Protocol of the Session on June 22, 2000

a) Ersatzlose Aufhebung des sogenannten „Ökosteuergesetzes“

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3250

b) Entschließung des Bundesrates zur Aussetzung der Öko-Steuer

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3271

Der Antrag der Fraktion der FDVP wird durch den Abgeordneten Mokry eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Wahlversprechen einer gerechteren und umweltfreundlichen Gesellschaft ist die rot-grüne Bundesregierung im September 1998 angetreten. Um ihr Ziel zu erreichen, schuf sie die sogenannte Straf-ÖkoSteuer - die Bezeichnung Strafsteuer deshalb, weil sie wieder einmal in erster Linie den kleinen Mann trifft. Fast zwei Jahre danach ist die rot-grüne Öko-Steuer nichts als Makulatur. Sie macht nämlich keinen Sinn, außer „wenig Öko - viel Steuer“. Ob Benzin, Strom, Erdgas oder Erdöl - unter dem Deckmantel Ökologie kann man so richtig abkassieren und seine Staatskassen auffüllen.

Nun werden der Steuerzahler und Bürger sowie die Unternehmen seit 1999 bis zum Jahr 2003 und möglicherweise noch länger so richtig abgezockt. Zunächst bis zum Jahr 2003 wird bei dieser Bundesregierung die Steuerschraube nach dem Motto „Wer mehr verbraucht, muß mehr zahlen, und wer das nicht will, muß eben sparen“ kräftig angezogen. Weiteres Sparen an Heizung und Strom und im Haushalt sowie beim Benzin für das Auto, das für den täglichen Weg zur Arbeit benötigt wird - unsozialer geht es gar nicht mehr.

Doch nicht bei allen funktioniert dieses Prinzip. Familien, vor allem die mit mehreren Kindern, und kleinere Unternehmen sprechen längst von einer Strafsteuer. Mir sind bereits Unternehmen bekannt, die ihren Betrieb schließen mußten, weil die Nebenkosten einschließlich Öko-Steuer die Gesamtkosten überstiegen. Diese ÖkoSteuer entwickelt sich immer mehr zur Konjunkturbremse und benachteiligt den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Alle Unternehmen und Investoren aus dem In- und Ausland sind einer Meinung: Diese Steuerbeschlüsse kosten massiv Arbeitsplätze. Es ist eine Lüge, daß die Öko-Steuerreform Arbeitsplätze schafft. Das Gegenteil ist der Fall. Das untermauern selbst renommierte Wirtschaftsexperten wie der BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Elektrizitätswerke Manfred Timm oder der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels Holger Wenzel, um nur einige hier zu nennen.

Auch die zahlreichen privaten Busunternehmen, der ÖPNV, die Spediteure in Deutschland, in Sachsen-Anhalt und anderswo - sie alle haben die schwere Last der Öko-Steuer zu verkraften, mit der Folge von Betriebsschließungen oder Entlassungen.

Meine Damen und Herren! Es bleibt dabei: Die sogenannte Öko-Steuer in ihrer jetzigen Form ist eine unverschämte Mogelpackung, weil sie unsozial, ungerecht, unökologisch und unverantwortlich gegenüber unserer Wirtschaft und letztendlich gegenüber der Bevölkerung ist.

Anders als bei den Chaos-Gesetzen zur Neuregelung von Scheinselbständigkeit und 630-DM-Jobs ist es diesmal nicht Schlampigkeit, die von den Fachleuten beanstandet wird. Diesmal werden gravierende Mängel aufgedeckt, die gezielte Täuschungsabsichten vermuten lassen. Die Bezeichnung „Öko“ ist auf jeden Fall irreführend. Die davon erwarteten Lenkungsfunktionen, nämlich ein Anreiz zum Energiesparen oder zur Förderung umweltfreundlicher Energieträger oder die Verteuerung umweltschädlicher Energieträger, werden nicht erfüllt.

Fazit: Erstens. Die Verbraucher sollen gar nicht sparen, weil sonst die eingeplanten Mehreinnahmen ausfallen. Das ist zutiefst unökologisch.

Zweitens. Diese Öko-Steuer teilt die Wirtschaft willkürlich in zu begünstigende und nicht zu begünstigende Branchen. CO2-intensive Industrien werden steuerlich entlastet, Energiesparer bestraft.

Die Bundesregierung hat für die Öko-Steuer damit geworben, die Einnahmen würden zur Senkung der Lohnnebenkosten und für Umweltprojekte verwendet. In Wahrheit werden von über 38 Milliarden DM Einnah- men einschließlich Mehrwertsteuer nur rund 18 Milliarden DM an die Rentenversicherung zur Senkung der Beiträge überwiesen. Mit den restlichen 20 Milliarden DM kaschiert Bundesfinanzminister Eichel seinen Haushalt.

Das wiederum, meine Damen und Herren, nennt man Täuschung. Denn von diesen rund 18 Milliarden DM, die Herr Eichel über eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge an die Beitragszahler zurückgibt, hat nur eine Schicht einen zumindest partiellen Ausgleich. Wer keinen Beitrag zahlt, wie Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Studenten, zahlt die volle Öko-Steuer, erhält aber keinen Pfennig zurück.

VdK-Präsident Walter Hirrlinger, der Präsident des größten deutschen Sozialverbandes, sagt zum Thema ÖkoSteuer:

„Für mehr als 17 Millionen Rentner ist der jährliche Ökosteueranstieg eine Katastrophe, zumal als Ausgleich nur 0,6 % Rentenerhöhung dagegen stehen. Ungerechter geht es nicht.“

„Das Öko-Steuergesetz der Bundesregierung ist und bleibt verfassungsrechtlich sehr bedenklich.“

Zu diesem harschen Ergebnis kommt selbst der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einer internen Ausarbeitung.

Abschließend gestatten Sie mir bitte noch ein Zitat des Bundesfinanzministers Eichel aus seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, würde ich gern zitieren:

„Mit dem Haushalt 2000 haben wir das größte Konsolidierungsvorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Damit kann der Bundeshaushalt endlich wieder solide finanziert werden, übrigens ohne Steuererhöhung.“

Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, diese Aussage von Herrn Eichel wurde vor dem Deutschen Bundestag gemacht, nicht zu einer Karnevalsveranstaltung.

Herr Höppner, wir fordern Sie auf: Tun Sie endlich mal etwas Vernünftiges

(Herr Sachse, SPD: Daß man sich solchen Un- sinn anhören muß, das ist der Gipfel!)

und setzen Sie sich im Bundesrat für eine Abschaffung der Öko-Steuer ein, damit es endlich in unserer Republik und damit auch in Sachsen-Anhalt wieder aufwärts geht. - Ich bedanke mich.

Bevor ich Herrn Daehre bitte, das Wort zur Einbringung des Antrages der CDU-Fraktion zu nehmen, begrüße ich herzlich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Im Malzmühlenfeld in Schönebeck.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Dr. Daehre, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dramatisch gestiegene Mineralölpreise führen im Augenblick zu entrüsteten Protesten der Bürger, und das zu Recht. In den nächsten Monaten werden wir keinen Rückgang der Preise erleben, ganz im Gegenteil. Der Euro schwächelt, und die Opec ist so stark wie zu Zeiten der ersten Ölkrise in den 70er Jahren. Führende Wirtschaftsexperten rechnen mit konstant hohen Rohölpreisen. Hinzu kommt nun noch die ÖkoSteuer.

Als die Öko-Steuer eingeführt wurde, tönte unser „Autokanzler“, wie er sich selbst immer gern nennt, Gerhard Schröder, bei 6 Pfennigen liege das Ende der Fahnenstange. Anscheinend sprach er wieder einmal doppeldeutig und meinte eine ausfahrbare Fahnenstange,

(Frau Helmecke, FDVP: Genau!)

wie wir alle bei der zweiten Erhöhung Anfang dieses Jahres feststellen konnten. Das nenne ich eingelöste Wahlversprechen der SPD, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP und bei der DVU-FL - Herr Sachse, SPD: Was sagen Sie zu den Konzernerhöhungen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es während meiner politischen Laufbahn noch nicht erlebt, daß die Steuerzahler bei einer Steuererhöhung so hinters Licht geführt worden sind wie bei der Erhöhung der Mineralölsteuer unter der jetzigen rot-grünen Bundesregierung. Denn um nichts anderes handelt es sich bei der Einführung der Öko-Steuer. Noch nie zuvor ist so schamlos versucht worden, unter Vortäuschung falscher Tatsachen die eigene Wählerschaft von einer Steuererhöhung zu überzeugen. In Wirklichkeit haben die Urheber, allen voran der Kanzler, von Anfang an nicht an die ökologische Lenkungswirkung dieser Öko-Steuer geglaubt.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Wie soll das mit einer Lenkungswirkung auch funktionieren, wenn die Besteuerung nicht beim Schadstoffgehalt ansetzt? Wie glaubhaft ist eine Öko-Steuer, die Ausnahmen gerade im energieintensiven Bereich zuläßt? Unter welchem Gesichtspunkt soll eigentlich die Ungleichbehandlung einiger Wirtschaftszweige und letztlich auch der privaten Verbraucher gerecht sein?

Aber es geht noch weiter. Hat die rot-grüne Koalition etwa den Strom aus erneuerbaren Energien freigestellt? Hat sie die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs begünstigt? Dort zahlen auch Nichtautofahrer die Öko-Steuer mit, und gerade hierbei wird besonders deutlich, das es nur um die Erhöhung von Steuereinnahmen geht.

Meine Damen und Herren! Auf eine parlamentarische Anfrage vom November letzten Jahres hat die Bundesregierung folgende Einnahmeerwartung für die Jahre 1999 bis 2003 aus der Öko-Steuer mitgeteilt: für das Jahr 1999 8,4 Milliarden DM, für das Jahr 2000 17,4 Milliarden DM, für das Jahr 2001 22,8 Milliar- den DM, für das Jahr 2002 28,1 Milliarden DM und für das Jahr 2003 33,5 Milliarden DM. Addiert belau- fen sich die geschätzten Mehreinnahmen aus den beiden Stufen der Öko-Steuer auf insgesamt 110,2 Mil- liarden DM.

Unter Berücksichtigung der anteilig anfallenden Umsatzsteuer ergibt dies eine Mehrbelastung für die Bürger und die Unternehmen in Höhe von 127,8 Milliarden DM - so die Antwort der Bundesregierung.

Was passiert eigentlich mit den Einnahmen? Die rotgrüne Koalition hat die Öko-Steuer mit der Maßgabe eingeführt, im Gegenzug die Pflichtbeiträge bei der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltig zu senken. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen sollten die Löcher in der gesetzlichen Rentenversicherung gestopft werden.

Dieselbe parlamentarische Anfrage ergab zu den Ausgaben des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 1999 bis 2002 etwa 111 Milliarden DM.

Der erste Schwindel besteht darin, meine Damen und Herren, daß zwar die Einnahmen aus der Öko-Steuer in die Rentenkassen fließen, nicht aber die zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen in zweistelliger Milliarden

höhe. Der zweite Schwindel besteht darin, daß die Einnahmen aus der Öko-Steuer nur teilweise zur Beitragssenkung verwendet werden. Die zusätzlich mit dem Haushaltsanierungsgesetz beschlossenen Bundeszuschüsse für die Rentenkassen belaufen sich in diesem Zeitraum lediglich auf 44,4 Milliarden DM.

Im übrigen: Zu mehr als der Hälfte werden die Einnahmen aus der Öko-Steuer nicht zur Beitragssenkung, sondern zur Leistungsausweitung in der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet. Dies geschieht entgegen den Ankündigungen der rot-grünen Koalition bei der Einführung der Öko-Steuer.

Die Frage, wie man auf die gestiegenen Benzinpreise reagieren und letztlich die Auswirkungen der Öko-Steuer neutralisieren kann, beschäftigt auch Politiker von SPD und Grünen. Sie trauen sich nur noch nicht so recht, die Öko-Steuer frontal anzugreifen. Deswegen fordern etwa der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Beck, aber auch andere SPD-Ministerpräsidenten die Anhebung der Kilometerpauschale. Herr Jurk, SPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, verweist zudem auf den hohen Profit des Staates aufgrund der zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen und haut in dieselbe Kerbe wie Herr Beck.

Bundeskanzler Schröder scheint nur auf eine günstige Gelegenheit zu warten, dieses Gesetz, von dem er selbst nicht überzeugt ist, zu kippen. Hier setzt der CDU-Antrag an. Baden-Württemberg hat im Bundesrat einen vernünftigen Vorschlag eingebracht. Die Erhöhung für das Jahr 2000 sollte zurückgenommen und die weiteren mit dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vorgesehenen Öko-Steuererhöhungen sollten ausgesetzt werden.

Ich möchte - an dieser Stelle nicht zum erstenmal - den vormaligen Wirtschaftsminister des Landes SachsenAnhalt Klaus Schucht zitieren, der die Öko-Steuer seinerzeit als verhängnisvoll für den Aufbau Ost bezeichnet hat.

(Herr Dr. Bergner, CDU: So ist es!)

Wichtige Wirtschaftsbranchen unseres Landes, wie zum Beispiel die Chemieindustrie und der Braunkohlebergbau, werden in existenzgefährdender Weise berührt. Die Gesetzgebung bedeutet eine schwere Hypothek für die Arbeitsmarktentwicklung, sie vertieft die Benachteiligung ländlicher Regionen und belastet insbesondere einkommensschwache Haushalte von Rentnern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht so einfach dahingesagt. Wenn Sie in diesen Tagen irgendeine Stellungnahme von Verbänden und Unternehmen aller Branchen zur Hand nehmen, können Sie es schwarz auf weiß nachlesen. Wer in der Regierungsverantwortung steht, hat die Pflicht, dies zu berücksichtigen.