Protocol of the Session on May 4, 2000

Sicherlich sind einige positive Denkanstöße dem dem PDS-Antrag zugrunde liegenden Konzept zu entnehmen, aber deren Realisierung würde auch erhebliche finanzielle Mittel in Anspruch nehmen, und dieses, wohlgemerkt, in einer Zeit leerer Kassen.

Auch die ökologischen Gesichtspunkte sind interessant und keineswegs zu ignorieren. Zum anderen ist es wohl Aufgabe der Landesregierung, die angemeldeten Projekte Sachsen-Anhalts im Bundesverkehrswegeplan mit Nachdruck durchzusetzen und zu realisieren, um somit die Zukunftsfähigkeit unseres Schienennetzes zu gewährleisten.

Wir alle kennen die Problematik, welche - wenn ich es einmal etwas salopp sagen darf - rings um das Thema Bahn grassiert. Diese Problematik reicht von Arbeitsplatzabbau bei der Bahn AG, Pünktlichkeit, Service, Fahrpreisen, Streckenstillegungen bis hin zum Thema Sicherheit. Sie ist also breit gefächert und fordert von allen Beteiligten enorme Anstrengungen, besonders von unserer Landesregierung und der Deutschen Bahn AG, um diese Probleme zu lösen. Da sind Konzepte dieser Art fehl am Platz und bieten keinerlei Problemlösungen an.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die DVU-FLFraktion den vorliegenden Antrag ablehnt.

Erhebt sich dagegen Widerspruch, daß die Rede zu Protokoll gegeben wird? - Nicht. Dann verfahren wir so.

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit Bestürzung habe ich diesen Antrag zur Kenntnis nehmen müssen. Wenn nicht die Gefahr einer äußerst negativen Außenwirkung bestünde, brauchte man die Angelegenheit nicht weiter ernst nehmen.

Zur Erinnerung an alle: Das Umgehen mit Anträgen dieser Art wird bei der Bahn AG sehr wohl registriert. Wollte man das Gutachten in der Antragsbegründung mit einem Satz umschreiben, so würde passen: Bund und PDS sind der Meinung, daß Deutschland keinen ICE mehr braucht.

Deshalb bin ich sehr gespannt, Herr Minister Heyer, wie Sie als Mitglied der Landesregierung auf diesen Antrag reagieren werden. Wir hatten mit dem Minister in der letzten Zeit so manche Fehde auszufechten. Dessenungeachtet dürften wir mit unseren Meinungen in dieser Angelegenheit nicht allzu weit auseinander liegen.

Ich bin aber schon der Auffassung, daß die Haltung der Landesregierung zu den ICE-Neubaustrecken deutlicher ausfallen könnte. Wir müssen gegenüber der Bundesregierung und insbesondere der DB AG zum Ausdruck bringen, daß die ICE-Verbindungen, ganz gleich, ob sie Sachsen-Anhalt von Norden nach Süden oder von Westen nach Osten durchqueren, unverzichtbarer Bestandteil der hiesigen Verkehrsinfrastrukturplanung sind.

Solange die CDU die Bundesregierung stellte, wurde das nicht in Frage gestellt. Seitdem eine rot-grüne Koalitionsvereinbarung Grundlage der Regierungsarbeit ist, ist die Unsicherheit bezüglich wichtiger Verkehrsprojekte in Sachsen-Anhalt nicht zu übersehen.

Wir können uns alle noch gut an die vom damaligen Bundesverkehrsminister Müntefering auf Druck der Grünen losgetretene Diskussion über die ICE-Trasse Nürnberg - Erfurt im Zusammenhang mit der Neuordnung des Bundesverkehrswegeplanes erinnern. Ohne diese Vorgeschichte wäre der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion nicht denkbar.

Die Planung für die ICE-Trasse bis Leipzig/Halle geht auf die alte CDU-Bundesregierung zurück, die unter Mitwirkung der alten Landesregierung die besondere Dringlichkeit dieses Vorhabens festgestellt hat. Dabei ist es bis heute geblieben. Folgerichtig ist das Verkehrsprojekt Nr. 8 auch im Landesentwicklungsplan als vorrangiges Verkehrsprojekt mit Bindungswirkung gegenüber anderen Planungen ausgewiesen.

Wie Sie alle wissen, ist das Gesetz zum Landesentwicklungsplan erst im letzten Jahr in Kraft getreten. Ich muß Herrn Kasten hier schon einmal fragen, ob die Rechtsnatur des Landesentwicklungsplanes sich, je nachdem, welches Projekt die PDS gerade realisieren möchte und welches nicht, wie ein Chamäleon verändert.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Herrn Kasten haben wir es zu verdanken, daß sich auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst schon mit dieser Frage beschäftigen durfte. Da ich, Herr Kasten, davon ausgehe, daß trotz alledem eine breite Über- einstimmung zugunsten der von Ihnen bekämpften ICETrasse besteht, richte ich die folgenden Worte direkt an Sie.

Wir reden über eine ICE-Verkehrsachse, die nicht nur regionale Bedeutung aufweist, sondern in einer europäischen Dimension gesehen werden muß. Wird die ICE-Strecke Nürnberg - Halle - Leipzig als Teilstück einer danach zu realisierenden Achse München - Berlin nicht gebaut, so wird der Raum Sachsen-Anhalt von diesem wichtigen Verkehrsmittel abgeschnitten.

Die Schnellbahnstrecken stehen stellvertretend für die Zukunft der Eisenbahn in Europa. Nichts symbolisiert dies besser als die transeuropäischen Netze. Ihr Gutachter erwähnt immerhin die Schnellbahntrasse Italien - Skandinavien, verkennt aber die Bedeutung der Netze für Sachsen-Anhalt.

Noch zwei Dinge, Herr Kasten: Ihr Gutachter behauptet ganz einfach, daß der Bundesverkehrswegeplan mit 80 Milliarden DM unterfinanziert sei. Dies ist in Unkenntnis der wahren Haushaltslage nichts weiter als eine Unterstellung. Im Hinblick auf zusätzliche Einnahmen des Bundes aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen in Höhe von 120 Milliarden DM werden in diesem Herbst die Karten wohl neu gemischt.

Wer gegen den ICE ist und generell für Hochgeschwindigkeitsneigezüge auf Schnellbahnstrecken eintritt, der hat sich für gutes Mittelmaß entschieden. Ich glaube, daß wir uns in Deutschland, wenn wir Hochtechnologiestandort bleiben wollen, damit nicht zufrieden geben können.

Herr Kasten, wenn Ihr Gutachter dem Mischverkehrskonzept der Bahn bzw. der daraus hervorgegangenen Idee von Netz 21 eine Vorbildfunktion einräumt, sollte er sich besser erst davon in Kenntnis setzen lassen, daß die zugrunde liegende unternehmensinterne Aufteilung zwischen Netzwerk AG und DB Cargo bahnintern als gescheitert gilt.

Zum Schluß noch eines zur äußeren Form des PDSAntrages. Er geht auf einen uns nicht näher bekannten Dr. Hamel zurück, der im Auftrag des Bundes ein Gutachten in Sachen Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 erstellt hat. Die PDS übernimmt dieses Gutachten als eigenen Antrag, ohne irgend etwas zu verändern. Selten hat sich eine Partei auch in diesem Haus offener zur Klientelpolitik bekannt als die PDS.

Eine nähere Befassung mit dem Antrag erübrigt sich. Wir lehnen diesen ab.

Frau Weiß, würden Sie eine Frage von Herrn Köck beantworten?

(Zustimmung bei der CDU)

Sie lehnt eine Beantwortung ab. - Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mokry.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS, das Konzept zum Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland durch die Fachministerien prüfen zu lassen - oder wie das jetzt auch lauten soll -, ist ein Ansinnen, das zugleich Fragen heraus- fordert.

Ich erinnere mich gut an die parlamentarische Debatte zum Landesentwicklungsplan vor gut einem Jahr. Da erhob die PDS Forderungen nach einem Ausbau von Bahnstrecken, die längst von Sträuchern überwuchert waren oder deren Wirtschaftlichkeit nicht geprüft war.

Ich sage: Wunschdenken beherrscht das Vorgehen der PDS. So manche Strecke, die auf Wunsch oder Druck der PDS in den Landesentwicklungsplan aufgenommen worden ist, ähnelt letztlich dem Bestandteil einer Wundertüte auf dem Jahrmarkt: Der Inhalt füllt die Tüte, aber er ist unbrauchbar.

Damit wir uns richtig verstehen: Für mich als Eisenbahner kann es eigentlich keine Strecke geben, die stillgelegt wird, nicht nur weil an jeder Strecke nostalgische Erinnerungen an die hohe Zeit der Eisenbahn hängen, sondern weil ich Verfechter einer Verkehrspolitik bin, die der Schiene und anderen Verkehrsträgern endlich echte Wettbewerbschancen gegenüber der Straße zubilligt und Bedingungen dafür schafft. Aber auch in diesem Fall können nicht Wunschdenken und verklärte Erinnerungen bestimmend sein, sondern dabei muß die wirtschaftliche Ergiebigkeit ins Kalkül gezogen werden.

Vielleicht aus Erfahrung klüger geworden, legt die PDS nun ein Konzept zum Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland vor, das vom Beauftragten des BUNDLandesverbandes Sachsen-Anhalt erarbeitet worden ist. Nun könnte man sich beruhigt zurücklehnen; denn das Ziel, das Konzept und die Methode sind genannt. Vielleicht folgt zur Ergänzung das den Zweck heiligende Mittel: Ausrottung des Autos bei Schonung der Auto- fahrer.

Die PDS fordert die Prüfung des Konzeptes durch die Fachministerien. Für mich stellt sich die Frage, welche anderen Konzepte von Verbündeten oder mit ihr liierten Verbänden die PDS zu gegebener Zeit vorstellen wird, um als Beschäftigungstherapie von Gutachtern für Gutachter zu dienen.

Manch Anhaltiner betrachtet dieses Land als Nabel der Welt und sich selbst als Mittelpunkt. Aber der Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland bedeutet doch eine abgestimmte Verkehrspolitik aller daran beteiligten Länder und des Bundes. Folglich wäre eine Überprüfung durch die Fachministerien in Sachsen-Anhalt unzureichend, es sei denn, Sachsen-Anhalt entscheidet über den Ausbau der Strecke Erfurt - Schweinfurt - Würzburg. Aber das wäre dann schon eine diskussionswürdige Erweiterung der geographischen Bestimmung Mitteldeutschlands.

Sicherlich wäre die Anhörung des Verfassers des vorliegenden Konzeptes und eine Diskussion mit ihm darüber interessant und nützlich. Aber der vorliegende Antrag ist es nicht.

Ich empfehle der PDS, zunächst einmal ihre Planspiele zum Schienennetz in Europas größter Modellbahnschau im thüringischen Wiehe zu simulieren, damit sie die Dimension ihrer Vorschläge augenscheinlich überprüfen kann. Ich würde vorschlagen, lieber das bestehende Schienennetz für eine höhere Geschwindigkeit auszubauen, als ein neues zu bauen. Dies wäre aus meiner Sicht sinnvoller und auch kostengünstiger. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Sachse das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Einführungsrede des Herrn Kollegen Kasten sehr aufmerksam verfolgt in der Hoffnung, doch noch das eine oder andere zu erfahren, was uns diesen Antrag, den wir ablehnen, vielleicht etwas anders sehen läßt. Aber es sind keine substantiellen weiteren Hinweise gekommen, so daß ich nachfolgend die Ableh

nung dieses Antrages durch unsere Fraktion kurz begründen möchte.

Der erste Punkt ist rein formaler Natur. Es liegt uns ein Antrag vor, der einen Prüfauftrag und eine Berichtspflicht an die Landesregierung zu einem Konzept beinhaltet, das Dritte erarbeitet haben.

Das ist für uns eine zumindest neue, bemerkenswerte Qualität. So etwas habe ich in dieser Form noch nicht wahrgenommen. Ich meine, wenn der BUND als Konzepterarbeiter hier selbst aufgetreten wäre, so daß er sich entsprechend artikulieren kann, dann wäre das eine gute Sache gewesen. Aber daß die PDS als Briefträger, wir als Erfüllungsgehilfe und, wenn wir dem zustimmen, die Landesregierung als Prüf- und Berichtsbehörde fungieren sollen, kann nicht unsere Aufgabe in diesem Hause sein.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Herrn Mokry, FDVP)

Das ist etwas, das wir so nicht wollen. Wir haben das der PDS-Fraktion gegenüber auch zum Ausdruck gebracht. Ich hätte zumindest erwartet, daß in dem Antrag oder in der Einführungsrede eine klare parteiliche Abwägung, und zwar auch hinsichtlich der Folgemaßnahmen, die sich aus dem ergeben, was das Konzept beinhaltet, vorgetragen worden wären. Ich vermisse ganz einfach den klaren Standpunkt der PDS. Ein Prüfauftrag allein kann es hier wohl nicht sein.

Der zweite Grund ist inhaltlicher Natur. Herr Kasten hat zum Ausdruck gebracht, daß wir bereits des öfteren über Dinge nachgedacht haben, die gerade den Südraum betreffen. Spätestens seit dem Landesentwicklungsplan haben wir über die herausgehobene Bedeutung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 gesprochen.

Wir haben damals über den Neubau und/oder Ausbau diskutiert. Wir haben den Schwerpunkt Neubau auch im Hinblick auf die transeuropäische Bedeutung für diese Verbindung festgeschrieben und in diesem Hause eine klare Abwägung getroffen. Ich erinnere an die Drs. 3/26/2065 B, aus der ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, gern den Punkt 2 zitieren möchte. Dort heißt es:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bei der Bundesregierung weiterhin für die Realisierung des Abschnittes 2 (Halle - Erfurt) des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 einzutreten. Vordringliches Ziel muß es sein, über den bereits mit dem Bundesverkehrsministerium vereinbarten Bau des planfestgestellten Abschnittes 2.6 hinaus schnellstmöglich auch die weitere Verbindung in Richtung Erfurt und darüber hinaus sicherzustellen.“

Das ist ein Auszug aus diesem Beschluß, der für uns bindend war. Mit diesem Auftrag hat die Landesregierung gearbeitet, hat einen Bedarfsplan Schiene erarbeitet und ihn der Bundesregierung übergeben, der aus unserer Sicht einen klaren Verhandlungsauftrag beinhaltet. Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund, von dem abzuweichen.

Die Prüfung eines derartigen Konzeptes, wie es diesem Antrag angeheftet ist, würde eine Alternativdiskussion zum Verkehrsprojekt Nr. 8 darstellen. Das kann zum heutigen Zeitpunkt nur kontraproduktiv sein, das kann nur ein negatives Signal nach außen sein. Das wäre schlecht für die Verhandlungsposition der Landesregierung. Wir müssen fragen, ob damit wirklich Landesinteressen vertreten werden.

Wir wollen eine klare, berechenbare Aussage im Sinne der Beschlüsse, die wir bisher gefällt haben, und wir möchten diesen Antrag an der heutigen Zeit messen und darum ablehnen. Meine Redezeit ist auch zu Ende. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)