Meine Damen und Herren! Sie erwarten zu Recht, daß ich die Einbringung der Beschlußempfehlung zu diesem unstrittigen Gesetz kurz fasse. Nur soviel: Das Gesetz ist erforderlich geworden, nachdem die Bundesländer das in den Jahren 1993/94 geschlossene Abkommen über die Zentralstelle und die Akkreditierungsstelle in einem weiteren Abkommen im Dezember 1998 um
wesentliche Punkte erweitert hatten. Es ging dabei sowohl um die europäische Harmonisierung bestimmter Vorschriften bei der Prüfung von Medizinprodukten als auch um die Umsetzung internationaler Übereinkommen zum Gefahrgutrecht nach EU-Recht und anderes mehr nachzulesen in dem beigefügten Abkommen selbst und in der Begründung durch die Landesregierung.
Eine entscheidende Frage war zweifellos auch - daher drängt die Verabschiedung des Gesetzes -, daß deutsche Prüf- und Zertifizierungsstellen mit der Ratifizierung dieses Abkommens entsprechend bestimmten europäischen Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen in die Lage versetzt werden, auch nach dem Recht von Drittstaaten zu prüfen. Das ist zum Beispiel bei der Zulassung deutscher Medizinprodukte im übrigen EU-Raum wichtig.
Ich bitte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, namens des Sozialausschusses, dieser Beschlußempfehlung und damit dem vorliegenden Artikelgesetz Ihre Zustimmung zu geben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen zunächst über die selbständigen Bestimmungen ab. Die Artikel 1 und 2 liegen in unveränderter Fassung vor. Können wir darüber zusammen abstimmen? - Das ist der Fall. Wer diesen beiden Bestimmungen zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Da-mit sind die Artikel 1 und 2 angenommen.
Wir stimmen ab über die Gesetzesüberschrift. Sie lautet: „Gesetz zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Messund Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts“. Wer dieser Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig angenommen.
Wir stimmen über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer dem Gesetz seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz einstimmig angenommen worden.
Entwurf eines Gesetzes über die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung im Land Sachsen-Anhalt (Behindertengleichstellungsgesetz - BGStG LSA)
Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Lindemann. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Bitte, Frau Lindemann.
Erwachsene, haben das Recht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wenn Behinderung ganz selbstverständlich in das Alltagsbild einer Gesellschaft gehört, dann ist eine entscheidende Rahmenbedingung gegeben. Die Barrieren im Kopf müssen verschwinden; dann lassen sich andere Voraussetzungen und Bedingungen für die Umsetzung dieses Integrationsgedankens schaffen.
Dazu ist generell ein Umdenken in der Gesellschaft erforderlich. Nur die starke Ausrichtung auf Rehabilitation, deren Ziel es ist, Fehlentwicklungen und Anderssein zu kompensieren und auf eine bestimmte Art und Weise normgerecht zu funktionieren, muß sich wandeln.
Abgesehen davon, daß jeder Mensch jederzeit von Behinderung betroffen sein kann, gehört jede Form und jede Ausprägung von Anderssein in eine Gesellschaft. Das Bedauerliche daran ist jedoch, daß dieser Prozeß der Akzeptanz sehr langsam vor sich geht und daß viele Mitbürger die noch heute alltäglich vorzufindende Diskriminierung von Behinderten nicht wahrhaben wollen.
Wir müssen uns ehrlicherweise eingestehen, daß die kleinen Änderungen, die bisher erreicht wurden, nur auf Drängen der Behinderten selbst in Gang gekommen sind. Die Erkenntnis, daß Behinderte keine Bittsteller sind, sondern Teil der Gesellschaft, wächst nur langsam. Daß die Unterschiede zwischen den Menschen für eine menschliche Gesellschaft von Vorteil sind, wird zuwenig beachtet.
Einschränkungen, denen Behinderte ausgesetzt sind, sind eigentlich nicht an ihre Behinderung gekoppelt, sondern an die Unfähigkeit der Gesellschaft, allen Bürgern Chancengleichheit zu ermöglichen.
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, legt die Fraktion der SPD den Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes vor. Mit diesem Gesetz sollen die rechtlichen Grundlagen für eine gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am Leben der Gesellschaft im Land Sachsen-Anhalt verbessert werden.
Mit diesem Gesetz soll Artikel 38 der Landesverfassung konkretisiert werden, wonach ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen unter den besonderen Schutz des Landes zu stellen sind und das Land verantwortlich ist, die gleichberechtigte Teilnahme am Leben der Gemeinschaft zu fördern.
§ 1 unseres Gesetzentwurfs konkretisiert das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 des Grundgesetzes. Danach sollen Behinderte in die verschiedensten recht-lichen, politischen und gesellschaftlichen Bereiche eingegliedert werden.
In § 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes wird der Begriff der Behinderung und des Benachteiligungsverbotes erläutert.
In § 3 wird die gemeinsame Verantwortung für die Gleichstellung und die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe geregelt. Hierbei ist insbesondere die aktive Mitwirkungspflicht von kommunalen Körperschaften sowie deren Behörden und Dienststellen zu nennen.
In § 4 wird gesetzlich festgeschrieben, wie die entsprechend notwendigen Hilfen, Dienste und Einrichtungen für Behinderte bürger- und gemeindenah vorzuhalten sind. Ein besonderer Schwerpunkt sind dabei spezielle
Angebote der Jugendförderung. Dabei ist integrativen Formen Vorrang einzuräumen. Ein sehr wichtiger Punkt in § 4 betrifft die Forderung, bereits in der Vorschulerziehung und bei schulischen Bildungsmaßnahmen dem Abbau von Diskriminierungen einen hohen Stellenwert zu sichern.
In § 5 werden Möglichkeiten der Beratung von Behinderten über entsprechende Hilfepläne festgeschrieben. Die zuständigen Behörden und Dienststellen beraten die Behinderten und ihre Angehörigen über die in Betracht kommenden Hilfen. Die Leistungs- und Kostenträger sind in die Hilfemaßnahmen einzubeziehen.
In den §§ 6 und 7 werden die Mitbestimmungsrechte der Landesbeauftragten und des Behindertenbeirates geregelt.
Für die Sicherung der Mobilität und für die Förderung von Menschen mit Behinderung in besonderen Lebenslagen stehen die §§ 9, 10 und 11. Wichtig dabei ist, daß im Rahmen der Wohnungsbauförderung eine ausreichende Anzahl von barrierefreien Wohnungen bereitgestellt wird.
Mit dem Gesetz über die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen wird den Behinderten, deren Angehörigen sowie den kommunalen Gebietskörperschaften ein Handlungskonzept in die Hand gegeben, mit dem eine Gleichstellung schrittweise erreicht werden kann. Wir beantragen die Überweisung in alle Ausschüsse, außer den Petitionsausschuß. - Danke.
Danke sehr. - Für die Landesregierung erteile ich Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte, Frau Dr. Kuppe.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Der vorliegende Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes für das Land SachsenAn-halt, eingebracht von der SPD-Fraktion, verfolgt das Ziel, die Situation der im Land Sachsen-Anhalt lebenden Menschen mit Behinderungen zu verbessern, zugleich aber auch der gegenwärtigen gesamtgesellschaftlichen Situation Rechnung zu tragen.
Im November 1994 wurde Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes um das Benachteiligungsverbot von Behinderten ergänzt. Es lautet, niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dieses Benachteiligungsverbot steht für eine wesentliche Verbesserung der Rechtsstellung Behinderter als Individualgrundrecht. Es steht für eine objektive Wertentscheidung zugunsten der Integration Behinderter als Belang von Verfassungsrang und als spezielle Ausprägung einer sozialstaatlichen Zielsetzung.
Der Begriff der Benachteiligung erfaßt dabei jede Beschneidung des individuellen Freiheitsraumes. Als Grundrecht bindet das Benachteiligungsverbot in erster Linie die öffentliche Hand, und zwar durchgängig auf allen Ebenen. Als materielle Wertentscheidung in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und den anderen Grundrechten wirkt das Benachteiligungsverbot im Sinne einer Verpflichtung für die Ausgestaltung des staatlichen Umganges mit den Betroffenen.
Bereits bei der Ergänzung des Grundgesetzes bestand breiter Konsens darüber, daß zur Umsetzung dieses Benachteiligungsverbotes sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene weitere Initiativen erforderlich sein würden, um nach wie vor bestehende Ausgrenzungen von Menschen mit Behinderungen zu überwinden und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich behinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger selbstbewußt und gleichberechtigt in unsere Gesellschaft einbringen können.
Die Erfahrungen seit 1994 haben bestätigt, daß allein die Ergänzung des Grundgesetzes um ein Benachteiligungsverbot von Behinderten nicht dazu in der Lage ist, die notwendige Bewußtseinsänderung zu bewirken. Hinzukommen müssen einfachgesetzliche Regelungen auf Bundes- und Länderebene wie auch vielfältige untergesetzliche Anstrengungen.
Der als Programmgesetz gestaltete Entwurf der SPDFraktion verzichtet bewußt auf unrealistische Forderungen. Solche Forderungen wären in ihren finanziellen Folgewirkungen bei der gegenwärtigen Haushalts- und Finanzlage weder vom Land noch von den Kommunen finanzierbar und gegenüber der Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch nicht erklärbar.
Das Ziel ist, den in der Behindertenpolitik vollzogenen Perspektivenwechsel den Anwenderinnen und Anwendern geltenden Rechts und den für Entscheidungen Verantwortlichen bewußt zu machen und den verfassungsmäßigen Anforderungen einer modernen Behindertenpolitik im Land Sachsen-Anhalt damit Rechnung zu tragen.
In seiner Auswirkung soll der Gesetzentwurf das Bewußtsein auch dafür schärfen, daß Behinderung nicht an eine amtliche Bescheinigung über die Anerkennung nach dem Schwerbehindertengesetz gebunden ist und deshalb auch nicht zwangsläufig ein gesetzlicher Anspruch auf Nachteilsausgleiche entstehen muß.
Die Schwierigkeiten, denen sich Betroffene im täglichen Leben gegenübersehen, sind nicht davon abhängig, ob ein zuständiges Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % anerkannt hat oder bei einem Grad der Behinderung von 30 bis 50 % eine Gleichstellung erfolgt ist. Auch Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Behinderungen, für die eine Anerkennung nach dem Schwerbehindertengesetz nicht in Betracht kommt, haben ein Anrecht darauf, daß ihren besonderen Belangen und ihrem Anspruch auf eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft in einer geeigneten Weise Rechnung getragen wird.
Eine Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, die insbesondere Jugend, Gesundheit und anderen gemeinhin als positiv bewerteten Eigenschaften als Auswahlkriterien den Vorrang gibt, behindert und grenzt all diejenigen aus, die diesem Idealbild nicht entsprechen.
Dazu gehören zum Beispiel auch unterhalb der nach dem Schwerbehindertengesetz erfaßten Kriterien Lernbeeinträchtigungen und ähnliches.
Aus der Sicht der Landesregierung versprechen die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen einen wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation Betroffener in unserem Land.
Zugleich erhalten die in den vergangenen Jahren in Sachsen-Anhalt entwickelten Instrumente zum Ausbau
der Mitwirkungsrechte der Menschen mit Behinderung an der Fortentwicklung der Behindertenpolitik in unserem Land mit der Zielsetzung, eine nachhaltige Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu erreichen, eine neue Qualität. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Behindertenbeirat zu nennen, dessen Bildung und Aufgabenerfüllung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden soll. Ich bin sicher, daß das Programm-gesetz an dieser Stelle Wirkung zeigen wird, weil es eine breite und eine intensive Auseinandersetzung mit den Belangen der Betroffenen in Zukunft als Selbstverständlichkeit voraussetzt.
Auch auf Bundesebene - Sie wissen das - werden ein Antidiskriminierungsgesetz und eine Vereinheitlichung der gesetzlichen Bestimmungen zur Eingliederung und zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen angestrebt. Die Bundesregierung plant, in einem neuen Behindertengesetz bis Anfang 2001 das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbot umzusetzen und die sozialen Angebote von bislang acht verschiedenen Leistungsträgern zu koordinieren und möglichst zusammenzufassen. Als Landesregierung werden wir diese Bestrebungen der Bundesregierung intensiv begleiten.