Protocol of the Session on March 11, 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir hier im Parlament über den Arbeitsauftrag der Strategiekommission sprechen. Das schafft transparente politische Willensbildung und stärkt das Parlament in seiner Aufgabe gegenüber der Regierung. Das wünschen wir uns öfter im Sächsischen Landtag.

(Beifall des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dieses Lob vorausgeschickt – Sie ahnen jetzt schon, dass es mit dem Lob zu Ende ist –, muss ich sagen, dass der

Antrag viele Fragen offenlässt – offensichtlich sehr schnell geschrieben –; vielleicht wollten Sie ihn im Parlament haben, bevor Sie meine Kleine Anfrage zu diesem Thema beantworten mussten.

Grundsätzlich stellt sich die Frage: Was ist das Ziel der ganzen Sache? Soll es eine echte Reformkommission für den sächsischen öffentlichen Personennahverkehr sein? Oder wird es wieder ein weiterer großer Arbeitskreis zur Verwaltung von Geldmangel?

Sie delegieren zurzeit alle verkehrspolitischen Fragen in diese Kommission ab. Herrn Nowaks interessanter Rede folgend soll sie ja sogar ein Konzept für die Bundesbahnreform und Technologien usw. entwickeln.

Aber die Kernfragen, die Kernaufgaben sind bestenfalls angetippt. Das beginnt mit dem Integralen Taktfahrplan: Prüfung der Möglichkeiten. Der Integrale Taktfahrplan ist möglich, das haben Gutachter im Auftrag meiner Fraktion in Grundzügen beschrieben. Sie sollten die Zeit nutzen – viereinhalb Jahre Legislaturperiode haben Sie noch –, um prüfen zu lassen, wie der Integrale Taktfahrplan umgesetzt werden kann und welches die ersten Schritte sind; sonst kommen Sie nicht zu Reformen.

Es geht weiter mit den Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse im ländlichen Raum. Herr Baum, ich glaube, Sie wollten vorhin nicht sagen, dass der öffentliche Personennahverkehr im ländlichen Raum zurzeit gut sei. Dazu stellt sich die Frage: Was meinen Sie denn mit einer Grundversorgung? Meinen Sie die bisherigen Angebote, dass werktags morgens und nachmittags Schülerbusse fahren? Das ist kein guter ÖPNV. Oder was meinen Sie eigentlich mit der Grundversorgung? Ich weiß es nicht.

Es geht weiter mit der Frage der Finanzierung und der Gewinnung von Fahrgastpotenzialen. Wie schaffen wir es, ein Verkehrsangebot zwischen Land sowie Mittel- und Großstadt in Ballungsräumen so anzubieten, dass wir trotz sinkender Bevölkerungszahlen neue Fahrgäste akquirieren? – Das geht; Herr Baum, Sie haben es gesagt. In Rheinland-Pfalz geht das. Es muss auch hier gehen; denn davon hängt ab, ob wir unsere Ausbauvorhaben – Dresden, Görlitz, Chemnitz, Leipzig; jetzt ist es wieder infrage gestellt – im Bund überhaupt durchsetzen können. Das geht, und das sollte auch unser Ziel sein.

Dann müssen wir natürlich nicht nur über Finanzierung reden – das ist richtig –, sondern wir müssen Strategien mit den vorhandenen Finanzmitteln entwickeln. Allerdings kann ich Ihnen auch ohne Kommission ganz klar sagen, dass das Geld, das Sie jetzt im Haushalt eingestellt haben, nicht reicht. Auch Sie, CDU und SPD, reichen ja nur 80 % der Regionalisierungsmittel weiter – und nicht mehr. Das reicht nicht. Dazu brauchen Sie keine Kommission. Dabei hat man wieder das Gefühl, es wird dann doch nur der Arbeitskreis zur Mangelverwaltung, zumal an vielen Stellen der Auftrag so vage bleibt: Prüfung der Möglichkeiten, Optimierung, Harmonisierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum so verklausuliert? Sprechen Sie doch Klartext! Alle wissen, dass es

nicht so weitergeht mit sechs Tarifen in einem mittelgroßen Bundesland und mit der Kleinstaaterei in unserer Organisation zwischen Bus und Bahn; Herr Nowak hat es ebenfalls gesagt.

Alle wissen: Warum haben wir keinen landesweiten Bahntarif? Weil die Deutsche Bahn ihn anbietet und die Einnahmen selbst einkassiert, die unserem System verloren gehen. Dann muss man den Mut haben, auch einmal gegen das Interesse von DB Regio vorzugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Frank Heidan, CDU: Dann müssen alle am Freitag zu Hause bleiben?)

Damit kommen wir zur entscheidenden Frage: Wie viel politischer Gestaltungswille steckt denn hinter dieser Kommission? Hier werden Wünsche geäußert, aber Sie müssen politischen Gestaltungswillen haben. Sie müssen auch das ÖPNV-Gesetz in Sachsen ändern wollen. Sie müssen die Organisation ändern wollen – mit den kommunalen Aufgabenträgern, aber in anderer Form und in einer anderen Art der Verwaltung. Das habe ich bisher nicht gehört. Die LINKEN haben schon thematisiert, es solle nur ein Vertreter aus dem Landtag hinein. Wir haben dann schon gescherzt: Das ist das CDU-MdL, das auf den SPD-Verkehrsminister aufpassen soll. Das kann derjenige gern tun; aber nachdem das Kabinett Tillich I und das Kabinett Tillich II bei der Verbesserung des ÖPNV und vor allem des Bahnverkehrs so gescheitert sind, sollten Sie schon auch auf die Vorschläge und die Expertise der Opposition hören und uns dabeihaben wollen. Damit haben die LINKEN recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Baum, SPD)

Schließlich: Sie werden jetzt sagen: Ja, Frau Jähnigen, das muss man alles einmal gründlich diskutieren. – Stimmt. Deshalb beantragen wir die Überweisung des Antrages mit allen Änderungsanträgen in den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Wir sollten uns die notwendige Zeit für die Fassung dieses Arbeitsauftrages nehmen. Wir sollten im April beschließen, dann kann die Kommission im Mai anfangen zu arbeiten. Seien Sie konsequent! Scheitern Sie im Kabinett Tillich III nicht wieder an denselben Oberflächlichkeiten wie die vorigen Kabinette!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Heidan.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, wenn man so verfolgt, wie die Opposition mit unseren Anträgen umgeht.

(Heiterkeit der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Es ist interessant, was es Ihnen wert ist, in diesem Hohen Hause zielgerichtet und fachlich gute Politik zu machen; das muss ich Ihnen einmal deutlich ins Stammbuch

schreiben; denn Sie haben nichts gefunden, was man gegen so einen guten Antrag hätte bringen können, und deswegen haben Sie hier solche Verrenkungen gemacht.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei den GRÜNEN – Valentin Lippmann, GRÜNE: Lesen Sie mal unseren Änderungsantrag!)

Zu Ihrem Änderungsantrag sprechen wir später noch. Das machen wir in der nächsten Runde. Das geht nämlich nicht von meiner wertvollen Redezeit ab. Das kann ich Ihnen schon versprechen, auch zu den Änderungsanträgen von den LINKEN.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Jähnigen, bitte.

Lieber Herr Kollege, können Sie mir erklären, was unter „Grundversorgung im öffentlichen Verkehr“ zu verstehen ist und welche Zielsetzung sich mit diesem Auftrag verbindet?

Das kann ich sehr gut. Dazu gibt es sicherlich auch unterschiedliche Auffassungen, deswegen kommen wir dann noch einmal zu Ihrem Änderungsantrag. Darin sprechen Sie auch von Ihrer Grundversorgung. Dort geht ja das Theater schon los,

(Heiterkeit der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

weil Sie sich in Ihrem Antrag selbst widersprechen. Aber ich komme später noch darauf zurück, wenn Sie zu Ihrem Änderungsantrag vortragen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns sehr viel vorgenommen, und das, was wir uns vorgenommen haben, steht deutlich im Koalitionsvertrag. Das können Sie nachlesen, zum Beispiel auf Seite 1450, wenn ich es mir richtig aufgeschrieben habe: „Verknüpfung der Verkehrsträger“ oder „Verzahnung mit den transeuropäischen Netzen“, „Mehr Güterverkehr auf die Schiene“, „Elektrifizierung von verschiedenen Streckenrelationen“. All dies haben wir hineingeschrieben, unter anderem auch die Strategiekommission. Hätten Sie einmal unseren Koalitionsvertrag gelesen, dann hätten Sie sich die Aussage sparen können, dass wir heute mit einem Antrag um die Ecke gebogen kommen. Nein, das steht in unserem Koalitionsvertrag. Das ist unser Markenzeichen der Koalition, und wir wollen das verbessern.

Ja, wir wollen wieder miteinander reden und die Sachlichkeit wieder mehr zum Tragen kommen lassen; denn es hat sich gezeigt – da möchte ich mich überhaupt nicht drumherummogeln –: Wenn wir es nur über das Geld regeln, wird es nicht gut. Das ist ebenfalls ein Markenzeichen unserer Koalition, dass wir das besser tun wollen. Aber wir wollen es nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag tun, indem wir die Strategiekommission künstlich aufbla

sen und ein parlamentarisches Verfahren daraus machen, wie es der Kollege Böhme von den LINKEN hier vorgeschlagen hat. Aber später wird Herr Nowak sicherlich noch einmal zu Ihrem Änderungsantrag sprechen.

Es ist sicherlich notwendig, dass wir uns über das Geld unterhalten, und, Frau Kollegin Grimm, wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen, der Nahverkehr werde ausgedünnt, dann haben Sie den Doppelhaushaltsbeschluss offensichtlich noch nicht richtig gelesen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Er ist ja noch nicht beschlossen!)

Entschuldigung, ja, da haben Sie recht: den Doppelhaushaltsvorschlag. Dort hat die Koalition mehr Geld hineingegeben, und Sie sprechen von einer Ausdünnung? Da fehlen mir die Worte, das muss ich Ihnen einmal deutlich sagen. Es kann so nicht sein! Sicherlich müssen wir auch über Effektivität sprechen, und sicher haben wir auch ein wichtiges Markenzeichen in unseren Koalitionsvertrag hineingeschrieben: das Bildungsticket. Darum brauchen wir uns auch nicht herumzumogeln. Das Bildungsticket wollen wir, und die Einführung dieses Bildungstickets erfordert natürlich auch eine Absprache mit den Fachleuten, die sich täglich mit dem öffentlichen Personennahverkehr auseinandersetzen.

Noch etwas zu Frau Jähnigen von den GRÜNEN. Ich will Ihnen eine Frage stellen: Was nützt es, wenn Sie eine Grundversorgung anbieten – auch im ländlichen Bereich – und dort keiner mitfährt?

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Sage ich doch!)

Entscheidend ist, ob jemand mitfährt und dass es so angeboten wird, dass wir einen attraktiven Nahverkehr haben. Auch das ist Aufgabe dieser Strategiekommission, meine sehr geehrten Damen und Herren. Deswegen wollen wir die Strategiekommission jetzt haben und nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag damit warten, sondern bis Ende dieses Jahres. Am 31.12. ist bekanntlich das Jahr zu Ende und es sind nur noch zehn Monate. Deswegen wollen wir die Strategiekommission jetzt haben und dem Minister den Auftrag geben, dazu erfolgreich und fachlich gut zu arbeiten. Die Arbeit soll jetzt losgehen und nicht erst im Mai.

Deshalb werden wir Ihren Antrag ganz kühn und freudig ablehnen, wenn Sie den erst noch einmal mit in den Ausschuss nehmen. Wir wollen keine Zeit verlieren, sondern wir wollen inhaltlich arbeiten, und das soll morgen losgehen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Natürlich müssen wir uns zukünftig über die Finanzen und die Finanzausstattung des öffentlichen Personennahverkehrs generell Gedanken machen. Ob das die Schiene, die Straße, der Luftverkehr oder die Wasserstraßen sind: Wir werden uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir das zukünftig finanzieren. Es ist sicherlich nicht wenig, wenn man von über 500 Millionen Euro spricht und von über 500 Millionen, die uns als Regionalisie

rungsmittel vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Sie sagen aber, wir geben nur 80 %. Der geneigte Zuhörer oder der geneigte Zuschauer in Sachsen denkt doch, wir haben uns 20 % einfach in die Tasche gewirtschaftet. Nein!

Ich habe das von diesem Pult aus schon oft gesagt: Auch die restlichen 20 % werden dem öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung gestellt, nämlich für Investitionen, für sinnvolle Sachen. Deswegen brauchen wir diese Strategiekommission, die das fachlich beurteilt. Da machen wir kein politisches Scharmützel, sondern wir wollen fachlich arbeiten, und deswegen kann ich Ihnen nur zurufen und Sie bitten: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir weiterhin eine erfolgreiche Nahverkehrspolitik in Sachsen machen können!

Vielen Dank für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird von der SPD noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich DIE LINKE. – Das ist auch nicht der Fall. Die AfD? – Herr Urban, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Kollegin Frau Grimm hat bereits darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag für eine Strategiekommission zwar gut sei, aber viel zu spät komme. Ich zitiere dazu passend den Verkehrsclub Deutschland aus dem Jahr 2012: „Eine Strategie für die Weiterentwicklung für den öffentlichen Personennahverkehr ist nicht zu erkennen.“ Oder: „Nicht einmal mehr die nötige Neuanschaffung von Linienbussen wird in dem Umfang gefördert, wie es noch 2010 selbstverständlich war.“ Oder: „Bereits im letzten Doppelhaushalt wurden dem ÖPNV in Sachsen für die Zeit von 2012 bis 2014 jährlich rund 35 Millionen Euro gestrichen, die der Freistaat vom Bund dafür erhält.“ Oder: „Etliche Bahnlinien sind bereits 2011 erheblich ausgedünnt worden.“