Protocol of the Session on January 30, 2019

Auch wir in Deutschland haben gar nicht mehr so viele Reserven, wie man uns offiziell glauben machen will. Wir haben nicht die Kraft, verfehlte EU-Politik durch Geldtransfers von deutscher Seite auszugleichen. Wir haben auch nichts mehr zu verschenken. Wir können auch nicht mehr hinnehmen, dass wir durch die aufgezwungene Bürokratie aus Brüssel weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Wir von der AfD fordern daher, dass die EU und ihre wirtschaftspolitischen Hausrezepte auf den Prüfstand gestellt werden. Und da muss schnell eine Lösung her. Als Sofortmaßnahme fordern wir eine glasklare Strategie zum EU-Beihilferecht.

Das Beihilferecht ist weiter zu vereinfachen und von bürokratischen Regeln zu entrümpeln. Mit unserem Antrag verfolgen wir das Ziel, dass der Freistaat Sachsen alle seine Möglichkeiten nutzt, um auf diesem Weg weiter voranzukommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung. Es liegt ein Änderungsantrag der einbringenden Fraktion vor. Herr Kollege Beger hatte schon in seinem ersten Redebeitrag darauf Bezug genommen. Soll er dennoch noch einmal eingebracht werden,

(André Barth, AfD: Nein!)

Herr Kollege Beger?

(André Wendt, AfD: Ist eingebracht! – Mario Beger, AfD: Ich habe ihn schon eingebracht!)

Ist eingebracht. Gut. – Dann können wir darüber abstimmen. Ich stelle zur Abstimmung die Drucksache 6/16503. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 6/11081. Wer dieser Drucksache zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist auch diese Drucksache mehrheitlich abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 9

Praktisches Jahr nicht zum Null-Tarif – Medizinstudium attraktiver machen

Drucksache 6/15390, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD; Staatsregierung, wenn gewünscht, und dazu noch Frau Dr. Muster.

Wir treten in die Aussprache ein. Ich erteile der einbringenden Fraktion, vertreten durch Frau Dr. Maicher, das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Um Medizinstudenten in Sachsen zu halten, ist die Vergütung des praktischen Jahrs im Wettbewerb mit anderen Ländern ein wichtiger Aspekt.“ Dieses Zitat stammt nicht von mir, nein, es stammt aus dem neuesten Newsletter der sächsischen Sozialministerin Frau Klepsch. Das sind ganz neue Töne aus den Reihen der Staatsregierung, nachdem wir GRÜNE im November diesen Antrag hier vorgelegt haben.

Noch im Dezember klang es bei der sächsischen Wissenschaftsministerin Frau Dr. Stange ganz anders. In ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag schrieb sie, dass sie zwar keine Ahnung habe, wie Teilnehmende des PJs ihren Lebensunterhalt finanzierten, aber eine flächendeckende Vergütung schon allein deshalb ein Problem wäre, weil dann den Lehrkrankenhäusern im ländlichen Raum die Leute ausgehen könnten. Auf Missstände mit Missständen zu reagieren, das ist eine falsche politische Lösungsstrategie, Frau Ministerin Stange.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit unserem Antrag für eine faire Vergütung und für bessere Bedingungen im praktischen Jahr schlagen wir konkrete Verbesserungen vor. Davon profitieren nicht nur die Medizinstudierenden, sondern auch die Menschen in Sachsen, die eine ordentliche Versorgung mit gut ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten brauchen.

Wir können uns das Risiko eben nicht leisten, dass fast fertige Medizinerinnen und Mediziner auf den letzten Metern ihrer Ausbildung abwandern.

Das praktische Jahr bildet den Abschluss des Medizinstudiums, in dem Studierende an Universitätskliniken, aber eben auch an Lehrkrankenhäusern und in Lehrpraxen das theoretisch Gelernte nun mit einem Jahr Praxis ergänzen.

Das gibt es auch in anderen Studienrichtungen. Angehende Lehrerinnen und Lehrer sowie Juristinnen und Juristen zum Beispiel haben auch ein bis zwei Jahre Praxispflicht. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass beim Referendariat die Vergütung klar geregelt ist.

Davon können die Medizinstudierenden nur träumen. Die Approbationsordnung, in der bundesweit das praktische Jahr geregelt ist, sieht für eine Vergütung nur einen Höchstsatz vor. Mindestvergütungen fehlen darin völlig. Deshalb ist auch die Skala nach unten hin offen.

Wenn wir jetzt einmal für Sachsen schauen – ich habe es abgefragt –, dann liegt die Vergütung eben zu oft bei null. Insbesondere die sächsischen Universitätskliniken, an denen auch besonders viele das PJ absolvieren, zahlen meist gar nichts oder nur einige wenige Kliniken.

Das müssen wir uns vor Augen halten: Es arbeiten Studierende ein Jahr in Vollzeit und bekommen null Euro dafür. Auch BAföG bekommen eben viele in dieser Zeit nicht mehr. Wir werden diese Debatte morgen früh auch hier haben.

Wenn man dann noch weiß, dass zum Beispiel an der Universitätsklinik in Thüringen das praktische Jahr vergütet wird, dann wird eben klar, dass die Gefahr des Abwanderns sehr hoch ist. Dann reden wir nicht über eine Konkurrenz zwischen Universitätskliniken und Lehrkrankenhäusern, sondern über die Konkurrenz zu unseren Nachbarländern. Das wollen wir GRÜNE nicht einfach so weiterlaufen lassen. Deswegen jetzt dieser Antrag.

Wir haben uns gefragt: Was können wir eigentlich hier in Sachsen anpacken? Es gibt eine ganze Menge. Die Staatsregierung muss mit den sächsischen Unikliniken Vereinbarungen abschließen, dass das PJ flächendeckend vergütet wird, und zwar mit dem Höchstsatz, den die Approbationsordnung derzeit erlaubt.

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Und wer finanziert das?)

Das dafür notwendige Geld muss den Universitätskliniken natürlich zur Verfügung gestellt werden, aber das ist auch möglich.

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Ach so!)

Ich verweise zum Beispiel auf die vielen Millionen Euro, die seit Jahren von den sogenannten BAföG-Mitteln nicht ausgegeben werden können.

(Aline Fiedler, CDU: Was?)

Es geht uns – um das auch hierzu sagen – aber nicht nur um die Tertiale, die im praktischen Jahr an den Universitätskliniken gemacht werden, nein, auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen ist gefordert, angehende Ärzte mehr als bisher im praktischen Jahr zu unterstützen, damit eben überall im Land und nicht nur an den Unikliniken faire Bedingungen für die Medizinstudierenden herrschen.

Die KVS hat sicherzustellen, dass die fachärztliche Versorgung in Sachsen abgedeckt ist. Es ist deshalb auch in ihrem Interesse, ihre zukünftigen Kolleginnen und Kollegen in Sachsen zu halten. Aktuell sind die Zuschüsse für Studierende, die in einer Arztpraxis ihr praktisches Jahr im Bereich Allgemeinmedizin absolvieren, laut Aussage des Wissenschaftsministeriums auf 90 000 Euro jährlich begrenzt. Die Nachfrage steigt stetig. Die Mittel werden immer voll ausgeschöpft.

Ich fordere Frau Klepsch, die Sozialministerin, auf, das Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigungen zu suchen, um Wege zu finden, wie in Zukunft mehr Studierende von einem solchen Zuschuss und eben auch an den Lehrkrankenhäusern und Lehrpraxen die PJler davon profitieren können.

Bei der Vergütung kann Sachsen also ganz selbstständig vorangehen und eine Vorbildfunktion einnehmen. Dabei müssen Sie nicht auf den Bund schauen oder warten.

Bei der anderen Baustelle, die auch Thema in unserem Antrag ist, brauchen wir die Unterstützung der anderen Länder. Es geht tatsächlich um die bundesweite Approbationsordnung zum Beispiel im Bereich Fehltage. Erlaubt sind nach der Approbationsordnung insgesamt nur 30 Tage im gesamten praktischen Jahr, 30 Tage, die alles abdecken müssen: Krankheit, Urlaub, unerwartete Ereignisse, die jeder von uns auch kennt, und eben auch Prüfungsvorbereitungszeiten. Zum Vergleich: Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf sechs Wochen Krankschreibung unter Lohnfortzahlung plus Urlaubsanspruch.

Sie werden jetzt sagen – ja, ich weiß es auch –, das PJ ist eben Teil des Studiums. Die Medizinstudierenden arbeiten aber eben ein ganzes Jahr lang in Vollzeit. Das müssen wir auch berücksichtigen. Deshalb schlagen wir vor, dass die Approbationsordnung überarbeitet und zusätzlich zu den 30 möglichen Fehltagen auch der gesetzliche Urlaubsanspruch verankert wird.

Ein letzter Punkt, der aus unserer Sicht wichtig ist: Wir brauchen in Sachsen einen fundierten, regelmäßig fortzuschreibenden Überblick über den Verbleib der Medizinstudierenden nach ihrem Abschluss. Das ist für die Versorgung aller Menschen in Sachsen entscheidend. Wir wollen mit einem solchen Monitoring auch herausfinden, ob die Maßnahmen, die wir hier besprechen, dazu führen, dass Medizinstudierende hierbleiben und die Attraktivität tatsächlich gesteigert wird, ob zum Beispiel eine höhere Vergütung im praktischen Jahr Wirkung zeigt und mehr Menschen hier im Freistaat tätig bleiben. Das Monitoring soll auch Klarheit darüber schaffen, welche Ursachen vielleicht dem Nichtverbleib zugrundeliegen.

Wir haben diesen Antrag im Vorfeld mit vielen besprochen. Wir haben sehr viel Zuspruch von den Betroffenen und auch von den Fachkräften erhalten. Der bundesweite Protesttag der Medizinstudierenden hat auch hier vor dem Landtag die Brisanz des Themas noch einmal sehr deutlich unterstrichen.

Wir können heute hier im Landtag tatsächlich etwas dafür tun, dass diese Bedingungen attraktiver werden. Es wird sich zeigen, ob das Umdenken der Staatsregierung und bei Ihnen, den Koalitionsfraktionen aus CDU und SPD, wirklich so weit gediehen ist, wie es auch Frau Klepsch glauben machen möchte. Wir würden das sehr begrüßen und bitten deshalb darum, unserem Antrag im Interesse der Medizinstudierenden und der Menschen, die gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte hier in Sachsen brauchen, zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach der einbringenden Fraktion spricht jetzt für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Fiedler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns einig, das Medizinstudium bedarf an verschiedenen Stellen einer Reformierung, beispielsweise beim Auswahlverfahren und beim Zulassungssystem, einer besseren Abstimmung und Orientierung der Studien- und Prüfungsinhalte. Inhaltlich muss es auf die Herausforderungen, die mit dem demografischen Wandel verbunden sind, vorbereiten und die Möglichkeiten der Digitalisierung aufzeigen. Außerdem ist stets die Balance von Wissenschaftlichkeit und Praxisorientierung zu beachten.

Es gibt also eine Vielzahl von Parametern, die das Medizinstudium attraktiver machen können, auf die Sie in Ihrem Antrag, liebe Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber nur sehr wenig eingehen. Sie legen den Schwerpunkt auf die Bezahlung im Praktischen Jahr. Wir haben es gerade gehört.

Also, schauen wir uns das Praktische Jahr einmal genauer an. Es ist die unverzichtbare Schnittstelle, Frau Maicher, da haben Sie recht, zwischen dem theoretischen Studium und praktischer ärztlicher Tätigkeit. Es soll die jungen Ärzte auf ihre außerordentlich verantwortungsvolle spätere Tätigkeit vorbereiten. Irgendwie sind sich auch alle einig – Bundesärztekammer, Marburger Bund, Hartmannbund und die Landesärztekammer –, die Arbeits- und Studienbedingungen im Praktischen Jahr zu verbessern. Doch dazu gehört eben auch mehr als die Bezahlung. Zu Vorschlägen über feste Ansprechpartner oder klar definierte Aufgaben lese ich in Ihrem Antrag wenig.

Kehren wir zurück zur Bezahlung, auf die Sie einen Schwerpunkt legen. Der Hartmannbund hat für Medizinstudenten und Interessierte eine öffentliche Liste erstellt, die einen Überblick über die Bezahlung im Praktischen Jahr in den über 700 Lehrkrankenhäusern in ganz Deutschland gibt. Diese ist im Internet abrufbar. Es lohnt sich, da einmal genauer hinzuschauen. So gibt es in fast allen Bundesländern, auch in denen, wo die GRÜNEN Teil der Regierung sind, Krankenhäuser, die keine Vergütung zahlen, beispielsweise Uniklinika in SchleswigHolstein oder Krankenhäuser in Hamburg und Rheinland