Mit dem Aufholprozess, den der Freistaat Sachsen seit der Wiedervereinigung verfolgt hat, haben wir auch Verantwortung für Regionen in der Welt übernommen, auch wenn unser eigener Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist und wir nach wie vor einen Nachholbedarf benennen können. So haben wir aber andererseits doch schon den Punkt erreicht, ab dem man sich gegenüber weniger entwickelten Weltregionen solidarisch zeigen muss.
Die Verpflichtung zur entwicklungspolitischen Zusammenarbeit folgt selbstverständlich auch – ich spreche besonders aus Sicht der CDU-Fraktion – unserem jüdischchristlichen Menschenbild. Wir haben die Verpflichtung, für den Nächsten zu sorgen und den Menschen zu helfen, die sehr weit weg sind. Wir wollen den Menschen helfen, die Bleibeperspektiven in den Heimatländern zu verbessern.
Daher betreibt der Freistaat Sachsen seit 2016 – wenn wir ehrlich sind, schon seit Anfang der Neunzigerjahre – den Vorschlag von Martin Clemens aus der Oberlausitz, der damals gesagt hat: „Wir Sachsen können es uns leisten, eine D-Mark für die Entwicklungshilfe in anderen Staaten zu geben.“ Das wären damals 4 Millionen DM gewesen. Jetzt sind wir auf einem guten Weg, uns wieder in diese
Richtung zu bewegen, wenigstens die 50 Cent pro Einwohner des Freistaates Sachsen zu erreichen, damit wir Menschen in anderen Regionen, die in Not leben, helfen können. Ich glaube, das ist ein guter Weg und auch ein klares Vermächtnis des damaligen Initiators Martin Clemens, der dies auf den Weg gebracht hat.
Die bisherige sächsische Entwicklungszusammenarbeit soll künftig gestärkt und fortgesetzt, aber gleichzeitig kontinuierlich ausgebaut werden. Dafür haben die Regierungsfraktionen im Staatshaushalt Vorsorge getroffen, und der Haushaltsgesetzgeber, der Landtag, hat die Haushaltsansätze für die Entwicklungszusammenarbeit deutlich erhöht.
In den Jahren 2017 und 2018 hatten wir jeweils 400 000 Euro für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung. Im Jahr 2019 sind es 550 000 Euro, und im Jahr 2020 sind es wiederum mehr, also 700 000 Euro. Das ist eine Steigerung, die der Freistaat auch vertragen kann, um den Menschen in anderen Ländern zu helfen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man „Schiemannsche Zahlen“, die Landtagszahlen sind, an denen Sie alle mitgewirkt haben, hier vortragen kann.
Insbesondere die Haushaltsansätze für entwicklungspolitische Maßnahmen im Ausland wurden im Haushalt 2019 gegenüber 2018 mehr als verdoppelt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dabei müssen wir von der Krisenintervention hin zu langfristigen Projekten kommen, die nicht nur akuten Mangel und Hunger bekämpfen, sondern auch nachhaltig dazu beitragen, Ernährungsquellen zu schaffen, staatliche und institutionelle Strukturen zu festigen und eine Demokratie zu ermöglichen, Konflikte zu befrieden und damit den Menschen vor Ort Perspektiven in ihren Heimatländern zu eröffnen.
Entwicklungshilfe, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind keine Almosen, sondern Hilfen zur Selbsthilfe. Fördern und Fordern ist nicht nur ein Grundsatz der aktivierenden Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Dies soll bei der Entwicklungszusammenarbeit der Leitgedanke sein. Ziel ist der Aufbau selbsttragender wirtschaftlicher, administrativer und demokratischer Strukturen, die die Stabilisierung in den Flüchtlingsherkunftsländern sowie die Schaffung eines Bewusstseins für ökonomische, umweltschonende, demokratische und rechtsstaatliche Entwicklungen unter anderen durch Bildungsmaßnahmen ermöglichen.
Die sächsische Entwicklungspolitik richtet sich weiterhin an den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung aus. So erfolgte zwischenzeitlich die Einbindung der entwicklungspolitischen Maßnahmen in die sächsische Nachhaltigkeitsstrategie. Die sächsische Entwicklungszusammenarbeit geht den Schwerpunkt von einer projektbezogenen Förderung aus. Hierbei sollten wir auch künftig nachdenken, was wir an dieser Stelle besser machen können. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die Projekte in Angriff nehmen, auch eine Verantwortung übernehmen, aber gleichsam auch das Recht haben, ihre Lebensplanung darauf auszurichten, sodass wir über Projektförderung
und anderweitige Förderung nachdenken müssen, damit die Aktiven, die sich in den Bereich einbringen, auch eine eigene Lebensplanung besser auf den Weg bringen können.
Die projektbezogene Förderung, vielleicht auch die Förderung, auf die die Menschen ihre Lebensplanung ausrichten können, dient zugleich der Bekämpfung von Fluchtursachen und der Unterstützung von Staaten, die viele Geflüchtete aufnehmen oder aufgenommen haben. Daneben stehen Informations- und Aufklärungsmaßnahmen vor Ort im Freistaat Sachsen. Durch diese soll ein Verständnis für die globalen Prozesse und Herausforderungen erreicht und in dessen Folge das Verständnis für die Notwendigkeit der Entwicklungszusammenarbeit geschaffen werden.
Wir brauchen auch ein Gefühl dafür, was auf die nächsten Generationen zukommt, wenn man jetzt nicht reagiert, sondern nur zuschaut. Das muss auch das Ziel von Bildungs- und Informationsmaßnahmen sein. Das entwicklungspolitische Ziel der Sächsischen Union ist es, den Menschen vor Ort besondere Unterstützung zu geben, damit sie ihre Heimatländer nicht verlassen müssen, damit sie in Frieden und Fairness in ihren Ländern im Nahen Osten oder in Afrika leben können. Dabei sind wir für die vielen, meist ehrenamtlich von sächsischen Vereinen und Organisationen getragenen Projekte der Entwicklungsarbeit sehr dankbar. Dies wollen wir auch weiterhin finanziell unterstützen.
Mein Dank gilt dem Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen, das sich seit vielen, vielen Jahren einen guten Namen in der Entwicklungszusammenarbeit erarbeitet. Danke für die Arbeit vieler, die sich im Freistaat Sachsen seit über 20 Jahren für dieses Thema auch in jenem Netzwerk engagieren –
Mein weiterer Dank gilt vor allem den Partnern der Staatsregierung bzw. des Freistaates bei den bisherigen Projekten im Ausland, etwa dem Deutschen Roten Kreuz mit seinem Projekt zum Aufbau von Selbsthilfekapazitäten für Krisenfälle in Marokko und dem Verein „arche noVa“ für sein Schulprojekt für syrische Flüchtlingskinder im Libanon. Ich gehe davon aus, Herr Staatsminister Schenk – das ist der Ort, den Sie gemeinsam mit Mitgliedern des Landtags besucht haben –, dass Sie sich vor Ort ein Bild machen konnten, wie diese kleine Pflanze der sächsischen Entwicklungshilfe wirken kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch den sächsischen Gemeinden, die eigene Entwicklungsprojekte auf den Weg gebracht haben, möchte ich an dieser Stelle danken. Ich danke den vielen, vielen Initiativen beim Deutschen Roten Kreuz, aber auch der Diakonie, der Caritas, dem Kolpingwerk bis hin zu der Arbeit des THW.
Besonders aber danke ich auch den Kirchen für die vielen, vielen Jahre, in denen sie Entwicklungsarbeit geleistet haben. Stellvertretend nenne ich die Projekte von „Brot für die Welt“ und „Misereor“.
Mit diesem Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir deutlich machen, dass für den Freistaat Sachsen ein neuer Weg eingeschlagen, ein neuer Anfang in der Entwicklungszusammenarbeit gemacht worden ist. Ich bin dem Koalitionspartner sehr dankbar, dass wir diesen Weg mit dem Staatshaushalt neu beschreiten konnten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen hatten sich zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen, erneut in die Entwicklungspolitik einzusteigen. „Erneut“ deswegen, weil wir – Herr Schiemann hat es eben ausgeführt – zu Beginn der Neuerstehung des Freistaates Sachsen in den Neunzigerjahren schon einmal einen Beschluss des Landtags hatten, wonach in Sachsen 1 D-Mark pro Einwohner für Entwicklungshilfe ausgegeben werden sollte. Das ist zu einem späteren Zeitpunkt leider wieder zurückgenommen worden – wohl wegen knapper Kassen, wenn ich das so formulieren darf. Jedenfalls ist die Idee dann erst einmal nicht weiterverfolgt worden.
Bei uns stand die Erkenntnis im Vordergrund, dass Entwicklungszusammenarbeit für die Zukunft der Menschheit in einer gemeinsamen Welt von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das klingt jetzt sehr nach wolkiger Beschreibung, aber ich glaube, dass Entwicklungszusammenarbeit auch eine Aufgabe des Landes, des Freistaates Sachsen, sein muss, wenn man in dieser Welt bestehen will und sich über die Verhältnisse in dieser Welt klarwerden will. Ohne die Kenntnis von Lebensverhältnissen und Bedürfnissen ist es nicht möglich, Verständnis füreinander zu gewinnen, ist es nicht möglich, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wie eine globalisierte Welt menschenwürdig gestaltet werden kann.
Inzwischen sind andere Erwägungen hinzugetreten. Wir müssen feststellen, dass die wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Verhältnisse – Verhältnisse in Bürgerkriegen – unerträgliche Situationen in Ländern der sogenannten Dritten Welt hervorgerufen haben und zu Migration führen, die für viele Menschen in Europa bedrohlich wirkt. Dies motiviert viele Menschen zur Entwicklungszusammenarbeit, die sich sonst weniger dafür interessiert haben. Das ist sicherlich eine Motivation. Wer sich schon lange mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt, weiß, dass es das eigentlich nicht sein kann, sondern dass wir eine kontinuierliche Entwicklungszusammenarbeit brau
chen. Aber wir sollten auch die jetzige Motivationslage natürlich nutzen, um Entwicklungszusammenarbeit
Mit dem Haushalt 2019/2020 hat der Landtag die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit noch einmal deutlich aufgestockt – Herr Schiemann wies eben darauf hin. Wir haben jetzt insgesamt ungefähr 1,2 Millionen Euro für beide Jahre in den Haushalt eingestellt. Ich denke, das ist noch nichts, worüber man jubeln muss, aber man kann damit etwas anfangen. Wir können die Zusammenarbeit weiter ausbauen. Nachdem der Einstieg in einige Projekte funktioniert hat – nicht nur die Förderung vieler kleiner Projekte, sondern auch zweier etwas größerer Projekte, die Herr Schiemann schon beschrieben hat –, kann man an dieser Stelle jetzt weiterarbeiten. Vor allem kann man die Projektarbeit konkreter ausrichten.
Wir wollen Projekte dafür nutzen, auch mehr Kontakte zu Gebietskörperschaften, zu Gemeinden und Städten in den Partnerländern zu gewinnen. Wir wollen Partnerschaften aufbauen, soweit das möglich ist. Uns schwebt mittelfristig vor, solche Zusammenarbeit auf die kommunale Ebene, auf Städte und Gemeinden, auf Schulen und Berufsschulen, auf Universitäten und Fachhochschulen auszudehnen.
Das klingt jetzt vielleicht ungewöhnlich, aber so etwas gibt es. Rheinland-Pfalz hat das Partnerland Ruanda, Nordrhein-Westfalen hat, glaube ich, das Partnerland Ghana, wenn ich nicht irre. Dort funktioniert eine solche Zusammenarbeit und führt dazu, dass man durch Kontakte auf all diesen Ebenen Verständnis füreinander entwickelt und verlässliche, vertrauensvolle Strukturen schafft, die zu einer echten Entwicklungszusammenarbeit beitragen können.
Denkbar sind Forschungskooperationen, neue Formen von Landwirtschaft, Beherrschung von Flussläufen, Stabilisierung von Grundwasser, aber auch Landschaftsentwicklung, Siedlungsentwicklung, Infrastruktur – alles Stichworte, die bei uns eine Rolle spielen, aber natürlich auch in den Partnerländern, weshalb eine Zusammenarbeit für beide Seiten ausgesprochen fruchtbar sein kann.
Dafür brauchen wir auch weiterhin die Mitarbeit ehrenamtlicher Helfer und Organisationen, deren Arbeit ich noch einmal ausdrücklich würdigen möchte. Gerade die Ehrenamtlichen, die sich aus Überzeugung und Idealismus engagieren, verdienen, wie ich glaube, unseren uneingeschränkten Beifall.
Meine Damen und Herren! Große Ziele, viele Ideen. Anfangen wollen wir mit sehr konkreten Projekten in konkreten Ländern, die noch ausgewählt werden sollen. Es geht um das Definieren von Zielen, um deren Erreichung und um eine Erfolgskontrolle. Es muss nachvollziehbar bleiben, was mit den eingesetzten Mitteln geschieht, damit sie möglichst effektiv eingesetzt werden und möglichst viel Wirkung erzielen.
Ich glaube, das ist ein guter Weg, an dem sich gerade auch der Freistaat Sachsen beteiligen kann. Deswegen bitte ich auf diesem Weg um Ihre Unterstützung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie lassen mich mit dem vorliegenden Antrag in gewisser Weise doch etwas ratlos zurück.
Ja, da will ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Wissen Sie, das alles, was Sie hier in Ihren Ausführungen diskutieren, ist richtig und wichtig.
Aber wieso diskutieren Sie das nicht mit uns in den zuständigen Ausschüssen? Warum diskutieren wir die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit nicht im Europaausschuss? Warum überlegen wir uns das im Ausschuss nicht gemeinsam? Wie haben Sie es im Antrag formuliert, hinten auf der letzten Seite? Warum prüfen wir im Ausschuss nicht zusammen, „inwieweit entwicklungspolitische Leitlinien als Programmsätze für einen Orientierungs- und Werterahmen“ dienen könnten? Warum nicht? Dort gehört es hin.
Aber die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion ziehen es vor, einen Antrag vorzulegen, der mit den Schaufensteranträgen innewohnenden Allgemeinplätzen
in mehr oder weniger grober Form dahinplätschert. Das muss ich an dieser Stelle einmal ehrlich sagen.