Für die miteinbringende Fraktion der SPD sprach Kollege Pallas. – Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Gebhardt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hartmann, Ihre wohlfeilen Worte kann ich nicht glauben. Schon gar nicht glaube ich dem Innenminister, dass Sie nun plötzlich auf dem richtigen Weg sind. Ich möchte Ihnen auch beweisen, warum das so ist.
Am 21. Februar 2014 gab es eine Pressemitteilung des Innenministeriums. Ich möchte darauf eingehen. Das Innenministerium hat sich mit den Landkreisen und kreisfreien Städten getroffen und eine bessere soziale Betreuung und eine intensivere Abstimmung untereinander vereinbart. Das geschah am 21. Februar 2014. Danach war es im Freistaat Sachsen lange Zeit still. Am 24. November 2014 meldeten sich die Spitzenverbände des Sächsischen Landkreistages mit einer Forderung an den Asylgipfel zu Wort. Es ging um die bessere Koordinierung der verwaltungsgemäßen Zusammenarbeit und Kommunikation. Es wurde ein Gesamtkonzept eingefordert. Es war keine Rede von einzelnen Baustellen, Herr Hartmann, wie Sie es gerade wieder gemacht haben. Es
wurde wieder eingefordert: Es ist dringend eine verstärkte soziale Betreuung der Asylbewerber erforderlich. Danach fand der Asylgipfel statt. Der Asylgipfel endete mit der Botschaft des Innenministers: Wir haben jetzt einen Lenkungsausschuss geschaffen. – Danach gab es wieder eine lange Zeit, in der nichts passiert ist.
Dann tagte der Lenkungsausschuss. Der Lenkungsausschuss hat jetzt acht Punkte miteinander verabredet – wir durften uns gerade anhören, dass jetzt alles gut ist –, und was steht in dem Papier? – „Wir wollen jetzt die Kommunikation und die Prozesssteuerung weiter optimieren und beschleunigen“ – Originalzitat –, und an der nächste Stelle heißt es „Wir wollen jetzt die soziale Betreuung der Flüchtlinge zeitnah in eine Förderrichtlinie umwandeln.“ Ein Jahr haben Sie gebraucht, um eine Förderrichtlinie zur Betreuung von sozial Benachteiligten auf den Weg zu bringen. Das nennen Sie schnell? Das nennen Sie optimieren? Das nennen Sie kommunikativ? – Das ist alles nur lächerlich, was Sie gerade mit uns machen.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie so weitermachen, werden wir bei diesem Ergebnis nicht miteinander klarkommen. Wir können damit nicht klarkommen. Sie sind selbst daran schuld, dass wir damit nicht klarkommen. Denn Sie haben in Ihrer Fraktion die eigenen Brandstifter für die Angelegenheit. Da erklärt Kollege Fischer, nachdem es Proteste auf dem Theaterplatz gibt: Räumen! – Das nehmen dann anschließend 150 Pegidisten ernst und schreien „Räumen!“; und er weiß ganz genau, dass es noch keine Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht gegeben hat. Da haben wir einen Ausländerbeauftragten, der sagt: „Der Trichter ist oben groß, aber unten ist er zu klein.“ – Und er erzählt uns irgendwas von irgendwelchen Falschparkern. Es gibt Dauerfalschparker, und die sitzen in der CDU-Fraktion, und die werden abgeschleppt!
Also: Sie verbreiten auf der Straße Angst und wundern sich anschließend, dass immer mehr Leute auf die Straße gehen. Ich dachte, Herr Ministerpräsident, dass wir uns darin einig sind – das waren wir nämlich während des Wahlkampfes –, dass das Thema eigentlich nicht dafür taugt, parteipolitische Auseinandersetzungen miteinander zu betreiben.
Aber Sie lassen uns gar keine Möglichkeit, daraus keine parteipolitischen Auseinandersetzungen zu machen, weil Sie nicht in der Lage sind, Verwaltungshandeln absolut klar und deutlich durchzusetzen; ich habe Ihnen die Beispiele gerade genannt, wie lange Sie brauchen, um etwas zu entscheiden und zu koordinieren. Und erst diese Woche haben wir wieder erlebt, dass wir immer noch nicht so weit sind.
Ich kann Ihnen noch ein Zitat von Ihnen nennen, Herr Innenminister; das habe ich mir aufgeschrieben. Am 29. November 2014 hat der Innenminister in der „Freien Presse“ erklärt: „Wir wollen keine Turnhallen zu
Unterkünften umfunktionieren.“ – Ich glaube, das sehen die Menschen in Kamenz, Meißen, Schneeberg und anderswo mittlerweile anders. Wie gesagt: Das ist noch nicht so lange her, im November 2014 hat er das gesagt.
Das Thema ist uns wichtig. Wir können nicht so tun, als würden wir nach der ausgestreckten Hand von Flüchtlingen, die zu uns kommen, greifen. Wie wollen Sie zum Beispiel einem jungen Asylbewerber aus Syrien – ein sunnitischer Moslem, der in Bautzen auf eine Berufsschule geht – eines Tages erklären, dass er nicht hierbleiben darf? Sie schlagen ihm permanent die Hand aus. Sie sagen ihm permanent: Ihr seid hier nicht willkommen. – Da nützen auch eure neuen Verwaltungsvorschriften nichts. Der Gestus, den Sie ausdrücken, ist: Wir wollen hier keine Fremden. – Das ist Ihr Gestus, und das ist das Problem, das wir derzeit im Freistaat Sachsen haben.
Wir wollen Flüchtlingen vom ersten Tag an die Hand reichen. Dazu gehört auch ein Recht auf Wohnung. Dazu gehört auch eine anständige Bedingung für Deutschkurse, ein Angebot vom ersten Tag an. Das ist nun einmal Gebot der Humanität und Vernunft – und ja, es ist eine gesellschaftliche und finanzielle Kraftanstrengung. Wir sind dazu bereit. Ich habe bis jetzt noch nicht gehört, dass die CDU das auch will – bis auf die wohlfeilen Worte von Herrn Hartmann.
Kollege Gebhardt sprach für die Fraktion DIE LINKE. – Jetzt schließt sich für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Muster an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser heutiges Thema lautet „Gemeinsam beim Thema Asyl – Ergebnisse des Lenkungsausschusses werden konsequent umgesetzt“. Das Thema Asyl ist in Deutschland und Sachsen aktueller denn je. Es ist unstreitig, dass die Asylbewerberzahlen Anfang dieses Jahres wieder stark gestiegen sind. Die Staatsregierung hat ein neues Gremium konstituiert: den Lenkungsausschuss für Asyl. Eine gesetzliche Grundlage für dieses Gremium gibt es nicht. Es ist ein informelles Gremium. Als Juristin frage ich mich: Hat es beratende oder beschließende Funktion? Gibt es eine Geschäftsordnung?
Der Lenkungsausschuss hat seine Arbeit aufgenommen und in seiner 3. Sitzung, Ende Februar, Beschlüsse gefasst. Diese wurden mit ganz großem Aufwand medial verbreitet; die Presseerklärung umfasste acht Punkte. Und dann? Was passierte dann? – Das Kabinett hat eine Woche später, Anfang März, zwei Punkte dieses Maßnahmenkatalogs des Lenkungsausschusses verabschiedet. Die Fraktion der AfD begrüßt die Einrichtung einer Stabsstelle Asyl im sächsischen Innenministerium ausdrücklich.
Wir kritisieren allerdings, dass die Sächsische Staatsregierung in völlig unnötiger Weise zuvor ein Kompetenzwirrwarr beim Umgang mit Asylbewerbern geschaffen hat. Dabei war und ist die Sache ganz einfach. Das Sächsische Flüchtlingsaufnahmegesetz regelt die Aufnahme, Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern. Es regelt auch die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Nach § 2 dieses Flüchtlingsaufnahmegesetzes ist das Staatsministerium des Innern die oberste und alleinige Unterbringungsbehörde. Warum beließ es die Staatsregierung nicht bei dieser gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsregelung? Nach ihrem Beschluss zur Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien vom 17.12.2014 ist für das Asylbewerberleistungsgesetz nunmehr ausschließlich Frau Staatsministerin Köpping zuständig. Diese interne untergesetzliche Zuständigkeitsabgrenzung widerspricht offensichtlich dem Wortlaut des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und ist damit schlicht und ergreifend rechtswidrig.
Es drängt sich die Frage auf, ob wir den Lenkungsausschuss überhaupt brauchen. – Oder ist er nur ein Teil des Zuständigkeitsgerangels zwischen CDU und SPD beim Thema Asyl? Oder ist er einfach nur Balsam für die öffentliche Seele? Wir sind auf Ihre Arbeitsergebnisse beim Lenkungsausschuss gespannt. An medialen Ankündigungen hat es bisher nicht gemangelt. Jetzt möchten wir Taten sehen.
Für die AfD-Fraktion sprach Frau Dr. Muster. – Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich jetzt an. Das Wort ergreift Frau Kollegin Zais.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Gemeinsam beim Thema Asyl“, das Thema der heutigen Aktuellen Debatte kommt relativ spät. Gemeinsam, das wäre viele Jahre in Sachsen notwendig gewesen. Herr Hartmann, Sie als Meister der politischen Relativierung, als Meister des „Sowohl-als-auch“ haben bei Ihren einführenden Worten eines vergessen: Es geht darum, dass sowohl die Analyse des bisherigen Versagens der Sächsischen Staatsregierung, insbesondere des Innenministers, heute hier auf die Tagesordnung gehört hätte als auch zu verabreden und darüber zu reden, was getan werden muss – und vor allem: mit wem es getan werden muss.
Insofern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die heutige Debatte eher eine Debatte nach dem Motto, wie man den Innenminister zum Jagen tragen muss. Gemeinsam und konsequent – das geht nach unserer Auffassung anders.
Dazu hätte heute gehört – das hätte ich auch von Ihnen erwartet, Herr Hartmann –, etwas darüber zu sagen, in
welchem Umfang die Staatsregierung, insbesondere der Innenminister, künftig seine Verantwortung übernehmen will.
Es ist ein einmaliger Zustand, und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in Sachsen irgendwann passiert wäre, dass sich Landräte, Bürgermeister, Oberbürgermeister – selbst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; die Opposition natürlich eh – im konsequenten Versagen des Innenministers einig waren. Er hat sich in den letzten Wochen und Monaten eine Watschn nach der anderen abholen müssen. Sie haben leider vergessen, das heute hier zu thematisieren.
Seit 2013, verehrte Kolleginnen und Kollegen, herrschen in der Erstaufnahmeeinrichtung Chemnitz katastrophale Zustände.
Statt zu handeln – wie es die GRÜNEN unter anderem auch bei der Debatte im März 2014 hier in diesem Hohen Haus gefordert haben – und Rahmenbedingungen für die Kommunen zu schaffen, hat der Minister alles ausgesessen und mit den Fingern auf Kommunen gezeigt. Er hat mit dem Finger auf Asylbewerber gezeigt, die eigentlich gar kein Recht hätten, hier zu sein, und die kriminell seien.
Es gab eine Pressemeldung vom Leitenden Oberstaatsanwalt Martin Uebele in Görlitz, der Anfang März sagte, dass es völlig unbegründet gewesen sei, Asylbewerber als besonders kriminell einzustufen. Jedes Kind sei im Straßenverkehr in Sachsen stärker gefährdet als durch Kriminalität, die von Asylbewerbern ausgehen würde. Auch die Zahlen zeigen, dass sich die Vermutungen des Innenministers nicht bestätigt haben.
Die Liste des Versagens ist lang und fängt früh an. Auf die Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz habe ich verwiesen. Dass sie entgegen bauordnungsrechtlicher Vorschriften überbelegt ist, interessiert Sie wie der Wasserstand der Elbe. Es interessiert Sie nicht, ob die Menschen in Notunterkünften oder in Zelten untergebracht sind. Kollege Gebhardt hat bereits auf Meißen, Schneeberg und Görlitz verwiesen. Es tut sich nichts!
Die versprochenen Erstaufnahmeeinrichtungen in Dresden und Leipzig kommen immer noch nicht. Die Versprechungen werden nicht eingehalten. Sie haben das auch nicht in Ihrem 8-Punkte-Programm verabredet. Kollege Hartmann, hier meine Ansprache an Sie: Man sollte sich fragen, ob es möglich ist, dass jemand, der Verantwortung für die Erstaufnahme in Sachsen trägt und Leipzig und Dresden schuldig bleibt, Oberbürgermeisterkandidat sein und Wahlkampf in Dresden führen kann. – Ich sage: Nein!
Denn das geht nicht. Es ist ein erheblicher Interessenskonflikt, das muss hier klar gesagt werden. Das erleben wir bereits seit vielen Wochen. Es tut sich nichts!
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Dinge, die man nennen könnte. Wir werden das in der zweiten Runde ansprechen. Ganz klar muss man sagen: In Sachsen hat eine rassistische, islamophobe und demokratiefeindliche Stimmung zugenommen.
Es begann mit dem Lichtellauf 2013 in Schneeberg, mit den Anti-Asyl-Demonstrationen der NPD. Dann kam Pegida, Legida. Dresden, Leipzig, Chemnitz und viele örtliche Initiativen wehren sich: Nein zum Heim!