Protocol of the Session on December 11, 2018

Dennoch – obwohl Europa kurz vor dem Auseinanderbrechen steht – wollen Sie von CDU und SPD weitere Projekte vorantreiben. Sie wollen eine Sozialunion, einen gemeinsamen europäischen Haushalt und nun sogar eine europäische Armee, die den europäischen Staaten die letzte Souveränität nehmen soll.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Glauben Sie tatsächlich, dass das große Frankreich oder das stolze Großbritannien, das aus der EU austreten wird, ihre Souveränität auf dem Altar der Zentralisierung opfern werden? Glauben Sie wirklich, dass die europäischen Staaten, von denen jetzt schon viele mit der Politik des EU-Parlaments hadern, eine europäische Regierung, die Voraussetzung für eine europäische Armee wäre, akzeptieren würden?

(Zuruf der Abg. Christine Clauß, CDU)

Glauben Sie wirklich, dass sich national orientierte Verteidigungsstrukturen, Traditionen, verschiedene

Weltbilder und Mentalitäten, unterschiedliche Positionen in der Außenpolitik, eigene nationale Interessen sowie gesetzliche und parlamentarische Vorgaben der EUMitgliedsländer so einfach über Bord werfen lassen? Glauben Sie wirklich, dass die einzelnen Staaten ihre sicherheitspolitische Hoheit in fremde Hände geben werden?

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Das wird die Masse der europäischen Staaten eben nicht tun.

(Zuruf der Abg. Christine Clauß, CDU)

Auch wir als AfD-Fraktion werden uns gegen den Ausverkauf unserer Souveränität und unserer Errungenschaften zur Wehr setzen.

(Patrick Schreiber, CDU: Er hat es nicht verstanden!)

Innere Führung, Soldaten- und Soldatenbeteiligungsgesetz sowie Auftragstaktik sind einmalig in Europa und auf der Welt. Ein Rütteln an diesen, unseren Werten werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der AfD)

Sie wollen eine europäische Armee, obwohl die Bundesregierungen der letzten Jahre nicht einmal in der Lage waren, die Bundeswehr einsatzbereit zu halten.

(Beifall bei der AfD)

Sie wollen eine europäische Armee, obwohl wir bereits Mitglied in der NATO und von einer europäischen Kommandostruktur Lichtjahre entfernt sind. Sie wollen eine europäische Armee, obwohl Europa nicht einmal in der Lage ist, Frontex mit effektiven Strukturen, Ausrüstung und Personal auszustatten sowie ein gemeinsames Vorgehen zu gewährleisten.

(Beifall bei der AfD)

„Nie wieder Krieg in Europa“ muss uns Verpflichtung sein. Dazu benötigt man aber weder den Euro noch eine europäische Armee. Es bedarf eines freundschaftlichen, auch militärischen Austauschs auf Augenhöhe, der zuerst die nationalen Interessen der einzelnen Staaten berücksichtigt, ohne aber Europa – dazu gehört nun einmal auch Russland – aus dem Blick zu verlieren.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU – Carsten Hütter, AfD: Herr Schreiber, Sie verstehen es einfach nicht!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächste in der Rednerrunde kommt jetzt die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu Wort. Bitte Frau Kollegin Schubert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Befassen wir uns also hier im Landtag mit europäischer Verteidigungspolitik, und tun wir mal so, lieber Herr Kollege Stange, als ob die LINKE mit dem Zitat aus der Präambel unserer Sächsischen Verfassung den landespolitischen Bezug hergestellt hat.

Mit dem Maastrichter Vertrag ist bereits die Frage einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zwangsläufig wieder auf die Agenda gekommen, denn sobald der gemeinsame Wille gegeben war, eine Europäische Union als politische Einheit zu bilden, also nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft, war es logisch, dass diese Einheit auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik benötigt.

Aktuelle Befürchtungen, es könne gleich eine Militärunion geben, machen sich unter anderem an der Möglichkeit der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ – auch bekannt unter der englischsprachigen Abkürzung PESCO – fest. Kollege Meyer ist darauf kurz eingegangen.

Diese Ständige Strukturierte Zusammenarbeit sieht aber bereits der Vertrag von Lissabon vor. Sie kommt jetzt nur zeitverzögert. Sie wurde durch den Europäischen Rat im November 2017 in Gang gesetzt, also acht Jahre nach dem Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages. An PESCO nehmen 25 der 28 Mitgliedsstaaten teil. Dafür sprechen besonders die Einsparpotenziale, die sich zum Beispiel in der Technologieentwicklung und Beschaffung zeigen,

wenn nicht jeder Staat seine eigenen Waffensysteme betreibt. Das wurde schon angesprochen.

Allerdings sind wir noch sehr weit von der Bildung einer europäischen Armee entfernt. Unabhängig davon, wie man zu dieser Frage steht, sollte man aber nicht so tun, als ob sie kurz vor der Verwirklichung stünde. Es bleibt aus deutscher Perspektive dabei, dass im Verteidigungsfall die NATO aktiv werden würde. Wenn auch die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit grundsätzlich befürwortet werden kann, sind es die konkreten Projekte, die PESCO zusammenfasst, welche kritisch gewürdigt werden müssen. Auch wenn eine Aktuelle Debatte im Sächsischen Landtag vielleicht nicht der geeignetste Rahmen ist, darüber im Einzelnen zu sprechen, ist es trotzdem sinnvoll, darüber nachzudenken: beispielsweise über das Thema gemeinsame Europäische Sanitätskommandos.

Ziel muss es sein, die Einsparpotenziale zu nutzen, um die Rüstungsausgaben in Europa insgesamt zu senken. Deshalb sehen wir GRÜNE den Europäischen Verteidigungsfonds, den die EU plant, kritisch. Ein solcher Fonds sollte aus Mitteln gespeist werden, die durch die Zusammenarbeit zwischen den Staaten eingespart werden können, anstatt zusätzliche Mittel bereitzustellen.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kommission in den Jahren von 2021 bis 2027 über 13 Milliarden Euro in diesen Fonds einstellen und darüber verfügen will, ohne dass dies einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen würde; wobei ich mit „parlamentarischer Kontrolle“ natürlich nicht den Sächsischen Landtag, sondern das Europäische Parlament meine.

Wir GRÜNEN befürworten ausdrücklich die Stärkung des Europäischen Parlaments, so auch in Fragen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hier erweist sich wieder einmal, dass eine Vertiefung der Europäischen Union insbesondere ihre Demokratisierung bedeuten muss. So setzt eine verbesserte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik voraus, dass es eine bessere demokratische Legitimation gibt.

Deshalb ist auch eine Parallelstruktur, wie die jüngst ins Leben gerufene Europäische Interventionsinitiative mit aktuell zehn Mitgliedsstaaten, abzulehnen. Auch diese Initiative, der bemerkenswerterweise auch Großbritannien angehört, wird von vielen als Schritt in Richtung europäische Armee angesehen. Mir scheint sie aber vielmehr ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass eine echte gemeinsame europäische Strategie noch fehlt.

Für das, was man „europäische Armee“ nennt, fehlen immer noch die praktischen, genauso wie die normativen Voraussetzungen. Die Staaten werden sich nicht in absehbarer Zeit von ihrer Souveränität in militärischen Fragen verabschieden. Es fehlt aber auch die Voraussetzung dafür, dass eine europäische Armee eine Parlamentsarmee, wie heute die Bundeswehr, wäre. Zusammen mit der Stärkung der zivilen Krisenprävention wäre dies aber eine entscheidende Voraussetzung für eine echte gemeinsame europäische Sicherheitspolitik.

In diesen vorweihnachtlichen Tagen tritt das Ziel, was das Eigentliche ist, vor unser aller Augen, nämlich Frieden in der Welt zu schaffen.

Hier haben wir als Deutsche und als Europäerinnen und Europäer eine besondere Verantwortung, an die ich abschließend erinnern möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin bitte ich Frau Kollegin Dr. Petry ans Pult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe LINKE, es ist gar nicht klar, was Sie mit dieser Debatte eigentlich wollen: Wollen Sie eine Absage an eine europäische Militärunion oder doch nicht, wenn dafür nationale Armeen aufgelöst werden? Diese Antwort sind Sie dem Plenum schuldig geblieben.

Richtig ist – und Frau Schubert hat daran erinnert –: Wir wünschen uns alle eine friedliche Welt ohne Waffen, aber sind realistisch genug, um zu wissen, dass Demokratie und Freiheit zu allen Zeiten immer auch militärisch verteidigt werden mussten, und das hat sich nicht geändert.

In Deutschland gibt es eine recht einmalige Konstruktion einer parlamentarisch kontrollierten Armee. Zu glauben, dass eine Europäisierung dieses Unikum erhalten würde, ist ebenfalls unrealistisch.

So muss man einfach konstatieren, dass Macrons Idee einer europäischen Armee nicht zufällig vorgetragen wird in einer Situation mit großen gesellschaftlichen und finanziellen Problemen Frankreichs und der gesamten Europäischen Union. Aktuell ist die Umsetzung unrealistisch und sie ist wohl eher eine rhetorische Retourkutsche in Richtung der Vereinigten Staaten und Präsident Trump. Kein Grund, aus Deutschland dieser Idee sofort zuzustimmen.

Wir sollten ehrlicherweise auch zugeben, dass es in Europa nach wie vor trotz vieler Gemeinsamkeiten sehr unterschiedliche militärische Interessen gibt. Wie man glauben kann, dass sich diese lange historisch gewachsenen Unterschiede und Interessen in einer gemeinsamen Armee zudecken lassen, muss man den Bürgern erst einmal erklären.

Deswegen zurück zu realer Politik! Stärkung der eigenen Kraft und Demokratie ist der bessere Schutz für Frieden, den wir haben können und den wir weiter vorantreiben sollten.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir eröffnen jetzt eine zweite Rederunde. Wie bereits angekündigt, ergreift für die einbringende Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Stange das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke

Ihnen zunächst für die erste Runde. Natürlich kann man in fünf Minuten nicht alles unterbringen, was man sagen möchte. Lassen Sie mich aber eines sagen: Wer so tut, als seien wir in den friedlichsten Zeiten angelangt, der irrt ganz gehörig.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das hat doch keiner gesagt!)

Wenn man sich allein die neue SIPRI-Studie des Friedensforschungsinstituts aus Schweden/Stockholm ansieht und wirklich nur ein paar Zahlen nebeneinanderlegt, dann wird man sehr wohl erkennen können, was wir derzeit erleben, meine Damen und Herren: Die Rüstungsausgaben – Kollege Baumann-Hasske hat darauf hingewiesen – explodieren regelrecht, natürlich nicht nur in Europa. Allein in Westeuropa werden 245 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgegeben. Die USA haben einen Militärhaushalt mit 700 Milliarden Euro beschlossen. Dagegen steht der Verteidigungshaushalt Russlands mit

66 Milliarden Euro einigermaßen bescheiden da.

Ich will es deshalb gegenüberstellen, weil die Idee der gemeinsamen europäischen Armee genau in der Diktion vorgeschlagen wird, die sich gegen eine Partnerschaft mit Russland richtet. Damit geht es in die Kontinuität der Entwicklung seit 2001 hinein. Damals – das haben wir schon einmal hier im Hohen Hause diskutiert – hat der damalige und jetzige Präsident Russlands, Wladimir Putin, vorgeschlagen, eine strategische Partnerschaft unter Einbindung Russlands zu entwickeln, die alle Bereiche umfasst und damit tatsächlich eine echte Initiative für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Europa geworden wäre – für Abrüstung und für Frieden.