Weil bei den Tarifpartnern auch gerade im deutschen Osten die Not so groß war, hat der Bund den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt und inzwischen angehoben. Ich glaube, dass wir damit eine ganze Menge zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Ostdeutschland getan haben.
Die Überwindung der Unterrepräsentanz in Führungsetagen. Richtig, wir werden darauf zu achten haben, dass die Führungskräfte der frühen Neunzigerjahre, die demnächst in den Ruhestand gehen, nicht erneut vorwiegend durch Westdeutsche ersetzt werden. Aber ich glaube, dass wir alle das in diesem Hohen Haus im Auge haben werden.
An den Behördenstandorten von Bundesbehörden wird intensiv gearbeitet. Wir sind froh, dass es gelungen ist, einen weiteren Strafsenat des Bundesgerichtshofes nach Leipzig zu holen. Auch der Generalbundesanwalt wird in verstärktem Maße demnächst in Leipzig präsent sein. Das Anliegen, mehr Behördenstandorte nach Sachsen, nach Ostdeutschland zu holen, ist zum Beispiel Teil des Konzepts zum Strukturwandel, den die Kommission vor wenigen Monaten verabschiedet hat.
Die Rentenunterschiede wollen wir zunächst dort in Angriff nehmen, wo das besonders dringend ist, nämlich bei denen, für die eine Grundrente in Betracht kommt. Wir wollen Altersarmut bekämpfen. Wir wollen eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Darüber hinaus kann die Angleichung von Renten weiterhin notwendig und sinnvoll sein. Aber wir wollen erst einmal dort helfen, wo es am dringendsten ist. Ich glaube, das ist das, was man im Moment am ehesten vorantreiben kann.
Im Bereich des Überleitungsrechts der Deutschen Einheit haben wir in diesem Hohen Hause schon zu manchem Teilaspekt wie dem Schuldrechtsanpassungsgesetz, dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz bzw. dem Vermögensrechtsänderungsgesetz oder zu den Erben von Bodenreformland diskutiert. Wir haben wiederholt begründet, warum es nach 30 Jahren sinnvoll sein kann, gerade in diesen Bereichen Rechtsfrieden einkehren zu lassen. Die Fristen, die in diesen Gesetzen enthalten waren, sind ausgelaufen. Ich glaube, wir sollten es dabei bewenden lassen. Wir sollten jedenfalls nicht gesetzlich eingreifen. Dass man das noch einmal aufarbeiten kann, ist eine andere Frage.
Zum Strukturwandel in den Braunkohlerevieren finden gerade Verhandlungen statt. Es stehen im Ergebnis der Kommission erhebliche Beträge zur Diskussion. Sie wissen, dass da in den nächsten Jahren zig Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen.
Ob es sinnvoll ist, in diesem Zusammenhang eine Forderung aufzumachen, Ostdeutschland solle nicht Aufmarschgebiet der NATO für Aggressionen gegen Russland werden, weiß ich nicht. Das ist einer der Punkte, bei dem ich sage: Wenn Sie das in einen solchen Antrag hineinschreiben, dann bezweifle ich, dass Sie ernsthaft wollen, dass dieser Antrag in diesem Haus angenommen wird.
Wir können darüber gern diskutieren. Das ist eine hochkomplexe Diskussion. Dabei geht es aber nicht darum, Unrecht, das Ostdeutschen widerfahren ist, nachträglich wiedergutzumachen und möglicherweise Konflikte zu heilen. Darum geht es hier nicht.
Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, bin ich in meinem erlernten Beruf Rechtsanwalt. Ich habe im Laufe der Jahre eine Kanzlei mit mehreren Rechtsanwälten aufgebaut. Ich habe in diesen Jahren unzählige Mandantinnen und Mandanten gehabt, denen Unrecht widerfahren war, so wie Sie es hier beschrieben haben. Wir haben vielen helfen können. Wir haben vieles erkämpfen können. Vieles ist leider gescheitert.
Wenn ich mit Frau Staatsministerin Köpping im Lande unterwegs bin, erkenne ich viele dieser Probleme wieder. Die meisten sind inzwischen rechtlich nicht mehr lösbar, weil sie verjährt sind. Wir können nur nachträglich versuchen, irgendwo noch etwas anzuerkennen. Wir können ihnen zuhören. Vielleicht kann man irgendwo noch einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, dass sie merken, dass sie akzeptiert werden. Ich glaube, viel mehr werden wir nicht tun können, jedenfalls nicht in diesem Bereich.
Seien Sie sicher, dass Frau Köpping diese Schicksale und diese Geschichten im Auge hat. Sie hat angeregt, dass ein Härtefallfonds gebildet wird. Dieser Härtefallfonds könnte dafür sorgen, dass man diesen Menschen noch etwas gewähren kann, damit sie die Anerkennung spüren. Viel mehr wird nicht zu leisten sein.
Wir wollen versuchen, nicht nur zuzuhören, sondern auch wertzuschätzen. Wir wollen überall dort, wo es die Möglichkeit gibt, so viel reparieren, wie es der Spielraum zulässt.
Gleichwohl werden wir diesem Antrag, der ganz andere Dinge und viel mehr will, nicht zustimmen können.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag der LINKEN heißt es, dass von der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Osten im wirtschaftlichen, sozialen, politischen und auch kulturellen Bereich immer noch nicht gesprochen werden kann, und zwar trotz seit fast drei Jahrzehnten unverändert anhaltenden Engagements der Menschen in Ostdeutschland in Arbeit und Beruf.
Zuallererst etwas Grundlegendes: Ihre Vorgänger und teilweise immer noch Parteimitglieder waren schuld an den Zuständen, die 1989/90 zur friedlichen Revolution führten. Jetzt die Folgen der Einheit zu beklagen ist scheinheilig. Dazu kommt, dass Ihre Berliner Kollegen das Volksbegehren über die Vergesellschaftung von Immobilienfirmen mittragen. Sie wollen das wieder einführen, was vor 30 Jahren krachend scheiterte.
Sie wollen außerdem einen Rundumschlag von der finanziellen Verbesserung für bestimmte Bevölkerungsgruppen über die Streichung der Altschulden der ostdeutschen Wohnungsunternehmen, über die Auflösung der Stasibehörde, selbst über ein NATO-Aufmarschverbot gegen Russland bis hin zu einer Treuhanduntersuchungskommission. Das liest sich wie ein plakatives Wahlkampf-Sammelsurium aus Ideologie und Politik, wobei Felder wie Außen- und Wirtschaftspolitik ebenso munter durchgemischt werden wie Bundes- und Landeszuständigkeiten.
Ich erinnere daran, dass Sie – so wie wir – etwas für die „Lückeprofessoren“ als einer dieser benachteiligten Gruppen tun wollten. Einerseits gehen Sie jetzt ohne Erfolgschance weit darüber hinaus, andererseits haben Sie es versäumt, das Anliegen so konsequent weiter zu betreiben, dass es in den Haushaltsverhandlungen relevant wurde. Das haben nur wir getan, und Sie haben es abgelehnt.
Drittens. Der Antrag ist in Teilen überholt, vor allem die Forderung nach einer Kommission zur Untersuchung und Bewertung der Aktivitäten der Treuhandanstalt bzw. der späteren Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, denn die gibt es bereits. Das Institut für Zeitgeschichte in München beschäftigt sich derzeit in einem umfassenden Forschungsprojekt mit der Arbeit der Treuhand zwischen den Jahren 1980 und 1994. Gefördert wird das Projekt übrigens vom Bundesfinanzministerium.
Besonders der Trauhandpassus entlarvt Ihre populistische Scheinheiligkeit. Natürlich gab und gibt es viele Geschichten über die Bevorzugung westdeutscher Bankrotteure beim Verkauf der Unternehmen gegenüber den betriebseigenen Experten, Geschichten über den billigen Ausverkauf an Konzerne, die aus den Ostbetrieben verlängerte billige Werkbänke machten, und Geschichten über die Marktbereinigung von möglichen Konkurrenten.
Aber wie alle Ostdeutschen – auch Sie sollten diesbezüglich ehrlich sein – sind wir nicht nur Opfer der Treuhand, sondern wir waren auch Täter. Denn nach der Einführung der D-Mark wollten wir lieber Ariel-Waschmittel, Jacobs Krönung und Oetker-Backmischungen, statt Spee, Rondo und Zörbiger Marmelade.
So ist nun einmal die Marktwirtschaft, die wir übrigens herbeigesehnt hatten, aber über deren Folgen wir uns nicht im Klaren waren. Wir selbst haben dem Niedergang der DDR-Konsumgüterindustrie Vorschub geleistet. Auch nach der Treuhandzeit ist man vor Fehlern nicht gefeit. Ein Beispiel: Die Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 war praktisch der Todesstoß für viele Betriebe, die von dem Export in die damalige Sowjetunion lebten, wie der Maschinenbau, der Waggonbau und der Schiffbau, mit vielen Tausend Beschäftigten, weil den Handelspartnern damals die Devisen fehlten.
Nachdem die ostdeutsche Wirtschaft nach gut zwei Jahrzehnten die alten Verbindungen nach Russland reaktiviert hatte, kamen die Sanktionen nach der Annexion der Krim. Sie trafen die ostdeutsche Wirtschaft bis ins Mark, während westdeutsche Gasunternehmen mit der Nord-Stream-Trasse weiter gut verdienten. Hier hätte die deutsche Regierung auf europäischer Ebene mehr Sorgfalt gegenüber ostdeutschen Interessen walten lassen müssen.
Erst letzte Woche ergab eine Anfrage der LINKEN im Bundestag, dass statistisch nicht erfasst wäre, wie viele der etwa vier Millionen der in Treuhandunternehmen Beschäftigten ihren Job verloren hätten. Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort auf die enormen Herausforderungen der Treuhand. Fazit: Der politischen Entscheidung, dass man einerseits eine schnelle Wiedervereinigung wollte, stand andererseits die ökonomische Entscheidung gegenüber, relativ schnell auf die D-Mark umzustellen. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machten es den Unternehmen der DDR natürlich extrem schwer. Jetzt per Rundumschlag all das zu heilen und dazu noch Russland und die Stasi mit zu bespielen, ist nicht nur politisch unseriös, sondern populistisch und der Landtagswahl geschuldet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit mir gerungen, ob ich in den fünf Minuten Redezeit wenigstens einzelne Punkte aus Ihrem umfangreichen Antrag diskutiere. Das haben wir allerdings zu verschiedenen dieser Punkte hier im Sächsischen Landtag schon im Detail getan. Deshalb möchte ich mich lieber mit der grundsätzlichen Zielrichtung beschäftigen.
Zur Diagnose vieler alter Verwerfungen und Ungerechtigkeiten aus einer Zeit des Systembruchs und der folgenden Strukturbrüche besteht durchaus breiter Konsens, liebe LINKE. Auch wir stecken täglich in solchen Themen, und auch Frau Köpping und die SPD-Fraktion beschäftigen sich intensiv damit.
Doch die Ansätze der Parteien, um wirklich Hilfe zu ermöglichen, sind erklärtermaßen unterschiedlich. Vor allen Dingen sind die Möglichkeiten in hohem Maße problemspezifisch und oftmals von Fall zu Fall individuell zu betrachten. Das alles wurde bereits debattiert. Es ist müßig, die gemeinsamen und unterschiedlichen Standpunkte wieder und wieder zu Protokoll zu nehmen. Wenn Sie nun hier mit einem zum Antrag verdichteten Narrativ Ihres Wahlprogramms antreten, liebe LINKE, dann wird es Sie nicht verwundern, wenn wir nicht genügend Schnittmenge sehen, um Ihrem Antrag in Gänze zustimmen zu können; wir haben schließlich ein eigenes Wahlprogramm.
Ihr Antrag gleicht inhaltlich geradezu einem Schrotschuss. Sie streuen aber auch Salz in Wunden, in Kränkungen, in jahrzehntealte, noch nicht vernarbte persönliche Verletzungen. Gleichzeitig erwecken Sie den Eindruck, mit irgendwelchen ganz einfachen Entscheidungen diese immer wieder neu gefühlten Schmerzen lindern und viele alte immer wieder aufbrechende Wunden sogar heilen zu können.
Der gravierende Systembruch nach 1989 und die folgenden Strukturbrüche waren gemeinsam Ursache für viele Probleme. Doch einen solchen Systembruch kann man nur in eine Richtung durchschreiten: nämlich vorwärts. Man kann ihn nicht rückgängig machen. Das will auch niemand, und ich denke, auch bei Ihnen nicht. Weil es keine Lösung durch das Zurückdrehen eines Systembruchs gibt, kann man die Auswirkungen auch nicht ungeschehen machen, ohne dabei zugleich im Hier und Heute neue Ungerechtigkeiten und neue Probleme im System heraufzubeschwören.
Es ist das eine, liebe LINKE, wenn Sie den Menschen den Eindruck vermitteln, Sie hätten die Lösungen, um viele Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen spät, aber dennoch rasch und gründlich zu heilen. Das ist Ihnen unbenommen, und das können Sie selbstverständlich gern in Ihr Wahlprogramm schreiben und versprechen für den Fall, dass Sie die Mehrheiten bekommen, um das auch zu zeigen. Doch ausgerechnet eine CDU-geführte Staatsregierung per Antrag dazu aufzufordern, wesentliche Teile des Wahlprogramms der LINKEN umzusetzen, und wenn der Sächsische Landtag ihnen nicht folgt, das dann als fortgesetzte Ignoranz gegenüber Ungerechtigkeiten zu interpretieren, macht vor allen Dingen eines: nämlich draußen Politikverdrossenheit nähren und die Überzeugung, dies hier sei nur eine Quasselbude.
Es ist richtig, meine Damen und Herren, die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West und
mittlerweile übrigens auch zunehmend in Nord und Süd und in Stadt und Land ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.
Es ist wichtig, Lohn- und Rentenniveaus – ich sage ausdrücklich, auch die Produktivität – endlich auf ein ähnliches Niveau zu heben. Doch wir sehen es als Aufgabe täglichen vorwärtsgerichteten politischen Handelns, mit allen und für alle heute lebenden und auch künftigen Generationen. Wir sehen es nicht als Reparaturaufgabe, denn es ist keine Wiederherstellung eines Zustandes, den es schon mal gegeben hätte.
Wer Ihren Antrag liest, gewinnt den Eindruck, Sie hätten, wenn man Ihnen eine Zeitmaschine schenkte, die Sie 25 oder auch 29 Jahre in die Vergangenheit tragen würde, eine Menge an Ideen, wie man die Dinge so lösen könnte, dass dann in 2019 eine deutlich bessere und gerechtere Welt in diesem Land herauskäme. Das ist aber ein Trugschluss, denn viele der damals gewählten Lösungsansätze waren in der damaligen Zeit genauso gewollt, und zwar von Mehrheiten. Diese haben zur heutigen Welt geführt. Wenn es andere Mehrheiten gegeben hätte, dann hätte es vielleicht andere Lösungsansätze gegeben – dann wären wir heute in einer anderen Welt. Das sind wir aber nicht.
Wenn schon eine funktionierende Zeitmaschine nicht helfen würde, um nachträglich den Verlauf der Geschichte auf demokratisch-rechtsstaatliche Weise zu korrigieren, dann hilft Ihr Antrag erst recht nicht. Er hilft nicht, um den Menschen bei Problemen, zu deren Beschreibung wir mit Ihnen an vielen, wenn auch nicht an allen Stellen übereinstimmen, wirklich konkret zu helfen. Dafür braucht es konkrete problemspezifische Instrumente statt einer allgemeinen Gerechtigkeitsdebatte.
Wir werden aufgrund der bereits diskutierten Schnittmengen zwar nicht gegen Ihren Antrag stimmen, aber zustimmen können wir auch nicht.