Protocol of the Session on April 7, 2000

Deswegen, glaube ich, hat es keinen Sinn, abschließende Festlegungen zu treffen, sondern wir müssen erkennen, daß wir uns hierbei in einem Prozeß befinden. Aber es hat auch keinen Sinn, zu sagen, jetzt orientieren sich alle an den 44 000, weil dies zwangsläufig Verwerfungen produziert. Ich habe Ihnen in der letzten Debatte über den Gesetzentwurf einige Beispiele genannt, die sich zwangsläufig ergeben. Die starken Fachbereiche setzen sich durch und saugen sich voll auf der Basis dieses zu weiten Rahmens. Deshalb verlangen wir von den Hochschulen jetzt Prioritätenentscheidungen auf einer Basis, von der wir glauben, daß sie mindestens für die nächste Dekade planungsrelevant sein wird.

Wir werden aber in diesem Prozeß auch deutlich machen, daß es selbstverständlich keine abschließende Festlegung auf Dauer ist. Dies widerspricht übrigens

auch der Entwicklung hin zur Budgetierung. Bei den Fachhochschulen sind wir ja soweit. Deswegen würde ich Herrn Remmers auch ausdrücklich widersprechen. Wir haben da einiges gemacht, und wir werden jetzt dieses Instrument verfeinern. Das heißt auch, daß sich Leistung für die Hochschulen lohnen wird und daß geringere Leistung zu Abzügen führen wird. Gleiches werden wir bei den Universitäten erreichen. Hier ist es nur ungleich komplizierter und dauert länger.

Herr Minister, würden Sie eine Frage von Herrn Scharf beantworten?

Jede.

(Herr Scharf, CDU: Jede Frage?)

Jede, hat er gesagt.

Jede hier im Landtag zulässige!

Herr Minister, wir alle setzen große Hoffnungen in das Instrument der Budgetierung. Wir mußten nun aber erleben, auch bei den Beratungen im Finanzausschuß, daß mit der Einführung offensichtlich auch große Enttäuschungen erzeugt worden sind, indem man zwar den Hochschulen und Fachhochschulen in einer Experimentierphase ein Budget gegeben hat, diese sich aber hinterher doch etwas gelinkt fühlten, weil sie feststellten: Der Vertrag, auf dessen Grundlage das Budget festgelegt wurde, wurde seitens des Kultusministeriums nicht eingehalten. Das heißt, die Zahlen, die man für das Budget vereinbart hatte, wurden später im Haushaltsaufstellungsverfahren wieder verändert. Dadurch fühlten sich die Hochschulen grob ungerecht behandelt.

Wie wollen Sie denn ausschließen, daß dies wieder passiert? Ich kann mir nicht vorstellen, daß so Vertrauen in solch ein Budget erzeugt wird. Jeder wird sich doch hüten, seine Reserven offenzulegen, wenn er hinterher nur erlebt, daß sie kassiert werden, wenn sie denn offenbar werden.

Herr Scharf, Sie sind ja Mitglied des Haushaltsausschusses und wissen, wie viele Menschen sich grob ungerecht behandelt fühlen, wenn sie den Haushaltsplan hinterher aufschlagen.

Die Frage, vor der die Landesregierung steht, ist folgende: Solange wir einige wenige budgetierte Einrichtungen als Modelleinrichtungen haben, können wir mit der Budgetierung so umgehen, daß wir sagen, beispielsweise bei Haushaltssperren sind budgetierte Einrichtungen generell nicht betroffen. In dem Moment, in dem diese Zahl zunimmt - wir sind jetzt im Lande schon bei einer ganz erklecklichen Zahl -, stellt sich die Frage, wie wir im Falle von Haushaltssperren damit umgehen. Dafür hatten wir im vorigen Herbst zugegebenermaßen noch kein vernünftiges Instrumentarium.

Wir gehen jetzt in Gesprächen mit dem Finanzministerium in eine Richtung, daß vorher klar ist, daß im Falle

einer Haushaltssperre, nicht bezogen auf bisher angesparte Anteile, sondern nur bezogen auf das, was für das laufende Haushaltsjahr anteilig zur Verfügung steht, auch budgetierte Einrichtungen daran beteiligt werden müssen. Ich halte das auch für logisch, wenn wir in dem Grundsatz übereinstimmen, daß die Budgetierung im Laufe der Zeit auf eine größere Zahl von Einrichtungen ausgeweitet wird. Dies ist mit den Rektoren in einer ersten Dienstberatung besprochen worden. Es gab dort Einverständnis darüber, daß man mit einer solchen Richtung leben kann.

Wir werden bei der Unterzeichnung der Budgetierungsvereinbarung, die wir Ihnen auch vorlegen werden, das weitere Gespräch zur Verfeinerung des Instruments suchen. Aber verstehen Sie das wirklich als eine Arbeit zur Verfeinerung dieses Instruments, bei dem sich Sachsen-Anhalt, glaube ich, gar nicht verstecken muß mit dem Stand, den wir erreicht haben. Aber wir können nicht von dem einen Jahr auf das andere den Stein der Weisen finden. Wir müssen uns hier in der Tat in einen Prozeß hineinbegeben.

Herr Minister, eine weitere Frage von Herrn Dr. Bergner. Sie beantworten sie noch. - Bitte schön.

Ich würde auf den Vorschlag, der in der Diskussion schon eine Rolle gespielt hat, der ja von Rektoren unserer Universitäten gemacht wurde, zurückkommen wollen. Er besagt: Genaugenommen muß der Haushaltsgesetzgeber, wenn er eigenverantwortliche Planungsentscheidungen der Hochschulen erwartet, über mehrere Zeiträume im voraus verbindliche Haushaltsentscheidungen treffen. Berlin scheint so etwas gemacht zu haben.

Meine Frage: Halten Sie so etwas für erstrebenswert, und halten Sie so etwas für machbar mit Blick auf unser Bundesland?

Herr Dr. Bergner, das halte ich nicht nur für erstrebenswert und machbar. Wir haben es schon gemacht. Im Bereich der Fachhochschulen haben wir mit einem verbindlichen - -

(Herr Dr. Bergner, CDU: Na, na! Von Verbindlich- keit konnte man da noch nicht reden!)

- Dann haben Sie das falsch gelesen. - Dort wurden mit einem verbindlichen Haushaltsvermerk die Eckwerte der Finanzierung für die nächsten Jahre festgelegt.

Ich halte das für ein richtiges Instrument, weil ich glaube, daß Einrichtungen dieser Größenordnung, wenn wir von ihnen eigene Aktivitäten verlangen, genau diese Sicherheit brauchen, und wir werden das weiterentwickeln.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Na ja!)

Danke, Herr Minister.

Meine Damen und Herren! Bevor ich die Aussprache zur Großen Anfrage eröffne, begrüße ich herzlich eine weitere Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Lange-Sekundarschule Bitterfeld.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich möchte zur Vorsicht noch einmal auf die Redezeiten aufmerksam machen: FDVP fünf Minuten, PDS sechs Minuten, SPD acht Minuten, DVU-FL fünf Minuten, CDU sechs Minuten. Die Debatte beginnt für die FDVPFraktion der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Glaubt man dem Minister, ist im Prinzip natürlich alles in Butter. Aber die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion verdeutlichen etwas anderes: Die Blütenträume sind geplatzt.

Nun kann es durchaus eine Tugend sein, wenn von Illusionen Abschied genommen und eine realistische Betrachtungsweise vorgezogen wird. Das scheint im Moment so zu sein. Es gibt schon zu denken, wenn man sieht, mit welchem hohen Anspruch die Landesregierung ihr Regierungsprogramm im Juni 1998 verkündete und was nun davon übrig blieb.

Man ist ferner gezwungen, zu registrieren, wie Herr Höppner den Opfern der SED-Diktatur, also jenen, die gewaltige biographische Einschnitte erleiden mußten, die ihre Ausbildung abbrechen mußten und keine Chance auf ein Abitur oder ein Studium erhielten, eigenes Versagen und eigene Schuld anhängt. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis muß ich zitieren:

„Es gibt Leute,“

- so Herr Höppner -

„die 40 Jahre lang glaubten, ihr ausbleibendes berufliches Fortkommen liege nur am DDRSystem, und nun entsetzt feststellen, daß sie auch nach der Wende kein Professor werden.“

Und weiter:

„Sie müssen begreifen, daß die alte Erklärung für ihre Lebenssituation nicht zutrifft, daß sie selbst Bestandteil ihres Mißerfolges sind, und das vielleicht schon zu DDR-Zeiten.“

Zynischer kann eine Verachtung von Opfern der SEDDiktatur nicht dargestellt werden. Allerdings ist es für einen Schutzherrn der Stasi passend. Das paßt irgendwie.

In den Vorbemerkungen der Landesregierung zu der Antwort auf die Große Anfrage heißt es:

„Insgesamt gesehen verfolgt die Landesregierung mit ihrer Hochschulplanung das Ziel, eine im nationalen und internationalen Maßstab wettbewerbsfähige Hochschullandschaft zu etablieren und weiterzuentwickeln.“

Weiter heißt es:

„Im Vordergrund steht gegenwärtig die Aufgabe, durch die Versorgung des Landes mit Studienmöglichkeiten und mit wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen insbesondere in den zukunftsträchtigen Bereichen einen signifikanten und bestmöglichen Beitrag für die Entwicklung der jeweiligen Region, des gesamten Landes und der Bundesrepublik Deutschland und einen angemessenen Beitrag zur Erfüllung der internationalen Aufgaben Deutschlands zu leisten... Wenn der Innovationsstandort Deutschland wieder an Attraktivität gewinnt, muß dieses auch in Sachsen-Anhalt wirksam werden.“

Wie wahr! Es heißt ferner:

„Die Landesregierung nimmt die damit verbundene Herausforderung an.“

Meine Damen und Herren! Die Anhörung der Experten und der Rektoren im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ergab ein etwas anderes Bild. Es war vom Mangel und von einer einschneidenden Streichung von Mitteln gezeichnet. Demonstrierende Studenten vor dem Landtag gaben ein beredtes Bild von den Sorgen und Nöten der Studierenden, nämlich von der Unsicherheit über die Hochschulentwicklung in Sachsen-Anhalt. Die Folge ist eine anhaltende Flucht der Studienberechtigten aus dem Land.

Aus den Abwanderungsbilanzen geht hervor, daß Sachsen-Anhalt nicht attraktiv genug ist, um die Studienberechtigten an die hiesigen Hochschulen und Universitäten als Studienanfänger zu binden. Im Land SachsenAnhalt wurden im Jahre 1998 über 1 000 Studienanfänger weniger an den Hochschulen aufgenommen, als in andere Bundesländer gingen. Die Exportquote von minus 14,4 % ist wahrlich ein trauriges Zeichen. Dabei betrug diese im Jahre 1995 schon einmal minus 18,1 %. Im Umkehrschluß ist man jetzt etwas weniger schlecht dran, und bei nochmaliger Verdrehung der Tatsachen ist man besser geworden.

Es sollte doch zu denken geben, daß im Nachbarland Sachsen seit dem Jahr 1995 ein Importüberschuß zwischen 11 % und 15,7 % zu verzeichnen ist. Liegt es nur daran, daß man den Sachsen nachsagt, sie seien „helle, heeflich und heemtik‘sch“, oder vielmehr daran, daß die Hochschulen und Universitäten attraktiver sind und nicht einer Landesregierung mit Schaukelpolitik ausgeliefert sind?

Als Sprachrohr der Landesregierung verkündet die „Freiheit“ in Halle in einer Überschrift: „Sachsen-Anhalt will rund um den Globus um Studenten werben“. Die Ergänzung kam prompt von Kultusminister Dr. Harms: Studenten mit erhöhter interkultureller Kompetenz. Gemeint ist damit eine multikulturelle Kompetenz.

Herr Minister, nicht nur an dieser Stelle werden Sie zum Schüler werden. Ihre Gegnerschaft ist wachsend. Solche Aktionen, die mit teuren Reisen verbunden sind, um Studenten für Sachsen-Anhalt aus der Ferne zu holen, finden wir lächerlich und im wahrsten Sinne des Wortes von weit hergeholt.

Die Dinge sind im Lande in Ordnung zu bringen. Verstümmeln Sie nicht die finanziellen und anderen Rahmenbedingungen. Dann braucht man nicht nach Strohhalmen zu greifen. Oder wollen Sie nur noch Politik mit Greencards bewerkstelligen und nichts gegen das hausgemachte Vakuum unternehmen? - Danke.

(Zustimmung bei der FDVP)

Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion zu Hochschulen und zur Hochschulentwicklung im Land Sachsen-Anhalt birgt angesichts zahlreicher umstrittener und ungeklärter Probleme die Verlockung und - man möchte fast sagen - den Reiz, sich in der eigenen Positions