Protocol of the Session on March 9, 2000

Das Verfahren der Teilentschuldung beginnt mit der Überprüfung durch unabhängige, im Rahmen einer Ausschreibung gewonnene Gutachter. Dabei wird auch aufgrund der notwendigen Akzeptanz der Betroffenen eine Abstimmung mit den Verbänden angestrebt. Notfalls werden diese Verfahren jedoch durch die Regierungspräsidien eingeleitet werden.

Die notwendige Verfahrensrichtlinie, das heißt eine Ergänzung der Sanierungshilferichtlinie, wird zur Zeit mit Hochdruck erarbeitet und befindet sich in der Ressortsabstimmung. Eine endgültige Fassung ist von noch laufenden Erhebungen abhängig.

Organisationsuntersuchungen sind in den Regierungspräsidien bereits veranlaßt und von den Aufgabenträgern in Auftrag gegeben worden. Weitere Ausschreibungen werden vorbereitet. Weiterhin werden Gesprä

che mit Betroffenen geführt; Abstimmungen in den Abwasserzweckverbänden werden eingeleitet bzw. sind bereits im Gange.

Ich erwarte, daß noch im ersten Halbjahr erste Teilentschuldungsmaßnahmen durchgeführt und im Oktober und November dieses Jahres wesentliche Schritte im Hinblick auf weitere Teilentschuldungen getan werden können.

Meine Damen und Herren! Wir werden auf die Möglichkeiten, Verbände zwangsweise zusammenzuführen, Verbände zwangsweise zu bilden und einzelne Gemeinden anzuschließen, nicht in allen Fällen verzichten können. Die in Rede stehende Änderung des Wassergesetzes, die ich gemeinsam mit der Teilentschuldungshilfe als einen wirklichen Erfolg auf dem Weg zur Verbesserung der Situation der Abwasserzweckverbände betrachte, ist notwendig.

Ich möchte mich daher bei Ihnen allen für die zügige Beratung bedanken. Ich möchte hinzufügen, daß ich glaube, daß durch diese intensive Diskussion bei allen Beteiligten - damit meine ich alle Ebenen, die im weitesten Sinne mit der Abwasserproblematik zu tun haben - eine starke Bewußtseinsbildung für die Problemlagen erfolgt ist und auch Einsicht in den jetzt zu vollziehenden Prozeß entstanden ist, so daß ich guter Hoffnung bin, daß wir zügig vorankommen und demnächst konkrete Ergebnisse werden vorlegen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Danke, Frau Ministerin. - Für die PDS-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Theil das Wort.

Verehrte Präsidentin! Werte Damen und Herren! Über den Gesetzentwurf zur Änderung des Wassergesetzes haben die unterschiedlichsten Arbeitskreise der PDSFraktion in den letzten Wochen ausgiebig beraten.

Als einen vernünftigen Kompromiß zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung und der Landesinteressen bewerten wir den in § 157 a begrenzt festgeschriebenen Zusammenschluß von Pflichtverbänden, soweit sie in ihren Einzelverbänden nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben im Sinne der Wirtschaftlichkeit und des Allgemeinwohls wahrzunehmen. In § 157 a werden dringende Gründe festgeschrieben, die als Voraussetzung für den Zusammenschluß zu einem Pflichtverband vorliegen müssen.

Mit der Formulierung in § 157 a wird nicht darauf abgezielt, flächendeckend im gesamten Land Großverbände zu errichten, wogegen sich die PDS-Fraktion ausdrücklich aussprechen würde.

Der § 157 b schafft die Voraussetzung dafür, in unbürokratischer Art und Weise Zusammenschlüsse von Zweckverbänden zu vollziehen, um damit eine bessere technologische und wirtschaftliche Voraussetzung für die Existenz eines neuen Verbands zu erreichen.

In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes spielte der § 172 a in den Diskussionen des Innenausschusses eine wichtige Rolle. Hinsichtlich des § 172 a des Gesetzentwurfes vertritt die PDS-Fraktion den Standpunkt, der im übrigen von

vielen Verbänden, auch vom Städte- und Gemeindebund und vom Landkreistag, geäußert wurde, nämlich daß mit der Verlagerung der Bearbeitung der Widerspruchsbescheide auf eine höhere Ebene - damit ist die Kommunalaufsicht der Landkreise gemeint - das Problem des ungenügenden Managements in einigen Abwasserzweckverbänden nicht gelöst wird.

Die gleiche Behörde, die die Rechtmäßigkeit der Satzung geprüft hat und die jährlich die Haushaltspläne der Aufgabenträger bestätigt, kann aufgrund von objektiver Befangenheit nicht gleichzeitig die Prüfungs- und Entscheidungsbehörde sein.

Der parlamentarische Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat darauf verwiesen, daß es rein juristisch über den Abwasserzweckverbänden keine nächsthöhere Ebene geben kann; denn die Bildung von AZV ist von den Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung vollzogen worden, und die Gemeinden haben damit ihre Aufgaben einem Verband übertragen.

Die Kostenpflichtigkeit der Widerspruchsbescheide, die auch Bestandteil des § 172 a war und sich zwischen 20 und 1 000 DM Gebühren pro Bescheid bewegte, konnte von der PDS-Fraktion nicht mitgetragen werden, da bereits im KAG die Kostenfreiheit der Widerspruchsbescheide festgeschrieben ist.

(Herr Becker, CDU: Mein Argument! Mein Argu- ment!)

- Das ist doch in Ordnung, Herr Becker. - Wenn mit dieser Regelung der Kostenpflichtigkeit erreicht werden sollte, daß die Bürger aus Angst vor zusätzlichen finanziellen Belastungen ein Widerspruchsverfahren nicht anstreben, so hätten Sie, Herr Becker, zwar einen verringerten Verwaltungsaufwand, den Sie auch wollten, jedoch würde das Mitspracherecht des Bürgers nach unserer Auffassung erheblich beschnitten, wenn nicht sogar in Frage gestellt. Das entspricht nicht den demokratischen Regeln des Landes.

(Zustimmung bei der PDS)

§ 10 Abs. 2 des GKG schafft den gesetzlichen Rahmen, in der Verbandsversammlung als höchstem Gremium des Zweckverbandes oder in einem zu bildenden Verbandsausschuß Widerspruchsbescheide zu bearbeiten und ihnen abzuhelfen. Mit der Verlagerung dieser Aufgabe auf die Landkreise würden wir ein neues Instrument schaffen, das zusätzliche Arbeitskräfte sowie auch finanzielle Mittel benötigt, und somit würden wir konträr zur gerade jetzt eingeleiteten Diskussion zur Funktional-, Verwaltungs- und Gemeindegebietsreform stehen. Hierbei ist das Ziel, Verwaltung abzubauen, Kräfte zu bündeln, um kostengünstiger zu arbeiten.

Dazu kommt die Feststellung, daß die Kommunalaufsichtsbehörden selbst bei der Beurteilung und rechtlichen Klärung von Problemlagen sehr differenziert reagieren. Die Möglichkeiten, bereits bei der Genehmigung von Satzungen über Beanstandungsverfügungen die rechtliche Klarheit herzustellen, werden unseres Erachtens zuwenig praktiziert. Aber nur wenn die Satzung und, daraus abgeleitet, die Gebühren und Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger nicht transparent sind, ergibt sich eine hohe Inanspruchnahme des Widerspruchsrechts.

Nicht über die Gebührenpflicht ist hier eine Lösung zu erzielen, sondern in erster Linie durch eine transparente Gebühren- und Beitragsberechnung,

(Beifall bei der PDS)

eine rechtzeitige Information und Integration der Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsprozesse. Nur wer das Bürgerengagement nicht will, sieht in der Gebührenpflicht und in der Anonymität der Behörde die alleinige Lösung.

Im übrigen gehören wir zu den Abgeordneten, die den Ergänzungsantrag zu § 152 fraktionsübergreifend eingebracht haben, und ich würde Sie darum bitten, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Becker, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich wiederum herzlich in unserem Hause Gäste, nämlich Schülerinnen und Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Gardelegen. Herz-lich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die FDVP-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Czaja das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 21. April 1998 soll der § 157 ausgehebelt und durch Einfügen des § 157 a und des § 157 b verändert werden. Laut Kapitel III des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 21. April 1998 sollen sich die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Trinkwasserversorgungspflicht zusammenschließen, wenn die Aufgabenerfüllung erst dadurch zu vertretbaren Bedingungen möglich wird. Mit anderen Worten: Wirtschaftlichkeit des Verbandes sowie - das ist ganz wichtig - vertretbare Wasserpreise gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern.

Nun soll das Wassergesetz im Land Sachsen-Anhalt nach dem Willen der SPD geändert werden. So heißt es im § 157 Abs. 6 in der Fassung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion:

„Erledigt ein nach den Absätzen 1 oder 3 gebildeter Abwasserzweckverband die Abwasserbeseitigung nicht ordnungsgemäß im Sinne von Absatz 3, so kann die obere Wasserbehörde mit Zustimmung der oberen Kommunalaufsichtsbehörde die Abwasserbeseitigungspflicht befristet auf den zuständigen Landkreis übertragen.“

Mit der Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2000 wurden für zahlreiche Abwasserzweckverbände die finanziellen Voraussetzungen für eine Teilentschuldung geschaffen, obwohl das, wie wir meinen, ein Faß ohne Boden bedeutet.

Nun ist die Landesregierung von Sachsen-Anhalt bereit, für die Verbindlichkeiten von sogenannten notleidenden Verbänden in einer Größenordnung von mehreren hundert Millionen D-Mark aufzukommen, um die wirtschaftliche Situation der Verbände zu sichern.

Mit einem neuen Wassergesetz will das Land bei den Abwasserverbänden hart durchgreifen. Künftig sollen Zwangsfusionen möglich sein. Ob es hierbei auch zu sozialverträglichen Gebühren gegenüber den Bürgern kommt, ist sehr fraglich.

In der Begründung zu dem Gesetzentwurf heißt es:

„Die Teilentschuldungshilfe des Landes SachsenAnhalt kann nur an leistungsfähige Aufgabenträger gewährt werden. Leistungsschwache Aufgabenträger können eine sinnvolle Verwendung der Teilentschuldungshilfe nicht sicherstellen.“

Weiter heißt es:

„Die Verbände sollen sich zu organisatorischen Einheiten zusammenschließen, die regelmäßig 40 000 Einwohner umfassen. Bei Verbänden, welche unter 40 000 Abnehmer versorgen, soll eine Teilentschuldungshilfe wegfallen.“

Nach Meinung von Sachsen-Anhalts Umweltministerin Häußler soll diese geplante Teilentschuldung der Abwasserverbände zu mehr Gerechtigkeit bei den Beiträgen führen.

Nun, man muß sich fragen: Welchen Nutzen bringt dieser SPD-Entwurf unseren Bürgern? - Mit Sicherheit keinen. Im Gegenteil, die Endverbraucher, also die Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt, werden, wenn es nach dem Willen der SPD geht, noch tiefer als bisher in die Tasche greifen müssen, falls es überhaupt noch etwas zu greifen gibt.

Dieser SPD-Entwurf ist so unsozial wie unausgewogen und verdeutlicht wieder einmal die Unfähigkeit der SPDgeführten Landesregierung, sich auf die besondere Situation der Bevölkerung Sachsen-Anhalts einzustellen.

Folgerichtig wurde der von der SPD eingefügte § 172 a Widerspruchsverfahren - im Innenausschuß weggestimmt. Dieser von der Ministerin Häußler vorgeschlagene Paragraph sah vor, daß bei einem Widerspruchsverfahren gegen Gebührenbescheide durch den Bürger bis zu 1 000 DM zu entrichten sind, frei nach dem Motto: Wer aufmuckt, muß blechen.

Wenn die Landesregierung ihre Aufgaben in der Vergangenheit effizient gelöst hätte, so wäre dieses Problem längst vom Tisch. Zudem wäre dem ohnehin finanziell gebeutelten Bürger eine Menge Ärger erspart geblieben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Oleikiewitz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie verzeihen mir, daß ich auf den Redebeitrag der Fraktion vor mir nicht eingehe.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Meine Damen und Herren! Das Thema Abwasser beschäftigt uns ja fast das zehnte Jahr. Inzwischen ist die Erkenntnis gereift, daß die Instrumente, die bisher angewendet worden sind, zur Lösung der Abwasserfrage nicht immer die richtigen waren und daß sie nicht immer ordentlich angewendet worden sind. Deswegen haben wir uns in den letzten Monaten darüber Gedanken gemacht, wie das Problem der Abwasserentsorgung in Sachsen-Anhalt zukünftig besser gelöst werden kann.