Mit dem Kollegen Zschocke sind wir am Ende der ersten Rederunde angelangt. Jetzt eröffnen wir eine weitere Rederunde. Für die einbringende CDU-Fraktion spricht jetzt wiederum Herr Kollege Oliver Wehner.
Herr Präsident! Ich darf mich zunächst einmal für die angenehme und sachliche Diskussion bedanken, denn es ist klar geworden, dass Impfen wichtig ist. Man muss allerdings genau unterscheiden, was eine allgemeine Impfpflicht ist und was eine Impfpflicht ist, die sich an den Besuch einer Kindertagesstätte anschließt. Das ist hier von einer Fraktion miteinander vermengt worden. Wenn sich jemand gegen eine allgemeine Impfpflicht ausspricht, dann heißt das, dass sich nicht jeder per Gesetz impfen lassen muss. Wenn er aber dennoch sagt, dass der Besuch einer Kindertagesstätte mit einer Impfpflicht einhergeht, dann ist das richtig. Letzteres ist absolut zu fordern und auch zu begrüßen.
Weiterhin gab es die Kritik, dass jemand vor einem Jahr noch gesagt hat, er sei gegen eine Impfpflicht, jetzt aber sagt, er sei für eine Impfpflicht. Das ist ein Prozess. Man geht ja nicht in den politischen Diskurs und sagt: „Ich bin für die Pflicht“, sondern man wartet zunächst einmal ab, wie sich die Zahlen entwickeln. Wir haben immer gesagt, dass wir erst einmal schauen, wie sich die Durchimpfungsquote entwickelt. Erst, wenn sie eine Rate von 95 % nicht erreicht, das heißt, wenn weniger als 95 % der Menschen freiwillig zum Impfen gehen, dann braucht man eine gesetzliche Impfpflicht. An dem Punkt sind wir jetzt auch angelangt.
Jetzt könnte die SPDFraktion erneut das Wort ergreifen. – Es besteht kein Redebedarf. Dann erhält die Fraktion DIE LINKE das Wort. Frau Kollegin Schaper, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon darauf eingegangen: Hätten Sie damals unseren Antrag „Impfquoten erhöhen“ mit beschlossen, dann wären wir jetzt schon weiter und könnten uns die heutige Debatte sparen. Wir führen aber jetzt die Debatte und konstatieren am Ende, dass in Deutschland in den letzten 20 Jahren mindestens 10 000 Maserninfektionen dazugekommen sind. Ob die Betroffenen später auch an den schweren Folgen wie SSPE erkranken, können wir bislang noch nicht vorhersagen. Was wir aber mit Sicher
Wir werden also, um einen Herdenschutz zu gewährleisten – was bei Rindern so funktioniert, ist bei uns Menschen nicht anders –, auf eine Quote von 95 % kommen müssen, sodass wir kollektiv geschützt sind. Daher werden wir unserer Auffassung nach um eine Impfpflicht nicht herumkommen. Dies setzt voraus, dass Patientinnen und Patienten bzw. betroffene Eltern ausreichend aufgeklärt werden und sich aufgeklärt fühlen – natürlich auch über die Nebenwirkungen; das sollte man an dieser Stelle nicht verhehlen. Dafür müssen aber auch die Kinderärzte Zeit haben und sie müssen für diese Impfberatung auch vergütet werden.
Impfstoffe – das ist eine Voraussetzung, Frau Staatsministerin – müssen vorhanden sein. Wir hätten auch mit einer Impfpflicht eine kalkulierte und planbare Menge an Impfstoff, die man schon vorher bereitstellen kann, und würden nicht wie so manches Mal im Desaster enden, weil Impfstoffe gerade fehlen. Nicht umsonst hatten wir zum Beispiel auch zum Thema Impfberatung in den Haushaltsberatungen gefordert, den öffentlichen Gesundheitsdienst wieder zu stärken. In den letzten 27 Jahren ist er um die Hälfte abgebaut worden, obwohl er die präventivste Aufgabe in den Kommunen hat und ganz unten direkt bei den Menschen sitzt und in die Schulen geht.
Masern sind – da haben Sie recht, Herr Wehner – nicht die einzige schwere Infektionskrankheit. Was ist beispielsweise mit Hepatitis, die zu Leberzirrhose oder Organversagen führen kann, eventuell auch zur Dialyse und zum Tod? Was ist mit Keuchhusten bei den kleinen Mäusen? Wer einmal ein solches Kind gesehen hat, der weiß, dass sie verrecken. Sie sterben nicht, sondern sie verrecken, weil sie ersticken. Bei Diphterie betragen die Impfquoten – das muss man sich einmal vergegenwärtigen! – nur etwas über 40 %. Es sieht dort also nicht annähernd so gut aus wie bei den Masern. Das sind ebenfalls mitnichten Bagatellen. Die Ziele jeder Impfung sind Verhütung von Krankheiten, Vermeidung von Komplikationen, Reduktion von Krankheits- und volkswirtschaftlichen Kosten sowie – last but not least – Solidarität. Und das täte unserem Land gut!
Wir sollten uns nicht von einer kleinen Gruppe Impfgegner einschüchtern lassen, die teils militant und mit Drohgebärden vorgehen und für Argumente nicht zugänglich sind. Ihren Fake News lässt sich nur mit sachlicher, individueller Beratung kontern. Davon zu unterscheiden sind allerdings die Impfskeptiker. Diese lassen noch mit sich reden, und viele lassen sich überzeugen, dass Obst und frische Luft nicht vor schweren Krankheiten schützen. Wir brauchen Taten!
Impfungen bringen keine hundertprozentige Sicherheit vor Erkrankungen. Das ist richtig. Hundertprozentig sicher aber ist, dass Menschen ohne ausreichenden Impfschutz stärker gefährdet sind als jeder andere. Auch als
Mutter und als Krankenschwester rufe ich dazu auf, dass wir uns alle unserer Verantwortung als Mitmenschen bewusst werden und auf einen ausreichenden Impfschutz achten. Es gab in Deutschland schon über hundert Jahre eine Impfpflicht mit der Folge, dass beispielsweise Pocken ausgerottet wurden. Durch Impfen verschwand auch Polio, also die Kinderlähmung. Die Liste ausgestorbener Krankheiten muss länger werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wehner, ich wollte natürlich die Worte von Frau Staatsministerin Klepsch nicht auf die Goldwaage legen. Ich wollte einfach nur darstellen, dass es sich um ein schwieriges Thema handelt und dass es diesbezüglich einigen Diskussionsbedarf in diesem Bereich gibt.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in meinem zweiten Redebeitrag auf Finnland und auf Maßnahmen eingehen, die in Sachsen umgesetzt werden müssen. In Finnland gibt es auch keine Impfpflicht, aber dennoch gelten dort Masern als eliminiert. Dort gab es eine groß angelegte Kampagne, und Finnland verfügt über ein gut ausgebautes Netz von Gesundheitseinrichtungen und hervorragende Beratungsstrukturen. Deshalb sollten wir statt auf Zwang auf eine funktionierende Aufklärungskampagne, sehr gute Beratungsstrukturen und ein gut ausgebautes Gesundheitssystem setzen. Zudem müssen Abrechnungshindernisse beseitigt und auf eine Digitalisierung des Impfpasses gesetzt werden. Damit würde es sicherlich zu höheren Impfquoten und zu einer Reduzierung, vielleicht sogar Eliminierung der Masern oder anderer Krankheiten kommen.
Das müssen wir jetzt schnellstmöglich auf den Weg bringen und nicht bereits jetzt über eine allgemeine Impfpflicht debattieren und diese öffentlich fordern.
Das war Herr Kollege Wendt. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht erneut Herr Kollege Zschocke zum Ende der zweiten Rederunde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal kurz etwas zur Impfpflicht sagen. Wir alle sind verpflichtet, für ausreichenden Impfschutz für uns und unsere Kinder zu sorgen. Das ist so. Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Maßnahmen diskutiert. Das letzte Mittel wäre, diese Pflicht gesetzlich zu verankern. Dazu muss man aber auch den
Nachweis führen, dass das Gefährdungsrisiko in den Kindergärten und Schulen nicht anders in den Griff zu bekommen ist. Denn eine gesetzliche Impfpflicht klingt nach einer einfachen Lösung, aber diese muss dann auch praktisch durchgesetzt werden.
Sie darf nicht kontraproduktiv wirken und vielleicht sogar am Ende die Impfbereitschaft senken. Eine gesetzliche Impfpflicht darf eben nicht dazu führen, dass das hohe Vertrauen in die Vorteile, die Menschen durch die Impfungen haben, beschädigt wird. Sie muss auch den erwartbaren juristischen Angriffen sicher standhalten.
Deswegen möchte ich noch einmal deutlich sagen: Diese gegenwärtige Engführung auf die Frage „Für oder gegen Impfpflicht“ darf nicht dazu führen, dass all die anderen Maßnahmen, die wir bereits jetzt rechtskonform in Sachsen ergreifen können und auch ergreifen müssen, um die Impfquoten wieder deutlich zu steigern, in den Hintergrund rücken.
Ja, Herr Präsident, das würde ich gerne. Denn wir hatten die Diskussion, Herr Zschocke, ob wir für oder gegen eine Impfpflicht sind. Ich hatte Ihnen unterstellt, dass Sie gegen eine Impfpflicht seien, und dann hatten wir debattiert. Jetzt haben Sie Risiken aufgezeigt und kritisiert, was so eine Impfpflicht mit sich brächte. Ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie nun für oder gegen eine Impfpflicht sind.
Ich möchte noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich eine generell gesetzlich verankerte Impfpflicht persönlich nicht für das geeignete Mittel halte, die Impfbereitschaft und die Impfquoten signifikant zu erhöhen, wenn wir nicht vorher wirklich alle Anstrengungen unternommen haben, die Impflücken, die Impfmüdigkeit, die ganze Vergesslichkeit, die auch noch vorhanden ist, wirklich zu beseitigen. Dies, wie gesagt, als letztes Mittel, aber ich sehe nicht, dass wir wirklich schon an diesem Punkt sind.
Ich finde es in der Debatte, ob pro oder contra, nicht sachdienlich, im Prinzip eine Impfpflicht auszuschließen und mit den Risiken zu argumentieren oder zu unterstellen, dass durch eine Impfpflicht eine ordentliche Beratung entfallen würde. Ich halte das für keine lautere Debatte und es beantwortet den Eltern, die ihr Kind nicht schützen können, nicht ihre Fragen, wenn sie zum Beispiel ein sechsjähriges Kind im
Kindergarten und ein neugeborenes zu Hause haben, das nicht geimpft werden kann und solchen Gefahren ausgesetzt ist. Was sagt man denn diesen Eltern über dessen Risiken?
Wir sind jetzt am Ende der zweiten Rederunde und könnten, so denn Bedarf bestünde, eine dritte eröffnen. Ist dies aus den Fraktionen heraus der Wunsch? – Das kann ich nicht erkennen. Dann kann die Staatsregierung das Wort ergreifen. Bitte, Frau Staatsministerin Klepsch-
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zweifelsohne zeigt die Debatte, dass das Thema „Impfen – Impflücken schließen“ ein wichtiges Thema ist. Zumindest nach dem, was ich aus den Beiträgen herausgehört habe, sind wir uns einig, dass es Priorität hat, das Thema „Impflücken“ wirklich in den Griff zu bekommen.
Wann erheben wir den Impfstatus? Nach Daten des Freistaates Sachsen erheben wir den Impfstatus bei Kindern in der Kita-Untersuchung, bei SchulaufnahmeUntersuchungen, bei Schuluntersuchungen dann in der 6. Klasse. Das sind Zahlen, die uns vorliegen. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes Impfquoten auf. Wenn man sich diese Impfquoten anschaut, dann sieht man – dabei gehe ich nicht nur auf das Thema Masern ein –, dass ein anhaltend negativer Trend bei Diphterie, Tetanus, Keuchhusten und Hepatitis B zu verzeichnen ist. Ich kenne einige Fälle aus diesem Jahr, dass Kinder an Keuchhusten erkrankt waren, das ist in der Tat keine leichte Erkrankung.
Positiv zu verzeichnen ist – auch das gehört dazu – das Thema Impfquote bei Rotaviren und bei Varizellen. Ich meine, auch das zeigt, dass man sich positiv demgegenüber offen zeigt.
Während Kinder zum Zeitpunkt der Kita-Untersuchung allgemein einen guten Impfschutz aufweisen, nimmt aber dann – bei Masern brauchen wir auch die zweite Impfung – der Impfschutz im zunehmenden Alter ab. Wir haben viel gehört: Vergesslichkeit, Eltern werden nicht ausreichend daran erinnert, verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden, haben noch nicht wirklich Wirkung.
Wenn wir uns das Thema Masern noch einmal ansehen, stellen wir fest: Wenn wir – wir haben vorhin von deutschen Zahlen gehört – allein auf unseren Freistaat Sachsen schauen, dann hatten wir im Jahr 2017 68 Masernfälle zu verzeichnen. Allein in diesem Jahr sind bereits 15 Masernfälle registriert. Unter diesen 15 Fällen ist medizinisches Personal. Ich sage ganz ehrlich an dieser Stelle: Dafür habe ich kein Verständnis.
Schauen wir uns diese Zahlen noch einmal näher an. Dabei sind zwei Säuglinge – gegen Masern kann ja erst ab dem ersten Lebensjahr geimpft werden –, die mit Maserninfizierten in Kontakt kamen, und sie mussten vorsorglich behandelt werden. Hier wird noch einmal deutlich, welches Risiko für chronisch Kranke und für Säuglinge besteht, wenn kein ausreichender Masernimpfschutz vorhanden ist.
Zum Thema Masernpartys, das hier angesprochen wurde. Ich kann nur jeden auffordern, der so etwas hört, sich dagegenzustellen. Es ist verantwortungslos – so etwas kann und darf man nicht tolerieren –, dass Eltern ihre Kinder zu Masernpartys bringen, um dadurch eine Immunität zu erreiche.
Schauen wir uns noch einmal die Umgebungsuntersuchungen von den Gesundheitsämtern an, dann sehen wir auch dort – da bin ich bei meinem Kollegen Piwarz –, dass auch pädagogisches Personal erhebliche Impflücken aufweist. Will sagen, wir haben in der Tat gemeinsam hier noch viel zu tun.
Der Nationale Aktionsplan schreibt zum Jahr 2020 das Ziel vor, dass Masern und Röteln bis zum Jahr 2020 eliminiert sein sollten. Wir sind, deutschlandweit betrachtet, davon noch ein ganzes Stück entfernt.
Nun haben wir all die Jahre viel gemacht. Bund, Land, Landkreise und Städte haben zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um zu sensibilisieren, um das ‚Thema immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir selbst im Freistaat Sachsen haben 2015 einen „Sächsischen Impftisch“ fest installiert. Dort sitzen Kinderärzte und all die am Tisch, die beim Thema Impfen für uns im Freistaat Sachsen wichtige Partner sind. Viele Ideen wurden entwickelt. Eine vom Impftisch festgelegte Maßnahme ist, dass wir den Zeitpunkt der zweiten Masernimpfung vorgezogen haben. Von der U-9-Untersuchung ist er auf die U-8-Untersuchung vorverlegt worden – eine, wie ich meine, richtige und wichtige Entscheidung.
Ganz wenige Aktivitäten möchte ich an dieser Stelle mit aufführen. Wir haben Schulmaterial „Wissen schützt“, das in der Schule für das Thema Impfen herangezogen wird. Wir haben Influenza-Impfaktionen, wir haben verschiedene Zeitschriften, so „Kind und Kegel“, eine gute Zeitschrift, in der das Thema Impfen mit enthalten ist. Vorträge bei Multiplikatoren, Hebammen, Erziehern, Kinderärzten sowie Postkartenaktionen, die für Vorschüler und Eltern zur Erinnerung herangezogen werden. Noch viele weitere Maßnahmen könnte ich hier aufzeigen.