Protocol of the Session on April 10, 2019

(Zurufe von der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Staatskanzlei ist nicht Legislative!)

Herr Pohle ist der Auffassung, Sie sind als Regierung Legislative. Also haben Sie sich geirrt?

(Ronald Pohle, CDU: Ja! Ich meinte Exekutive!)

Gut, einverstanden, Sie haben sich geirrt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Gut, dass wir das aufgeklärt haben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen liegt zur Schlussberatung der Gesetzentwurf zur Schaffung einer Polizeikommission vor. Wie Sie wissen, ist die Idee einer unabhängigen Kontroll- und Untersuchungsstelle für die Arbeit der Polizei nicht neu, und meine Fraktion befasst sich ebenfalls gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei und anderen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen seit Jahren mit der Frage, wie im Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zur Polizei und umgekehrt sowie im Verhältnis der Polizeibediensteten zu Dienstvorgesetzten im Streit- und Auseinandersetzungsfall die Verfahrensweise so gesichert werden kann, dass die berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten geschützt und dennoch auf vernünftige und rechtssichere Weise Anliegen einer sinnvollen Klärung zugeführt werden können.

Dort besteht schon der Unterschied, Kollege Pohle: Es geht nicht darum, dass sich Bedienstete der Polizei zum Beispiel an Verwaltungsgerichte wenden müssen, sondern dass sie sich bei solch schwerwiegenden, sich auch im

Dienstgeschehen vollziehenden Sachverhalten erst einmal vertrauensvoll an eine Stelle wenden können, wenn der direkte Weg über den Dienstvorgesetzten eher unangebracht scheint. Das ist im Übrigen eine alte Forderung der Polizeigewerkschaft, auf die Sie bei Wünschen zum Polizeigesetz sehr wohl gehört haben. Nur verhallen die Wünsche an dieser Stelle im Nichts.

Dass insbesondere ein auf diese Weise gesetzlich gesichertes Verfahren durch eine unabhängige Stelle eine der wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen des Staates im Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zu einem zentralen Akteur bei der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung sein muss, liegt nicht nur auf der Hand, sondern ist auch in der Koalition und – wenn auch eher widerwillig – auf der Regierungsbank als gesicherte Erkenntnis angekommen. Ich möchte jetzt nicht aus dem Koalitionsvertrag und aus Ihrer Begründung zur Beschwerdestelle beim Chef der Staatskanzlei zitieren, aber so lautet es im Koalitionsvertrag.

Nach einigem Hin und Her zur Polizeirechtsnovelle haben Sie, die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, sich kollektiv dem Irrglauben unterworfen, durch Herauslösung der sogenannten unabhängigen zentralen Beschwerdestelle der Polizei aus dem Innenministerium und ihre Verpflanzung in die Staatskanzlei wäre ein gehöriger Zugewinn an Unabhängigkeit erreicht. Allein ich darf Sie beruhigen: Selbst die durch die Polizeirechtsnovelle beschlossenen Änderungen in Bezug auf diese Beschwerdeannahmestelle machen das alles nicht unabhängig. Selbst wenn im Gesetz etwas anderes steht, bleibt doch die Praxis das Kriterium der Wahrheit,

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

und die bisherige Praxis der von Ihnen damals schon als zentrale unabhängige Beschwerdestelle bezeichneten Stelle deutet eher darauf hin, dass sie eben nicht unabhängig arbeitet und das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei nicht zu stärken vermag. Sicher, Oliver Schenk gilt durchaus als umsichtiger Staatsminister und Staatskanzleichef, dennoch würde ich ihn weder strukturell in seiner Position noch politisch-moralisch in seiner Vertrauensstellung gegenüber dem Ministerpräsidenten als neutralen und im Sinne der für die Demokratie und den Rechtsstaat lebensnotwendigen Kontrolle staatlichen Handelns unabhängigen Vertreter der Staatsregierung bezeichnen oder sehen – was denn auch sonst?

Die Beschwerdestelle soll dann auch trotz der Verpflanzung in die Staatskanzlei weiterhin der Dienstaufsicht durch das Innenministerium unterstehen – und das ohne Einschränkung in Bezug auf ihre behauptete Unabhängigkeit. Das ist zum Beispiel der Vorteil beim Gesetzentwurf der GRÜNEN sowie bei dem der LINKEN zur Ombudsstelle.

(Heiterkeit des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Der vorliegende Gesetzentwurf lehnt sich in weiten Zügen an den Grundgedanken des Gesetzes über die unabhängige Ombudsstelle meiner Fraktion an.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Allerdings hat unser Gesetzentwurf – Kollege Lippmann, das überrascht Sie nicht, denn das hatte ich angekündigt – umfangreichere Untersuchungsrechte der Ombudsstelle und Mitwirkungspflichten der Behörden geregelt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das war etwas ausweitend!)

Zudem mangelt es dem vorliegenden Entwurf an einem wichtigen Detail: Die Kennzeichnungspflicht war in unserem Gesetzentwurf enthalten. Damit war eine wichtige Voraussetzung für die im Beschwerdefall erforderliche Identifikation von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gesetzlich verankert. Das fehlt leider. Ich weiß, dass wir das ohnehin nicht durchbekommen hätten. Sei's drum!

Da wir der Überzeugung sind, dass der Gesetzentwurf meiner Fraktion über die unabhängige Ombudsstelle in der Gesamtschau trotz vieler Ähnlichkeiten dennoch umfangreichere und zielführendere Regelungen enthält, werden wir uns, wie angekündigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Gesetzentwurf enthalten.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nun Herr Abg. Pallas für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Danke. Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Gesetz über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger

Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen“ – das finde ich als Titel ziemlich euphemistisch. Lieber Herr Kollege Lippmann, Sie begannen Ihre einführenden Worte mit dem Zitat „Wer bewacht die Wächter?“ und umschifften dann ganz geschickt die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Verwaltung durch die Gerichte.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Habe ich nicht!)

Das hätten Sie der Vollständigkeit halber gern noch mit erwähnen können. In diesem Zusammenhang finde ich es – das muss ich einfach am Anfang erwähnen – ganz schön vermessen und eigentlich frech von Ihnen, wenn Sie Richtervorbehalte in Bezug auf polizeiliche Maßnahmen als leerlaufend bezeichnen. So wenig Vertrauen in die Justiz kann man gar nicht zeigen wie Sie in diesem Redebeitrag.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Natürlich musste die GRÜNE-Fraktion, nachdem alle anderen Fraktionen in diesem Landtag Vorschläge für eine solche Institution gemacht haben, die sich mit Beschwerden befassen soll, auch noch einmal einen Vorschlag in den Ring werfen. Jetzt ist es eben die Polizeikommission.

(Valentin Lippmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Was mich etwas belustigt, ist die Tatsache, dass alle so argumentieren: Meins ist das Beste, und die anderen sind

alle ganz schlecht, zahnlose Tiger usw. Das haben wir gerade auch vom Kollegen Stange so gehört.

Verzeihen Sie mir, wenn ich das nicht hundertprozentig ernst nehme.

Ich würde mir wünschen, dass wir die Debatte darüber führen, wie wirksam die einzelnen Vorschläge in Bezug auf die Zielstellung wirklich sind. Da müssten wir uns erst einmal über die Zielstellung verständigen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich verstehe es so, dass es darum geht, polizeiliche Arbeit in rechtlicher Hinsicht durch dieses Instrument qualitativ zu verbessern. Das ist übrigens auch eine Zielstellung, die sich aus der Anhörung zum Gesetzentwurf der LINKEN zur Ombudsstelle ergibt, wo meines Wissens ein Experte aus der Schweiz, der sich mit verschiedenen Modellen intensiv befasst hatte, genau das als zentrales Element hervorgehoben hat. Wenn wir das anlegen, dann sehen Ihre beiden Vorschläge nicht mehr besonders gut aus, und das hat einen entscheidenden Grund, den Sie – –

(Enrico Stange, DIE LINKE: Reine These!)

Ja, aber Thesen wurden heute schon viele postuliert, Herr Stange.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ihre Vorschläge sehen nicht mehr so gut aus, weil Sie einen entscheidenden Punkt nicht ausreichend berücksichtigt haben. Wenn Sie wollen, dass durch ein solches Instrument polizeiliche Arbeit in rechtlicher Hinsicht qualitativ besser wird, dann müssen Sie einen Weg finden, wie die Gesamtorganisation Polizei das auch wirklich aufsaugt und ihrerseits Vertrauen in die Arbeit, die dort stattfindet, aufbauen kann. Dann wird sie es auch annehmen.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Da bin ich gespannt auf Ihr Modell!)

Deswegen war es mir wichtig, heute beim Polizeigesetz darüber zu sprechen, dass wir den Weg für Polizeibeamte zur Beschwerdestelle durch Herabsetzen der Schwelle, was die dienstrechtlichen Verpflichtungen angeht, erleichtern wollen. Es ist aber auch wichtig, dass man mit einem solchen Instrument nicht den Eindruck vermittelt, dass ein Grundmisstrauen zugrunde liegt. Diese Einrichtung muss gewährleisten, dass es ihrerseits um ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei, aber auch zwischen der Einrichtung und Polizei und Bürgern gehen kann. Nur so wird es gelingen, eine nachhaltige Verbesserung in der Organisationskultur zu erreichen. Das ist meiner Meinung nach das Haupthindernis bei bestimmten Innovationen.

Ich habe es in der Debatte vorhin erwähnt und ich sage es gern noch einmal: Ja, ich denke, dass wir mit der Beschwerdestelle einen machbaren Weg beschreiten. Ich will im Grunde gar nicht gegen Ihre Vorschläge sprechen. Ob man es nun Ombudsstelle oder Polizeikommission nennt und mit Nuancen unterschiedlich ausgestaltet, das sei

alles dahingestellt. Wir haben uns als Koalition für einen Weg entschieden. Wir haben die eingerichtete Beschwerdestelle durch den heutigen Beschluss aufgewertet und zur unabhängigen Vertrauens- und Beschwerdestelle umgewandelt.

Auch mir wäre eine Anbindung außerhalb der Staatsregierung die konsequenteste Lösung. Ich denke aber, dass es bei der Frage der Anbindung und des Standorts vor allem darum geht, auch gegenüber den kritischen Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen: Es ist eine Stelle, die eben nicht Teil der Polizeistruktur oder des die Polizei beheimatenden Innenministeriums ist, und es kann in der Staatskanzlei genauso gut erfolgen.

Insofern finde ich es etwas bedauerlich, dass Sie nicht in der Lage sind, Aspekte des Modells, welches die Koalition befürwortet, zumindest als machbar darzustellen. Es muss immer in Bausch und Bogen abgelehnt und als zahnloser Tiger beschimpft werden usw. Das ist einfach nicht der Fall.

Die Zeit wird zeigen, wie sich die Praxis darstellt. Ich kann nur sagen: Wir haben heute ein Gesetz beschlossen. Das war übrigens auch eine Forderung aller Polizeigewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter in Ihrer Anhörung, Herr Stange, zur Ombudsstelle im Innenausschuss. Sie haben gesagt: Damit es verbindlich ist, brauchen wir eine gesetzliche Grundlage. Das haben wir heute vollzogen, und wir haben hineingeschrieben, dass die Stelle unabhängig und weisungsfrei arbeitet.

Ich sage Ihnen noch etwas: Ich verstehe die Kritik daran, wenn die Stelle in personeller Hinsicht nur aus Polizisten bestünde. Ich finde es auch aus der Perspektive der Beschwerdestelle ganz wichtig, dass dies thematisiert wird. Uns als SPD ist wichtig, dass die Stelle zukünftig nicht nur aus Polizisten besteht, sondern dass externe Fachleute verschiedener Professionen darin arbeiten und die vorgetragenen Sachverhalte aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilen können, damit nicht der aus meiner Sicht jetzt schon falsche Eindruck entsteht, dass diese Stelle nur für die Polizei arbeiten würde.

Aber wahrscheinlich ist es Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, ein Stück weit offener an diese Sache heranzugehen. Wahrscheinlich würde ich es auch so machen, wenn ich Sie wäre. Aber bedauern darf ich es trotzdem.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Hört, hört!)

Ja, aber ich kann es wenigstens einräumen, Herr Lippmann. – Bedauern darf ich es trotzdem.