichtigen.

Ich möchte kurz - mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin - aus einigen Stellungnahmen zitieren. So schreibt etwa die IHK Magdeburg, daß es durch die Öko-Steuer zu schwerwiegenden wettbewerbsverzerrenden Wirkungen auf verschiedene Wirtschaftsbranchen, insbesondere beim Verkehrsgewerbe, kommen würde.

Bleiben wir beim Straßengüterverkehr. Nach Berechnungen der IHK Halle-Dessau stiegen die Gesamtbetriebskosten im Straßengüterverkehr allein durch die Öko-Steuer im Jahr 1999 im Durchschnitt um 3 %. Bei einer durchschnittlichen Umsatzrendite im Verkehrs

bereich von 1,2 bis 2 % war damit für viele Unternehmen schon das Ende der Fahnenstange erreicht, um bei Kanzler Schröder zu bleiben.

Im Jahr 1999 hat eine durch die Öko-Steuer mit aus- gelöste Marktbereinigung allein im IHK-Bereich HalleDessau etwa 450 Unternehmen zur Aufgabe gezwungen. Im Kammerbezirk Magdeburg sind es 80 Unternehmensaufgaben mit 530 verlorenen Arbeitsplätzen. Nach IHK-Angaben ist das Verkehrsgewerbe aber eine der wenigen Branchen, in der bisher konstant neue Arbeitsplätze entstanden sind.

(Herr Sachse, SPD: Das ist ja der Weltunter- gang!)

Der Vizepräsident der IHK Magdeburg sieht unter Einbeziehung der Pläne für die geplante Schwerverkehrsabgabe darin den bewußt herbeigeführten Ruin der gesamten Branche.

(Herr Dr. Fikentscher, SPD, lacht)

Alles nur Zitate, meine Damen und Herren, Zitate nicht von der Union, sondern Zitate von den Kammern. Herr Fraktionsvorsitzender Fikentscher, ich würde das nicht mit einem Lächeln so leicht nehmen. Das haben schließlich Verbände und unter anderem der stellvertretende Vorsitzende der IHK Magdeburg zum Ausdruck gebracht.

(Herr Dr. Fikentscher, SPD: Schlimm genug!)

Bleiben wir bei der Wirtschaft. Mittlerweile gehen ernst zu nehmende Marktindikatoren von erheblichen Verkaufsrückgängen in der Automobilindustrie aus. Ich höre immer von der Landesregierung, daß wir als Zulieferbetriebe für die Automobilindustrie arbeiten. Erst jetzt hat sich, Gott sei Dank, eine neue Firma angesiedelt. Auch in dieser Branche wird die Öko-Steuer negative Auswirkungen haben.

Von der Industrie komme ich zum Handwerk und zum Dienstleistungsbereich. Der Handwerkstag Sachsen-Anhalt schreibt, daß von den gestiegenen Treibstoffkosten die Handwerksbetriebe besonders betroffen seien. Die hohen Treibstoffkosten schmälern die Erträge weiter. Viele Mitarbeiter müssen für ihren Weg zur Arbeit hohe Mehrkosten tragen. Ich möchte auf die vielen Monteure in Sachsen-Anhalt verweisen, die nur dank ihres Pkw die ständig wechselnden Einsatzorte auf den Baustellen erreichen können.

Kein Regierungspolitiker scheint sich für die Auswirkungen der Öko-Steuer im ländlichen Bereich zu interessieren. Hier sind die Auswirkungen besonders stark. Der ÖPNV ist hier im Gegensatz zur Stadt keine Alternative. Die Menschen sind auf ihren Pkw angewiesen. Schon einfache Dienstleistungen, wie die Reparatur einer Waschmaschine, werden spürbar teurer.

Sprechen wir über die Pendler der Berufsgruppen aller Art, vor allem Azubis. Aufgrund des Arbeitsplatzmangels pendeln in den neuen Bundesländern täglich fast 500 000 Menschen. Anfahrtswege über 60 km sind keine Seltenheit. Etwa 2 000 km im Monat kommen allein für Hin- und Rückfahrt morgens und abends zustande. Dadurch ergeben sich allein für den Arbeitsweg zusätzliche Kosten in Höhe von ca. 1 % des durchschnittlichen Nettolohnes. Bezogen auf den Nettolohn frißt die ÖkoSteuer bei mageren Tarifabschlüssen den Großteil der jährlichen Gehaltserhöhungen bereits auf.

Vergessen wir nicht, diese Einkommensklassen sind in Sachsen-Anhalt überrepräsentiert. Die Azubis trifft es

aufgrund der geringen Ausbildungsvergütungen noch schlimmer.

Dazu fällt mir eine Zeitungsmeldung aus diesen Tagen ein. Immer weniger Wähler trauen der SPD Sozialkompetenz zu. Wirtschaftskompetenz hatte sie aber auch noch nie. Den aktuellen Nachweis haben wir mit der Öko-Steuer vor Augen.

Die Nutzer von Dienstwagen, meine Damen und Herren von der SPD, sollten gelegentlich einmal wieder privat tanken. Vielleicht merken Sie dann, wie teuer im Moment der Sprit geworden ist.

(Beifall bei der CDU, bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Bleibt der Hinweis auf die Nichtautofahrer aus Überzeugung oder aus Not. Was haben Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und alle anderen gemeinsam, sofern sie kein Auto besitzen oder nutzen? Sie bezahlen ebenfalls die Öko-Steuer. Sie bezahlen sie bereits jetzt bei der Fernbahn. Sie werden sie künftig auch bei der Benutzung des ÖPNV bezahlen.

Ein paar Zahlen aus Magdeburg: Die Magdeburger Verkehrsbetriebe haben in diesem Jahr aufgrund der Öko-Steuer Mehrkosten in Höhe von 670 000 DM. Über die Lohnnebenkosten werden sie aber etwa nur in Höhe von 50 000 DM entlastet. Daran wird die Abzockerei durch die Öko-Steuer besonders deutlich. Dieser Ausdruck stammt nicht von mir, sondern wurde von den aufgebrachten, ansonsten aber ruhig argumentierenden Verbandsvertretern während einer Anhörung im Verkehrsausschuß zum Thema Öko-Steuer und Schwerverkehrsabgabe gebraucht.

Meine Damen und Herren! Die Situation bei den Fuhr- und Speditionsunternehmen ist dramatisch. Von etwa 12 000 Arbeitsplätzen sind durch die Öko-Steuer und die Schwerverkehrsabgabe ca. 4 000 bis 5 000 gefährdet. Ich frage mich, ob es im Plenarsaal mit Ausnahme des einen oder anderen Ministers überhaupt jemanden gibt, der glaubt, wir könnten uns das bei dieser Arbeitslosenstatistik noch leisten.

Meine Damen und Herren! Nach der Anhörung im Ausschuß und der am nächsten Tag erfolgten Pressemitteilung habe ich sehr freudig die Position von Herrn Felke und von Herrn Sachse erfahren, die nach der Anhörung zum Ausdruck gebracht haben, daß es so nicht weitergehen kann und daß man hier Entlastungen bringen muß.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen dafür, daß Sie diese Einsicht hatten und diese auch zum Ausdruck gebracht haben. Machen Sie heute Nägel mit Köpfen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Damit können Sie zeigen, daß Sie den Worten Taten folgen lassen werden. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Herr Kollege, würden Sie noch zwei Fragen beantworten? Herr Professor Dr. Trepte und Herr Dr. Köck haben sich gemeldet.

Herr Professor Dr. Trepte, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Daehre, Ihr Ansatz ist falsch. Das werde ich Ihnen gleich nachweisen. Ich nehme an, Sie wissen, daß die Opec-Gruppe gestern in Wien beschlossen hat, die täglichen Förderquoten um 3 % zu erhöhen.

(Herr Dr. Sobetzko, CDU: Frage!)

Zugleich erklären die Sprecher der Mineralölkonzerne, daß nicht damit zu rechnen ist, daß die Kraftstoffpreise im Ergebnis dieser Festlegung der Opec-Länder sinken werden. Halten Sie das nicht für verwunderlich?

Ich hatte am Anfang meiner Ausführungen deutlich gemacht, daß es für die hohen Benzinpreise mehrere Indikatoren gibt. Da sind zunächst die hohen Rohölpreise und der schwache Kurs des Euros. Ich denke, da stimmen wir überein.

Nun müssen wir nicht noch einen draufsetzen, meine Damen und Herren. Ich hätte nichts dagegen, wenn es so gekommen wäre. Aber wenn die SPD und mit ihr Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf gesagt hat, eine Erhöhung der Benzinpreise um 6 Pfennige ist das Ende der Fahnenstange, und inzwischen sind es bereits 15 Pfennige, meine Damen und Herren, dann stimmt etwas nicht. Dort müssen wir ansetzen, und nicht den Schwarzen Peter anderen zuschieben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU-FL - Herr Sachse, SPD: Wer redet denn so etwas? 6 Pfennige pro Schritt!)

Herr Dr. Köck, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Daehre, Sie haben sich in der Presse in Ihrer Funktion als verkehrspolitischer Sprecher geäußert. Sie sind jedoch ebenfalls der Vorsitzende des Ausschusses für Raumordnung und Umwelt. Warum haben Sie nicht die zweite Hälfte, die Lobbyorganisation des grünen Bereichs, genannt, die ebenfalls an der Öko-Steuer Kritik übt? Warum haben Sie sich in Ihrer Argumentation einseitig auf die Wirtschaft bezogen?

Herr Dr. Köck, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihre Frage, weil ich damit die Gelegenheit habe, auf diesen Punkt einzugehen. Es wäre noch zu akzeptieren, wenn die Öko-Steuer wenigstens eine Lenkungswirkung hätte, wenn man das Geld für diese gewollten Zwecke einsetzen würde. Das würde auch der eine oder andere von uns befürworten, wenn dieses Geld in das Schienennetz oder ähnliches investiert würde. Mir wäre es am liebsten, wenn das Geld für die Straßen ausgegeben wird.

Wenn eine Lenkungsfunktion vorhanden wäre, hätte ich mit der Öko-Steuer keine Probleme. Aber wo bleiben die grünen, die ökologischen Aspekte der Öko-Steuer? Da ist nichts vorgesehen. Deshalb ist nicht nur der Name falsch und irreführend. Die Steuer führt uns nicht zum gewünschten Ziel. Sie ist überhaupt nicht für einen

bestimmten Zweck gedacht, sondern wird nur zum Stopfen von Löchern verwendet.

Ich kenne Ihre Argumente. Deshalb kann ich nach- her noch darauf eingehen. Ich werde sicherlich noch zu hören bekommen, daß unter Kohl die Benzinpreise um 50 Pfennige gestiegen sind usw.

(Lachen bei der SPD - Frau Kauerauf, SPD: Richtig! - Herr Bischoff, SPD: Er weiß es ja! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Nicken Sie ruhig. Das weiß ich alles. Aber eines will ich Ihnen sagen: Damals haben wir gewußt, daß wir die Preise für die deutsche Einheit erhöht haben. Dort ist das Geld hineingeflossen, in nichts anderes. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU-FL - La- chen bei der SPD - Herr Sachse, SPD: Wenigs- tens ehrlich sind Sie!)

Danke, Herr Dr. Daehre, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine verbundene Debatte zu den beiden Anträgen mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge PDS, DVU-FL, SPD, FDVP und CDU. Bisher hat keiner auf seinen Redebeitrag verzichtet. Ich sage das jetzt vorsichtshalber an.

Als erstem Redner erteile ich für die Landesregierung Minister Herrn Dr. Heyer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Daehre, Ihr Antrag hat uns nicht besonders überrascht. Der Inhalt Ihrer Rede hat uns auch nicht besonders überrascht. Große Teile der Rede kannten wir auch schon aus der Bundestagsdebatte.

Sie fordern uns auf, einen Antrag Baden-Württembergs zu unterstützen. Baden-Württemberg bringt einen Entschließungsantrag in den Deutschen Bundestag ein.

(Herr Bischoff, SPD: Wie originell!)

Haben Sie eigentlich einmal darüber nachgedacht, warum Baden-Württemberg einen Entschließungsantrag einbringt? Man hätte doch einen Gesetzentwurf einbringen können, fordern können, die Bundesregierung solle die Öko-Steuer wieder abschaffen und alles rückgängig machen.

Die Baden-Württemberger - Herr Kollege Becker ist im Moment nicht da - sind sehr clever. Sie wissen genau, daß es nicht so einfach geht. Das ist nicht so einfach, Herr Dr. Daehre, weil mit dieser Öko-Steuer der weitere Anstieg der Lohnnebenkosten, den Ihre Regierung verursacht hat in Höhe von - -

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist der größte Witz, den Sie erzählen kön- nen! Bei allen Gesprächen über Lohnnebenkos- ten hat die SPD im Bundesrat blockiert!)