Protocol of the Session on July 4, 2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Neben dem Ausdruck von Trauer und Mitgefühl und Feststellungen haben wir in unserem Entschließungsantrag auch drei Punkte herausgenommen aus dem im Sondervotum formulierten längeren Katalog von insgesamt 46 Schlussfolgerungen, die man ziehen könnte, wenn man nur wollte. Es sind insgesamt Schlussfolgerungen, die man ziehen müsste, wenn man tatsächlich rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will.

Diese drei heute im Entschließungsantrag vorliegenden Forderungen sind: Erstens. Die Staatsregierung sollte endlich Fehler ihrer Behörden einräumen, Mitverantwortung bekennen und dazu beitragen, die Betroffenen und Hinterbliebenen der NSU-Anschläge schnell und unbürokratisch zu entschädigen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das wäre der mindeste Beitrag zu einer Wiedergutmachung.

Zweitens. Wir reden seit Jahren aufgrund hinlänglich bekannter gesellschaftlicher Entwicklungen über die Bedeutung politischer Bildung. Reden wir nicht länger drum herum. An sächsischen Oberschulen und Gymnasien sollten als regelmäßiger Lehrplaninhalt die extreme Rechte und die Gefahren des Rechtsterrorismus,

(Zuruf des Abg. Stephan Hösl, CDU)

insbesondere am Beispiel der Verbrechen des NSU, behandelt werden.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Drittens. Sachsen, ja gerade Sachsen, braucht ein umfassendes Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten. Wir reden hier nicht davon, dass es irgendwelche abwegigen Gesinnungen gibt, die uns nicht gefallen, sondern wir reden davon, dass der NSU die erste bekannte, aber längst nicht die letzte rechtsterroristische Vereinigung war, die in Sachsen agierte. Vielfach jetzt erwähnt: „Gruppe Freital“ und „Revolution Chemnitz“. „Oldschool Society“ ist inzwischen schon wieder in Vergessenheit geraten. Auch diese Fälle zeigen: Der Rechtsterrorismus ist nicht erledigt. In Sachsen bestehen weit verzweigte, gewalttätige Netzwerke von Rassisten und Republikfeinden fort. Dazu gehören, um nur die derzeit bekanntesten Strukturen zu nennen, auch die verbotene Organisation „Blood and Honour“ mit ihrem militanten „Arm Combat 18“ und damit sympathisierende Gruppen wie „Brigade 8“. Diese gehören endlich auf den Schirm.

Bitte stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag ist eingebracht worden. Die Fraktionen haben nun Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Die CDU-Fraktion will auch sprechen? – Das ist nicht der Fall. Frau Friedel, bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe am Anfang meiner Rede nicht umsonst den gemeinsamen Entschließungsantrag von vor fünf Jahren zitiert. Ich hätte mich gefreut, wenn es auch diesmal gelungen wäre, eine solche Gemeinsamkeit herzustellen. Wir haben den Entschließungsantrag zum ersten Mal hier, auf unseren Tischen vorgefunden. Das finde ich ein wenig schade.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Am Dienstag!)

Entschuldigung, wir haben ihn am Dienstag gefunden. Das ist natürlich ein himmelweiter Unterschied, sage ich jetzt an einem Donnerstag.

(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Zu den drei Punkten, die Frau Köditz angesprochen hat: Wir haben in der letzten Stunde über genau den ersten Punkt diskutiert, Fehler und Versäumnisse der Staatsregierung … – Wenn Sie die Stellungnahme der Staatsregierung zur Kenntnis genommen haben und vielleicht auch ein bisschen von dem, was hier gesagt worden ist, dann werden Sie feststellen, dass nicht nur bei den Sicherheitsbehörden einiges passiert ist, sondern dass wir auch über das Thema Schule und Lehrpläne geredet, und nicht nur geredet, sondern gehandelt haben. Wir haben das Konzept „W wie Werte“ umgesetzt, wir haben eine Veränderung in der Stundentafel und wir haben heute neue Lehrpläne mit einem größeren Anteil an dem Thema politische Bildung. Ich finde es schade, diese Sachen dann völlig auszublenden und zu ignorieren, ebenso wie die inzwischen ergriffenen Maßnahmen, die bereits angesprochen wurden, „Gruppe Freital“ und Ähnliches.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Entschädigungen und NSU im Lehrplan!)

Frau Köditz, über das Thema Entschädigung würde ich gern einmal mit Ihnen gesondert reden und nicht in der Öffentlichkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der AfD)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Abg. Lippmann, die Wortmeldung habe ich gesehen.

Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den einführenden Sätzen von Sabine Friedel anschließen. Wir haben aber kein Problem damit, dem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil der Forderungsteil, diese 46 Punkte, weitgehend dem gemeinsamen Teil entspricht, den wir auch in unserem Minderheitenvotum angefügt haben. Ich glaube, dass gerade die Frage des Entschädigungsfonds eine sehr sensible ist, die sich aber dennoch nicht einem politischen Willen entziehen sollte.

Deswegen haben wir auch kein Problem damit, dem heute zuzustimmen, ganz im Gegenteil. Wir halten das für eine notwendige und sinnvolle Schlussfolgerung, auch aufgrund der Zeitläufe für eine, die man dringend umsetzen sollte, auch mit Blick auf andere Bundesländer.

Ich nehme das zum Anlass, auf einen Punkt hinzuweisen, der nicht in diesem Entschließungsantrag auftaucht, der mir aber wichtig ist, noch einmal zu betonen. Er war auch Teil der Forderungen des Minderheitenvotums. Ich habe die letzten fünf Jahre im Innenausschuss des Landtages verbracht, genau wie Kollegin Köditz und einige andere Kollegen des NSU-Untersuchungsausschusses. Mitunter haben wir es dort mit Ereignissen zu tun gehabt, mutmaßlichen polizeilichen oder verfassungsschutzrechtlichen Versäumnissen, Versäumnissen der Staatsregierung und dergleichen mehr, die einer tieferen Aufklärung durch das Parlament bedurft hätten. Ich nehme explizit die Terrorgruppe „Freital“ heraus, wo man mit den Instrumenten des normalen Innenausschussverfahrens nicht weitergekommen wäre und der große Tanker eines Untersuchungsausschusses allerdings übertrieben gewesen wäre.

Ich rege für die kommende Legislaturperiode an nachzudenken, ich betone bewusst nachzudenken, ob man zukünftig für den Innenausschuss ein ähnliches Instrumentarium wie für den Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vorsieht, was die schnellere Konstituierung für Einzelfall-Untersuchungsausschüsse angeht, um in diesem Fall das normale Instrumentarium zu haben, ohne den großen Weg eines Untersuchungsausschusses zu gehen. Das hätte uns in der Vergangenheit gerade bei der Terrorgruppe „Freital“, vielleicht auch bei den Versäumnissen rund um Heidenau, möglicherweise auch bei einigen Erzählungen rund um Chemnitz gutgetan, dieses Instrument an der Seite zu haben, um konkret in Aktenlagen und Zeugenbefragungen zu reagieren. Ich weiß, dass das dem deutschen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der Form auf Landesebene nicht inhärent ist. Ich glaube aber, dass wir in Anbetracht der sich zuspitzenden Lagen der Vergangenheit und leider auch der Prognose, dass das wahrscheinlich nicht die letzten Fälle gewesen sein werden, die wir im Innenausschuss des Landtages behandelt haben, über eine solche Ausweitung im Sinne einer sachlichen, fundierten Auseinandersetzung und Aufklärung in diesem Hause nachdenken sollten. Das ist nicht Teil des Entschließungsantrages, ich wollte es an der Stelle aber als Impuls für die kommende Legislaturperiode angemerkt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung; Herr Hütter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE ist ein Paradebeispiel für das politische Ausschlachten eines Ereignisses. Das Ereignis

ist in diesem Fall die Mordserie sowie weitere Straftaten des sogenannten NSU. Wie bereits zum Ausdruck gebracht, verurteilen wir diese Taten aufs Schärfste. Den Angehörigen der Opfer gehört unser Mitgefühl.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Wer soll denn das glauben?)

Bis hierhin dürfte es bei allen Parteien im Sächsischen Landtag Konsens geben. In der nächsten Antragszeile verfallen Sie ins Moralische und verkünden Weltoffenheit für den Freistaat Sachsen. Was soll das? Unsere Verfassung spricht in Artikel 12 von regionaler Zusammenarbeit, dem Zusammenwachsen Europas und einer friedlichen Welt. Das ist etwas gänzlich anderes als das, was Sie wollen. Im Feststellungsteil Ihres Antrages wird es nicht besser. Sie stellen erhebliche Fehler und Versäumnisse sächsischer Behörden fest, die Sie politisch motiviert vor allem dem Landesamt für Verfassungsschutz in die Schuhe schieben wollen. Im Abschlussbericht wurden Unzulänglichkeiten beim sächsischen Verfassungsschutz festgestellt, vor allem bei der Abstimmung mit anderen Behörden und Diensten. Weitergehende Schlussfolgerungen, wie das Abstellen dieser Unzulänglichkeiten, ergeben sich daraus nicht. Damit geht auch Ihr Maßnahmenteil ins Leere. Sie konstruieren eine Schuld des Freistaates Sachsen, obwohl Ihre Abg. Köditz feststellt, dass ein Verschulden des Freistaates nicht vorliegt.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Sie haben mir nicht zugehört!)

Aus dieser Schuld – bei Ihnen heißt es fälschlich Verantwortung – soll eine Verpflichtung zur Entschädigung folgen. Wenn sie schon einen Entschädigungsfonds für Betroffene und Hinterbliebene fordern, dann muss dieser unterschiedslos für alle Opfer von Gewalttaten gelten. Andernfalls ist Ihr Antrag heuchlerisch, da er zwischen guten und schlechten Opfern unterscheidet. Ebenso verhält es sich mit den einseitigen Konzepten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Sie vergessen in Ihren Anträgen immer den Linksextremismus, den religiösen Extremismus und den Ausländerextremismus.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Es ging um neonazistische Terrornetzwerke!)

Damit zeigen Sie, dass es Ihnen eigentlich nicht um die Bürger Sachsens, sondern nur im Ihre linke Klientel geht. Die Menschen im Freistaat haben aber ein Recht darauf, vor Extremismus jeglicher Art geschützt zu werden. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit. Genau daran sollten Sie sich halten. Im Gegensatz zu Ihnen bekennt sich die AfD zur Sächsischen Verfassung. Wir lehnen daher Ihren Änderungsantrag ab.

(Beifall bei der AfD)

Und nun die CDUFraktion, Herr Abg. Ittershagen.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Köditz! Ich lasse mich zu einer Aussage hinreißen: In keinem anderen Land wird so viel Augenmerk auf Extremismus und extremistische Entwicklungen gelegt wie in Sachsen. Das glaube ich. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Das ist meine erste Feststellung.

Die zweite ist, und da gehe ich zurück zu den Opfern: Wir brauchen in Sachsen einen Ort des Erinnerns,

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das ist bei den 46 Forderungen mit dabei!)

einen Ort des Erinnerns, an dem man in Sachsen an die Angelegenheit NSU und an alles, was damit zusammenhängt, erinnert. Das gebietet der Respekt vor den Opfern und gibt den Hinterbliebenen vielleicht Zuversicht.

Darüber können wir in der nächsten Legislaturperiode reden. Was Sie hier gebracht haben, ist einfach nur Stigmatisierung und Dogmatisierung.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der AfD)

Meine Damen und Herren! Ich lasse nun über die Drucksache 6/18194 abstimmen. Wer möchte zustimmen? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltung hat die Drucksache dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 5

Bericht des Petitionsausschusses

(Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2018)