Protocol of the Session on March 13, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Wähner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Auch wir als CDU haben ein Interesse an einem guten, vielseitigen Baumbestand hier in Sachsen, weil die Bäume, wie Herr Günther ausgiebig beschrieben hat, wichtig für die Natur sind und letztendlich einen wesentlichen Beitrag für Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden leisten.

(Beifall bei der CDU)

Aber hinsichtlich des Weges, wie wir dieses Ziel erreichen wollen, unterscheiden wir uns deutlich von den GRÜNEN, weil die GRÜNEN den Weg gehen, den sie am liebsten beschreiten: den Weg über Verbote,

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

über neue Gesetze und neue Satzungen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunter Wild, fraktionslos)

Wir sehen eine Chance, dieses Ziel zu erreichen, in der Steigerung der Eigenverantwortung der Grundstückseigentümer, derjenigen also, auf deren Grundstücken die Bäume letztendlich stehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dass dieser Weg der richtigere ist, beweisen die letzten neun Jahre, weil die derart kritisierte Gesetzeslage seit neun Jahren besteht. Das Horrorszenario, dass Sie, Herr Günther, hier zu beschreiben versuchten, dass überall flächendeckend die Bäume abgeholzt worden wären, ist nicht eingetreten. Auch die Sachverständigen in der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf konnten das nicht bestätigen, im Gegenteil: Kommunen haben damals sogar die Gelegenheit genutzt, mit Einführung der aktuellen Gesetzeslage ihre Baumschutzsatzungen gänzlich abzuschaffen. Das mag für Sie ein Horrorszenario oder eine Horrorvorstellung sein, aber selbst in meinem Wahlkreis haben das einige Kommunen getan, die Sie allerdings nicht finden werden, wenn Sie nach dem Baumbestand schauen. Es gibt in der Praxis keinen Unterschied zwischen den Kommunen, die eine Satzung haben, und denen, die diese vor Jahren aufgehoben haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Wähner?

Bitte, gern.

Herr Günther, bitte.

Sie nehmen Bezug auf die Kommunen, auch auf die Anhörung. Es waren Vertreter der Städte Leipzig und Dresden anwesend. Ich habe das Protokoll heute sogar zufällig dabei. Sie haben ausdrücklich und sehr ausführlich dargelegt, wie der Baumbestand zurückgeht. Wie kommen Sie jetzt zu Ihrer Schlussfolgerung, dass die kommunalen Vertreter das Gegenteil dort dargestellt hätten?

Weil wir nicht nur zwei große Städte in Sachsen haben, sondern über 300 Kommunen, und es waren nur zwei Vertreter dabei.

(Beifall bei der CDU)

Was die Gründe explizit in Leipzig und Dresden sind, dass dieser Effekt eingetreten ist, kann ich nicht nachvollziehen. Aber in den Kommunen, die ich vertrete, überwiegend ländliche Kommunen, kann man diese Sache nicht nachvollziehen bzw. ist dieser Effekt nicht eingetreten.

Gerade in Kommunen, in denen diese Satzungen nicht mehr existieren, führt es zu einem entspannteren Verhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und seinem Baumbestand. Letztendlich entscheidet der Grundstückseigentümer, ob auf seinem Grundstück überhaupt ein Baum gepflanzt wird oder er einen wild „angeflogenen“ Baum einfach wachsen lässt. Nur wenn das geschieht,

dann haben wir überhaupt am Ende etwas, das wir schützen können.

Auch in der Zeit, wenn der Baum steht, ist der Grundstückseigentümer in der Verantwortung. Er muss dafür geradestehen, falls der Ast von seinem Baum jemand anderem auf den Kopf fällt – sprich: die Verkehrssicherungspflicht erfüllen. Sollte ein Schaden entstehen, hat er die Schadenersatzpflicht zu leisten. Kommt der Zeitpunkt – dies gehört auch zum Lebenszyklus eines Baumes –, dass dieser irgendwann einmal gefällt werden muss, dann ist wieder unbedingt behördliches Handeln in Form von Antragstellung und Genehmigung erforderlich. Genau das hält auch manchen davon ab, überhaupt erst den Baum zu einem Baum werden zu lassen.

Dieser Punkt ist in meinen Augen eine große Gefahr, wenn wir diesen Gesetzentwurf beschließen sollten. Denn diese Entscheidungsfreiheit, die jetzt im Kommunalen bei den Grundstückseigentümern gegeben ist, wird wieder stark eingeschränkt. Manch einer wird sich diese Freiheit nicht unbedingt nehmen lassen wollen und vielleicht im Vorfeld, bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist oder die neue Satzung beschlossen worden ist, zur Säge greifen. Es werden Bäume fallen, die sonst stehengeblieben wären. Deshalb sollte es bei der aktuellen Gesetzeslage bleiben.

Wenn es denn so schlimm im Land ist, Herr Günther – auch das muss angesprochen werden –, dann frage ich mich, wieso dieser Gesetzentwurf vor über drei Jahren eingebracht worden ist, vor drei Jahren im Ausschuss Sachverständige angehört wurden und er erst jetzt zur Beschlussfassung vorliegt.

In diesem Zusammenhang sollte noch ein Punkt angesprochen werden. Wir sprechen in diesem Haus gern über Bürokratieabbau und jede Partei schreibt es sich ins Wahlprogramm hinein. Dass für gewisse Sachen – wie wir sie hier in Sachsen haben – keine Anträge notwendig sind und keine behördlichen Genehmigungen erteilt werden müssen, ist doch ein effektiver, praktischer Beitrag zum Bürokratieabbau.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU lehnen den Gesetzentwurf selbstverständlich ab. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kagelmann, bitte, für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Für mich ist Politik immer dann am peinlichsten, wenn sie ihr Versagen am Anspruch, beständig um einen gesellschaftlichen Interessenausgleich zum Vorteil der Gemeinschaft zu ringen, so dilettantisch bemäntelt, dass die Klientelbevorteilung an jeder Stelle hervorlugt.

Das Baum-ab-Gesetz ist ein Paradebeispiel für solch peinliche Klientelpolitik. Allein steht Sachsen damit allerdings nicht da. Deutschland ist ja ein Land, in dem

die freie, vor allem schnelle Fahrt für freie Bürger zum Quasi-Menschenrecht erhoben wurde. Da verwundert es einen auch nicht mehr, dass in einem solchen Grundwertekanon nun die freie Säge aufgenommen werden musste.

Besonders entlarvend und beschämend für die schwarzgelbe Regierungsära ist die Tatsache, dass dieses Gesetz ausgerechnet im UN-Jahr der Biodiversität 2010 eingeführt wurde. Ich kann mich noch lebhaft an zahlreiche Veranstaltungen landauf, landab erinnern, bei denen eine engagierte Bürgerschaft Monate vor dem Gesetzesvorhaben Sturm dagegen gelaufen ist. Erfolglos – war ja kurz nach, nicht kurz vor Wahlen. Bis heute – acht Jahre später – erreichen den Petitionsausschuss regelmäßig Eingaben zur Rückholung dieses Irrsinns, darunter die von Kollegen Günther angesprochene Petition mit mehreren Tausend Unterschriften. In allen Anhörungen zur Thematik, sowohl bei Änderungen des Naturschutzgesetzes 2010 als auch in jeder der nachfolgenden Heilungsversuche, auch der LINKEN, kann man sehr gut nachlesen, dass bei der Vielzahl der Sachverständigen immer die gleichen meinen zu profitieren, während unverändert die große Mehrheit der Sachverständigen ausführt, dass die Gesellschaft verliert.

Wie die Gesellschaft verliert, belegte ein Sachverständiger im Rahmen der Anhörung zu dem GRÜNENGesetzentwurf mit einem eindrucksvollen Baum-wegBilderreigen aus der Landeshauptstadt. Er kommentierte resigniert: „Viele Grundstücke sind grün, sie sind nicht wegen der Bäume, sondern wegen des Rasens grün. Dann ist Schluss.“ Damit das aber 2010 nicht zu stark auffiel, wurde weiland von den freiheitlich demokratischen Vätern der Gesetzesänderung immer wieder die Keule des Bürokratieabbaus für Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen geschwungen.

Paragrafenpranger und Eierschecke an der Autobahn. Das waren überhaupt die einzigen zwei PR-Projekte aus FDPRegierungszeiten, die mir in Erinnerung geblieben sind. Wobei der Paragrafenpranger schließlich versandete und die Eierschecke-Aktion nur einem einzigen Bäcker temporär geholfen haben dürfte. Ich würde mir also überlegen, liebe CDU-Kollegen, wem Sie da folgen wollen.

Beim Baum-ab-Gesetz ging es überhaupt nicht um Entbürokratisierung. Es ging und geht im Kern um die Stärkung von Eigentümerrechten, und zwar in diesem Fall konkret über die Begrenzung des Geltungsbereichs von Baumschutzsatzungen. Das kann man ja so wollen, nur lehrt die Erfahrung, dass das hehre Ziel von Entbürokratisierung in der Umsetzung allzu häufig mit einer simplen Umverteilung von Lasten beerdigt wird. Meistens führt diese Umverteilung auch noch zu neuerlichen Unsicherheiten – Stichwort: geschützte Baumarten oder Biotope.

Eigentum unterliegt aber ebenso einer Gemeinwohlverpflichtung. Das bedeutet, dass die Stärkung der Rechte von in diesem Fall Grundstückseigentümern abgewogen werden müssen mit den Rechten der Gemeinschaft auf saubere frische Luft, auf ein gesundes Stadtklima, auf ein

grünes Orts- und Landschaftsbild oder auf Artenvielfalt. Gerade dieses letzte Ziel gewinnt in der Öffentlichkeit rasant an Aufmerksamkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mir deshalb zweimal überlegen, welche Interessen Sie in der heutigen Zeit voranstellen wollen. Ohnehin war und ist es absurd, eine Kommune von einer Last befreien zu wollen, die sie sich, wenn überhaupt, nur selbst auferlegt hat. Vor dem Erlass hat nämlich jede Gemeinde eigenverantwortlich geprüft, ob überhaupt und in welchem Umfang eine Baumschutzsatzung erforderlich ist und ob der gegebenenfalls einhergehende Aufwand für die Gemeinde zu stemmen ist.

Zeitgleich wurde die Kommune mit der Gesetzesänderung generös von ihrem Recht befreit, für ihren Aufwand Verwaltungsgebühren erheben zu können. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, war dann kein kleiner Eingriff mehr in kommunale Selbstverwaltung. Das war eher eine umweltfachliche Teilresektion oder schlicht Erpressung.

Wenn viele Kommunen trotz des angeblich so immensen Verwaltungsaufwandes eine Baumschutzsatzung erlassen hatten und auch Jahre nach ihrer angeblichen Entlastung von Verwaltungsaufgaben immer noch die wichtige Funktion von Baumschutzsatzungen betonen, dann spricht das doch eine eindeutige Sprache. Das ist auch nur logisch; denn gerade in den städtebaulichen Verdichtungsräumen wächst angesichts der anhaltenden Baukonjunktur die Bedeutung von kommunalem Großgrün. Was machen jetzt die Kommunen, wenn ihnen der Überblick verloren zu gehen droht, weil deutlich weniger Anträge oder Anzeigen auf Baumfällungen eingehen müssen?

Es gibt Kommunen, die ganz aufgegeben haben, weil eine halbe Satzung eben keine volle Schutzwirkung mehr entfalten kann.

Dann gibt es diejenigen, die sich ihrer Verantwortung weiterhin stellen. Sie können mehr beraten, sie können stärker kontrollieren, sie können einzelne Bäume als Naturdenkmal schützen oder Bebauungspläne naturschutzfachlich überarbeiten. Das alles ist Stückwerk. Aber Kommunen, die ihren Einfluss auf die grüne Entwicklung ihrer Stadt behalten wollen, werden dies tun müssen.

Der Verwaltungsaufwand für diese satzungsfreien Baumschutzanstrengungen dürfte mindestens genauso hoch sein, eher noch höher, dazu aber deutlich weniger verbindlich. Die Kosten – gegebenenfalls auch für Nachpflanzungen – tragen die Kommunen jetzt alleine. Saubere Sache!

Der schwarz-gelbe Geniestreich aber war die Genehmigungsfiktion von drei Wochen. In der Praxis, so die Sachverständigen in der Anhörung, bedeutet das eine effektive Prüfzeit von lediglich neun bis zwölf Arbeitstagen für ein rechtssicheres Urteil. In Niesky wäre das alles ja noch machbar. In Dresden aber ist es „der Oberhammer“ – nicht meine Wortwahl, sondern die eines Sachverständigen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition! Es ist sicher nicht leicht, sich zu korrigieren, aber es ist vernünftig und kann so befreiend sein. Auf der Grundlage des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Sie nun wieder eine Chance, sich zu korrigieren.

Meine Kollegin Frau Dr. Pinka hat Ihnen in ihrer Erwiderung zur Gesetzesverabschiedung 2010 ein sehr schönes Zitat des Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker zum Nachdenken mitgegeben, das ich heute, weil es so passend ist, gern noch einmal wiederhole: „Verstand dient der Wahrnehmung der eigenen Interessen. Vernunft ist die Wahrnehmung des Gesamtinteresses.“

Diesem Gesamtinteresse hat Politik zu dienen. Seien Sie also bitte vernünftig. DIE LINKE wird es sein: Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Wolfram Günther, GRÜNE)

Für die SPDFraktion Herr Winkler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will uns mit ihrem Gesetzentwurf wieder in die Lage versetzen, Baumschutzsatzungen zu erlassen, die auf die lokalen Begebenheiten abgestimmt sind, so wie Kollege Günther es hier dargelegt hat.

Ich werde in meinen Ausführungen nicht auf Details des Gesetzentwurfs eingehen, sondern eher eine Erklärung unserer Fraktion dazu abgeben.