Protocol of the Session on April 6, 2000

Doch von Planmäßigkeit und abgestimmtem Vorgehen im Rahmen einer Funktional- und Strukturreform der Verwaltung kann beim besten Willen keine Rede sein. Treibende Kraft für die vorgezogene Einleitung der Umstrukturierung des Umweltbereiches war offensichtlich der persönliche Ehrgeiz der Umweltministerin, vor ihrem Wechsel nach Halle die anstehenden Veränderungen selbst auf den Weg gebracht zu haben.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Ist das falsch?)

Wie sonst ist es zu erklären, daß das Kabinett nur eine Woche vor der Verabschiedung des Leitbildes und des Programms für die Modernisierung der Landesverwaltung separat die Einleitung der Umstrukturierung der Umweltverwaltung beschließt?

Oder wie ist es sonst zu erklären, daß die Personalräte erst unmittelbar vor der Kabinettssitzung am 28. März, auf der die Angliederung der Staatlichen Ämter für Umweltschutz an die Regierungspräsidien beschlossen werden sollte, davon in Kenntnis gesetzt worden sind? Für deren gesetzlich verbriefte Einbeziehung angesichts der gravierenden Veränderungen blieb keine Zeit. Die Reaktion der Personalräte dürfte Ihnen, Frau Häußler, als erfahrene ehemalige Betriebsrätin doch klar gewesen sein.

(Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

Warum nur diese Eile? Am nächsten Tag wurden im Fließbandverfahren die Belegschaften der drei Staatlichen Ämter für Umweltschutz informiert: früh Magdeburg, mittags Wittenberg, nachmittags Halle.

Wie drückte sich der Ministerpräsident am 10. Februar im Landtag so schön aus? Ich zitiere mit Ihrer Genehmigung:

„Es hat überhaupt keinen Zweck, sämtliche Landesbedienstete dadurch zu verunsichern, daß man jetzt Papiere schreibt, die im Umsetzungsprozeß möglicherweise noch korrigiert werden müssen. Man schafft Unruhe.“

Die Stimmung auf den Belegschaftsversammlungen dürfte mit dem Wort „Unruhe“ recht schmeichelhaft umschrieben sein. Ich solidarisiere mich hiermit mit den Personalräten und unterstütze ihre massive Kritik an der Vorgehensweise - wohlgemerkt: an der Vorgehensweise -, die sie in einem Brief an den Umweltausschuß des Landtages zum Ausdruck gebracht haben, in allen Punkten.

Die letzten Zweifel schwinden beim Blick auf den Arbeitsplan des zeitweiligen Ausschusses „Funktio- nal- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform“. Dort sollte am 5. Oktober dieses Jahres die Umweltverwaltung behandelt werden. Nun hat der Ausschuß wahrscheinlich sitzungsfrei.

Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion offenbart ein eigenartiges Demokratieverständnis. Ich habe Sorge ob der Bereitschaft zu einer ehrlichen, ergebnisoffenen Arbeit in diesem Ausschuß, wenn dort nur informiert werden soll.

Nun zu einigen fachlichen Aspekten, die ich jedoch nur anreißen will oder als Fragen in den Raum stellen kann.

Erstens. Die zukünftige Aufgabenverteilung in der Umweltverwaltung und die Strukturierung können nicht losgelöst von den übrigen Bereichen der Landesverwaltung betrieben werden. Jede Entscheidung an einer Stelle präjudiziert Funktionsverlagerungen und Strukturveränderungen anderswo. Zuerst sind die Grundsatzentscheidungen zu treffen. Frau Dr. Paschke hat dazu unsere Position dargelegt.

Zweitens. Als fundierte Entscheidungsgrundlage für die Umstrukturierung der Umweltverwaltung wurde in der Regierungserklärung eine zwischen Mai und Oktober des vergangenen Jahres im Bereich des Ministeriums durchgeführte Aufgabenkritik genannt. Diese - das wurde nicht gesagt - stellte jedoch erst die erste Stufe dar und hat das Ministerium, die drei Regierungspräsidien und auch die kommunale Ebene noch völlig ausgeblendet. Die Untersuchung war dabei grundsätzlich auf die Optimierung des Status quo, sprich Umweltverwaltung mit MU, RP, LAU und StAU, ausgerichtet.

Drittens. Eine Liquidierung der StAUs wäre aber auch bei einer zweistufigen Verwaltung nur dann zu rechtfertigen, wenn die nicht zentralisierbaren Leistungen von den Landkreisen erbracht werden würden. Das wäre nur im Fall von wirklichen Großkreisen halbwegs kostenverträglich darstellbar. Ein solches Modell ist in Brandenburg realisiert worden. Dort gibt es allerdings je Kreis zum Beispiel ein selbständiges Amt für Immis- sionsschutz.

Viertens. Es ist mir völlig unverständlich, wie auf der einen Seite die Herauslösung der Landwirtschaftsfragen aus den Regierungspräsidien und deren Konzentrierung in den Ämtern für Landwirtschaft sowie die Herauslösung der Aufgaben der Schulverwaltung aus den Regierungspräsidien und deren Übertragung auf die Schulämter als Reform gefeiert werden, während die StAUs aufgelöst und auf die RPs verschmolzen werden sollen.

Fünftens. Selbstverständlich sind Aufgabenverlagerungen aus den StAUs heraus sinnvoll und notwendig. Über die der Fachaufsicht des MU unterstehenden Bereiche der RPs und ihr Schicksal hat sich bisher offensichtlich noch niemand ernsthafte Gedanken gemacht - siehe Aufgabenkritik. Diesbezügliche bohrende Fragen sollen auf den Belegschaftsversammlungen der StAUs jedenfalls unbeantwortet geblieben sein.

Über die Vergleichbarkeit der Strukturen und Aufgaben will ich nicht richten, aber ein Größenvergleich sei mir doch gestattet. Die staatlichen Schulämter beschäftigen 403, die Ämter für Landwirtschaft 667 und die StAUs 682 Angestellte und Beamte. Das Pendant zum Ministerium und seiner Fachbehörde LAU könnte auf der nächsten Stufe des Landesverwaltungsamtes als Bündelungs- und Vollzugsbehörde ein staatliches Amt für Umwelt- und Naturschutz mit einer bis mehreren Zweigstellen analog den ALFs als reine Fachbehörde sein.

Sechstens. Sollte daran gedacht sein, die Verschmelzung von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium dauerhaft beizubehalten, sind beide ehemals getrennten Bereiche organisch zu verschmelzen und auf ihre Synergien abzuklopfen. Ein Stichwort dafür ist zum Beispiel: Abgleichung der Aufgaben von LAU, LUFA, der Landesanstalt für Forsten sowie des ALF und des Naturschutzes. Eine Umstrukturierung allein der Umweltverwaltung

macht deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch viel weniger Sinn als in allen anderen Ministerien.

(Herr Becker, CDU: Sehr richtig, sehr richtig! - Herr Dr. Rehhahn, SPD: Aber jetzt! - Frau Budde, SPD: Bloß nicht bewegen, Herr Becker!)

Siebentens. Die sinnvolle Verschmelzung des Geologischen Landesamtes mit dem Landesamt für Umweltschutz, die in allen mir zugänglichen fachlichen Empfehlungen enthalten ist - einem entsprechenden Prüfauftrag der PDS stimmte der Landtag übrigens im Mai des vergangenen Jahres bereits zu -, spielt in der Umstrukturierungsvariante von Frau Häußler überhaupt keine Rolle. Wie mir zu Ohren gekommen ist, konnte der Wirtschaftsminister in der Kürze der Zeit nicht zum Verzicht auf sein einziges Landesamt bewegt werden. Persönliche Befindlichkeiten sind offensichtlich im Moment noch wichtiger als das Allgemeine.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Sie wissen aber interes- sante Sachen! - Frau Budde, SPD: Das ist ja schon im Landtag gewesen! Das ist ja Unsinn, was Sie erzählen!)

In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ist zumindest eine diesbezügliche Option enthalten.

Achtens. Mit der Übertragung von spezifischen Aufgaben aus den StAUs auf die Landkreise müssen auch die entsprechenden Fachleute übernommen werden. Da es aber viel mehr Kreise als StAUs gibt, machen sich eigentlich Neueinstellungen von Spezialisten erforderlich. Gleichzeitig soll aber Personal abgebaut werden. Also werden diese Stellen notgedrungen, wie bereits jetzt üblich, von frei werdenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der Verwaltungen besetzt. Trotz Fleiß und Weiterbildung muß mit deutlichen Qualitätsverlusten bei der Bearbeitung der oft sehr spezifischen Fachfragen gerechnet werden.

Neuntens. Die Ankündigung des Abbaus von 13 000 Stellen im öffentlichen Dienst hat neben der Verunsicherung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - siehe die gestrige ÖTV-Demonstration in Magdeburg - weitere fatale Folgen. Da die in den Ruhestand tretenden erfahrenen Spezialisten im LAU und in den StAUs nur im Ausnahmefall ersetzt werden - auch das steht in der Aufgabenkritik -, drohen zunehmend ganze Fachgebiete vakant zu werden. Das ist kein Honorarszenario, sondern leider bereits Realität.

Weiterhin findet das neueste Wissen über Jahre hinweg keinen Eingang in die Fachbehörden und -verwaltungen, weil die Hochschulabsolventen nicht aufgenommen werden. Angesichts wachsender Anforderungen durch die europäische Gesetzgebung droht im besten Fall fach- licher Stillstand.

Noch ein letzter Punkt. Zehntens. Für jährlich schätzungsweise 350 Absolventen sachsen-anhaltinischer Hochschulen, die einen umweltrelevanten Beruf anstreben, bleibt nur der Weg nach Westen oder in einen fachfremden Job. Dabei können beispielsweise die Hochschule Anhalt in der Fachrichtung Landschaftspflege und die Fakultät Landwirtschaft in Halle nahezu allein mit späteren Einsatzmöglichkeiten im öffentlichen Dienst um die Gunst der Studierenden werben.

Als große Herausforderung wird dann auf den Weg in die Selbständigkeit hingewiesen; denn das Land braucht eine Existenzgründeroffensive. Hoffentlich be

kommen diese Existenzgründer nicht sofort die Aufgabenkritik des MU in die Hände. Denn dort steht - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident -:

„Die Nutzung von Outsourcing-Potentialen ist nur begrenzt möglich, da die Mittelzuweisungen zur Vergabe von Dienstleistungen an Außenstehende ebenso rückläufig sind.“

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Meine Damen und Herren! Für den Wahrheitsgehalt gerade dieser Aussage kann ich mich ohne jegliches Risiko mit Hab und Gut verbürgen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Oh!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle abbrechen. Ich denke, daß unser Antrag damit genügend begründet ist.

Wir fordern die Landesregierung auf, die Umstrukturierung der Umweltverwaltung organisch in das Gesamtpaket der Funktional- und Strukturreform zu integrieren. Dies fordern wir um so mehr, weil die als Entscheidungsgrundlage dienende Aufgabenkritik bisher nur die StAUs und das LAU erfaßt hat.

Zuvor ist die Aufgabenkritik für die drei Regierungspräsidien und das Ministerium selbst durchzuführen. Darüber hinaus ist die neue Situation der Verschmelzung des Ministeriums für Umwelt mit dem Ministerium für Landwirtschaft zu berücksichtigen. Schlußendlich ist auch die kommunale Ebene einzubeziehen.

Ich möchte deshalb an den designierten Nachfolger im Umweltressort, Herrn Keller, und auch an Sie, Herr Ministerpräsident - im Moment nicht anwesend -, persönlich appellieren. Noch ist außer Unruhe und Vertrauensverlust kein weiterer Schaden entstanden. Lassen Sie also Vernunft und nicht das Prinzip „Augen zu und durch“ walten. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt Schülerinnen und Schüler des Siemens-Gymnasiums Magdeburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der Ministerin Frau Häußler. Bitte, Frau Häußler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen zur Umweltverwaltung komme, möchte ich ein paar Worte vorwegschicken. Ich denke, an der Debatte, die sich hier anbahnt, wird eines deutlich: Eigentlich wird die Regierung getrieben, nun endlich etwas für die Verwaltungsreform zu tun. Macht dann aber einer einen Schritt, geht es in die Einzelheiten, und es wird gesagt: Alles vorschnell, geht viel zu schnell.

(Frau Bull, PDS: Aber nicht ohne ein Konzept! Das ist doch nicht so schwer zu verstehen! - Herr Dr. Bergner, CDU: Das Konzept!)

Wir sollen jetzt wahrscheinlich warten mit den einzelnen Teilverwaltungen, bis dieses ganze Konzept im Jahre 2005 - -

(Frau Bull, PDS: Richtig, so macht man es eigentlich! Das nervt!)

Wie setzen wir denn so ein Konzept um? Wir wollen darüber jetzt nicht diskutieren, aber das macht es wieder einmal deutlich: Einerseits sollen wir etwas tun; wenn wir aber andererseits etwas tun, dann heißt es: Das ist vorschnell.

(Frau Stange, CDU: Aber man muß es richtig tun!)

Nun will ich einmal etwas zu dem Vorwurf „vorschnell“ sagen. Seit eineinhalb Jahren redet das Kabinett - -

(Herr Dr. Daehre, CDU: Setzen Sie es einmal auf die Tagesordnung in Gommern! Dann haben wir es richtig! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Darf ich jetzt einmal reden, ohne daß hier dauernd dazwischengesprochen wird? Herr Präsident, vielleicht wären Sie so freundlich.