Also, wahrscheinlich liegt es an der späten Stunde. Ich kann den Ausführungen jetzt echt nicht folgen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich bin das erste Mal sprachlos. Ich weiß nicht, was ich erwidern soll.
Gibt es jetzt noch Redebedarf von den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich die Staatsregierung äußern? – Herr Minister, bitte.
Abgeordnete! Herr Kollege Piwarz hat mich gebeten, seinen Beitrag zu übernehmen und Ihnen zu sagen, dass die Staatsregierung Mobbingfälle an sächsischen Schulen sehr ernst nimmt.
Mobbing geht weit über kurzzeitige Konflikte, Streitereien oder auch Ausgrenzungen hinaus. Die Komplexität von Mobbing ist schwer fassbar. Das zeigt sich im Vergleich verschiedener Definitionsansätze und unabhängig von den Konstellationen, in denen Mobbing auftreten kann. Gerade deswegen steht an sächsischen Schulen eine Vielzahl von Angeboten für Lehrerinnen und Lehrer, für Schülerinnen und Schüler und für Eltern zur Verfügung. Welche Angebote das im Detail sind und was darüber hinaus noch geplant ist, entnehmen Sie freundlicherweise dem Wortbeitrag, den ich hiermit zu Protokoll gebe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gelangen Vorfälle, wie ein brutal verprügelter Lehrer an einer sächsischen Schule, an die Öffentlichkeit, werden sie gern als der berühmte Einzelfall abgetan. Brennpunktschulen, an denen es besonders häufig zu Gewalttaten kommt, werden von Kultusminister Piwarz neuerdings verharmlosend als Schulen mit besonderen Herausforderungen bezeichnet.
Geht es um Gewalt an Schulen, zu der zweifelsfrei auch Mobbing gehört, verweisen die Verantwortlichen in der Politik gern auf die neuesten Statistiken, nach denen die Jugendkriminalität zurückgegangen sei. Wir erinnern uns an den Aprilscherz von Horst Seehofer, als er uns weismachen wollte, wir würden im sichersten Deutschland aller Zeiten leben. Den gleichen Bären will uns nun auch Innenminister Wöller aufbinden.
Hingegen zeichnen Forscher des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen mit ihrer neuesten Studie „Niedersachsensurvey 2017“ ein Bild, welches der Realität und nicht einer staatlichen Traumfabrik entspringt.
(Alexander Dierks, CDU: Sie sind die beste Rednerin aller Zeiten! – Staatsministerin Dr. Eva- Maria Stange: Vor allen Dingen halb zwölf!)
Die Forscher haben 9 000 Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen befragt, und zwar mit dem Ergebnis, dass der Anteil an Schülerinnen und Schüler, die Opfer einer Gewalttat geworden sind, deutlich gestiegen ist. Im Bereich des Mobbings gaben 40 % der Schülerinnen und Schüler an, mindestens einmal Opfer psychischen Mobbings geworden zu sein. Über 43 % wurden schon Opfer von Cybermobbing. Das heißt, dass nahezu jeder zweite Schüler heutzutage Mobbingopfer ist. Ich sage an dieser Stelle: Das sind 43 % zu viel. Wir müssen endlich handeln und die Opfer besser schützen.
Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Unser Antrag enthält wichtige strategische Maßnahmen zur professionalisierten Mobbingprävention. Die Schulen sollen in die Lage versetzt werden, Mobbing zu erkennen und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Nutzen alle Maßnahmen nichts, ist der Fall zwingend in die Hände des Jugendamtes zu geben. Die Maßnahmen in unserem Antrag korrelieren damit eins zu eins mit dem von der Staatsregierung zu unserem Antrag gezogenen Fazit.
Meine Damen und Herren! Uns liegt noch ein Änderungsantrag der AfDFraktion vor. Frau Wilke bringt diesen ein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir ergänzen unsere Definition um „Mobbing von Lehrern und sonstigen an der Schule tätigen Personen an Schüler gerichtet“. Dabei belassen wir es dann aber auch. Einer weiteren Ergänzung bedarf unsere Definition nicht.
Insofern ist es nicht Ziel unseres Antrages, Mobbing innerhalb des Kollegiums oder des sonstigen an Schulen tätigen Personals untereinander zu erfassen. Um es ganz einfach zu sagen: Erwachsene haben arbeitsrechtliche Möglichkeiten, um sich gegen Mobbing ihrer Kollegen zur Wehr zu setzen. Im Schüler-Schüler- und im LehrerSchüler-Verhältnis gibt es diese Möglichkeiten nicht.
Es ist bedenklich, wenn die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme um den für seine Mobbingforschung bekannten verstorbenen Dr. med. Heinz Leymann im Zusammenhang mit Mobbing an Schulen rekurriert.
Die Staatsregierung impliziert damit, Schüler müssten sich mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten einer von 45 Mobbinghandlungen aussetzen, um als gemobbt zu gelten. Stellen wir uns das einmal bildlich vor: Ein siebenjähriger Schüler muss sich mindestens einmal pro Woche verprügeln lassen, bevor er nach endlosen sechs Monaten als Mobbingopfer anerkannt wird. Wollen Sie das?
Wenn die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme steif und fest behauptet, Mobbing ließe sich im Ergebnis im schulischen Kontext eindeutig bestimmen, dann fragen wir uns, warum wir keine eindeutigen Antworten der Staatsregierung bekommen, wenn es um konkrete Zahlen zu Mobbing an Schulen geht. Mobbing an Schulen lässt sich ohne eine Definition nicht eindeutig bestimmen, Frau Friedel.
Wer möchte zum Änderungsantrag der AfD-Fraktion sprechen? – Es gibt keinen Bedarf. Dann lasse ich über den Änderungsantrag jetzt abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag insgesamt. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Der hier vorliegende Antrag soll im Punkt 1 die Staatsregierung dazu auffordern, Mobbing an Schulen zu definieren. Allerdings ist die empfohlene Definition offensichtlich entlehnt und beschreibt das Problem nicht in seiner Gänze. Zu kurz gesprungen, wieder einmal und populistisch aufgeladen. Er reiht sich an viele derartige Anträge und Meldeportale, welche Vertrauen und Kommunikation mit Anstand und Respekt nachhaltig stören sollen.
Dass Mobbing eben nicht nur, wie in der empfohlenen Definition beschrieben, zwischen Schülern und Lehrern einer Schule oder unter Schülern stattfindet und Mobbing mitunter auch durch Lehrer an Schülern oder im Kollegium einer Schule möglich ist, haben Sie wenigstens noch mit Ihrem Änderungsantrag geheilt.
Wenn wir das gesellschaftliche Problem des Mobbings nachhaltig bekämpfen wollen – und das ist unser politisches Ziel als Fraktion, die sich auf hohe gesellschaftliche
Werte, Respekt gegenüber anderen und christliche Maßstäbe stützt –, dann sollten wir umfassend daran arbeiten, Betroffenen Hilfe anzubieten, präventiv aufzuklären und Strukturen anzubieten, die ein respektvolles Miteinander an unseren Bildungseinrichtungen sicherstellt.
Die Staatsregierung hat in ihrer Antwort auf den heutigen Antrag über die Maßnahmen gegen Mobbing in Schulen umfassend berichtet. Ich möchte kurz auf die wesentlichen Dinge eingehen.
Erster Ansprechpartner in den sächsischen Schulen bei Mobbingvorfällen sind die Beratungslehrer. Sie sind Vertrauensperson für Schüler und Lehrer und sind für die Lösung derartiger Konflikte aus meiner Sicht gut qualifiziert. Sie können somit bereits frühzeitig dazu beitragen, dass potenzielle Opfer Hilfe in Anspruch nehmen können. Hierbei spielt auch das aufkeimende Phänomen des Cybermobbings mehr und mehr eine Rolle. Betroffene sind dieser Form von Ausgrenzung und Diskreditierung
besonders schutzlos ausgesetzt. Hier gilt es, neue Konzepte zu entwickeln, um sie nachhaltig zu schützen.
Eines darüber hinausgehenden Mobbing- und Konfliktberaters bedarf es aus unserer Sicht nicht. Das Angebot der Beratungslehrer sowie die von der Koalition auf den Weg gebrachte Verstärkung der Schulsozialarbeit an allen Schulen im Freistaat Sachsen bilden eine gute fachliche Grundlage, um Mobbing zu begegnen. Aufklärung, individuelle Betreuung und Konfliktbewältigung sind besser als überzogene staatliche Kontrolle.
Schulen sind schon heute angehalten, ihr eigenes pädagogisches Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Auch dabei spielt die Regelung des Umgangs miteinander, der Respekt vor Mitschülern und Lehrkräften eine erhebliche Rolle und stellt gelebte Praxis dar. Dass dabei auch die Probleme von Mobbing analysiert und ihnen strukturell entgegengewirkt wird, liegt auf der Hand.
Dass Mobbing auch Konsequenzen für diejenigen haben muss, welche derartige Verfehlungen begehen, ist auch für uns klar und sicherlich in den Schulen gelebte Praxis. Hausordnung, Schulgesetz und Strafgesetzbuch bilden hier den erforderlichen rechtlichen Rahmen. Schulleitungen, Lehrer und die Schulaufsicht tragen hierfür die Verantwortung und nehmen diese auch, unserer Meinung nach, umfassend war.
Insofern bedarf es eines gesonderten Beschlusses dieses Hohen Hauses in dieser Sache nicht. Aus den vorgenannten Gründen lehnt unsere Fraktion daher diesen Antrag ab.
Auf den Antrag der AfDFraktion möchte ich mit fünf Bemerkungen antworten: Mobbing ist in der Tat ein ernst zu nehmendes Gewaltphänomen. Die Statistiken belegen eine Zunahme dieser Gewaltform an Schulen und in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren.
Allerdings ist die AfD-Fraktion, wenn es darum geht, Mobbing in den Schulen zurückzudrängen, völlig unglaubwürdig. Sie gefährdet den Schulfrieden, indem sie selbst Unsicherheit und Angst unter Lehrern und Schülern schürt, und zwar aus parteipolitischen Gründen.
So hat die sächsische AfD-Landtagsfraktion im Internet die Plattform „Lehrer-SOS“ installiert, auf der Lehrkräfte angezeigt werden können, die sich kritisch über die Partei äußern. In welcher Form Verstöße gegen die parteioffizielle Auffassung geahndet werden, entscheiden dann verantwortliche Köpfe in Partei und Fraktion.
Von Parteien und Verbänden ist das Anzeigenportal der AfD heftig kritisiert worden. Sie haben den „Lehrerpranger“ ihrerseits als „Denunziationsplattform“ angeprangert. Das eigentlich politische Ziel des AfD-Antrags verrät ein Satz aus der Begründung. Dort heißt es über die Gründe für Mobbing: „Der zweite und wahrscheinlich noch dramatischere Grund ist die zunehmende Diversität des schulischen Alltags und der Klassenverbände. Schnell bilden sich abgeschottete Gruppen, die ihre Vorurteile und
Vorbehalte auf die ‚Anderen‘ übertragen. Opfer und Anlässe sind unter diesen Bedingungen schnell gefunden.“
Das liest sich wie eine Selbstbeschreibung der AfD- Politik. Sich abschotten und seine Vorurteile und Vorbehalte auf andere übertragen, genau darin besteht AfDPolitik. Sie betreibt Politik als Mobbing. Deswegen richtet sie das Internetportal ein, will Meldestellen schaffen und Listen aufstellen. Die ganze Sammelwut dient allein dazu, politische Gegner ausfindig zu machen, um gegen sie vorgehen zu können.
Offensichtlich können AfD-Politiker Diversität, religiöse und ethnische Vielfalt nur in einen Zusammenhang mit Gewalt bringen. Dass Menschen von unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft friedlich miteinander leben können, liegt außerhalb des geistigen Horizontes von AfD-Politikern. Lieber pflegen sie ihre Vorurteile und Vorbehalte, die sie auf andere übertragen. Wie es in der Antragsbegründung heißt, ist genau das ein Grund für Mobbing.
Dass man Vielfalt auch positiv auffassen kann, zeigt das Beispiel der 117. Grundschule in Dresden. Zweifellos stellt ein hoher Anteil ausländischer Kinder eine Herausforderung für eine Schule dar. Die Schulleiterin bekräftigt jedoch, diese Herausforderung meistern zu können. „Bei uns“ geht es „nicht chaotisch zu“; „wir haben unglaublich viele Unterstützungssysteme“ und „mehr Pädagogen als andere Schulen“.
Eine entsprechende öffentliche Werbung durch die Grundschule, die die Internationalität und Interkulturalität der Schülerschaft betont und nicht verschämt versteckt, könnte zum Umdenken bei den einheimischen Eltern beitragen. Und im benachbarten Stadtteil lassen sich bestimmt auch Unterstützer finden.