Protocol of the Session on November 8, 2018

Ich sage es noch einmal: Wir enthalten uns, weil diese Obligoforderung nicht aus dem Antrag herausgenommen wurde.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines vorweg: Schnelle Orientierung wünschte ich mir auch für die antragstellenden Fraktionen, vor allem die richtige Orientierung. Zum Beispiel könnte man sich darauf konzentrieren, das Hohe Haus vorzugsweise nur mit Themen zu befassen, die einer Debatte im Plenarsaal überhaupt bedürfen. Den Inhalt einer Kleinen Anfrage bestenfalls mit dem Etikett eines Prioritätenantrages zu veredeln reicht definitiv nicht.

Haben Sie keine wichtigeren Inhalte, die für einen Prioritätenantrag geeignet gewesen wären, als einen Berichtsantrag, dessen Fragen fast vollständig von der Staatsregierung beantwortet wurden? Die Anzahl der Abgeordneten der Regierungskoalition hier im Plenarsaal zeigt, wie wichtig Ihnen der Prioritätenantrag tatsächlich ist.

(Christian Hartmann, CDU: Mir schon!)

Solcherlei Hokuspokus wird nicht von ungefähr als Etikettenschwindel betrachtet. Verbraucherschützer

warnen vor so etwas. Die Bürger draußen in der realen Welt haben es längst satt, wofür hier Steuergeld in der Sitzungszeit verplempert wird. Denn nichts anderes tun wir hier. Genau genommen wäre dieses Thema in dieser Form noch nicht einmal Anlass für besagte Kleine Anfrage gewesen. Die meisten der dem Antrag angehängten Antworten ließen sich ohne Weiteres aus den Jubelmeldungen des Hauses Köpping entnehmen bzw. aus Statistiken, die frei zugänglich sind, herauslesen.

Spannend ist allerdings, dass die vorliegenden Fragen, Antworten und Zahlen den Blick auf wirklich interessante Punkte lenken. Das war mit Sicherheit von Ihnen nicht beabsichtigt. Dennoch werden wir diese Vorlage für einen Änderungsantrag nutzen, der mit weiteren Nachfragen da ansetzt, wo Ihre Gemeinplätze enden.

Ganz grundsätzlich stellt man sich bei der kostspieligen und gleichermaßen weitgehend wirkungslosen Schwemme der sogenannten Erstorientierungskurse die Frage nach Sinn und Unsinn dieser Veranstaltungen. Warum ist das so? Menschen, die tatsächlich schutzsuchend nach Europa kommen, sind sich dieses Schutzbedürfnisses bewusst und verhalten sich so, wie man sich das zwischen dem in jeder Hinsicht Schutz gewährenden Gastgeber und den vor Tod, Folter und Kriegseinflüssen fliehenden Menschen erwarten kann und muss. Sehr viele von ihnen erfüllen diese Erwartungen. Sie passen sich den Gegebenheiten und Gepflogenheiten in ihrem Gastland ohne Weiteres an. Sie integrieren sich ganz freiwillig; denn sie wissen, dass die Gastfreundschaft nicht unbeeinflusst vom eigenen Auftreten bleibt.

Einem Teil der Zugereisten – in vielen Fällen illegal Zugereisten – gelten diese Überlegungen nichts. Wer mit der Anspruchshaltung und ohne jegliche Bereitschaft sich

einzugliedern in unser Land kommt, den werden wir mit blumigen Seminaren nicht neu orientieren bzw. auf den richtigen Pfad bringen. Vor allem werden wir uns selbst vor den Umtrieben dieser Leute nicht schützen können. Beispiele für vollkommen misslungene Orientierung gibt es leider Gottes zur Genüge.

Kurzum: Wir brauchen eine fitte und belastbare Verwaltung mit weltoffenem Charakter, die ohne bürokratische Wirrung Orientierung und Hilfe für den temporären Aufenthalt der unter uns lebenden Schutzsuchenden anbieten kann. Wir brauchen die strikte Trennung von Menschen, wie zuvor beschrieben: von denjenigen, die mit unlauteren Absichten zu uns kommen und sich dann auch so verhalten. Das dient unserem Schutz ganz allgemein, aber auch dem Schutz von finanziellen und gesellschaftlichen Ressourcen, und es dient vor allem den Menschen, die sich zu Recht bei uns aufhalten und die dem teils kriminellen Treiben illegaler Migranten nicht ohne Grund mit Argwohn und Ablehnung begegnen.

Was wir auf gar keinen Fall brauchen – ich wüsste auch nicht, in welchem Land der Erde es das sonst in diesem Umfang gäbe –, ist eine ausufernde Integrationsbürokratie mit einem Förderkatalog, der seinesgleichen sucht.

Mit einem Satz: Das Integrationsministerium und seine unzähligen Kurse müssen nicht weiterentwickelt, sondern langfristig abgewickelt werden. Diese Forderung ist richtig, und wir erheben sie daher nicht zum ersten Mal. Eine insgesamt funktionierende Verwaltung sollte ohne Probleme fähig sein, integrationswilligen Mitmenschen hilfreiche Orientierung in unserem Land zu geben. Das muss Priorität haben, und nichts anderes.

Da der Antrag grundsätzlich nicht schadet, aber leider auch nicht nutzt, werden wir uns gegebenenfalls enthalten. Wir bringen dazu noch einen Änderungsantrag ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Frau Ministerin, Sie erhalten das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Anhand der Diskussion macht es sich doch erforderlich, dass ich etwas mehr dazu sage, weil ich gemerkt habe, dass es quer durcheinander gegangen ist. Ich beginne damit, warum wir überhaupt im Jahr 2014/2015 mit den Erstorientierungskursen begonnen haben.

Es gab Problemfelder, wie zum Beispiel das Schwarzfahren oder dass man nicht wusste, wie man bestimmte Regelungen in der Erstaufnahmeeinrichtung – damals übrigens noch Chemnitz – durchzusetzen hat. Wir hatten Problemfelder der Verständigung; denn wir hatten, ehrlich gesagt, überhaupt noch nicht genügend Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Viele Menschen mit Sprachen, die bei uns überhaupt noch nicht vertreten waren, sind in Chem

nitz angekommen. Wir hatten Problemfelder der Gleichstellung, weil wir schnell gemerkt haben, welche Frauen- und Familienbilder durch Geflüchtete mitgebracht worden sind, oder Problemfelder wie Verkehrsregeln, Ernährung, Grundrechte und Grundwerte.

Es gab also eine ganze Reihe von Feldern, bei denen wir gesagt haben: Dort gibt es Konflikte, die wir vermeiden können, wenn wir im Vorfeld sehr schnell informieren. Deswegen haben wir Ende 2015 die ersten Pilotprojekte für diese Erstorientierung aufgebaut.

Ich möchte noch etwas zurückgehen. Wir hatten in dieser Zeit 2015/2016 über 40 Erstaufnahmeeinrichtungen und Außenstellen. Wir haben diese Erstorientierung in sechs Erstaufnahmeeinrichtungen als Pilotphase eingeführt. Wir haben damals den Volkshochschulverband in Kooperation mit Arbeit und Leben e. V. bemüht, und wir haben dafür ein Curriculum aufgeschrieben, weil wir im Vorfeld nichts hatten, das diese Erstorientierungskurse inhaltlich untersetzen konnte.

Es war der Plan, von Dezember 2015 bis August 2017, also 21 Monate, mit rund 600 000 Euro 200 Kurse à 20 Teilnehmern und 30 Stunden durchzuführen. Das haben wir verdoppelt, übrigens mit dem gleichen Geld. Im Rahmen dieser Pilotphase haben wir den Bedarf und das Interesse derjenigen gespürt, die überhaupt daran teilnehmen konnten. Das ist ein wichtiger Punkt. Bei über 40 Erstaufnahmeeinrichtungen haben wir nur in sechs das Angebot machen können, weil wir das Ganze als Pilotprojekt gedeckelt haben. Deshalb, denke ich, war das Interesse in dieser Zeit sehr hoch.

Inhaltlich haben wir diese Kurse mit den Kommunen, mit der Polizei, mit den Rettungsdiensten, mit den Betreibern und anderen abgestimmt, und gleichzeitig haben wir in Absprache mit der Landesdirektion die entsprechenden Standorte ausgewählt, um das dann umzusetzen. Im Übrigen – auch das möchte ich erwähnen – hat der Sächsische Hochschulverband dafür einen Innovationspreis für Weiterbildung in Sachsen erhalten. So viel vielleicht zu dem, was Sie, Herr Wurlitzer, wieder als unnötig, falsch oder sonst wie deklariert haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Bereich Gleichstellung war uns von Anfang an sehr wichtig. Auch dazu möchte ich noch etwas sagen, weil es auch so eine Mär ist, dass sich Männer nicht von Frauen, von Kursleiterinnen, beschulen lassen usw. usf. Wir haben tatsächlich in den überwiegenden Kursen Dozentinnen. Ich habe diese Kurse besucht, übrigens auch mit der Einladung an die Abgeordneten. Ich lade auch weiterhin ein, sich diese Kurse einmal anzuschauen, damit man nachvollziehen kann, was heute im Allgemeinen so gesagt wurde. Wir hatten nicht einen einzigen Fall, dass Männer nicht hingegangen sind, weil Dozentinnen unterrichtet haben.

Der Anteil von Frauen in den EAEs liegt bei circa 30 %. Teilgenommen haben circa 40 % der Frauen, also gab es auch dort ein überwiegendes Interesse. Im Übrigen

möchte ich gleich vorwegnehmen, weil die Kinderbetreuung heute mehrfach angesprochen worden ist: Die gibt es. Dort, wo der Bedarf angemeldet wird, wird Kinderbetreuung angeboten, damit man am Kurs teilnehmen kann. Das gab es nicht von Anfang an, aber inzwischen gibt es sie.

Für die Weiterentwicklung dieses Systems bedeutet das, dass wir derzeit überlegen, ob dieser 30-Stunden-Umfang, den wir mit dem SMI vereinbart haben, für die Perspektive überhaupt noch ausreicht. Es ist angesprochen worden, dass unser Modell in Sachsen mittlerweile beim Bund angekommen ist. Ein modellhaftes Projekt Erstorientierungskurs wird mit 300 Stunden zurzeit in Dresden durchgeführt; das ist ein Bundesprogramm. Man testet es gerade aus; denn mittlerweile wissen wir, dass viele Menschen gar nicht so lange in den Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. Das heißt, die Kursteilnehmerzahlen wechseln sehr stark. Das ist noch in der Pilotphase und wird zurzeit in einer Einrichtung in der Hamburger Straße in Dresden durchgeführt. Übrigen, wenn der Bund die Kurse in allen Einrichtungen – wie auch immer sie dann evaluiert werden – durchführt, dann können wir uns mit unseren Erstorientierungskursen zurückziehen.

Wir wollen gleichzeitig vor allem die Wertevermittlung stärken, deshalb hinterfragen wir die Stundenzahl unserer 30-Stunden-Erstorientierungskurse. Dort wollen wir vor allem die Themen Gleichstellung, sexuelle Vielfalt und sexuelle Gewalt als Schwerpunkte setzen.

Verpflichtung und Motivation wurden angesprochen. Momentan ist es so, dass wir als SMGI nicht verpflichten können. Das ist rechtlich gar nicht möglich. Ebenso kann das Land nicht verpflichten, auch das ist rechtlich nicht möglich. Es ist keine Integrationsmaßnahme – das will ich ausdrücklich sagen –, es ist eine Orientierungsmaßnahme, die für jeden gilt; auch danach wurde gefragt. Jeder, der in einer Erstaufnahmeeinrichtung ist, kann mittlerweile an unseren Kursen teilnehmen.

Eine Verpflichtung könnten wir sehr wohl regeln – auch für Sachsen, wenn wir es denn wollen –, und zwar im Integrationsgesetz, von dem ich immer wieder spreche, und es macht vielleicht Sinn, darüber nachzudenken.

Die Kurse werden durch Aushänge in den jeweiligen Landessprachen in den Erstaufnahmeeinrichtungen

angeboten, sodass sich jeder, der an dem Kurs teilnehmen will, auch anmelden kann.

Zum Stichtag 31. Juli 2018 lebten 2 316 Asylsuchende in den Ernstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates. Ich will die Zahl noch einmal nennen, weil ich mich heute ein wenig über die Berichterstattung in der Presse geärgert habe. Vom 1. August 2017 bis 30. Oktober 2018 haben an den drei BAMF-Standorten 7 615 Personen Asyl beantragt. Im gleichen Zeitraum haben 5 997 Personen an dem Erstorientierungskurs teilgenommen. Das ist eine Quote von 80 %.

(Beifall bei der SPD)

Ganz ehrlich: Ich bin damit sehr zufrieden.

Eine Bewertung darüber, ob und wie viele Personen an den Erstaufnahmeeinrichtungen teilnehmen, hat Frau Zais bereits ausgeführt. Das liegt natürlich an bestimmten Voraussetzungen, deswegen muss man über das Verpflichtende nachdenken, wenn ich von 80 % Teilnehmern spreche. Es kann sein, dass die Anzahl der Zuzüge – im Moment sind wir auf einem sehr niedrigen Niveau – sinkt. Wir haben aber auch eine unterschiedliche Aufenthaltsdauer zu verzeichnen. Momentan dauert eine Beratung zum Asyl bis zur Bewertung circa 2,3 Monate. Auch das hat sich verkürzt.

Es gibt unterschiedliche Personen, die anreisen: Alleinstehende oder Familien. Wir haben also eine sehr unterschiedliche Personengruppe, bei der man nicht unbedingt von der Anzahl der Teilnehmer sofort darauf schließen kann, dass die anderen das gar nicht wollen. Das ist ja die Intention, die Sie so ein Stück mitgeben.

Zum Abschluss: Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens geben wir in Sachsen den Menschen eine Orientierung, damit sie ihren Aufenthalt in der EAE so konfliktfrei wie möglich gestalten können. Das ist das Ziel von Erstorientierungskursen. Es ist keine Integrationsmaßnahme, sondern eine Konfliktprävention. Gerade das ist mir sehr wichtig, vor allem, nachdem ich gestern unseren Innenminister gehört habe, der immer wieder sagte: Prävention, Prävention, Prävention. – Genau das machen wir.

Die Menschen sind dankbar für den ersten Einblick in das Leben in Deutschland, weil sie vieles von dem, was sie hier erwartet, gar nicht kennen und wissen. Deshalb ist es so wichtig, dies auch mit den Kulturmittlern durchzuführen. Die Kulturmittler sind eine Maßnahme, die bisher nur wir in Sachsen haben. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, dass der Bund dies in seine Erstorientierungskurse übernimmt, denn das ist eine ganz wichtige Frage.

Es sind übrigens Kulturmittler – ich sage das, weil es noch einen Änderungsantrag gibt –, die bereits geschult und ausgebildet sind. Sie kommen nicht einfach dorthin und sagen: Ich erzähle euch mal was. Sie sind geschult und auf dieses Thema vorbereitet worden.

Mittlerweile spielt das Thema eine Rolle: Wie geht man damit in Deutschland um? Insbesondere Bayern hat unser Kurssystem eins zu eins übernommen. Der Bund hat weiterhin großes Interesse daran signalisiert, wie man dieses Kurssystem – das wir in Sachsen in einer Zeit aufgebaut haben, in der alle anderen das Kurssystem abgebaut haben – für den Bund übernehmen kann.

Deshalb kann ich an dieser Stelle nicht von einem Antrag sprechen, der unwichtig ist, sondern – ganz im Gegenteil – wir haben es geschafft, dass es flächendeckend in Sachsen eingesetzt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den LINKEN – Uwe Wurlitzer, fraktionslos, signalisiert Redebedarf.)

Eine Kurzintervention?

Ja, sehr gern.