Wenn Sie eine Frage haben, dann gehen Sie doch bitte an das Mikrofon. – Sie verlieren aber kein Wort in Ihrem Antrag über die Ursachen des Dieselskandals und verfehlen damit das zentrale Problem der gesamten Debatte. Schuld an der gesamten Misere mit den Fahrverboten und den daraus folgenden Konsequenzen sind die Autokonzerne. Deshalb werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen.
Stellen wir doch einmal die Ausgangslage fest. Einige Hersteller haben mit einer sogenannten Schummelsoftware die Abgasdaten manipuliert. Dieser millionenfache Betrug ist im Jahr 2015 aufgeflogen. Statt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und zu verpflichten, den Mangel zu beseitigen, wie es im Normalfall eigentlich passieren müsste, hat sich die Bundesregierung hinter die Hersteller gestellt. Der Betrug bedeutete für den Einzelnen, dass die Abgaswerte massiv manipuliert wurden, um Schadstoffgrenzen einzuhalten. Die Werte liegen um den Faktor 4 bis 7 höher als vom Hersteller angegeben.
Das bedeutet für alle Fahrzeughalterinnen und -halter, dass sie im Glauben, ein einigermaßen umweltverträgliches Fahrzeugmodell erstanden zu haben, betrogen wurden. Für die Gesellschaft bedeutet das, dass über Jahre um ein vielfaches Mehr Schadstoff in die Luft geblasen wurde als gedacht, mit entsprechend negativen Folgen auf die Gesundheit. Seit nunmehr vier Jahren verschleppt die Bundesregierung eine klare Entscheidung, den Schaden an der Gesundheit, Luftverschmutzung und den betrogenen Autobesitzerinnen und -besitzern zu beheben.
Bis heute wurden die Verantwortlichen nicht zur Verantwortung gezogen – im Gegenteil, es wurden Gewinnrekorde eingefahren. Die leidtragenden Alleingelassenen von der Bundesregierung sind die Dieselbesitzerinnen und -besitzer, denen nur der Gang vor das Gericht bleibt. Wenn auch endlich Sammelklagen möglich sind, die Aussichten für die Klägerinnen und Kläger sind noch nicht vorhersehbar. Die vom Fahrverbot Betroffenen bekommen auch noch ein Schreiben vom Bundeskraftfahrzeugamt mit den Kontaktdaten der Hersteller. Das ist nicht nur dreist, nein: Eigentlich kann man es nicht mal als Schleichwerbung bezeichnen, es ist vielmehr eine Werbung für die Hersteller, die betrogen haben. Die angepriesenen Rabatte, die jetzt für den Kauf eines neuen Fahrzeugs gemacht werden, sind zudem unehrlich, da diese Rabatte beim Neukauf auch so möglich sind.
Die Fahrverbote in den verschiedenen Städten betreffen nicht nur Dieselfahrerinnen und -fahrer, deren Fahrzeuge vom Betrug betroffen waren – nein. Alle Fahrzeuge von Herstellern, die keine solche Schummelsoftware benutzt haben, sowie ältere Benziner sind genauso betroffen. Diese haben aber auch keine Möglichkeit hierbei anzusetzen, weil sie überhaupt keine Möglichkeit haben zu klagen. Alternativen beispielsweise für unsere Handwerker mit Dieseltransportern gibt es momentan auf dem Markt nicht.
Den Kommunen bleibt aber keine andere Möglichkeit, als betroffene Straßen zu sperren, weil die Abwägung zwischen Gesundheit und freier Fahrt für alle Fahrzeuge nicht verhältnismäßig ist. Für die Kommunen muss die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle stehen. Es ist falsch, sie wegen des Fahrverbots zu verurteilen.
Für die betroffenen Autobesitzerinnen und -besitzer sind die Fahrverbote jedoch bitter. Für viele ist es finanziell einfach nicht machbar, sich ein neues Auto zu kaufen oder das eigene Fahrzeug aufzurüsten. Für Euro-5-Diesel gehen die Wissenschaftler und der ADAC davon aus, dass eine Nachrüstung möglich ist und funktioniert. Die Kosten werden auf circa 1 500 Euro bis 3 300 Euro pro Fahrzeug geschätzt. Bislang gibt es allerdings noch kein zugelassenes Nachrüstsystem. Ebenfalls ungeklärt ist, ob sich aus der Nachrüstung Langzeitschäden ergeben. So fordert beispielsweise der ADAC, dass auch in Deutschland eine vergleichbare verbraucherfreundliche Wiedergutmachung wie in den USA den Kundinnen und Kunden angeboten wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein schneller, zuverlässiger und günstiger ÖPNV ist eine echte Alternative zum Auto und kann maßgeblich zur Entlastung des Straßenverkehrs beitragen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein besseres Angebot. Dazu gehört auch ein besseres Angebot an Park-and-ride- sowie Bike-and-ride-Anlagen. Auch wenn die Fahrverbote momentan nicht im ländlichen Raum im Gespräch sind, müssen hier Angebote geschaffen werden, damit man nicht auf das Auto angewiesen ist; denn momentan besteht im ländlichen Raum kaum die Möglichkeit, den Arbeitsweg oder die Freizeitaktivitäten mit dem ÖPNV zu bestreiten. Aber auch der Ausbau der Elektromobilität wurde leider in Sachsen verschlafen; denn die Infrastruktur dafür ist bei Weitem noch nicht ausgebaut.
Abschließend möchte ich noch feststellen, dass wir uns der Verbraucherzentrale anschließen, die fordert, dass die Hersteller endlich verpflichtet werden, Hardwarenachrüstungen kostenfrei anzubieten, damit auch ältere Fahrzeuge wieder in die Städte dürfen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden mit gesetzlichen Neuregelungen konfrontiert und sind in der Pflicht, den Schaden zu beseitigen. Die Industrie will sich hier aber wieder einmal aus der Verantwortung ziehen.
Die Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind massiv. Die Hersteller bekommen nicht
einmal ein blaues Auge davon; denn wie die Überschrift des „Handelsblatts“ am 01.08.2018 titelt: „Rekordgewinne für Volkswagen trotz Dieselkrise“. Die Einhaltung von Abgasnormen darf nicht nur auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgetragen werden. Die Industrie muss sich des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt bewusst werden und die durch sie verursachten Versäumnisse endlich regulieren.
Meine Damen und Herren, und nun die SPD-Fraktion, Herr Abg. Vieweg. Herr Vieweg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zum Antrag der AfD, der ohnehin bereits knapp zwei Jahre alt ist, haben wir schon lange geführt, und zwar in der Aktuellen Stunde im März letzten Jahres. Darum weiß ich nicht so genau, was von der AfD kommen wird, eventuell eine Geschichte, die sogenannten Altparteien hätten die Grenzwerte der EU für die Luftreinhaltung mitgetragen. Diese würden jedweder Form der Wissenschaftlichkeit entbehren, und wir würden damit hierzulande die deutsche Ingenieurskunst in die Tonne treten. Das könnte eine Geschichte sein.
Sehr geehrter Herr Urban, wer war denn damals Zeuge bei diesem letzten Argument? Sie ahnen es vielleicht. Das war der Pneumologe Prof. Köhler, jener Lungenarzt mit Rechenschwäche, dem so gravierende Fehler unterlaufen sind, dass er teilweise das Gegenteil von dem bewiesen hat, was er aussagen wollte, und für den sich die eigene Zunft nun schon mehrfach entschuldigt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, das ist typisch für Ihre Debatten. Sie verlassen ziemlich schnell den Boden von Sachargumenten und verlassen sich in diesem Politikfeld auf Ihre Ideologie. Sie bemühen am Ende jede Seite, und es ist Ihnen am Ende des Tages egal, welchen Sachverständigen Sie zitieren, welche Rahmenbedingungen Sie hilfsweise zur Argumentation benutzen.
Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie nur einen Lungenarzt zitieren, der sich angeblich verrechnet hat, und völlig ausblenden, dass
Sehr geehrter Herr Kollege, ich werde an diesem Pult nicht über wissenschaftliche Expertise mit Ihnen sprechen.
Ich führe auch nicht die Debatte von Lungenärzten. Sie wissen ganz genau, die von Ihnen zitierte Studie von Prof. Köhler, diesem angeblichen Lungenarzt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Insoweit sprechen die Tatsachen gegen Sie.
Jetzt prüft sogar die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina in Halle auf Bitten der Bundesregierung die Qualität der bisherigen Studien, vergleicht die Grenzwerte
und Gesundheitsschutzregelungen mit denen anderer ausgewählter Länder. Auf das Ergebnis, sehr geehrter Herr Kollege, bin ich schon gespannt, Sie als AfD und Herr Prof. Köhler sicherlich auch.
Für uns als SPD gilt nach wie vor: Es gibt Grenzwerte in der Europäischen Union für Luftschadstoffe, für Stickoxide, für Feinstaub, die in nationales Recht überführt wurden. Diese Grenzwerte sind einzuhalten. Für uns als SPD gilt auch: Die Automobilhersteller und auch VW haben getrickst, gelogen und getäuscht. Sie haben Verbraucher betrogen und belogen. Für uns als SPD gilt das Verursacherprinzip, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen.
Es ist eben die Balance zwischen Rechtsstaatlichkeit, Verbraucherschutz und Gesundheitsschutz, um die es geht. Diese Balance ist aus unserer Sicht herzustellen.
Wir müssen feststellen: Fahrverbote hat es bislang in Sachsen nicht gegeben und wird es auch nicht geben; denn die würde es nur geben, falls die Grenzwerte drastisch verschärft würden. Wir erleben aber gerade eine ganz andere Diskussion. Insoweit ist davon auszugehen, dass es in Sachsen keine Fahrverbote geben wird.
Darüber hinaus – das Argument verschweigen Sie – haben wir in Sachsen eine niedrige Quote von Dieselfahrzeugen in der Fahrzeugflotte. Wir haben auch eine abnehmende Zahl von Neuzulassungen in diesem Bereich.
Natürlich werden Sie jetzt aufspringen und sagen, ja, dazu hat die ausufernde Diskussion um den Diesel geführt.
Dazu hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts geführt, und das hat dazu geführt, dass Dieselfahrer sozusagen kalt enteignet wurden.
Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Wir als SPD haben auf Bundesebene reagiert. Wir haben die Musterfeststellungsklage eingeführt.
sich in einem Rechtsstaat zusammenzuschließen und sein Verbraucherrecht gemeinsam einzuklagen. Mit dem Mittel der Musterfeststellungsklage haben wir auf den Betrug in der Automobilindustrie reagiert.
(André Barth, AfD: Aber nur dem Grunde nach! Die Schadenshöhe muss man selbst tragen! Das ist eine Mogelpackung!)
Ich kann Ihnen nicht hundertprozentig mit Gewissheit sagen, ob der Diesel noch eine Zukunft hat. Ich persönlich bin vom Diesel auf ein Elektrofahrzeug umgestiegen. Ich bin damit sachsenweit mobil unterwegs. Ich begleite unser H2-Cluster in Chemnitz.