Protocol of the Session on March 11, 2015

Sowohl der Lenkungsausschuss als auch das in dieser Woche erstmalig einberufene Verbändegespräch konnten dank dieser neuen Form des Dialoges konkrete Bedarfe und Probleme aufgreifen, aber auch eine zukünftig zuverlässige und auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit ermöglichen.

Die vom Lenkungsausschuss zugesagte Förderrichtlinie „Soziale Betreuung von Flüchtlingen“, die gestern vom Kabinett verabschiedet wurde, ermöglicht den kommunalen Unterbringungsbehörden, den Städten und Landkreisen, nun endlich die dringend notwendige Unterstützung vor Ort finanziell abzusichern.

Gerade die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, denen heute schon mehrfach gedankt wurde – was ich an der Stelle sehr gern wiederhole –, leisten eine der wichtigsten Integrationsaufgaben. Sie ist die erste Person, die eine reale Möglichkeit hat, Barrieren abzubauen, Vertrauen zu gewinnen, Ängste zu nehmen und wirklich willkommen zu heißen. Sie leisten die entscheidende Hilfe, um in der neuen Heimat anzukommen, sich wohlzufühlen und zurechtzufinden. Sie helfen dabei, einen neuen Alltag zu gestalten. Sie klären die verschiedensten Fragen. Wo geht das Kind zur Schule? Was benötige ich dafür? Wo ist der nächste Zahnarzt? Welche Formulare müssen wie ausgefüllt werden? Wo und wann habe ich endlich die Möglichkeit zum Erlernen der deutschen Sprache?

Die Förderrichtlinie ist damit ein wichtiger Meilenstein, um die Kommunen in ihrer großen Verantwortung zu unterstützen. Nun liegt es aber auch an den Kommunen, das Unterbringungs- und Kommunikationskonzept mit Leben zu erfüllen. Unserer Meinung nach sollte der Betreuungsschlüssel von 1 : 150 als Orientierung gelten. Das ist wichtig, damit Integration vor Ort gelingt.

Wir können aber den Wunsch der Kommunen nachvollziehen, das flexibel auszugestalten; denn die Voraussetzungen für die Unterbringung und die Quote der zentral bzw. dezentral Untergebrachten sind sehr unterschiedlich. Die Wege sind unterschiedlich weit. Dementsprechend sind die Aufgaben für die Sozialarbeiter vor Ort ebenfalls sehr unterschiedlich. Die Verbesserung der sozialen Betreuung war ein Punkt des Koalitionsvertrages und muss nun nicht nur strukturell nach der Förderrichtlinie, sondern auch finanziell unterlegt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die bisher im Haushaltsentwurf eingeplanten Gelder werden angesichts des weiteren Zustroms von Flüchtlingen voraussichtlich nicht den tatsächlichen Bedarf abdecken. An dieser Stelle haben wir noch dringenden Ver

handlungsbedarf. Um eine wirkliche Integration schnell voranzubringen, müssen wir zeitnah einen weiteren Punkt des Asylgipfels angehen. Wir werden und wollen allen Flüchtlingen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – einen Sprachkurs anbieten.

Das größte Hindernis des Kennenlernens, ob im Alltag, im Beruf, in der Schule oder in der Kita, ist die Sprachlosigkeit. Wenn wir es schaffen, diese Hürde endlich zu nehmen, helfen wir nicht nur den Asylsuchenden, schnell eine neue Heimat zu finden, sondern wir helfen auch der Heimat, sie schnell willkommen zu heißen. So reicht es doch schon manchmal, „danke“ an der Kasse sagen zu können oder ein „Wie heißt du?“ auf dem Spielplatz, um die Barrieren in den Köpfen einzureißen.

Sprache und Kommunikation benötigt man umso dringender, wenn man gesundheitliche Probleme hat, wenn man Schmerzen hat, es einem nicht gut geht. Die notwendigen Gesundheitsprüfungen – ein weiterer Punkt aus dem 8-Punkte-Papier – in den Erstaufnahmestellen müssen dringend optimiert und personell aufgewertet werden. So ist es nicht nur für die Ankommenden wichtig, nach einer teilweise wochenlangen Flucht eine schnelle und qualitativ hochwertige Untersuchung zu erhalten, sondern es ist auch für die Kommunen wichtig, wie die Ankommenden zu ihnen kommen.

Stehen doch solche Fragen im Mittelpunkt wie: Benötigt man eine regelmäßige Diabeteskontrolle? Benötigt man einen Rollstuhl? Ist die angedachte Unterbringung auch barrierefrei?

Ich glaube, wir haben uns in Sachsen auf einen wichtigen und guten Weg begeben, um Menschen hier willkommen zu heißen, ihnen eine neue Heimat zu bieten und Teil unserer Gesellschaft zu werden. Wir sollten diesen Weg gemeinsam fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Frau Kollegin Pfeil. – Es folgt Frau Kollegin Nagel für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein bisschen verwunderlich, wie hier zum Teil geredet wird, als wenn es die letzten Wochen nicht gegeben hätte.

Ich möchte noch einmal zurückspringen auf das Dezember-Plenum. Damals habe ich in meiner ersten Rede einen Antrag der Linksfraktion eingebracht, der lautete: „Nicht nur lenken, sondern schnell handeln – für ein ganzheitliches Handlungs- und Kommunikationskonzept für die Unterbringung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen in Sachsen“. Wenn Sie den Antrag damals angenommen hätten, dann hätte das Chaos der letzten Wochen möglicherweise verhindert werden können, ein Chaos, welches Resultat einer nicht besonders vorausschauenden Politik war.

Im Antrag hatten wir unter anderem die Forderung des Landkreistages aufgenommen, eine interministerielle

Stabsstelle zu schaffen, die die Prozesse zwischen kommunaler Ebene und Landesebene bündelt. Sie haben das damals abgelehnt mit Verweis auf den Lenkungsausschuss – und siehe da: Nach drei Monaten wird diese Stabsstelle eingerichtet. Das ist doch schon ein wenig verwunderlich.

Auch über die hier bereits angesprochenen Maßnahmen haben wir im Dezember gesprochen und gefordert, dass diese vom Landtag verbindlich beschlossen werden. Sie haben das abgelehnt und reflexartig darauf verwiesen, dass alles im Griff sei. Ich möchte dazu sagen, dass Sie der Opposition doch auch einmal vertrauen können

(Zuruf von der CDU: Auf gar keinen Fall!)

und Dinge, die wir vorschlagen, um sie in geordnete Bahnen zu lenken, auch einmal annehmen können. Das zeigt das, was in den letzten Wochen passiert ist.

Den versprochenen Lenkungsausschuss Asyl haben wir – weil die Politik außen vor geblieben war und auch weiterhin ist – als Luftnummer kritisiert. Man kann sich vielleicht darauf einlassen, dass es dieses Gremium jetzt gibt. Allerdings ist es doch verwunderlich, dass, wenn wir einen Berichtsantrag einbringen, der auf die Erfolgsbilanz dieses Lenkungsausschusses abstellt, und wir dazu eine Berichterstattung haben wollen, Sie, Herr Ulbig, sich lapidar auf nackte Gesetzlichkeiten zurückziehen wird.

Ich spreche konkret über die Erstaufnahmeproblematik. Die Erstaufnahme sei keine Sache der Kommunen, sondern eine Angelegenheit der Landesdirektion. Ich zitiere: „Gebäude und Grundstücke zur Nutzung“ seien von ihnen „zur Verfügung zu stellen oder zu benennen und die Einrichtung von Notquartieren zu dulden.“ – Ja, so steht es im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz. Allerdings kann es doch nicht sein, dass Sie damit die Nicht-Information und Nicht-Kommunikation von der Landes- auf die kommunale Ebene in Bezug auf die Interimsstandorte der Erstaufnahme verteidigen.

So kommen wir nicht zu einer verantwortungsvollen Kommunikation, zu einem verantwortungsvollen Umgang auf Augenhöhe, wie es im Nachgang zum Asylgipfel im November vollmundig verkündet wurde.

Ich möchte einen kurzen Blick auf die derzeitige Situation werfen. Menschen werden – das zieht sich bis heute fort; Tharandt ist ein neuer Ort – von heute auf morgen in Turnhallen oder in leer stehenden Verwaltungs- oder sonstigen Gebäuden untergebracht, werden hin und her durchs Land gefahren. Bürgermeister und Bürgermeisterinnen – darüber wurde hier fast noch gar nicht gesprochen – haben zu befürchten, dass sie wieder über Nacht informiert werden, dass ein Kontingent von Erstaufnahmeflüchtlingen ankommt und sie vor Ort Kunststücke vollbringen müssen, um mit den Bürgern diese Situation zu lösen und Unmut abzuwenden.

Unerträglich ist die Situation – danke, Herr Mackenroth, dass Sie das angesprochen haben – vor allem aber für die Menschen, die es ganz unmittelbar betrifft. Wir sprechen ja sozusagen nur über die Prozesse.

Das Bild von 220 Flüchtlingen, die in Schneeberg in einer Turnhalle ohne jegliche Privatsphäre und ohne menschenwürdige hygienische Zustände eingepfercht waren, sage ich einmal, dürfte uns allen noch vor Augen sein. Auch das Beispiel Kamenz, wo Geflüchtete mit einem Bus ankamen und von einer Masse von Menschen empfangen wurden – unter ihnen auch welche mit rassistischen Einstellungen, aber auch Menschen, die verunsichert waren, denen sozusagen ihre Turnhalle weggenommen wurde –, kennen Sie sicherlich. Das sind Situationen, die wir nicht wollen. Genau diese Stimmung befördern Sie mit Ihrem Nicht-Handeln. Diesbezüglich wende ich mich konkret an den Innenminister.

Ich möchte noch eine Sache erwähnen, die ein wenig aus dem Fokus gerät, die aber eine konkrete Konsequenz dieses Erstaufnahmechaos ist. Bereits vor der aktuellen Situation sind Flüchtlinge in Größenordnungen aus der Erstaufnahme den Kommunen zugewiesen worden, ohne dass sie vom BAMF registriert wurden und ohne dass sie die Anhörung vollziehen konnten, die ausschlaggebend für ihr Asylverfahren ist. Die Menschen warten teilweise monatelang.

Herr Kiesewetter, ich habe ein Beispiel aus Ihrem Landkreis Nordsachsen. In Delitzsch – –

Ihre Redezeit geht zu Ende!

Ich führe das noch zu Ende. – In Delitzsch habe ich einen jungen Augenarzt aus Syrien getroffen, der bereits im Oktober einen Tag vor der Anhörung Delitzsch zugewiesen wurde und jetzt sozusagen wartet, dass ein Zeichen kommt. Das ist eine schwierige Situation. Die Menschen sind benachteiligt bei den Anwartszeiten auf Residenzpflichtaufhebung und Zugang zum Arbeitsmarkt.

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Kollegin!

Und so weiter und so fort. Das Nicht-Handeln befördert auch die Situation der Unsicherheit und der Benachteiligung von Menschen.

(Beifall bei den LINKEN – Frank Kupfer, CDU: So etwas Respektloses!)

Das war die Abg. Nagel, Fraktion DIE LINKE. – Für die AfD-Fraktion spricht jetzt erneut Frau Kollegin Dr. Muster.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion begrüßt außerordentlich alle Bemühungen, die bestehende Situation wesentlich zu verbessern. Dies entlastet die Asylbewerber und die betroffenen Anwohner gleichermaßen. Es ist unbestritten, dass die Verwaltungsbehörden derzeit eine äußerst schwierige Situation zu bewältigen haben. Sie

müssen sehr schnell mit enormen Asylbewerberzahlen zurechtkommen.

Als Kreisrätin im Landkreis Meißen muss ich sagen: Verbesserungen sind aber dringend notwendig. Wir hoffen, dass die Turnhalle der Fachhochschule Meißen nicht noch ein drittes Mal für die Unterbringung von Asylbewerbern benutzt werden muss. Es verärgert die Anwohner, wenn sie erst aus der Zeitung erfahren, dass im Kynastweg in Meißen eine neue Erstaufnahmeeinrichtung entsteht – nur einen Tag vor der Belegung des Objektes. Das ist eine völlig unzureichende Informationspolitik.

Asylbewerber dürfen erst nach einer Gesundheitsprüfung von der Erstaufnahmeeinrichtung auf die Landkreise verteilt werden. Auch diese Regel wurde in der Vergangenheit verletzt. Den Sorgen der Bevölkerung vor Krankheiten muss unbedingt Rechnung getragen werden. Unser Kreistag Meißen hat bereits im Dezember 2014 beschlossen, bei der Sozialbetreuung den Schlüssel 1 : 150 anzuwenden, Frau Staatsministerin Köpping. Gestern hat das Kabinett endlich eine entsprechende Förderrichtlinie verabschiedet. Sie sehen, es gibt sehr viel zu verbessern.

Wir erinnern uns: Im letzten Jahr kamen rund 200 000 Asylbewerber nach Deutschland. Im Jahr 1992 waren es 438 000 Asylbewerber, also mehr als doppelt so viele. Im Jahr 1993 waren es 320 000 Asylbewerber, die nach Deutschland kamen. Damals wurden die damit verbundenen Herausforderungen viel geräuschloser bewältigt. Das wünsche ich mir jetzt auch.

Packen Sie es an! Wir freuen uns darüber und wir werden Sie konstruktiv begleiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Frau Dr. Muster, AfD-Fraktion. Für die GRÜNEN spricht erneut Frau Kollegin Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu den acht Punkten, den Ergebnisses des Lenkungsausschusses, kann unsere Fraktion sagen, dass wir wesentliche Teile mittragen. In diesem Sinne unterstützen wir auch das Wort von der Gemeinsamkeit.

Allerdings muss man dazusagen, dass es insbesondere um Punkte im sozialen Bereich geht. Zum Beispiel das Thema Betreuung, Gesundheitsvorsorge scheint doch für eine gute Zusammenarbeit zwischen Frau Klepsch und Frau Köpping zu sprechen. Dafür möchte sich auch unsere Fraktion bedanken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings möchten wir bemerken, dass der Doppelhaushalt die Nagelprobe für das sein wird, was Sie uns hier ankündigen. Wir haben vorsorglich gerechnet und sind der Auffassung, dass noch etwas Geld fehlt. Wir werden entsprechende Anträge einbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das, was leider im Lenkungsausschuss nicht benannt wurde – das möchte ich zum Abschluss betonen –, was auch nicht in diesen acht Punkten enthalten ist und – ich sage es mal so – was wir nach Ansicht der GRÜNEN brauchen, ist, dass wir endlich einen Innenminister hätten, der bereit und in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen.