Protocol of the Session on March 9, 2000

nicht immer ausreicht, um etwas als richtig Erkanntes auch mehrheitsfähig zu machen.

Meine Damen und Herren! Mit der Diskussion über das Altschuldenhilfegesetz greifen wir heute eines der wichtigsten und langwierigsten Probleme der ostdeutschen Wohnungspolitik erneut auf. Es macht dabei schon Sinn, noch einmal auf die Chronologie der Gesetz-gebung einzugehen, da viele aktuelle Probleme damit in einem direkten Zusammenhang stehen.

Am Anfang gab es ein langes Ignorieren der Situation der ostdeutschen Wohnungswirtschaft und damit eine Verschärfung des Problems. Daran schloß sich im Jahr 1993 eine Initialgesetzgebung an, die erhebliche Lücken aufwies. Milliardenbeträge dienen zu einem großen Teil zur Tilgung jener Schulden, die durch das späte Reagieren der damaligen Bundesregierung überhaupt erst entstanden sind, und sind heute Aufwendungen für Zinsen und Zinseszinsen. Verdient haben damit die Banken. Für den Aufbau in den neuen Bundesländern fehlt dieses Geld.

Die neue Bundesregierung ist damit in der Situation, die Suppe auslöffeln zu müssen, die ihr ihre Vorgängerin eingebrockt hat. Jetzt ist es erforderlich, einen weit vorangeschrittenen und nicht mehr umkehrbaren Prozeß in eine vernünftige Richtung zu lenken und dabei Ungerechtigkeiten und Härten so gut wie möglich zu korrigieren.

Ich verkenne dabei nicht, daß sich auch die alte Bundesregierung des Themas der Gesetzesanpassung an die aktuellen Gegebenheiten gestellt hat. Die Abflachung der Erlösabführungsstaffel und die Einführung sogenannter mieternaher Privatisierungsformen sind Beispiele dafür. Gestritten werden kann aber darüber, ob diese Maßnahmen immer angemessen waren und rechtzeitig erfolgten.

Die neue Bundesregierung hat untergesetzlich mit Beschluß des Lenkungsausschusses rund 1 000 Wohnungsunternehmen in den neuen Bundesländern sofort entlastet, die nachweisen konnten, daß eine Privatisierung für sie nicht zumutbar ist. Fest steht aber auch, daß eine abschließende Gesetzgebung für die Wohnungswirtschaft Klarheit und verläßliche Rahmenbedingungen schaffen muß.

Mit Datum vom 13. Januar 2000 gab es nun einen ersten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des AHG. Dieser wurde als Kabinettsvorlage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit Datum vom 23. Februar 2000 nochmals überarbeitet.

Im Gesetz verankert werden soll ein Vorziehen des Zeitpunktes der Erfüllung der Privatisierungsverpflichtungen auf das Ende des Jahres 1999. Wir sind der Meinung, daß damit die Kredit- und Investitionsfähigkeit vieler Unternehmen verbessert werden kann.

Die Wohnungsunternehmen, die eine Nichterfüllung ihrer Privatisierungsverpflichtungen nicht zu vertreten haben, erhalten damit vier Jahre früher als nach derzeitigem Recht den Schlußbescheid und damit die Sicherheit, daß die gewährte Schuldenentlastung weder aufgehoben noch reduziert wird.

Wohnungsunternehmen, die dagegen die Nichterfüllung zu vertreten haben, sollen weiter die Möglichkeit haben, bis Ende 2003 die Erfüllung der Privatisierungsauflagen nachzuholen. Zugleich erhalten diese Unternehmen die

Möglichkeit, anstelle der Privatisierungspflicht einen Ablösebetrag an den Erblastentilgungsfonds zu leisten.

Außerdem soll das Problem der sogenannten negativen Restitution aufgegriffen werden, indem Wohnungsunternehmen, die anmeldebelastete Bestände verwalten, nach Auslaufen der Privatisierungspflicht Ende 1999 endgültig Sicherheit über die Höhe der Teilentlastung erhalten. Eine Änderung des Bescheides soll ab dem Jahr 2000 auch dann nicht mehr erfolgen, wenn anmeldebelastete Bestände nach Ablehnung oder Rücknahme von Anträgen nach dem Vermögensgesetz beim verfügungsberechtigten Wohnungsunternehmen verbleiben.

Diese Vorschläge liegen nun seit einigen Tagen vor und befinden sich im Abstimmungsprozeß mit den Ländern und Verbänden. Wie Minister Heyer bewerten auch wir den Gesetzentwurf als eine gute Vorlage. Diese Einschätzung wird übrigens auch zu einem großen Teil vom Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen geteilt.

Wir verhehlen aber auch nicht, daß sich für uns Nachfragen ergeben, die sich zum Teil auch in Gesprächen mit Geschäftsführern einzelner Wohnungsunternehmen widerspiegelten.

Sichergestellt werden muß beispielsweise beim vorgezogenen Schlußbescheid, daß es nicht zu einer endlosen Diskussion bezüglich des Vertreten-Müssens oder des Nicht-vertreten-Müssens kommt. Hier muß Klarheit her.

Ebenso sind wir der Meinung, daß das Problem der Negativrestitutionen und von Regelungen für Wohnungsunternehmen, die in erheblichem Umfang von strukturellem Leerstand betroffen sind, weitergehender Entscheidungen bedarf. Hierauf wollen wir mit unserem Antrag eingehen.

Wir präsentieren dabei keine fertige Lösung, da wir der Meinung sind, daß es flexible, an den jeweiligen Einzelfällen orientierte Lösungen geben muß. Diese Regelungen können unserer Meinung nach auch unter der Ebene einer Gesetzesänderung getroffen werden.

Meine Damen und Herren! Zu einem erheblichen Problem erwächst inzwischen für einzelne Wohnungsunternehmen die negative Restitution. Diese Wohnungsunternehmen als nach dem Gesetz Verfügungsberechtigte müssen für Objektsicherung, Anliegerpflichten und Schutz vor Vandalismus aufkommen, obgleich keine Deckung auf den Hauskonten besteht und diese Gebäude häufig gänzlich leerstehen und zerfallen. Hinzu kommt, daß die Wohnungsunternehmen für negativ entschiedene Restitutionen eine rückwirkende Belastung mit Altschulden in Höhe von 150 DM pro m² Wohnfläche erhalten und Zinsen ab dem 1. Juli 1995 zu zahlen haben.

Mir liegen konkrete Zahlen eines Unternehmens aus Schönebeck vor, die deutlich machen, daß allein dieses Unternehmen mit mehreren Millionen D-Mark belastet wird. Eine negative Verschiebung der Kapitalverhältnisse und Liquiditätsschwierigkeiten, verbunden mit einer Einschränkung der ohnehin schon begrenzten Investitionsmöglichkeiten, sind die logische Folge.

Wir sind der Meinung, daß hierbei nach konkreter Einzelfallprüfung entschieden werden sollte und eine Härtefallregelung greifen muß.

Das besondere Problem des strukturellen Leerstandes ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden. Wir sind aber der Auffassung, daß hier schnell gehandelt werden muß. Einer Reihe von Unternehmen auch in Sachsen-Anhalt steht schon heute das Wasser bis Oberkante Unterlippe. Konkrete Aussagen sind dahin gehend notwendig, wie mit den Altschulden auf dauerhaft leerstehenden Wohnungen umgegangen werden soll.

Die Bauminister der ostdeutschen Bundesländer haben hierzu im November des letzten Jahres einen Formulierungsvorschlag für einen neuen § 4 a, einer Härtefallregelung für Wohnungsunternehmen in strukturschwachen Kommunen, erarbeitet. Danach sollte eine Entlastung von den Restverbindlichkeiten nach bestimmten, konkret definierten Kriterien erfolgen.

Diesem Vorschlag wurde durch das Bundesbauministerium leider nicht gefolgt. Bundesminister Klimmt hat indes eine Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ eingesetzt. Sachsen-Anhalt ist in dieser Gruppe mit mehreren Experten vertreten. Das Ziel dieser Kommission muß es sein, schnellstmöglich finanzierbare und den regionalen Gegebenheiten gerecht werdende Lösungen zu erarbeiten.

Unternehmen, aber auch private Vermieter und Mieter dürfen mit diesem Problem nicht alleingelassen werden. Es wäre in der Tat fatal, wenn in der nächsten Zeit Genossenschaftsmitglieder über die Nachschußpflicht zur Rettung ihrer Wohnungsgenossenschaft herangezogen werden müßten.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank, Herr Felke. - Zu diesem Tagesordnungspunkt wurde im Ältestenrat eine Fünfminutendebatte vereinbart. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge CDU, FDVP, PDS, DVU-FL und SPD. Wir beginnen mit dem Redebeitrag von Herrn Dr. Daehre für die CDUFraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Felke, das Thema Altschulden hat uns schon ein Jahrzehnt lang begleitet. Ich hoffe, daß es kein zweites Jahrzehnt wird, und zwar nicht was die Begleitung, sondern was das Altschuldenhilfegesetz angeht.

Meine Damen und Herren! Herr Felke, ich muß auf eines hinweisen. Ich denke, wir sollten damit aufhören. Wir wissen, wie schwierig es in den ersten Jahren nach 1993 gewesen ist. Ich denke, im Jahr 1993 haben alle ostdeutschen Bundesländer quer über die Parteien hinweg diesem Altschuldenhilfegesetz zugestimmt. Wir wissen also, unter welchen schwierigen Bedingungen es zustande gekommen ist.

Ich sage aber auch eines: Die Zeit geht weiter. Wenn jemand im Jahr 1993 behauptet hätte, daß wir heute einen strukturellen Leerstand hunderttausender Wohnungen zu verzeichnen haben würden, hätte ihm das damals sicherlich keiner abgenommen; denn damals waren wir mit anderen Themen beschäftigt. Damals

ging es um Wohnungsnot und vieles andere mehr. Ich habe die Debatten noch in Erinnerung.

Nun haben wir die Situation, daß wir bereit sein müssen, ein bestehendes Gesetz, auch das von 1996, zu novellieren. Ich denke, das ist auch ein Punkt, über den wir im Jahr 1996 vielleicht nicht sehr glücklich gewesen sind. Aber es nützt nichts. Die Situation der Wohnungswirtschaft ist so, wie sie jetzt ist, und es muß gehandelt werden.

Sie haben dies nun in einen Antrag aufgenommen und ihn in den Landtag eingebracht. Als ich ihn mir zum erstenmal durchgelesen habe, habe ich mich gefragt: Was soll das eigentlich? Die Landesregierung handelt, und nun wird etwas begrüßt und beschlossen, und das eine oder andere noch dazu.

Ich meine, mit dem Begrüßen allein ist es nicht getan. Wenn wir der Meinung sind, daß wir entscheidende Positionen ändern wollen, dann müssen wir es auch so hineinschreiben. Wenn in dem Antrag der SPD-Fraktion steht, daß sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, daß das Problem der sogenannten negativen Restitution angemessen berücksichtigt wird, dann muß ich natürlich fragen: Was ist „angemessen“? Dann haben wir wieder die Diskussion.

Deshalb sind wir der Meinung - das kommt in unserem Antrag zum Ausdruck -, daß wir in diesem Zusammenhang etwas konkreter werden sollten.

In bezug auf die unter Nr. 1 des Antrages der SPDFraktion aufgeführte Forderung, daß sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, daß eine praktikable Härtefallregelung für Wohnungsunternehmen, die in erheblichem Maße von Problemen des strukturellen Leerstandes betroffen sind, gefunden wird, ist anzumerken, daß es nicht nur Halle, Sangerhausen oder Stendal betrifft. Wenn Sie nach Gardelegen fahren, dann werden Sie feststellen, daß dort im Prinzip dieselbe Situa-tion gegeben ist.

Deshalb sind wir der Meinung, daß wir uns zu einem Antrag durchringen sollten, der konkret auf diese beiden Punkte eingeht. Das heißt, daß die Altschulden auf dauerhaft leerstehende Wohnungen in dem Gesetz-entwurf zur Novellierung des Altschuldenhilfegesetzes berücksichtigt werden müssen.

Ein weiterer Punkt. Wir waren auf der Baumesse. Ich denke, wir alle haben den wunderschönen Marktplatz der Wohnungsunternehmen besucht und viele Gespräche geführt. Das Thema Negativrestitutionen ist tatsächlich eines, das die Wohnungsunternehmen belastet.

Nun haben es mir Frau Stange und auch andere Vertreter gesagt. Es ist zwar sehr schön, daß das Datum 31. Dezember 1999 schon dabei ist, aber so richtig können wir damit nicht leben. Wir plädieren vielmehr dafür, daß die Frist etwas nach vorn verlegt wird. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam den Versuch unternehmen, zu sagen: Wir nehmen den Stichtag 31. De-zember 1998. Wenn wir es jetzt noch schaffen, Verbündete aus anderen Ländern mit ins Boot zu holen, dann wäre das eine Möglichkeit, den Wohnungsunternehmen tatsächlich zu helfen.

Nach Aussage der Wohnungswirtschaft betreffen die Negativrestitutionen gerade das Jahr, auf das wir es vorverlegt haben wollen. Wir sind überall; wir sind heute abend und morgen bei der Wohnungswirtschaft. Vielleicht können wir eine Botschaft verkünden. Ich bin

morgen wieder im Landtag, im Gegensatz zum Minister. Am Ende sollten die Wohnungsunternehmen sagen: Das ist eine Sache, mit der wir uns identifizieren können. Was zum Schluß machbar ist, muß immer mit dem Bund abgestimmt werden.

Eine letzte Anmerkung. Meine Damen und Herren! Die Beseitigung des strukturellen Leerstandes, ob wir es in Sachsen-Anhalt, in Thüringen, in Mecklenburg-Vorpommern oder wo auch immer diskutieren, ist eine gesamtdeutsche Aufgabe. Sie kann nicht allein von den Ländern - es ist in diesem Zusammenhang völlig uninteressant, ob schwarz oder rot regiert - gelöst werden. Es ist ich glaube, so steht es auch in der Pressemitteilung des Ministers - eine industrielle Altlast aus vergangenen Zeiten; es geht jedoch nicht um Altlasten im eigentlichen Sinne.

Lassen Sie uns dies als gesamtdeutsche Aufgabe im Zusammenhang mit dem Erblastentilgungsfonds ansehen. Ich weiß, wie schwer das ist, Herr Minister. Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, daß wir im Jahr 1993 auch mit Brandenburg vielfach über das Thema Altschuldenhilfegesetz gestritten haben. Wir waren zum Schluß alle mehr oder weniger glücklich und haben zusammen ein Bier darauf getrunken, daß wir das 1993 geschafft haben. Vielleicht gelingt es uns, noch einmal eine ostdeutsche Solidarität dafür hinzubekommen, daß auch diese Novellierung des Altschuldenhilfegesetzes im Interesse der Unternehmen erfolgt.

Herr Präsident, ich bin am Ende meiner Redezeit und hoffe, daß wir auch bald am Ende der Novellierung des Altschuldenhilfegesetzes sind. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die FDVP spricht der Abgeordnete Herr Mertens. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern steckt in einer der tiefsten Krisen überhaupt. Die Leerstände sind besorgniserregend. Die Anzahl leerer Wohnungen hat sich in den neuen Bundesländern von 420 000 im Jahr 1993 auf 1 Million im Jahr 1999 fast verdoppelt. Der Leerstand liegt bei 14 %. In Sachsen-Anhalt sind von dem Leerstand 130 000 Wohnungen betroffen. Besonders davon betroffene Regionen und Städte sind Stendal, Wolfen, Halle, Magdeburg und Sangerhausen.

Ohne finanzielle Hilfe des Bundes und der Länder droht mindestens 35 Wohnungsbauunternehmen in den nächsten eineinhalb Jahren der Konkurs, mit einer einhergehenden Verwahrlosung ganzer Stadtteile, einer steigenden Kriminalität und hoher Arbeitslosigkeit.

Durch die konstant schlechte Wirtschaftspolitik der Landesregierung sind die Städte in dieser Situation machtlos. Sachsen-Anhalt hat seit 1990 fast 250 000 Einwohner verloren, größtenteils aufgrund der Perspektivlosigkeit der dort lebenden Menschen.

Die Arbeitslosigkeit hat die Rekordmarke von 23,4 % erreicht. Durch die ominöse Öko-Steuer und den schlechten Euro-Kurs gegenüber dem Dollar hat sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert.

Das Land und der Bund sind dringend dabei gefragt, die Wohnungsbauunternehmen in den neuen Ländern stär