Protocol of the Session on April 6, 2000

Auf der Grundlage dieser Arbeitshypothesen, die ein Grundgerüst für den allgemeinen Aufbau der Landesverwaltung darstellen, wird der zeitweilige Ausschuß in der Folge die einzelnen Verwaltungszweige einer aufgabenkritischen und aufgabenorganisatorischen Würdigung unterziehen. Diese Arbeit wird sicherlich bis zum Ende der Legislaturperiode dauern.

Meine Damen und Herren! Welche Aussagen sollte das Landesorganisationsgesetz zur Aufbauorganisation der Landesverwaltung treffen? - Hiermit, Herr Dr. Bergner, bewege ich mich tatsächlich auf einem etwas dünneren Eis. Aber auch der Diskussionsprozeß in der Fraktion soll hier zumindest angesprochen werden.

Das Gesetz sollte das Landesverwaltungsamt und die in der Mittelinstanz verbleibenden Sonderbehörden einschließlich ihrer Sitze benennen. Für die unteren Landesbehörden erscheint allein die Aufzählung der einzurichtenden Behördenarten ratsam. Was dort nicht mehr vorkommt, fällt in die Zuständigkeit der Landratsämter. - So der Diskussionsstand. Wir nehmen also den Regelungsauftrag ernst.

Allerdings wollen wir erst einmal im zeitweiligen Ausschuß über die gesetzgeberischen Maßnahmen so beraten, daß zu Beginn der nächsten Legislaturperiode ein Sachstand erreicht ist, der es erlaubt, die Verwaltung unseres Landes in ein regelrechtes Landesorganisa- tionsgesetz zu gießen.

Das von mir angedachte gesetzgeberische Tätigwerden noch in dieser Legislaturperiode hätte allein ein Vorschaltgesetz zur Funktionalreform zum Gegenstand, griffe also nur insoweit dem Landesorganisationsgesetz vor, als es zur Vermeidung von Fehlentwicklungen erforderlich ist. Das wäre der Fall, wenn sich die Regierungspräsidien zum Beispiel verfestigen können.

Meine Damen und Herren! Nach meinen Aussagen zur Tagesaktualität möchte ich meinen Redebeitrag mit einem Ausblick abschließen. Wolfgang Thierse hat auf einer Konferenz über Zukunftsfragen der SPD SachsenAnhalts am letzten Wochenende in Halle eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er sprach von der SPD als der Partei, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt garantiert.

So wollen wir auch unser Bemühen um die Verwaltungsreform verstanden wissen. Wir wollen die Rahmenbedingungen in Sachsen-Anhalt so gestalten - wo hat die Landespolitik mehr Gestaltungsmöglichkeiten als bei der Verwaltungsreform? -, daß Chancenungleichheit auch durch Verwaltungshandeln abgebaut wird, im Ergebnis also Leistungsgerechtigkeit durch Verwaltungshandeln gefördert wird.

Wolfgang Thierse stellte auf der Zukunftskonferenz des weiteren eine These auf: Die Zukunft für Ostdeutschland beginnt nicht erst nach dem Ende der Aufholjagd. Deshalb müssen wir uns schon heute an einem weiteren Horizont orientieren.

Diese These trifft haargenau auf die Verwaltungsreform zu. Es kommt keineswegs nur darauf an, zu erklären, wieviel Personal abgebaut und welche Behörden zusammengelegt, verlagert oder aufgelöst werden sollen. Es geht darum, eine Verwaltung für das 21. Jahrhundert zu schaffen.

Diese Herausforderung beinhaltet weit mehr als nur aufbauorganisatorische Entscheidungen. Für Sozialdemokraten heißt dies insbesondere, daß wir uns anstrengen, die erforderlichen Umstrukturierungen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Dazu gehört ein enger Kontakt mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Personalräten und Gewerkschaften schon im Vorfeld mitbestimmungspflichtiger Entscheidungen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß ich die im Rahmen der Anhörung zur geplanten Novellierung des Personalvertretungsgesetzes auf Gewerk

schaftsseite entstandenen Irritationen sehr bedauere. Hier ist sowohl über das weitere Gesetzgebungsverfahren als auch über eine denkbare inhaltliche Einigung zu reden. Für den Wunsch, dies im Falle einer Novelle nicht auf die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Letztentscheidungsrecht im Einigungsverfahren zu beschränken, habe ich vollstes Verständnis.

Verwaltungsreform mit den Mitarbeitern und nicht gegen die Mitarbeiter zu machen ist ein Schlüssel zum Erfolg. Alle Beteiligten müssen aber auch wissen: Veränderung tut not.

Der öffentliche Dienst kann nicht eine Insel - etwas hart gesagt - der Glückseligen in einem sich dramatisch verändernden Umfeld sein. Wenn es im Bankgewerbe Standard wird, daß man Schalterleistungen an einem Dienstleistungsabend erhält, dann muß das auch bei Landesämtern und nicht nur bei Kommunalbehörden möglich sein.

Richtig ist, daß der Staat nicht im Verhältnis 1 : 1 mit dem Dienstleistungsgewerbe zu vergleichen ist. Aber richtig ist auch, daß der öffentliche Dienst im Hinblick auf die Entwicklung von mehr Bürgerfreundlichkeit und damit auch mehr Kundenfreundlichkeit bisher selten Schrittmacher gewesen ist.

(Zustimmung von Herrn Steckel, SPD)

Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger dürfte die Bedeutung des Sitzes einer Verwaltung in dem Maße abnehmen, in dem deren Produkte, sage ich einmal, ohne lange Wege abrufbar sind. Hierbei werden die schon erwähnten neuen Informationstechnologien vielen Bürgern einen problemloseren Zugriff ermöglichen.

Wenn es möglich ist, daß man eine ganze Anlage rund um den Globus konstruiert, und es möglich ist, daß sie hinterher noch funktioniert, dann - ich will gleich dazu sagen, das heißt nicht, daß ich 24-Stunden-Callcenter für die Verwaltung einrichten will -, denke ich, ist es auch nicht mehr im Kern der Überlegung und nicht mehr so wichtig, wo sich die Außenstellen befinden, sondern dann muß ein koordinierter Abruf von Dienstleistungen der öffentlichen Hand möglich sein.

Genauso ist es dann aber nicht der oberste Wert einer Reform, hinterher sagen zu können: Wir haben alles nur an einem Standort konzentriert. In diesem Spannungsfeld, gerade beim Nutzen der neuen Informationstechnologien, werden sich auch unsere Entscheidungen über Standorte bewegen müssen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Beziehung zwischen Bürgern und Staat ist die Frage, ob der Staat ihnen als Obrigkeit oder als Partner, Frau Dr. Paschke, gegen- übertritt.

Natürlich gibt es Situationen, wie beim Zugriff durch die Polizei, bei denen sich diese Frage nicht stellt. Demgegenüber wünsche ich mir aber in vielen anderen Bereichen, zum Beispiel im Subventionswesen, daß öfter als bisher üblich öffentlich-rechtliche Zuwendungsverträge an die Stelle von Verwaltungsakten treten. Das sollte nicht nur bei sehr großen Vorhaben, bei denen es selbstverständlich ist, daß man sich miteinander abstimmt, geschehen. Auch Vereinen und anderen Einrichtungen, die einen Zuwendungsbescheid erhalten, sollten ähnliche Möglichkeiten eröffnet werden. Vertragliche Zielvereinbarungen bieten die Möglichkeit, der Vielzahl von Lebenssachverhalten eher gerecht zu werden.

Da wir beim Geld sind: Auch in den Beziehungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Landesverwaltung sind Zielvereinbarungen ein Steuerungsinstrument, welches im Zusammenhang mit dem Prozeß der Budgetierung zunehmend Anwendung findet. Ich will zwei Bespiele nennen.

Kollege Ernst hat in der letzten Plenarsitzung den Entwurf einer Novelle zum Hochschulgesetz eingebracht, der derartige Zielvereinbarungen vorsieht. In der Landesverwaltung sind Zielvereinbarungen ein Element des Projektes KEP. Das Kürzel steht für Konzept für mehr Eigenverantwortung und Effizienz in der Polizei.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist aber ein schlech- tes Beispiel, ein sehr problematisches Beispiel!)

- Immer wenn man sich bewegt, wird es problematisch, Herr Dr. Bergner. Deshalb können wir aber nicht an einer Stelle sitzen bleiben. Das ist nun einmal so, wenn man etwas verändern will.

(Beifall bei der SPD - Herr Bischoff, SPD, lacht)

Es würde den inhaltlichen Rahmen sprengen, in der heutigen Aussprache das Thema Verwaltungsreform erschöpfend zu behandeln. Mir ging es darum, deutlich zu machen, daß für die SPD-Fraktion die Aufgabenstellung eine umfassende ist.

Herr Dr. Bergner, durch Ihre Zwischenrufe haben Sie mir gezeigt, daß Sie wohl eher verharren als sich bewegen wollen. Wenn Sie bei allen Vorschlägen bemerken, das sei bedenklich, das sei dünnes Eis und was weiß ich nicht alles, dann wird eine Bewegung mit Ihnen immer schwieriger werden. Ich will ein Wort Ihres CSU-Kollegen aus dem Bayerischen Landtag anführen; denn wenn das so bleibt, dann werden auch wir sagen müssen: Das bißchen Opposition, das wir brauchen, machen wir uns immer noch selbst. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Runde beendet. Ich teile Ihnen den verbliebenen Zeitfonds für die Fraktionen mit: CDU 1:30 Minuten, DVU-FL 1:38 Minuten, PDS 1:10 Minuten, SPD 7:54 Minuten. Die FDVP-Fraktion hat in dieser Aussprache keine Redezeit mehr. Wünscht einer der Abgeordneten zur Aussprache noch einmal das Wort? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. - Herr Dr. Bergner hat um die Möglichkeit zur Abgabe einer persönlichen Bemerkung gebeten. Bitte, Herr Dr. Bergner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Budde hat zu Beginn ihrer Rede den Umstand kritisiert, daß ich mich auf einen Satz bezogen habe, der zwar im Manuskript der Rede des Ministerpräsidenten erwähnt worden ist - -

(Zuruf von Frau Budde, SPD - Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Das ist falsch!)

- Ich meine die mir zugestellte Rede. Wir sollten jetzt nicht darüber streiten. Warten Sie bitte, bis ich zu Ende gesprochen habe.

Es ging um einen Satz, der zwar in dem mir zugestellten Redemanuskript des Ministerpräsidenten vorhanden war, aber im gesprochenen Wort nicht auftauchte. Ich

möchte im Interesse unserer Streitkultur ausdrücklich feststellen, daß diese Kritik von Frau Budde berechtigt ist, und öffentlich um Entschuldigung bitten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD, von Frau Stolfa, PDS, von Herrn Kasten, PDS, und von der Regierungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden nicht gefaßt. Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung

Umgehende Beratung des Vorschlags der Reform der Umweltverwaltung im zeitweiligen Ausschuß „Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform“

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2919

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2959

Einbringer ist Herr Dr. Köck. Danach folgt eine Fünfminutendebatte. Bitte, Herr Dr. Köck, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Innenminister wurde kurz vor Weihnachten des letzten Jahres mit der Ankündigung eines Leitbildes die Kommunalreform losgetreten. Seither ist keine Sitzungsperiode ohne heiße Debatte zu diesem Thema vergangen, weil das Parlament die große Sorge hegt, nicht einbezogen und vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Das Mißtrauen sitzt trotz vielfacher Beteuerungen und trotz der Bildung des zeitweiligen Ausschusses „Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform“ nicht nur bei den Parlamentariern, sondern auch in den Kommunalverwaltungen und in den Gemeindevertretungen aller Ebenen tief.

Herr Püchel gleicht dabei bisher eher dem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr bändigen kann. Ein zweiter Lehrling versucht sich kurz vor seiner Versetzung ebenfalls am Zaubern und bringt damit das Brodeln im Zauberhaus zum Höhepunkt.

Bis zum heutigen Tag hat der alte Zauberer dem Treiben seiner Eleven eher gelassen aus der Ferne zugesehen. Doch nun sah er sich genötigt, sich einzumischen. Mit einer langen Zauberrede hat er heute versucht, die Wogen zu glätten, und hofft, das Wasser in geordnete Bahnen gelenkt zu haben. Ob der Zauberspruch auch wirkt, muß sich erst noch zeigen. Doch Spaß oder, besser gesagt, Sarkasmus beiseite.

Sehr geehrte Frau Ministerin Häußler, ich bedaure - das meine ich angesichts Ihres Engagements, das Umweltministerium und die neuen Aufgaben auch ohne die Unterstützung eines alteingesessenen Staatssekretärs in den Griff zu bekommen -, daß Sie Ihre Amtszeit mit einer völlig überhastet eingeleiteten und fachlich unausgegorenen Strukturreform beenden wollen. Für nicht wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ihnen unterstehenden Behörden werden diese letzten Tage Ihrer

Amtszeit zur alles andere überdeckenden bleibenden Erinnerung werden.

Ich nehme allerdings an, daß die Umweltministerin in ihrer Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der PDS, den Faden der Regierungserklärung aufnehmend, nachdrücklich die Planmäßigkeit der Reformschritte nach- weisen will.

Doch von Planmäßigkeit und abgestimmtem Vorgehen im Rahmen einer Funktional- und Strukturreform der Verwaltung kann beim besten Willen keine Rede sein. Treibende Kraft für die vorgezogene Einleitung der Umstrukturierung des Umweltbereiches war offensichtlich der persönliche Ehrgeiz der Umweltministerin, vor ihrem Wechsel nach Halle die anstehenden Veränderungen selbst auf den Weg gebracht zu haben.