Herr Kollege, sehen Sie in dem Umstand, dass das Bundessozialgericht den Antrag auf Zulassung abgewiesen hat, nicht ein Indiz dafür, dass es die Rechtsprechung zu diesem Problem der Jahresendprämie auch auf diesen zusätzlichen Teil des Soldes erstreckt sieht? Ist es nicht damit handgreiflich?
„Handgreiflich“ ist immer noch ein solches Wort, das ich bei Ihnen liebe. Ich kann handgreiflich werden, aber Gesetze können nicht handgreiflich sein.
Sie können einschlägig sein. Beim Landessozialgericht geht es um zwei einheitliche Kammern, die hier entschieden haben. Die eine hat das Bundessozialgericht zurückgewiesen, die Nichtzulassungsbeschwerde, und die andere hat sie noch nicht entschieden. Ich frage mich, warum ich vorher tätig werden muss.
Ja, weil sie wegsterben – aber das verstehe ich nicht. Dann hätten Sie letztes Jahr im Februar schon sagen müssen: Da ist jetzt eine Entscheidung, da müssen wir sofort tätig werden. Wir haben März 2019 und jetzt haben Sie es eilig. Jetzt wäre es sinnvoll, … ist übrigens noch in Arbeit, er arbeitet noch, also wegsterben wird er nicht. Wo ist denn jetzt das Problem, dass wir innerhalb der drei, vier Wochen tätig werden müssen? – Weil jetzt Wahlkampf ist!
Nein, weil wir die Frage stellen, ob zwei Landessozialgerichts-Entscheidungen und keine BundessozialgerichtsEntscheidungen maßgeblich sind. Das reicht nicht aus. So wird kein Mensch tätig. Juristisch müssen wir schon sauber bleiben. Deshalb können wir dem Ansinnen nicht folgen.
Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abg. Pallas. Herr Pallas, Mitglied des Rechtsausschusses, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt auf Antrag der LINKEN noch ein wichtiges, aber auch ein sehr emotionales Thema aus dem Bereich der Anerkennung von Lebensleistungen. Dabei ist das Thema leider ziemlich kompliziert, da es sich auf mehreren Ebenen abspielt: einer sachlich juristischen – das haben wir soeben vom Kollegen Modschiedler gehört – und einer vielschichtigen emotionalen Ebene bei den Betroffenen. Wir sprechen hierbei – das haben wir auch schon gehört – von ungefähr 10 000 Menschen im Freistaat Sachsen.
Worum geht es? Es geht um ehemalige Angehörige der Deutschen Volkspolizei der DDR, die seinerzeit zusätzlich zu ihrem Gehalt noch Bekleidungs- und Verpflegungsgeld bekommen haben. Nach der Wende wurde mit dem Übergang von der Volkspolizei zur sächsischen Polizei die Bezahlung auf die bundesdeutschen Regeln angepasst.
Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, in Sachsen künftig das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld für die betroffenen Personen als Arbeitsentgelt bei der Rentenberechnung anzuerkennen. Der Maßstab, nach dem sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste auf die Rente angerechnet werden können, findet sich im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz. Danach ist das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nun – das haben wir auch gehört – geht der Streit darum, ob es sich bei diesen Geldern um Arbeitsentgelt im Sinne dieses Gesetzes handelt oder nicht.
Bislang gab es – so lese ich es als juristischer Laie – keine einheitliche juristische Situation und auch keine einheitliche Linie der Versorgungsträger in den einzelnen Bundesländern. Eine bundeseinheitliche Rechtsprechung zu dieser Problematik ist mir nicht bekannt, die gibt es nicht,
Brandenburg war das erste Land, das es wahrscheinlich von Anfang an gezahlt hat. Als nächstes und letztes Bundesland hat Sachsen-Anhalt seine Entscheidungspraxis geändert, und zwar war das meines Wissens 2017. Die anderen Ostländer, darunter Sachsen, lehnen die Anerkennung bislang ab. Thüringen kenne ich nicht, aber wir werden sehen.
denn es sprechen sehr viele Gründe dafür, das zu tun. Zweitens und viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass es für die vielen Betroffenen im Prinzip einer Missachtung ihrer Arbeits- und Lebensleistung bis zur Rente gleichkommt. Denn es wäre wie eine nachträgliche Gehaltskürzung, wenn die Gelder als gehaltserhöhende Elemente eben nicht anerkannt werden. Das ist auch ein Stück weit ungerecht.
Nun kann man zur DDR stehen, wie man will. Fakt ist aber, dass auch in der DDR die Polizisten Ordnungshüter waren, deren Arbeitsschwerpunkte in der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr lagen. Nicht wenige ehemalige Volkspolizisten fanden ihren Weg in die sächsische Polizei, und das ist auch gut so. Einige arbeiten noch heute da.
Ich hätte mir gewünscht, dass auch Sachsen den Weg der Anerkennung geht, gerade um diese Verletzungen der Nachwendezeit zu heilen. Aber bekanntermaßen geht Sachsen einen anderen Weg. Es hat den Rechtsweg beschritten und zwei Berufungsurteile des Sächsischen Landessozialgerichts, bei denen keine Revision zugelassen wurde, mit Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundessozialgericht angegriffen. Wir haben es gehört: Eine Beschwerde wurde verworfen, die andere ist noch anhängig. Zudem verweist das Innenministerium in seiner Stellungnahme auf weitere derzeit anhängige Verfahren hin, davon drei bei einem anderen Senat des Sächsischen Landessozialgerichts und eines beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
Auch wenn ich die sächsische Entscheidung grundsätzlich bedaure, muss ich doch zur Kenntnis nehmen, dass die Staatsregierung die rechtliche Anerkennung erst dann umsetzen wird, wenn es vom Bundessozialgericht eine letztinstanzliche Entscheidung gibt. Ich hoffe, dass nicht rein finanzielle Gründe dahinter stecken. Natürlich wäre es so, dass wir mit jährlichen Mehrkosten von ein paar Millionen Euro rechnen müssten. Aber ich finde, dass uns
Im Ergebnis ist festzustellen: Dieses Vorgehen ist eine innerhalb des Rechtsstaates legitime Entscheidung. Das führt allerdings dazu, dass die Betroffenen weiter auf ein endgültiges Ergebnis warten müssen. Meine Prognose ist, dass Sachsen am Ende trotzdem nachzahlen muss. Wir werden es hoffentlich bald sehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einmal mehr debattieren wir heute über die Auswirkungen des Rentenüberleitungsgesetzes und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten. Diese resultieren aus der fehlenden Anerkennung von in der ehemaligen DDR erworbenen Rentenansprüchen im Zusammenhang mit der Überführung dieser Ansprüche in das Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland.
Die Auswirkungen, mit denen die Betroffenen bis heute zu leben haben, sind hausgemacht. Das Rentenüberleitungsgesetz wurde unter Zeitdruck verabschiedet, was sich nun an der Qualität der Regelungen zeigt. Die getroffenen Regelungen führen für eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen zur Nichtanerkennung ihrer Ansprüche aus den zahlreichen DDR-Zusatz- und Sozialversicherungssystemen. Ich erinnere hierbei an die Situation von Bergleuten der Braunkohleveredlung, an die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens, an die geschiedenen Ehefrauen, an die Reichsbahner und viele mehr.
Heute geht es aber um die Ansprüche von ehemaligen Volkspolizisten. Lassen Sie mich meinen Ausführungen eines voranstellen.
Einmal erworbene Ansprüche müssen überführt und anerkannt werden. Das bedingt unser rechtsstaatliches Handeln. Die Verschleppung von Entscheidungen hierzu ist natürlich nicht im Sinne der Betroffenen, die mit ihrer teils geringen Rente nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen.
Schon bald begehen wir den 30. Jahrestag des Niedergang der Deutschen Demokratischen Republik. Aber immer noch sind nicht alle offenen Fragen der Überleitung geklärt. So werden Probleme wie eh und je in unserem Lande einfach ausgesessen.
Die Frage, mit der wir es heute zu tun haben, ist ein wenig komplizierter. Die Rechtsauffassungen der ostdeutschen Bundesländer und der Sozialgerichte sind in der Frage, ob das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld ehemaliger Polizisten als Arbeitsentgelt bei der Berechnung der Rentenhöhe herangezogen werden muss oder ob es sich
nicht um ein Einkommen handelt, höchst unterschiedlich. Bislang wird das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld in Brandenburg und seit wenigen Monaten auch in SachsenAnhalt
mit in die Berechnung der Rentenhöhe einbezogen. Die Länder Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und auch Sachsen möchten hierzu eine höchstrichterliche Entscheidung herbeiführen, was in unseren Augen nachvollziehbar ist, um wirkliche Rechtssicherheit zu erlangen. Selbst im linksregierten Thüringen wartet man auf eine Entscheidung.
In Berlin – das haben Sie angesprochen, Herr Bartl – wird lediglich das Verpflegungsgeld berücksichtigt.
Das ist also eine höchst komplizierte Sachlage, die von den Bundesländern unterschiedlich bewertet wird.
Wir sehen es als geboten an, dass die Zusatzleistungen der ehemaligen Volkspolizisten bei der Rentenhöhe Anerkennung finden sollten, wenn sie berechtigt sind. Ob dies der Fall ist, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Wir werden uns deshalb heute enthalten.