Protocol of the Session on April 10, 2019

Ja, aber ich kann es wenigstens einräumen, Herr Lippmann. – Bedauern darf ich es trotzdem.

Natürlich werden wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil wir heute ein eigenes Gesetz für eine unabhängige Vertrauens- und Beschwerdestelle im Polizeigesetz beschlossen haben. Wir brauchen Ihr Gesetz nicht und lehnen ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion erhält das Wort; Herr Abg. Wippel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir sprechen jetzt über das Gesetz über die Kommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen auf Wunsch der GRÜNEN. Das, was der Titel des Gesetzes allein schon tut, ist, absolutes Misstrauen zu versprühen, und zwar gegenüber der Polizei.

In den vergangenen Jahren hatten wir circa 1 600 Strafverfahren oder eingeleitete Disziplinarverfahren gegen Polizisten. Das sagt natürlich nichts darüber aus, ob am Ende verurteilt worden ist oder nicht. Das ist der Jahresschnitt: 1 600. Gleichzeitig haben wir pro Jahr – grob geschätzt – circa 2 Millionen Bürgerkontakte. Diese bestehen aus 323 000 Straftaten, 82 000 Blitzern, 400 000 Anhaltekontrollen. Hinzukommen alle möglichen Gefahren abwehrenden Bürgerkontakte. Es sind grob geschätzt 2 Millionen. Wenn wir das überschlagen, kommen wir auf 0,05 % Beschwerden. Das soll heißen: In 99,95 % der Fälle arbeitet die Polizei so, dass es keinen Grund zur Beschwerde gibt.

Sie liefern den Bürgern hiermit also eine Lösung für ein Problem, das es tatsächlich gar nicht gibt. Wir können feststellen: Die sächsische Polizei arbeitet rechtmäßig und braucht für die rechtmäßige Arbeit Ihre Unterstützung nicht.

Das Ergebnis Ihrer Bewertung wollen Sie jetzt noch Hunderttausende Euro kosten lassen. Es sind 700 000 oder 650 000 Euro – das macht die Sache nicht besser. Sie schaffen eine weitere Behörde mit weitreichenden Befugnissen.

Wenn wir Ihren Gesetzentwurf ernsthaft verfolgen würden, dann müsste man kritisieren, dass der Einreicher der Beschwerde nicht mehr der Herr des Verfahrens ist. Denn wenn ich eine Beschwerde oder eine Bitte eingereicht habe, die der Bürger vielleicht gar nicht mit einem Disziplinarverfahren verfolgt haben möchte – er möchte vielleicht nur, dass dies in Zukunft nicht mehr passiert –, dann hat er nicht die Möglichkeit zu entscheiden, ob der Sachverhalt später bei der Staatsanwaltschaft oder zuständigen Stelle, wie Sie es beschrieben haben, zur Anzeige gebracht wird oder nicht. Das entscheidet die Behörde, und die Behörde kann dies tun.

Unser damaliger Gesetzentwurf hatte ganz klar herausgestellt, wer der Herr des Verfahrens ist, nämlich der Beschwerdeführer.

Nächster Punkt. Die Besetzung Ihrer Kommission ist typisch grün, nämlich absolut nicht durchdacht. Vorschläge für die Besetzung des Personals können einreichen eine Fraktion aus dem Landtag, 5 % der Abgeordneten, jeder Verein in Sachsen oder jeder Mensch, der einen Wohnsitz in Sachsen hat. Das heißt auf gut Deutsch: jeder, der zufälligerweise seinen Wohnsitz hier hat. Jetzt müssen Sie mir einmal erklären, was uns, die wir hier

sitzen, weniger wertvoll macht als jeden anderen Menschen, der zufälligerweise seit wenigen Monaten seinen Wohnsitz in Sachsen hat?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Im Zweifel kann es sogar passieren, dass, wenn jeder Mensch in Sachsen seine Vorschläge machen kann – wenn man das System auf die Spitze treiben will –, man Tausende Vorschläge hat. Wer soll die Vorschläge am Ende prüfen? – Das Landtagspräsidium. Ich darf mich umdrehen und Ihnen schon mal viel Spaß beim Prüfen wünschen.

(Beifall bei der AfD)

Das kann also nicht funktionieren. Das ganze Ding ist völlig unrealistisch und es ist unnötig.

Wir haben Ihnen damals ein Gesetz vorgelegt, das war besser und das war durchdacht. Aber Sie haben es abgelehnt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil es Quatsch war!)

Ihr Gesetz können wir aus diesen Gründen, die für jeden einleuchtend sein sollten, einfach nur ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Möchte noch jemand aus den Reihen der Fraktionen das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass wir heute Vormittag ein Polizeigesetz beschlossen haben, was die bestehende Beschwerdestelle auf eine gesetzliche Grundlage stellt, und dass in der ersten Runde der Diskussion die Argumente ausgetauscht worden sind, gebe ich meine Rede zu Protokoll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Herr Pallas, möchten Sie noch als Berichterstatter des Ausschusses das Wort ergreifen?

(Albrecht Pallas, SPD: Ich verzichte darauf. Vielen Dank, Herr Präsident!)

Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen, Drucksache 6/16892, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgestimmt wird auf der Grundlage des genannten Gesetzentwurfes. Änderungsanträge hierzu liegen nicht vor.

Ich frage erneut die einreichenden Fraktionen: Darf ich die Bestandteile des Gesetzes wieder aufrufen, nennen und darüber dann en bloc abstimmen lassen?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Sehr gerne, Herr Präsident!)

Dann verfahren wir so. Es handelt sich um die genannte Überschrift: Artikel 1 – Gesetz über die Polizeikommission im Freistaat Sachsen (Sächsisches Polizeikommissi- onsgesetz), Artikel 2 – Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes und Artikel 3 – Inkrafttreten.

Meine Damen und Herren! Wer den genannten Bestandteilen seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Enthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmenenthaltungen und Stimmen dafür ist dem Gesetzentwurf in seinen Bestandteilen nicht entsprochen worden.

Ich frage, ob eine Schlussabstimmung gewünscht wird.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Erklärung zu Protokoll

Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht die Gründung einer unabhängigen, sogenannten Polizeikommission vor, an die sich Bürgerinnen und Bürger, Polizistinnen und Polizisten wenden können, wenn sie Missstände in der Polizeiarbeit erkennen.

Solche Stellen sind gewiss sinnvoll und geboten, weil sie den jeweiligen Institutionen die Möglichkeit geben, die eigene Arbeit kritisch zu begleiten, Fehler zu berichtigen und Vertrauen wieder herzustellen. Nichts anderes macht

die Zentrale Beschwerdestelle der sächsischen Polizei beim Sächsischen Staatsministerium des Innern.

Bereits jetzt können sich Bürgerinnen und Bürgern an sie wenden und ihre Beschwerden einreichen. Noch mehr: Nicht nur Bürger, sondern auch Polizistinnen und Polizisten können sich dort über Fehlverhalten und Missstände in der Polizei beschweren. Diese Beschwerdestelle arbeitet inhaltlich selbstständig und, ich betone, weisungsfrei. Sie wird auch gut angenommen. Im Jahre 2016 hatten wir 219 Beschwerden, ein Jahr später 202 und im letzten Jahr 231 Beschwerden.

Somit entspricht die Beschwerdestelle im Sinne der Dienst- und Fachaufsicht dem Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfes, nämlich der Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit. Damit wir dem Wunsch nach Unabhängigkeit noch mehr Rechnung tragen, wollen wir mit dem neuen Sächsischen Polizeigesetz eine unabhängige Vertrauens- und Beschwerdestelle in der Sächsischen Staatskanzlei errichten.

Nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Polizistinnen und Polizisten können sich ohne Dienstwege an diese Stelle wenden, die selbstverständlich unabhängig und weisungsfrei handeln wird. Darüber hinaus steht es Bürgern und Polizisten frei, ihre Anliegen auch beim Petitionsausschuss des Sächsischen Landtages vorzutragen.

Nebenbei gemerkt: Fehlerhaftes polizeiliches Handeln kann ebenfalls auf dem Rechtsweg, also strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich, überprüft werden. Jeder Bürgerin und jedem Bürger steht auch dieser Weg frei. Wer neben den beiden Instanzen, nämlich Beschwerdeverfahren und Petitionsverfahren, weitere Parallelstrukturen schaffen will, verschwendet Ressourcen, die wir woanders dringender brauchen; denn Parallelstrukturen heißen Parallelzuständigkeiten. Das heißt wiederum rechtliche Unsicherheit, Verwirrung und Ressourcenver

schwendung zwischen der sogenannten Polizeikommission einerseits und den Ermittlungsbehörden in Straf- und Disziplinarverfahren andererseits.

Über die Ressourcenverschwendung hinaus beengt der vorliegende Entwurf die Unabhängigkeit der Justiz, beeinträchtigt die Hoheit der Staatsregierung und verletzt den Datenschutz. Der Gesetzentwurf verlangt Einsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsunterlagen. Das

verstößt gegen die Unabhängigkeit der Justiz.

Ferner will er eine Anhörpflicht zu Entwürfen von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen einführen. Das verletzt wiederum den Hoheitsbereich der Staatsregierung. Schließlich sieht der Entwurf eine Pflicht der Polizei und der Staatsanwaltschaft vor, die sogenannte Polizeikommission über Strafanzeigen oder über die Einleitung von Ermittlungs- und Disziplinarverfahren zu unterrichten. Das verletzt den Datenschutz.

Aus den genannten Gründen kann die Staatsregierung, die in ihrem neuen Polizeirecht sorgfältig auf DatenschutzRichtlinien und auf die Wahrung der unabhängigen Justiz geachtet hat, diesen Gesetzentwurf nicht tragen. Daher empfehle ich dem Hohen Haus, ihn abzulehnen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den