Protocol of the Session on April 10, 2019

Die AfD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Damen und Herren von den GRÜNEN versuchen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Diskussion in unser Hohes Haus zu tragen, die in meinen Augen zwar richtig ist, aber zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort stattfindet.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ich habe es geahnt! Bingo!)

Worum geht es Ihnen? Sie wollen für Beamte Möglichkeiten zu sogenanntem Whistleblowing schaffen und sie vor daraus erwachsenden Nachteilen schützen. Dazu soll es beispielsweise Vertrauensanwälte geben, an die sich die Betreffenden, zum Beispiel bei Korruptionsverdacht, wenden können. Was Sie dabei aber bewusst ausklammern – damit sind wir bei dem Problem Ihres Vorschlags – : Die Zuständigkeit liegt aktuell vor allem beim Bund. Sie sollten eigentlich sehr genau wissen, dass es zurzeit noch offen ist, ob und in welcher Weise der Bund die EURichtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in nationales Recht umsetzt. Nur für den Fall, dass in Berlin keine abschließende Regelung getroffen wird, können ergänzende landesrechtliche

Regelungen in Betracht kommen. Dies sollten wir aber zunächst abwarten.

Klar ist bislang so viel: Selbst wenn es auf EU- oder Bundesebene eine Whistleblower-Schutzregelung geben wird, nach der sich Beamte auch an die Öffentlichkeit wenden können, muss weiterhin klargestellt bleiben: Beamte sind bei sonstigen Sachverhalten gegenüber den Medien zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Meine Damen und Herren, wir alle hier sind uns einig: Sollte ein Beamter in Ausübung seines Dienstes die Notwendigkeit sehen, Verstöße Dritten zu melden, dann sollte er dies auch tun. Schlichtweg falsch ist jedoch, dass es dafür bei uns keine Möglichkeiten gäbe. Auch darauf ist im Rahmen der Diskussion – Kollege Markert hat es ja unterstrichen – schon hingewiesen worden.

Das hat der Bundesrat im Übrigen in einer Stellungnahme vor Kurzem auch so bestätigt. Ich zitiere: „Im Bereich des Beamtenrechts ist das Ziel der geplanten EU-Richtlinie auf nationaler Ebene bereits durch ein sorgsam austariertes rechtsstaatliches System aus Vorschriften und Verfahren umgesetzt. Insbesondere können sich Beamte beim Verdacht einer Korruptionsstraftat unmittelbar an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Die Einschaltung von Vertrauensanwälten parallel zu den Strafverfolgungsbehörden erscheint nach den bisherigen Erfahrungen für einen effektiven Whistleblower-Schutz nicht erforderlich.“

Meine Damen und Herren, aus den genannten Gründen empfiehlt die Staatsregierung, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Meine Damen und Herren, damit kommen

wir zur Abstimmungsrunde. Zunächst frage ich aber noch den Berichterstatter des Ausschusses: Herr Anton, wünschen Sie noch das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, aufgerufen ist das Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen (Whistleblower-Schutzgesetz) ,

Drucksache 6/13335, Gesetzentwurf der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfes abgestimmt. Änderungsanträge

liegen nicht vor. Von daher erlaube ich mir, Sie zu fragen, Herr Lippmann: Darf ich die einzelnen Bestandteile erst einmal aufrufen und dann en bloc darüber abstimmen lassen?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Sehr wohl, Herr Präsident!)

Dann machen wir das so, vielen Dank.

Aufgerufen ist das genannte Gesetz mit den Bestandteilen der Überschrift, Artikel 1 Änderung des Sächsischen Beamtengesetzes, Artikel 2 Änderung des Sächsischen Disziplinargesetzes, Artikel 3 Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung, Artikel 4 Änderung des Sächsischen Vergabegesetzes, Artikel 5 Evaluation und Artikel 6 Inkrafttreten. Meine Damen und Herren, wer den genannten Bestandteilen des Gesetzentwurfes seine Zustimmung geben möchte, der zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Gesetzentwurf dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wird noch eine Schlussabstimmung gewünscht?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein, Herr Präsident!)

Ich danke, Herr Lippmann. Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Einführung des Kommunalwahlrechts für dauerhaft in

Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten

Drucksache 6/13351, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/17259, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur allgemeinen Aussprache und beginnen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach die CDU-Fraktion, DIE LINKE, die SPD, die AfD und die Staatsregierung, sofern sie das wünscht.

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Zais; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über die Fragen des eigenen Lebensumfeldes mitzubestimmen ist ein wichtiger Bestandteil der Demokratie und der Integrationsförderung. Integrationspolitik bedeutet neben Spracherwerb, Ausbildung und Arbeit vor allem auch gleiche Rechte, Diskriminierungsfreiheit und politische Teilhabe. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir einen entscheidenden

Teil für die politische Teilhabe dauerhaft in Sachsen lebender Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer

ermöglichen.

Wir haben im Innenausschuss dazu eine spannende Diskussion in der Anhörung mit den Sachverständigen erlebt. Die Botschaft war eine deutliche: Kein Sachverständiger konnte mit Blick auf das seit den 1990er-Jahren geltende Kommunalwahlrecht von Unionsbürgern sagen, dass ein kommunales Wahlrecht für dauerhaft hier in Deutschland, in Sachsen lebende Drittstaatler nicht möglich sei. Insofern ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes überholt. Die Sachverständige

Wallrabenstein hat es treffend formuliert: Wir sollten uns nicht hinter einem 25 Jahre alten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verstecken. Nach 25 Jahren kann die Verfassungsrechtsprechung anders ausfallen.

Deshalb hat uns die Anhörung darin bestärkt, dass das Gesetz in dieser Form möglich und natürlich auch wichtig ist. Wir alle sprechen darüber, dass auch oder gerade für Sachsen Integration eine der drängendsten Aufgaben ist, und sie wird – auch wenn das der eine oder andere Landrat in Sachsen nicht so sieht – eine Daueraufgabe insbesondere in den Kommunen bleiben.

Zu Recht hat der Sachverständige Schwarz Integration als Staatsaufgabe bezeichnet, die es rechtfertigen kann, das Wahlrecht in den Kommunen für dauerhaft hier lebende Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer zu öffnen. Auch in diesem Punkt waren sich alle Sachverständigen einig: Ein Kommunalwahlrecht fördert die Integration.

Ich möchte das noch präzisieren. Es geht nicht nur um Integration – die meisten sind bereits gut integriert, sprechen Deutsch, gehen arbeiten, zahlen Steuern –, es geht uns vor allem auch um Partizipation. Der Aussage einiger Sachverständiger, es gäbe andere Partizipationsmöglichkeiten hier in Sachsen – etwa in Vereinen oder kommunalen Ausländerbeiräten – und man bräuchte deshalb das Kommunalwahlrecht nicht, möchte ich widersprechen. Es fehlt in Sachsen an genau diesen verbindlich geregelten Teilhabestrukturen, denn ein Blick in die Realität zeigt, dass trotz bestehender Möglichkeiten zum Beispiel zur Bildung von freiwilligen Ausländerbeiräten ganze vier Ausländerbeiräte in Sachsen existieren.

Deshalb haben wir im Landtag auch einen Gesetzentwurf für ein Teilhabegesetz eingebracht, das dafür sorgt, dass solche Strukturen tatsächlich verbindlich geschaffen werden müssen. Für unsere Fraktion gehören beide Gesetze – das heutige und das Teilhabegesetz – deshalb zusammen und dringend auf die integrationspolitische Agenda.

Widersprechen möchte ich der Aussage des Sachverständigen Patzelt, dass Ausländer, denen das Wahlrecht zustehen würde, eher eine niedrige Wahlbeteiligung hätten. Diese Aussage – das hat die Anhörung auch gezeigt – ist empirisch nicht belegt. Belegt dagegen ist, dass der Wunsch nach mehr politischer Teilhabe als stärkstes Motiv für die Einbürgerung genannt wird – und das sage ich mit Verweis auf die im Auftrag des Auslän

derbeauftragten erstellte Studie des Dresdner Forschungswerkes.

Jetzt werden einige von Ihnen sicher sagen, dann sollen sie sich doch einbürgern lassen, wenn sie unbedingt wählen wollen, doch auch hierzu liefert die Studie Fakten: Ein Einbürgerungsprozess dauert in Sachsen durchschnittlich 16 Jahre und ist nach unserer Auffassung viel zu lang. Hierzu müssten die Hürden im Staatsangehörigkeitsrecht gesenkt werden. Wir hier im Landtag sollten aber nicht warten, bis der Bundesgesetzgeber tätig wird, sondern dort aktiv werden, wo wir es können, zumal das Kommunalwahlrecht auch dazu ermutigen kann, sich alsbald einbürgern zu lassen.

Wenn wir über das kommunale Wahlrecht für Nicht-EUAusländerinnen und -Ausländer diskutieren, dann sollten wir das auch tun und uns nicht auf die Spielwiese des Staatsbürgerrechts schieben lassen. Die Frage, wer das Volk ist und wer wählen darf, ist und bleibt eine essenzielle und doch auch eine nicht unumstrittene. Deshalb hilft das Staatsbürgerrecht eben nicht in allen Fällen weiter.

Für das Kommunalwahlrecht bietet uns Artikel 86 unserer Sächsischen Verfassung die richtige Antwort. Es geht bei den Kommunen um die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Das Volk wird in diesem Fall durch die Menschen vor Ort, die Einwohnerinnen und Einwohner in den Kommunen, repräsentiert. Die Sachverständige Wallrabenstein hat dies gut dargelegt. Daran, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sollten wir uns orientieren.

Wenn wir einmal in die anderen 15 Länder der Europäischen Union schauen, zum Beispiel nach Dänemark, wo es ein Kommunalwahlrecht für Drittstaatler seit den 1980er-Jahren gibt, dann wird deutlich: Nichts von dem, was ursprünglich an negativen Auswirkungen prognostiziert wurde, ist tatsächlich eingetreten. So sind auch wir davon überzeugt, dass die Vorteile eines Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer überwiegen.

Ich frage Sie also: Wollen wir in einer Demokratie leben, in der die einen, nämlich die EU-Ausländer, ihr Lebensumfeld in den Kommunen mitbestimmen dürfen, und die anderen, die ebenso seit Jahren bei uns leben, nicht, oder wollen wir in einer Demokratie leben, die allen dauerhaft in einer Kommune lebenden Menschen tatsächlich eine Teilhabe und Mitbestimmung an Kommunalwahlen erlaubt?

Auch wenn wir nicht immer mit Herrn Patzelt einer Meinung sind, hat er es in der Anhörung doch treffend formuliert – ich zitiere –: „Wer für eine möglichst gute und umfassende Integration, eine Einwanderungsgesellschaft eintritt und deshalb die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern wünscht, der kann dann auch nicht mit guten Gründen ein kommunales Ausländerwahlrecht ablehnen.“