Protocol of the Session on April 10, 2019

(Beifall bei der CDU und des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Eine Kurzintervention; Herr Kollege Lippmann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Kollege Markert, eine Anmerkung: Sie können das alles anders sehen, und das ist auch in Ordnung. Wir geben auch unumwunden zu: Bei der Frage, ob es die Möglichkeit gibt, den § 353 b Abs. 4 ins vollkommene Ermessen der obersten Landesbehörde zu stellen und diese wiederum im Umkehrschluss zu binden, ob dies im Rahmen des Kompetenzgefüges Bund – Länder zulässig ist, glauben wir, dass das geht.

Aber in einem Punkt will ich entschieden widersprechen: Zum einen haben Sie gerade von Denunziation gesprochen, wenn es um die Ausforschung der individuellen Darlegungsgründe und Willensgründe geht, wenn sich jemand an die Öffentlichkeit wendet. Darum geht es nicht. Im Gegensatz geht es darum, dass man würdigt, was derjenige getan hat. Es ist übrigens im Disziplinarverfahren durchaus üblich, dass es so gemacht wird.

Zum anderen habe ich die Richtlinie in diesem Passus vorhin nicht ohne Grund vorgelesen. Sie werden genau in diesem Punkt gar nicht umhinkommen – und Sie können die Richtlinie auch nicht anders umsetzen –, früher oder später die Frage der Offenbarung gegenüber der Öffentlichkeit an der subjektiven Anschauung desjenigen festzumachen. Damit ist beileibe keine Denunziation verbunden, ganz im Gegenteil. Das trifft ja nur den Offenbarenden im Verhältnis zur sanktionierenden Stelle. Mir ist wichtig, das noch einmal klarzustellen.

Überdies finden Sie den Vertrauensanwalt bereits in etwas abstrakter Form als nicht dienstliche Stelle im Beamtenstatusgesetz geregelt. Von daher wundert es mich jetzt, dass Sie das als eine total absurde Herleitung abtun, die es nicht bräuchte bzw. für die es keine entsprechende rechtliche Komponente gäbe. Diesbezüglich lohnt sich der Blick ins Beamtenstatusgesetz.

Insoweit verstehe ich, dass Sie diesen etwas innovativeren Schritt nicht gehen wollen. Aber es war mir wichtig, diese sachlichen Punkte anzumerken; denn es stimmte schlicht nicht und wir waren diesbezüglich bei der Behandlung im Innenausschuss auch schon weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Markert, wollen Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall. Damit kommt die Linksfraktion zum Zuge; Herr Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Markert, gleich eingangs sage ich Ihnen gegenüber: Nein, der Begriff der juristischen Krücke ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Im Ausschuss habe ich ausschließlich – Sie haben offensichtlich das Protokoll gelesen; das ist löblich – diesen Begriff in Bezug genommen. Es ging ja um die Diskussion des § 68 a, wenn ich das aus dem Stand heraus richtig rekapituliere.

Kollege Markert, ich darf Sie auf eines hinweisen: Es geht nicht darum, Vertrauen in Unternehmen, Vertrauen in die Verwaltung in irgendeiner Weise in Abrede zu stellen. Es geht um das Vertrauen bei den Sachverhalten, die der Whistleblower weitergeben will. Dafür genau braucht er den Schutz, wenn unsere Institutionen, unsere Verfahren nicht greifen, um den Whistleblower zu schützen. Wenn er solche Sachverhalte preisgeben will, weil er der Annahme sein muss, Kollege Markert, dass auf andere Weise keine Abhilfe möglich ist – um diesen Umstand geht es. Da können Sie mir mit Vertrauen kommen, bis Ostern und Weihnachten zusammen auf einen Tag fallen. Das wird an dieser Stelle nicht funktionieren.

Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Gesetzentwurf der GRÜNEN komme, will ich ein paar allgemeine Ausführungen bringen, um auch Ihnen, Kollege Markert, zu helfen, den Sachverhalt zu erhellen und die simple Logik des Whistleblowings zu verstehen. Trotz aller formalen rechtsstaatlichen Kontroll- und Korrekturmechanismen gelingt es in Machtpositionen befindlichen Entscheidungsträgern, Fehlverhalten und Korruption zum Schaden der Allgemeinheit zu verschleiern oder gänzlich geheim zu halten. Auch das ist uns in Sachsen nicht gänzlich unbekannt.

Das mittlerweile klassische Beispiel ist – ich schweife ins Ausland – der Snowden-Fall. Wir wüssten bis heute nicht, was im Bereich der Bespitzelung im Internet so vor sich geht, hätte es nicht Edward Snowden gegeben, der sich über alle Bedenken hinwegsetzte und in Kauf nahm, fortan als Persona non grata zu gelten.

Allerdings frage ich – und das unterstreicht die Notwendigkeit dieses Gesetzes in Sachsen –: Was hat sich seitdem getan? Was hat sich geändert? – Offen gestanden: nichts, was irgendwie anzeigen könnte, dass Konsequenzen aus dieser Affäre gezogen wurden. Das Massendatenschnüffeln geht munter weiter und wird auf EU-Ebene offenkundig befördert. Erinnert sei an dieser Stelle an die Verhandlungen zur E-Evidence-Verordnung oder zum sogenannten CLOUD Act, der den Zugriff von USBehörden auf Unternehmensdaten eröffnet bzw. regelt, soweit diese Unternehmen dem US-Recht unterliegen. Das tritt für die großen Internetfirmen – Google, Facebook, Amazon – fast ausnahmslos zu.

Es lässt sich also ohne Mühe eine Entwicklung auf der staatlichen und Wirtschaftsebene beschreiben, die sehr wohl als Übermacht hinsichtlich der Möglichkeit und Fähigkeit zur Kontrolle über Menschen bezeichnet werden kann und die mitnichten transparent und kontrollier

bar ist. Hier bedarf es eines Gegengewichtes, das wenigstens die Chance eines Schutzes des Individuums eröffnet, wenn offenkundiger Machtmissbrauch in den zunächst rechtsstaatlich vorgesehenen Kontrollmechanismen nicht zu stoppen ist. Gleichwohl muss man hier sensibel sein. Eigentlich ist die Idee der Whistleblower eine Hilfskonstruktion, die eröffnet werden muss, weil sich die Mächtigen das Recht unterwerfen – also das Gegenteil von Rechtsstaat, in dem die Macht dem Recht unterworfen werden sollte. Der Geheimnisverrat bleibt demnach die einzige Möglichkeit, den Machtmissbrauch demokratisch wieder einzufangen.

Allerdings entsteht damit auch ein zweischneidiges Schwert – das will ich einräumen –, weil es die Einzelne bzw. den Einzelnen in ein Dilemma der persönlichen Abwägung zwingt, indem auch subjektiv falsche Entscheidungen getroffen werden können. Einzelpersonen, die aus ihrem politischen, behördlichen oder betrieblichen Umfeld heraus Missstände gegenüber Personen oder Stellen offenlegen, von denen angenommen werden kann, dass diese in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen oder sonst angemessen zu reagieren, verdienen nach unserer Auffassung Schutz.

Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass Schutzgesetze für Whistleblower dort, wo es sie gibt, das Ansehen dieser Person und ihrer Situation wesentlich verbessern können. Diese Schutzgesetze sind aber in Deutschland derzeit nicht ausreichend vorhanden: weder auf der Bundesebene noch auf der Landesebene, weder für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch für Beamtinnen und Beamte.

Wir wissen, dass insbesondere – Kollege Markert, jetzt kommt es – der hier geplante § 68 a Abs. 1 des Sächsischen Beamtengesetzes in der neuen Fassung des Gesetzentwurfs der GRÜNEN, demzufolge die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 353 b Abs. 4 Strafgesetzbuch nicht erteilt wird, problematisch sein könnte. Zu § 353 b Abs. 4 Strafgesetzbuch hat die Staatsanwaltschaft zu klären, ob die Ermächtigung erteilt wird.

Diese juristische Krücke – wie es in der Sachverständigenanhörung bezeichnet wurde – eröffnet zumindest ein verfassungsrechtliches Diskussionsfeld. Das will ich ohne Zweifel einräumen und dessen sind wir uns auch bewusst. In der Gesamtschau und nach Erörterung werden wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute um die zweite Beratung zum Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen, kurz: Whistleblower-Schutzgesetz, von den GRÜNEN.

Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es ein wichtiges und aktuelles Thema,

(Beifall des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

und das besonders in einer sich immer weiter digitalisierenden Gesellschaft bzw. auch Welt. Aber um es vorwegzunehmen: Ich halte den Gesetzentwurf der GRÜNEN für nicht geeignet, um das Problem zu lösen, lieber Kollege Lippmann.

Das Ziel ist klar und wird von der SPD-Fraktion auch geteilt. In deutschen bzw. in sächsischen Behörden soll ein rechtliches Umfeld geschaffen werden, in dem es Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, also den Whistleblowern, möglich ist, gravierende Missstände, Verfehlungen bis hin zur Korruption in den Behörden aufzudecken. Dem stehen Geheimschutzinteressen sowie Beamten- und Beschäftigtenpflichten entgegen.

Das Problem bei diesem Gesetzentwurf ist, dass er nicht in der Lage ist, dieses Umfeld zu schaffen; denn die GRÜNEN führen selbst im Vorblatt zu ihrem Gesetzentwurf aus – ich zitiere –: „Die wesentlichen Regelungen müssen allerdings durch den Bundesgesetzgeber getroffen werden und liegen nicht in der Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates.“

Selbstverständlich verbleiben Regelungslücken und

Gesetzgebungsbefugnis auf Landesebene. Es ehrt Sie, liebe GRÜNE – das möchte ich ausdrücklich sagen –, dass Sie versucht haben, die bestehende Regelungslücke mit Landesrecht zu schließen, aber der grundsätzliche Rechtsrahmen muss auf europäischer und bundesdeutscher Ebene getroffen werden.

So verwundert es auch nicht, dass der Gesetzentwurf von mehreren Sachverständigen in der Anhörung als „Krücke‘“ bezeichnet wurde, und ich meine, auch Sie, Herr Lippmann, haben bei dieser Gelegenheit das Wort selbst in den Mund genommen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Na da gucken wir mal!)

Das ist nachzulesen im Protokoll. – In der Anhörung wurden auch konkrete Mängel am Gesetzentwurf benannt. So wurde kritisiert, dass insbesondere die Regelungen zum Vergabegesetz für die Rechtsanwender in der Form des Gesetzentwurfs nicht handhabbar seien. Es ist auch durch das Landesgesetz nicht lösbar. Ein zweiter Kritikpunkt ist die aus Ihrem Gesetz folgende Ungleichbehandlung zwischen Beamten und tarifbeschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Auch das führt im Ergebnis dazu, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

Wie geht es nun aber mit dem Thema WhistleblowerSchutz weiter? Am 11. März 2019 wurden die TrilogVerhandlungen von Europaparlament, Kommission und Rat mit einer vorläufigen Einigung abgeschlossen. Der gemeinsame Vorschlag sieht erstmals EU-weite Vorschriften zum Schutz von Whistleblowern vor, wenn diese Verstöße gegen EU-Recht aufdecken. Konkret sind das dann Verstöße, wie etwa Steuerbetrug, Geldwäsche oder

Delikte im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit sowie Verbraucher- und Datenschutz.

Ziel dieses richtigen Entwurfs ist es, sichere Wege für das Melden von Verstößen einzurichten und Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower zu erschweren, also dieses sichere rechtliche Umfeld zu schaffen. Das heißt, unterm Strich kommt durch die europäische Ebene wieder Schwung in die deutsche Debatte zu diesem Thema, die zuletzt im Deutschen Bundestag abgebrochen war.

Die Europäische Whistleblower-Schutzrichtlinie wird dazu führen, dass die Debatte in Berlin wieder Fahrt aufnimmt. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass wir in naher Zukunft einen effektiven europäischen und bundesdeutschen Rechtsrahmen haben werden. Die SPDFraktion wird das unterstützen. Dann werden wir auch im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz im Freistaat Sachsen die hiesigen Lücken schließen können, lieber Herr Lippmann. Den vorliegenden Gesetzentwurf benötigen wir dafür jedenfalls nicht. Er hilft jetzt auch nicht, und deshalb lehnen wir ihn ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die AfDFraktion Herr Hütter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist vom Grundansatz her gut gedacht, schießt in seiner Umsetzung allerdings weit über das Ziel hinaus, wie so oft bei den GRÜNEN.

Bei den Whistleblowern oder auf Deutsch: Hinweisgebern handelt es sich um Personen, die Informationen aus einem geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringen. Diese Informationen betreffen meistens Straftaten, Missstände oder allgemeine Gefahren. Die Notwendigkeit, in bestimmten Situationen mit vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, dürfte unumstritten sein.

Edward Snowden und die NSA, Facebook-Datenleck oder Panama-Papers sind Beispiele, die den Nutzen von Hinweisgebern zeigen. Die Veröffentlichung des Haftbefehls im Fall der tödlichen Messerattacke in Chemnitz erfolgte auch durch einen Hinweisgeber.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Na ja!)

Spätestens daran zeigt sich, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht bedeutet. Nicht ohne Grund existieren gesetzliche Vorschriften, die die Beamten grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichten. Eine Aufweichung dieser Vorschriften sollte, wenn überhaupt, nur mit Augenmaß erfolgen. Die GRÜNEN wollen einen § 68 a Sächsisches Beamtengesetz einfügen. Demnach erfolgt behördenintern die Entscheidung, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß § 353 b StGB erteilt wird oder nicht. Das bedeutet im Klartext: Mit dem Gesetzentwurf

verschiebt man die Zuständigkeit für die Ermittlungstätigkeit von der Staatsanwaltschaft zu Ermächtigungsgebern innerhalb der Behörde.

Bereits aus diesem Grund muss der Gesetzentwurf abgelehnt werden. Die Strafverfolgung obliegt der Staatsanwaltschaft, die Kompetenz zur Verurteilung allein den ordentlichen Gerichten. Eine Vorverlagerung in die Behörde hinein, die die Motivation des Hinweisgebers beurteilen soll, würde Missbrauch nur Tür und Tor öffnen.

Des Weiteren verpflichtet der Gesetzentwurf Unternehmen dazu, ein betriebsinternes Hinweisgebersystem einzurichten. Auf diese Weise will man Missstände innerhalb von Unternehmen aufklären. Unternehmen ohne ein solches Hinweisgebersystem werden als Bieter im Rahmen des Vergabegesetzes von vornherein ausgeschlossen. So gerät der Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Verhinderungsvorschrift für Unternehmen.

Abschließend weist die AfD-Fraktion darauf hin, dass eine Behandlung dieses Themas im nationalen Rahmen, wenn nicht sogar im europäischen Rahmen erfolgen muss. Eine kleinteilige sächsische Lösung führt zu mehr Unsicherheit aufseiten des Rechtsanwenders.

Die AfD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen.