Es ist ein Merkmal des demokratischen Rechtsstaates, dass somit auch eine Fremdkontrolle stattfinden muss und damit – bezogen auf die Polizei – externe, nicht dem Polizeiapparat zugehörige Organe mit der Beurteilung und gegebenenfalls der Korrektur polizeilicher Maßnahmen, das heißt mit der Kontrolle, befasst werden. Solche Instrumente der Fremdkontrolle sind unter anderem der heute vielfach gepriesene, aber mitunter leerlaufende Richtervorbehalt bei besonders schwerwiegenden Eingriffen und die gerichtliche Rechtsschutzgewährung.
Allerdings greift dieses Instrument nicht immer. Werden polizeiliche Maßnahmen sofort vollzogen – etwa mit einem Schlag mit dem Knüppel –, bleibt dem Betroffenen nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit im Nachhinein, weil es in der entsprechenden Situation recht schwierig sein dürfte, gerichtlichen Rechtsschutz einzuholen. Die Schmerzen muss er also zunächst hinnehmen. Immerhin hat er dann zumindest Kenntnis von der polizeilichen Maßnahme.
Allen Formen dieser Kontrolle ist eines gemein: Sie beschäftigen sich immer nur mit einem konkreten Sachverhalt, mit Verstößen bzw. konkreten Ermittlungen. Einen Überblick über generelle interne Fehlentwicklungen, systematische Verstöße und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der
An diese Kontrolllücke knüpft nun unser Gesetzentwurf zusammen mit anderen, die in diesem Hohen Haus bereits diskutiert wurden, an. Das deutsche Verfassungsrecht ist mit seiner Entscheidung für eine parlamentarische Demokratie nämlich den Weg zu einer weiteren Instanz der Fremdkontrolle eingegangen: die mittelbare und unmittelbare parlamentarische Kontrolle durch Überwachung der vollziehenden Gewalt, also der Exekutive.
Die Instrumentarien dieser Kontrolle sind von Land zu Land recht unterschiedlich ausgeprägt. Im Bund gibt es beispielsweise das erweiterte Recht des Verteidigungsausschusses und einen Wehrbeauftragten. In Sachsen umfasst die parlamentarische Kontrolle neben den bekannten Untersuchungsausschüssen auch das parlamentarische Fragerecht von Abgeordneten und die Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag. Eine weitere Form parlamentarischer Kontrolle durch die Übertragung von Aufgaben ist die Einrichtung eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten, der vom Landtag gewählt wird.
Wir GRÜNEN wollen nun eine weitere Stärkung der quasi durch das Parlament ausgelagerten, aber legitimierten Kontrolle der Polizei erreichen und ähnlich, wie das beim Datenschutzbeauftragten der Fall ist, durch eine vom Landtag gewählte Kommission wahrnehmen lassen. Wir schließen damit eine Kontrolllücke und schaffen ein unabhängiges Gremium, das Polizeiarbeit regelmäßig begleitet und weiter professionalisieren wird.
An die Polizeikommission und ihren Vorsitz, die oder den Polizeibeauftragten, können sich zudem Bürgerinnen und Bürger, aber auch Polizeibedienstete mit ihren konkreten Beschwerden wenden. Mit einer ständigen Begleitung der Polizeiarbeit durch eine solche unabhängige Kommission verbinden wir GRÜNEN die Hoffnung, dass die Polizei selbst Verfehlungen als Chance sieht, Missstände zu erkennen und darauf zu reagieren. Es ist klar, dass bei der Polizei Fehler passieren. Es kommt aber darauf an, wie man im Folgenden mit der Aufarbeitung solcher Fehler umgeht.
Deshalb sehen wir eine solche Polizeikommission als eine entscheidende Maßnahme, die Fehlerkultur mit dem Ziel der Etablierung einer neuen Polizeikultur im Freistaat Sachsen innerhalb der Polizei zu verbessern.
Werter Herr Justizminister – er ist jetzt leider nicht da –, ich schätze die Fehlerkultur, die mittlerweile zu Teilen im Justizressort eingezogen ist, durchaus. Wir GRÜNEN nehmen beispielsweise zur Kenntnis, dass Sie im Bereich der Justizvollzugsanstalten nun über eine Ombudsstelle nachdenken, an die sich Bedienstete oder Gefangene etwa bei Misshandlungen wenden können. Diesem Schritt könnte das Innenministerium folgen, zumindest mit einer wesentlich stärker ausgestatteten Stelle als dieser zahnlose Tiger, den Sie nun bei der Staatskanzlei etabliert haben. Ich bleibe da bei meiner Feststellung aus der Einbrin
Mit unserem Gesetz über die Einrichtung einer Polizeikommission schlagen wir Ihnen daher ein weiteres Kontrollinstrument für eine rechtmäßige Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen vor. Es ist gut, das hier und heute zu beschließen, auch als Kontrapunkt zu den Diskussionen heute morgen, als wir im Wesentlichen nur über Eingriffsbefugnisse diskutiert haben und nicht über die Stärkung der Bürgerrechte bzw. die Verbesserung der polizeilichen Kontrolle.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hätte meine Rede gern zu Protokoll gegeben. Aber nach dem ausführlichen Beitrag von Kollegen Lippmann mache ich das nicht.
Die Fraktion der GRÜNEN möchte die sächsischen Polizisten wieder einmal unterstützen. Immer, wenn das der Fall ist, muss ich unwillkürlich an einen Spruch denken: Helft uns bitte nicht, wir haben es schwer genug.
Der Entwurf des Gesetzes über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Am wenigsten spektakulär ist dabei, dass die GRÜNEN mal wieder ein Problem lösen wollen, das keines ist bzw. eines, das längst gelöst ist.
Seit 2016 existiert dem Koalitionsvertrag folgend, angesiedelt beim Ministerium des Innern, die zentrale Beschwerdestelle der Polizei. Diese legt dem Transparenzgebot folgend jährlich einen Tätigkeitsbericht vor. Darin schildert sie detailliert ihre Aufgaben, Ausstattung, Arbeitsweise sowie Beschwerdeaufkommen und Bearbeitung. Wer lesen kann und möchte, also all jene, deren Deutschstunden nicht am Freitag stattfinden, kann darin für 2018 nachlesen, dass die Beschwerdestelle 231-mal angerufen wurde, 224-mal von Bürgern, siebenmal von Polizeibeamten. 224 Beschwerden konnten bis zum Erscheinen des Tätigkeitsberichtes abgeschlossen werden. 28,5 % der Beschwerden wurden als begründet oder teilweise begründet eingeschätzt, 57 % als unbegründet. Hinzu kamen 383 sonstige Anliegen. 231 Beschwerden bei Zehn- oder Hunderttausenden Polizeiaktivitäten.
Selbst wenn man eine Dunkelziffer zugrunde legt, in denen Bürger vielleicht von der Beschwerdestelle nichts wussten, ist das ein glänzendes Zeugnis für unsere sächsischen Polizeibeamten. Dabei ist zu beachten, welchen
physischen und psychischen Herausforderungen unsere Polizisten gerade in den letzten Jahren ausgesetzt waren.
Ich werde mich ein Leben lang an die drei Großeinsätze erinnern, die ich in Leipzig persönlich erlebte, 2015, als Linksradikale die Südvorstadt anzündeten, in der Innenstadt randalierten oder vor dem Bundesverwaltungsgericht den Bürgerkrieg probten. Aber das interessiert Sie ja weniger.
Es ist vielmehr der Schutz sogenannter Aktivisten, der in Ihrem Fokus steht. Vertreter Ihrer Partei solidarisieren sich ganz schnell einmal mit den gewalttätigen Demonstranten. Ich erinnere mich speziell an Ihren ehemaligen Landesvorsitzenden, der als Volljurist prädestiniert für Ihre Polizeikommission wäre oder an den Parlamentarischen Geschäftsführer der GRÜNEN-Fraktion im 6. anhaltinischen Landtag, Sebastian Striegel, der als Krawalltourist zur Demo in der Leipziger Innenstadt anreiste und sich dabei einen Platzverweis einfing, völlig unverschuldet natürlich nach einem Angriff auf die Polizei. Aber auch die Aktivisten in Schleenhain oder Hamburg müssen selbstverständlich vor der Polizei geschützt werden; denn das Recht im Land gilt bekanntlich nur dann, wenn Sie es für gut befinden und wenn es Ihren Zielen dient.
Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pohle, ich glaube, wir hatten die Diskussion schon einmal. Ich frage Sie noch einmal, weil Sie das jetzt wiederholt haben: Sie haben gerade den Kollegen Striegel als Krawalltouristen bezeichnet. Können Sie bitte dem Hohen Haus darlegen, in welcher konkreten Situation der Herr Kollege Striegel einen Polizisten angegriffen haben soll? Können Sie bitte dem Hohen Haus die Tatsachen darlegen, inwieweit dies strafrechtlich mit welchem Ergebnis verfolgt wurde, um eventuell den Anschein der üblen Nachrede zu umgehen?
Herr Striegel hat seinerzeit einen Platzverweis erhalten, weil der Verdacht auf einen Böllerwurf bestand.
Die Ausschreitungen der extremen Rechten sind mit Sicherheit kein Stück angenehmer. Ich habe sie nur nie persönlich erlebt.
Der Schutz Ihrer Aktivisten ist Ihnen viel Geld wert, nicht Ihr Geld natürlich, sondern das der Steuerzahler. Knapp 700 000 Euro soll diese völlig neben der regulären Dienst- und Kontrollstruktur laufende, aber mit höchsten administrativen Rechten ausgestattete Dienststelle den sächsischen Steuerzahler kosten, pro Jahr wohlgemerkt.
Über die bisherige Ausstattung der zentralen Beschwerdestelle können Sie sich, wie schon gesagt, über den Tätigkeitsbericht ein Bild machen oder die Antworten auf die Kleinen Anfragen des Abg. Stange zum Thema studieren. Das ist übrigens auch ein Instrument parlamentarischer Kontrolle.
Für die knappe dreiviertel Million Euro dürfen die Mitglieder Ihrer Kommission dann, wenn ich es richtig verstehe, ohne jede richterliche oder staatsanwaltschaftliche Beteiligung beliebige Vernehmungen durchführen, Akten einsehen, Ämter durchsuchen usw., wenn sich nur einer Ihrer gesetzeskritischen Aktivisten unangemessen behandelt fühlt.
Das nenne ich mal eine echte Unterstützung der rechtmäßigen Polizeiarbeit! Dafür bekommen Sie dann wieder ein paar Leute der eigenen politischen Couleur gut bezahlt unter; denn als Qualifikation für die Mitglieder der Polizeikommission – ausgenommen die beiden Volljuristen – dienen durchaus Erfahrungen in Menschenrechts- und Bürgerarbeit. Was das genau ist, definieren bekanntlich Sie, und über die Wahlmehrheit von 66,6 % bei der Wahl des Vorsitzenden sichern Sie gleich noch ab, dass kaum noch etwas ohne die Zustimmung Ihrer KlientelPartei möglich ist. Chapeau für Ihre Fantasie!
Sehr interessant ist auch § 2 Ihres Gesetzentwurfs. Darin schützen Sie nun wirklich die Polizisten – vor der Polizei selbst. Sie suggerieren, dass Polizisten, die sich über Vorgesetzte oder sonstige dienstliche Missstände beschweren, die Hilfe der Kommission also in Anspruch nehmen, mit Repressionen durch den Dienstherrn zu rechnen hätten.
Sehr geehrte Damen und Herren der GRÜNEN-Fraktion, solche Fälle sind aus der Erfahrung der zentralen Beschwerdestelle noch nicht bekannt geworden. Sollte es noch einmal dazu kommen – nichts ist bekanntlich unmöglich –, so verfügt Sachsen über eine funktionierende Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wir sind nämlich ein demokratischer Rechtsstaat und keine – wie Sie es gelegentlich vermitteln – unterentwickelte Bananenrepublik.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die sächsische Polizei leistet eine großartige Arbeit für unsere gesetzestreuen Bürger. Dazu benötigt sie politische Hilfe. Diese bekommt sie von uns nun endlich in Form verbesserter Ausstattung und besserer Handlungsmöglichkeiten mit dem neuen Polizeigesetz. Ich persönlich hätte mir an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr gewünscht.
Unterm Strich ist es aber ein guter politischer Kompromiss. Mit dem neuen Polizeigesetz erhält die zentrale Beschwerdestelle der Polizei als Vertrauens- und Beschwerdestelle auch eine neue institutionelle Anbindung an die Staatskanzlei. Diese soll das Fehlermanagement noch weiter qualifizieren und das Vertrauen der Bevölkerung noch weiter stärken. Die Stelle verbleibt damit in der Legislative, wo sie in unseren Augen auch hingehört. Mit dem Verbleib der Dienstaufsicht ist auch eine weitere qualifizierte Sacharbeit gesichert.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, wir helfen unserer Polizei lieber selbst, verzichten auf Ihre Hilfe und lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pohle, ich weiß, eine Zwischenfrage in diese Richtung ist relativ selten, aber Ihr vorvorletzter Satz hat mich doch ziemlich irritiert. Haben Sie gesagt: Mit Ihrer zentralen Vertrauens-, Verwunderungs- und Beschwerdestelle – oder so etwas – verbleibt das in der Legislative?