Protocol of the Session on April 6, 2000

- Darf ich jetzt einmal reden, ohne daß hier dauernd dazwischengesprochen wird? Herr Präsident, vielleicht wären Sie so freundlich.

(Beifall bei der SPD)

Seit eineinhalb Jahren diskutiert die Landesregierung - natürlich nicht auf der Grundlage von Kabinettspapieren, die Ihnen zur Verfügung gestellt werden, sondern in einer Runde, über die, komischerweise oder Gott sei Dank, einmal nichts in der Zeitung gestanden hat - über die Frage der Umweltverwaltung.

Ich hatte seit eineinhalb Jahren den Auftrag, etwas dafür zu tun. Wir haben etwas getan. Wir haben Aufgabenkritik gemacht - Herr Köck hat es erwähnt -; diese ist bisher in den StAUs und im Landesamt abgeschlossen worden. Wir sind dabei, das im Ministerium umzusetzen. Wir werden im Sommer damit fertig sein.

Es ist selbstverständlich mein Ehrgeiz, daß ich, wenn ich eineinhalb Jahre an so einem Thema arbeite, auch zu einem Ergebnis komme. Selbst die Beschäftigten in den StAUs und im Landesamt, die natürlich unruhig waren - wenn man Aufgabenkritik macht, wird erwartet, daß Schlußfolgerungen gezogen werden -, erwarten, daß man eine Entscheidung trifft.

Das, was wir im Kabinett gemacht haben, ist ein Richtungsbeschluß, damit nun konsequent in eine Richtung gearbeitet werden kann. Man kann nämlich nicht alles offen lassen und in fünf Varianten arbeiten und den Beschäftigten ständig neue Varianten vorstellen. Genau darum geht es.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt in die Einzelheiten einsteigen; danach sage ich noch etwas zu meinem Grundsatz, nach dem ich vorgegangen bin.

Wenn wir die Neuorganisation der Umweltverwaltung jetzt ansehen, dann stellen wir fest, daß wir mit diesem Prozeß im Grunde genommen auf bereits seit langer Zeit wirkende qualitative, sachliche und personelle Veränderungen in der Umweltverwaltung reagieren. Kaum ein anderer Bereich ist wie die Umweltverwaltung in den vergangenen Jahren durch die Rechtsetzung des Bundes, vor allem aber der EU einem ähnlich tiefgreifenden Wandel unterworfen.

Wenn ich mir die auf der umweltpolitischen Agenda stehenden Themen ansehe, dann stelle ich fest, daß sich der Aufgabenbereich der Umweltverwaltung des

Landes durch die Rechtsetzung der EU in den vergangenen zehn Jahren rapide vergrößert hat und in Zukunft immer weiter vergrößern wird. Ich will beispielhaft auf die bevorstehende EU-Wasserrahmenrichtlinie und auf die Richtlinie der EU zur Plan-UVP hinweisen. Allein im Fachbereich Kreislaufwirtschaft/Bodenschutz sind im Zeitraum von 1996 bis 1999 15 Rechtsvorschriften neu in Kraft getreten.

Auch innerhalb des Landes stehen wir vor neuen Aufgaben. Ich erinnere an den gesamten Bereich der Großschutzgebiete. Wir setzen auch dort auf eine Regionalentwicklung, die Arbeitsplätze schafft und auch den Menschen etwas bringt.

Das alles kann aber nur geschehen, wenn wir es mit Mitteln und Personal untersetzen können; denn nur dann wird dort eine vernünftige Entwicklung zustande kommen. Das Personal muß also zur Verfügung stehen. Sie alle wissen, daß wir unsere Personalkosten nicht ständig in die Höhe treiben können.

(Zustimmung von Herrn Dr. Rehhahn, SPD)

Meine Damen und Herren! Nach dem sich qualitativ und quantitativ verändernden Aufgabenbestand ist die Umweltverwaltung in ihrer jetzigen Struktur diesen Auf- gaben nicht mehr gewachsen.

Bis zum Jahr 2005 werden rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein aufgrund des Erreichens der Altersgrenze ihren Arbeitsplatz in den Umweltbehörden verlassen. Die Inanspruchnahme von Abfindungs- und Teilzeitregelungen kommt hinzu. Die Einstellung von Nachfolgepersonal wird vor dem Hintergrund der notwendigen finanziellen Konsolidierungsprozesse nur im Ausnahmefall möglich sein. Dies ist auch in der Vergangenheit - Sie wissen das; Sie kennen die 1:3- und 1:4-Regelung - kaum möglich gewesen. Das Ergebnis ist, daß im Moment an vielen Stellen dringend benötigte Fachleute fehlen.

Eine Bündelung der verbleibenden Fachkräfte ist, um die Handlungsfähigkeit der Umweltverwaltung überhaupt zu erhalten, deshalb unumgänglich. Es liegt im Interesse einer effektiven, fachlich kompetenten und bürgernahen Umweltverwaltung, die bestehenden Potentiale besser zu nutzen.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung beabsichtigt daher, eine grundsätzliche Neuzuordnung der Genehmigungs- und Vollzugsaufgaben in den Bereichen Wasser, Abfall und Immissionsschutz vorzunehmen.

Soweit diese Aufgaben der Staatlichen Ämter für Umweltschutz bündelungsrelevant sind, ist vorgesehen, diese Aufgaben auf das künftige Landesverwaltungsamt zu übertragen. Solange das Landesverwaltungsamt seine Arbeit noch nicht aufgenommen hat, werden diese Aufgaben übergangsweise den Regierungspräsidien Halle und Magdeburg zugeordnet.

Die von dem StAU wahrgenommenen Aufgaben des gewässerkundlichen Landesdienstes werden dem Landesamt für Umweltschutz zugeordnet, die Aufgaben für den Wasserbau werden ausgelagert. Eine Kommunalisierung von Aufgaben soll dann erfolgen, wenn die Leistungsfähigkeit insbesondere der Landkreise dies zuläßt.

Die Verlagerung all dieser Aufgaben ermöglicht es uns, die Staatlichen Ämter für Umweltschutz als eigenständige Behörden der Ortsinstanz aufzulösen.

Meine Damen und Herren! Die mit der Wiedereingliederung der bündelungsrelevanten Aufgaben der Umweltverwaltung in das künftige Landesverwaltungsamt verbundene Zusammenführung von Genehmigungs- und Fachaufgaben wird die einheitliche Prioritätensetzung bei der Bearbeitung von Umweltproblemen fördern und zu einer deutlichen Vereinfachung und Verkürzung der Verfahrensabläufe führen. Die vorgesehene Konzentration des fachlichen und verwaltungsmäßigen Sachverstands im Rahmen einer eigenständigen Umweltabteilung des Landesverwaltungsamts ermöglicht die frühzeitige Abstimmung auf der Arbeitsebene in jedem Verfahrensstadium.

Die Integration führt nicht zuletzt dazu, daß für Außenstehende, insbesondere für Investoren, nur noch eine zentrale Anlaufstelle und damit ein zentraler Ansprechpartner vorhanden ist. Die genehmigende Behörde fungiert als Fachprüfer und Berater vor Ort und erweckt beim Antragsteller nicht den Eindruck komplizierter Zuständigkeitsverteilungen. Die Anzahl der Behörden und die Verwaltung werden überschaubarer.

Mit der beabsichtigten Neuorganisation der Umweltverwaltung ist eine deutliche Reduzierung des Leitungspersonals und des allgemeinen Verwaltungsaufwands erreichbar. Neben der mit dem Wegfall von drei Behörden verbundenen Verschlankung, insbesondere in den Zentralabteilungen, wird die Aufbauorganisation gestrafft, indem die Leitungsfunktionen von derzeit 31 auf künftig neun reduziert werden können.

Damit wird bei der Neuorganisation die Haushaltslage und die Stellensituation der Landesverwaltung berücksichtigt, und für die Umweltverwaltung werden dringend benötigte Handlungsspielräume für die Absicherung bestehender und künftiger Bedarfsschwerpunkte geschaffen. Die Neuorganisation wird die Effizienz, Kompetenz und Schlagkraft der Umweltverwaltung erhöhen.

Meine Damen und Herren! Die bewußte Ausrichtung der beabsichtigten Neuorganisation der Umweltverwaltung an der Bildung des künftigen Landesverwaltungsamtes und die Komplexität der Maßnahme setzen eine gründliche Vorbereitung der einzelnen Umsetzungsphasen voraus. Die Landesregierung hat daher einen in Kürze die Arbeit aufnehmenden Aufbaustab mit der Erarbeitung eines detaillierten Zeit- und Maßnahmenplans zur Umstrukturierung beauftragt.

Unter Leitung des Staatssekretärs für Umweltfragen werden Vertreter der Umweltbehörde, des Innenministeriums, des Landkreistages, des Städte- und Gemeindebundes sowie der Personalräte die einzelnen Planungsschritte erarbeiten. Im einzelnen sind die ausreichende fachliche Betreuung der Landkreise, die Standortfragen, Raumbedarfs- und Nutzungskonzepte, Finanzierungsfragen, die erforderliche Novellierung rechtlicher Regelungen usw. abzuklären.

Sie sehen, daß es sich tatsächlich um einen großen Umfang von Aufgaben handelt. Dafür muß man sich Zeit nehmen. Man muß aber beizeiten wissen, in welche Richtung zu arbeiten ist.

Aufgabe des Arbeitsstabes wird es auch sein, einen Zeitplan zu erarbeiten, nach dem die von mir beschriebenen Umstrukturierungsschritte festgelegt werden können.

Ich möchte jetzt noch etwas, wie bereits angekündigt, zu meinen Grundüberlegungen sagen. Ich habe eine Verwaltung vorgefunden, die vor der Aufgabe stand,

immer wieder neu hinzukommende Aufgaben - das wird bei der Umweltverwaltung, bedingt durch die Entscheidungen, die die EU ständig trifft, auch in Zukunft so sein - zu bewältigen.

Die Zergliederung der Umweltverwaltung bringt es mit sich, daß ein relativ großer Personalbestand mit allgemeiner Zentralverwaltung befaßt ist. Ich denke, es ist richtig, den Ansatz zu verfolgen, Geld nicht für allgemeine Verwaltung, die nach innen gerichtet ist, auszugeben, sondern für die Fachverwaltung.

Sie wissen, wie die Personalkosten im Land SachsenAnhalt gestaltet sind und wie unser Stellenbestand aussieht. Wenn man das zusammenbringen will, nämlich einen zu hohen Stellenbestand, zu wenig Geld für die Bezahlung dieser Stellen und einen immer höheren Aufgabenbestand, dann gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die Möglichkeit, Aufgabenkritik zu machen und festzustellen, ob das, was in der Umweltverwaltung bearbeitet wird, alles dort erledigt werden muß.

Das haben wir getan und festgestellt, daß es möglich ist, die Zahl der Stellen um 200 zu reduzieren. Ich meine, das ist eine beträchtliche Zahl. Ich bedanke mich bei meinen Mitarbeitern, die diese Analyse selbst durch- geführt haben.

Das reicht aber nicht, um die Aufgaben, die hinzugekommen sind, zu bewältigen. Da gibt es dann nur noch eine Möglichkeit. Das ist die Zusammenfassung von Dienststellen, von Häusern, damit bei der allgemeinen Verwaltung eingespart werden kann.

Dafür haben wir jetzt einen grundlegenden Vorschlag gemacht. Dieser grundlegende Vorschlag muß ausgefüllt werden. Jetzt haben auch die Personalräte und die Beschäftigten Gelegenheit, ihren Sachverstand einzubringen, um am Ende zu einer Struktur zu kommen, die der Aufgabenfülle bei einem relativ bescheidenen Personalbestand, der dann auch finanziert werden kann, tatsächlich gerecht wird.

Ich meine, es ist ein guter Schritt. Ich bin froh, daß wir die Entscheidung so getroffen haben. Ich wünsche dem Aufbaustab und denen, die die Aufgabe jetzt fortführen müssen, guten Erfolg. Ich wünsche mir auch, daß der Ausschuß, der sich jetzt im Detail mit diesen Fragen befassen will, die Detaildiskussionen vielleicht noch ein bißchen nach hinten schiebt; denn der Aufbaustab wird nun erst einmal festlegen müssen, welche Schritte gegangen werden sollen und in welchem Zeitmaß diese Schritte gegangen werden können. Daher ist es vielleicht angebracht, die Detaildiskussion ein bißchen nach hinten zu schieben, zumal es im Moment nicht so viel Konkretes zu diskutieren gibt.

Kommen Sie bitte zum Schluß, Frau Ministerin.

Ja. Ich bedanke mich. - Man kann über den Rahmen diskutieren und sagen, wohin die Richtung gehen soll. Die Frage aber, wie das im einzelnen gestaltet wer- den soll, ist jetzt von der Verwaltung überhaupt erst einmal zu beantworten. Ich hoffe, daß man da zu einer Lösung kommt, die die Umweltverwaltung in eine Verfassung bringt, die den Vorstellungen von der Landesverwaltung ab dem Jahre 2005 entspricht und so ist,

daß sie hoffentlich in den nächsten 20 Jahren nicht wieder umstrukturiert werden muß.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Für die Fünfminutendebatte ist folgende Reihenfolge vorgesehen: CDU, - DVU-FL verzichtet - SPD, FDVP und PDS. Für die CDU erteile ich dem Abgeordneten Herrn Becker das Wort. Bitte, Herr Becker.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich darf vorausschicken, Frau Dr. Sitte: Wir werden den Antrag der PDS unterstützen; denn auch wir sind der Auffassung: Wir müssen aufpassen, daß der zeitweilige Ausschuß für Funktional- und Verwaltungsreform nicht zum Feigenblatt entartet, denn das scheint das große Problem zu sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Da nimmt sich ein Ausschuß, angeregt von den Kollegen der SPD, vor, sich im Oktober 2000 mit der Neuordnung der Umweltverwaltung zu befassen, und dieselbe SPD strukturiert die Verwaltung nun schon munter um, ohne danach zu fragen, was dieser Ausschuß eigentlich will.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn die Arbeit in einem solchen Ausschuß Sinn machen soll, meine Damen und Herren, dann muß man auch die Arbeit eines solchen Ausschusses von Anfang an ernst nehmen.

Ich kann mir das schon erklären. Zwar hat die Frau Ministerin eben lang und breit erklärt, was alles im einzelnen geschieht. Aber der eigentliche Grund ist doch - schade, daß der Herr Ministerpräsident nicht anwesend ist -, daß die Verwaltungsreform entgegen seiner Ankündigung keine Chefsache ist. Man greift vielmehr dort zu, wo das Feld frei ist. Dort werden neue Strukturen herausgeschossen, weil sich kein Minister mehr schützend vor seinen eigenen Apparat stellen kann. Das sind doch die Probleme.

(Beifall bei der CDU - Herr Sachse, SPD: Sie ha- ben selbst gesagt, es ist Chefsache! - Zuruf von Herrn Dr. Rehhahn, SPD)

- Regen Sie sich nur auf, sehr gut. Regen Sie sich nur auf, wunderbar.

Wir kennen die Ressortegoismen genau. Das wissen Sie, die Sie regieren, besser als ich. Ein Minister muß sich nun einmal vor die eigene Verwaltung stellen. Die Ministerin geht ja nun, sie geht nach Halle mit unseren besten Wünschen. Aber sie kann sich nicht mehr vor ihren Apparat stellen. Deshalb hat man sich dieses Ressort herausgepickt und gesagt, dort wollen wir schnell die Strukturen ordnen.