Protocol of the Session on December 11, 2018

Kennen Sie die Änderungsanträge? – Ich kenne sie nicht. Kollege Lehmann hatte vor Monaten zugesagt, diesen Berichten die Änderungsanträge beizufügen, sodass sich in gewisser Weise erschließen konnte, was er denn da treibt oder nicht treibt, wobei er zustimmt oder nicht zustimmt. Das ist alles nichts geworden – interessant! Die geneigten Leserinnen und Leser werden mit den Erfolgen des Helden der Geschichte konfrontiert, allerdings erhalten sie keinerlei Erläuterungen oder einen Quellennach

weis oder ein Glossar, an dem sie ohne besondere oder vor allem anderweitige Rechercheanstrengungen erkennen und verstehen können, worum es denn inhaltlich ging.

Ganz offenbar wollen die Autorinnen und Autoren den Spannungsbogen bis zum 16. Halbjahresbericht aufrechterhalten. Allerdings – das zeigen die 14 vorherigen Auflagen des Halbjahresberichts – werden somit nur unerfüllte Erwartungen genährt. Es wird lang und breit über die behandelte Tagesordnung des AdR-Plenums berichtet. Das sind Informationen, die jedermann über die Website des AdR zugänglich sind. Wenn man aber erfahren will, zu welchen speziellen Themen der Vertreter Sachsens mit Anträgen versucht hat, Einfluss zu nehmen, dann herrscht verweisende Stille.

Dieser Stil ist symptomatisch für die aus unserer Sicht wahrgenommene Rolle des sächsischen Vertreters im AdR. Er verhält sich ausschließlich als Erfüllungsgehilfe von Regierungsaufträgen, von denen zumindest der Landtag offiziell kaum etwas erfährt, ganz zu schweigen von einer möglichen Einbeziehung im Vorfeld. Der AdR wird von der Staatsregierung offenbar immer noch als zahnloser Tiger betrachtet – Kollege Baumann-Hasske hat das bereits erörtert –, den man pflichtschuldig bedient. Die Vorstellung, dass der AdR – Kollegin Maicher, damit bin ich völlig bei Ihnen – dennoch eine durchaus effektive Plattform bietet, neben der Einbringung eigener Interessen auch Einfluss auf die laufende EU-Politik zu nehmen, scheint der Staatsregierung fremd zu sein. Zum Beispiel könnte über den AdR Timmermanns Frage, welche Kompetenzen man denn nun zurückgeben sollte, endlich beantwortet werden: so oder so.

(Harald Baumann-Hasske, SPD: Es gibt doch keine!)

Ach! – Oder aber man könnte über eine Erweiterung und eine Umgestaltung der Rolle des AdR miteinander diskutieren.

Auf die bisher von der Staatsregierung mithilfe des Abg. Lehmann betriebene Weise der Beteiligung am AdR wird kein Beitrag zur Schließung der eingangs beschriebenen Kluft zwischen EU und Region zu leisten sein. Mit unserem Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, über neue und effektivere Formen der Interessenvertretung nachzudenken. Dazu könnten auch neue, zeitgemäße Ideen von Internetdemokratie entwickelt werden. Warum wird von der Staatsregierung nicht die Einrichtung eines Internetportals geprüft, auf dem ausgewählte und für Sachsen bedeutsame Entscheidungsprozesse dargestellt werden, die neben der Informationsvermittlung im Format der konsultativen Einbeziehung die Mitwirkung von Interessenvertretern in Sachsen ermöglicht?

Herr Staatsminister, wir haben gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern über Europa diskutiert. Dabei sind viele Fragen diskutiert worden. Es gibt ein großes Interesse an Europa. Es gibt großes Interesse mitzuwirken. Es gibt großes Interesse, Wünsche und Vorstellungen zu Europa

mitzuteilen. Das wäre eine Möglichkeit, dies endlich in die Tat umzusetzen.

Warum werden derartige interaktive Kommunikationsformen nicht zielgruppenorientiert gestaltet? Im Transparenzregister der Kommission lässt sich eine Vielzahl von Vertreterinnen und Vertretern aus Sachsen finden, die sich bereits eigenständig auf den Weg nach Brüssel gemacht haben. Synergieeffekte des Austausches zwischen den Beteiligten versprechen größeren Einfluss auf bestimmte Entscheidungsvorgänge, als wenn sie lediglich von Einzelnen vorgetragen werden. Der Verweis auf bestehende Plattformen der EU-Ebene ist hierbei nicht besonders hilfreich, da es eine Illusion ist zu glauben, die EUPortale könnten ohne Weiteres nach regional relevanten Vorgängen abgesucht werden.

Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass es eine besondere Widersinnigkeit ist – das habe ich zwar schon gesagt, aber zur Verfestigung; das ist ja die Mutter der Weisheit –, dass ein Mitglied des Landtages als die Staatsregierung kontrollierendes Verfassungsorgan nun im Auftrag dieser Staatsregierung diesen Ausschuss der Regionen vertritt. Das muss beendet werden und vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, dass es in der Geschichte des Freistaates Sachsen bisher zweimal der Fall gewesen ist, dass die Staatsregierung ein Mitglied des Landtages zum Vertreter des Freistaates Sachsen ernannt hat.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Der verstorbene Abg. Adler hat auf Ernennung durch die Staatsregierung den Freistaat als Mitglied vertreten.

Jetzt ist es unser geschätzter Kollege, den ich erst mehrfach genannt habe.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Sächsische Verfassung eine Regel enthält, das ist der Artikel 65 Abs. 1: „Der Ministerpräsident vertritt das Land nach außen.“ Es ist ausschließliche Kompetenz des Ministerpräsidenten zu entscheiden, wer den Freistaat Sachsen auch im Ausschuss der Regionen vertritt. Da gibt es kein Wenn und Aber – auch die Linksfraktion hat sich der Verfassung unterzuordnen.

(Beifall bei der CDU – Enrico Stange, DIE LINKE: Das ist im Auftrag der Regionen! – Marko Schiemann, CDU: Ihr habt es immer noch nicht verstanden – lest die Verfassung!)

Verehrte Abgeordnete! Wenn es noch Gesprächsbedarf gibt, bitte ich die

Fraktion das anzuzeigen und nach vorn zu kommen. – Das sieht nicht so aus. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Herr Minister, bitte.

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst freut es mich, dass wir heute wieder eine Europadebatte führen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Weil wir sie beantragt haben!)

Das ist wichtig, weil wir alle sehen und spüren, wie sehr Europafragen uns auch im Freistaat beschäftigen. Wir haben gemeinsam in den letzten Tagen und Wochen immer wieder Diskussionsveranstaltungen gehabt, gerade in Schulen mit jungen Menschen, wo viele Fragen an uns adressiert worden sind. Deshalb ist es gut, dass wir uns regelmäßig mit diesen Fragen beschäftigen und wir eingebunden sind in Diskussionsprozesse und auch Institutionen, die für Europa stehen.

Eine dieser Institutionen ist der AdR, und gerade im Ausschuss der Regionen finden ja die Regionen und Kommunen einen unmittelbaren Zugang zu den Organen der EU. Das Gremium stellt damit die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedsstaaten in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Das ist wichtig, ja, es ist sogar zentral für die Akzeptanz der Arbeit der EU.

Wie wichtig das ist, zeigt die Arbeit derjenigen, die uns hier vertreten. Der eine, der schon genannt worden ist, ist Heinz Lehmann, der seine Funktion nutzt, um Sachsens Belange in Brüssel zu Gehör zu bringen und ihnen Gewicht zu verleihen. Das sind nicht immer die Themen, die auf der Seite 1 der Zeitung stehen. Da geht es um europäische Industriepolitik, um Rohstoffe oder um Mikroelektronik. Das sind genau die Themen, über die wir uns am Ende wundern: wenn eine Richtlinie, eine Verordnung kommt, die vorher im „Maschinenraum“ Brüssels hätte diskutiert und mit richtigen Positionen versehen werden müssen, damit sie in unserem Interesse sind. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass wir uns hier vernünftig einbringen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Es gibt einen zweiten sächsischen Vertreter im AdR, der heute noch gar nicht genannt worden ist: den Landrat Lange aus Görlitz. Er vertritt den Deutschen Landkreistag und damit die deutschen Kreise im AdR. Das tut er sicherlich auch immer ein bisschen mit einer sächsischen Brille. Durch diese bewusst lokale und regionale Besetzung des Beratenden Ausschusses ist gewährleistet, dass nationale Delegationen ihren Standpunkt zur Politik der Europäischen Union einbringen können und dass regionale und lokale Identitäten, Interessen und Rechte Gehör finden und respektiert werden.

Der Ausschuss muss – das hat sich in den letzten Jahren verändert – in bestimmten Bereichen auch zwingend angehört werden. Dazu zählt die Regionalpolitik, Um

welt, Bildung und Verkehr, um einige Beispiele zu nennen.

Eines ist mir wichtig – und damit möchte ich auf den hier beratenen Antrag eingehen –: Der AdR selbst wird nicht gewählt, jedoch sind die 350 Mitglieder entweder gewählte Vertreter einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft oder gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich. Das Mandatsverhältnis gibt den AdR-Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit und zum allgemeinen Wohl der Union auszuüben. Die 24 Sitze, die Deutschland im AdR einnimmt, repräsentieren jedes der 16 Bundesländer. Hinzu kommen weitere fünf nach den Kriterien der Bevölkerungszahl rotierende Sitze. Unsere drei kommunalen Spitzenverbände – der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag – runden die deutsche Delegation ab.

Alle Mitglieder des Ausschusses sind Vertreter regionaler und lokaler Gebietskörperschaften, das heißt unmittelbar gewählte Vertreter eines regionalen Parlaments oder Vertreter einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft, die gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sind. Ich stelle also fest, sie sind unmittelbar oder mittelbar an ein Mandat, eine Versammlung oder ein Parlament gekoppelt. Die demokratische Legitimation ist demnach als Voraussetzung zu sehen – also jene demokratische Herleitung, die immer mal wieder gern mit viel Donnerhall in Abrede gestellt wird, wenn es um die EU geht.

Insoweit ist zumindest festzuhalten, dass der Antrag der LINKEN den im Primärrecht der EU verankerten Vorrang des Mandatsverhältnisses für eine Mitgliedschaft im AdR verkennt. Im Antrag wird nämlich eine entscheidungskompetente effektive Regierungsvertretung mindestens auf Staatssekretärsebene gefordert. Die Bindung an ein Mandat fehlt hier aber gerade. Dabei ist die offenbar bevorzugte und in europäischen Verträgen angelegte Alternative offenkundig die Ableitung der Mitgliedschaft im AdR aus einem Mandatsverhältnis.

Der Antrag berührt nach meinem Verständnis weiterhin die Frage der Bildung der Staatsregierung. In Artikel 60 Abs. 4 unserer Verfassung lesen wir, dass der Ministerpräsident die Staatsminister und Staatssekretäre beruft und entlässt. Weiterhin beschließt nach Artikel 59 Abs. 3 die Staatsregierung die Geschäftsbereiche. Würde das Parlament mit dem vorliegenden Antrag vorschreiben wollen, wie die Vertretung im Ausschuss der Regionen in der kommenden Legislaturperiode aufzustellen sei, dann wären hier zumindest verfassungsrechtliche Bedenken angezeigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Wir kommen nun zum Schlusswort der Linksfraktion. Herr Abg. Stange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister, vielen Dank für die Ausführungen – es ändert aber nichts an der Tatsache, dass Herr Lehmann im Ausschuss der Regionen Vertreter der Staatsregierung ist.

(Zuruf von der CDU)

Ja, aber der Freistaat Sachsen wird durch den Herrn Ministerpräsidenten vertreten oder durch den durch ihn Berufenen.

(Marko Schiemann, CDU: Sehr gut!)

Tja, es bleibt nun dabei. Es geht einfach um die Frage: Ist es richtig, dass ein Abgeordneter im Auftrag der Regierung die Regierung vertritt oder nicht?

(Marko Schiemann, CDU: Ja! – Zuruf des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

Ich sehe, dass wir durchaus Gemeinsamkeiten haben, was die Frage der Transparenz, der Information und der Beteiligung angeht, dieses zu verbessern. Andererseits sehe ich sehr wohl auch Unterschiede. Kollegin Maicher, Sie haben darauf verwiesen, dass Sie eher ein Mitglied des Sächsischen Landtags als Vertretung im AdR wünschen; darüber kann man sicherlich auch weiter diskutieren.

Worum es uns ging, Kollege Schiemann – deshalb berichtige ich Sie –: Es ging nicht um die europapolitische Schwerpunktsetzung in Punkt 1.1, sondern darum, wie und mit welcher Schwerpunktsetzung Sachsen zukünftig Möglichkeiten der regionalen Beteiligung im MultiLevel-Governance-System effektiver nutzen will. Es ging darum, dazu eine Konzeption vorzulegen.

Ich bringe gleich den Änderungsantrag mit ein. Es wäre natürlich am heutigen 11. Dezember etwas sportlich, die Staatsregierung aufzufordern, bis zum Dezember 2018 die Konzeption vorzulegen. Deshalb wollen wir den Antrag auf das Ende des I. Quartals 2019 ändern.

Ich bitte Sie um Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN – Marko Schiemann, CDU: Das ist kulant!)

Wer möchte noch zum Änderungsantrag sprechen? – Es gibt keinen Bedarf. Dann lasse ich über diesen sofort abstimmen. Wer gibt die Zustimmung zum Änderungsantrag in Drucksa

che 6/15801? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.