Protocol of the Session on November 8, 2018

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen sicher alle das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es heute noch stimmt. Erst am vergangenen Samstag wurde auf der

Meisterfeier der Handwerkskammer Chemnitz zum wiederholten Male deutlich, wie unsere Handwerksbetriebe unter Bürokratismus, gesetzlichen Regularien oder Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten leiden, und anders als Sie, Herr Vieweg, habe ich Sätze gehört, wie: „Wir werden am Arbeiten gehindert“ oder auch: „Jungmeister zur Gründung oder Übernahme von Betrieben zu motivieren fällt immer schwerer.“

Auch mit dem Blick auf die Tatsache, dass über ein Drittel der begonnenen Berufsausbildungen im sächsischen Handwerk von den Auszubildenden wieder abgebrochen werden, ist es richtig, Schwierigkeiten in dieser Branche immer wieder in diesem Hohen Hause zu behandeln, so wie es der vorliegende Antrag tut. Allerdings täuscht der Titel des Antrags etwas anderes vor, als er inhaltlich anbietet. Der Antrag ist ein Berichts- und Prüfauftrag, nichts anderes. Mit Berichten und Prüfergebnissen verändert sich aber weder die Wirkkraft der beruflichen Selbstständigkeit im sächsischen Handwerk, noch werden dadurch Rahmenbedingungen für Betriebsgründungen oder -nachfolgen entwickelt.

Seit gestern liegt nun die Stellungnahme der Staatsregierung vor. Im Prinzip hätte sich der Antrag der AfDFraktion damit erledigt. Da es sich aber in diesem Hause offensichtlich zur Gewohnheit entwickelt, Berichtsanträge, auch beantwortete, ins Plenum zu heben, wie wir sowohl heute als auch im letzten Plenum feststellen durften, ist es gerechtfertigt, auch den vorliegenden Antrag zu behandeln und darüber zu beschließen – nicht nur, weil er eine für die sächsische Wirtschaft relevante Thematik aufgreift, sondern auch, weil die Stellungnahme der Staatsregierung sehr dürftig ist.

Die Antworten sind sehr pauschalisiert, so zum Beispiel bei den Punkten I.2 bis I.4. Sie sind auch schlicht und ergreifend realitätsverweigernd, zum Beispiel die Antwort zu Punkt I.3, in der geschrieben steht, dass vor dem Erlass von Rechtsvorschriften sichergestellt wird, dass nur Regelungen in Kraft treten, die unnötige Pflichten und Aufwendungen vermeiden. Oha! Da frage ich mich tatsächlich, ob irgendjemand in den Ministerien überhaupt einmal mit einem Handwerksbetrieb gesprochen hat.

Und die Stellungnahme der Staatsregierung zeigt einmal mehr, dass diese an verschiedenen Informationen zur Thematik keinerlei Interesse hat; denn die Aussage, dass ihr keine Informationen vorlägen, bedeutet letztendlich nichts anderes, als dass diese auch nicht erhoben werden. Abgesehen davon, dass die Stellungnahme suggeriert, es sei alles gut, zeigt sie aber auch, dass man nicht gewillt ist, umfassend Auskunft zu geben. Man hätte zum Beispiel zu Punkt I.2 nicht nur schreiben können, dass man Förderrichtlinien vereinfacht hat und Vergabevorschriften oder Nachweispflichten weggefallen sind, sondern man hätte sie konkret benennen können, und zu den Punkten I.3 und I.4 hätte man, selbst wenn man nicht systematisch erfasst, einige aktuelle Rechtsvorschriften benennen können, die in dieser Legislaturperiode für das Handwerk zum Tragen gekommen sind.

Auch wäre es schön gewesen, wenn die Staatsregierung – zumindest beispielhaft – dargestellt hätte, wie sie ihre Möglichkeiten zur Deregulierung ausgeschöpft hat. Von daher lernen wir einmal mehr, dass es wichtig ist, so konkret wie möglich zu fragen.

So gibt es verschiedene Bundesgesetze, die das Ziel haben, bürokratieentlastend zu wirken. Sie sind auch für den Freistaat Sachsen verpflichtend. Dazu gehören die sogenannte Bürokratiebremse sowie die Bürokratieentlastungsgesetze I und II. Auf deren konsequente Umsetzung hat auch die Handwerkskammer ausdrücklich gedrungen.

Auf Bundesebene kann der reduzierte Verwaltungsaufwand durch die Bürokratieentlastungsgesetze eindeutig identifiziert werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie teilt dazu mit: „Mit dem zweiten Bürokratieentlastungsgesetz, das am 5. Juli 2017 verkündet wurde, wird der Verwaltungsaufwand bei Unternehmen um weitere 135 bis 360 Millionen Euro pro Jahr reduziert. Berücksichtigt man zudem das erste Gesetz und die Modernisierung des Vergaberechts aus dem Jahr 2015, wird die Wirtschaft allein durch diese drei Gesetze um knapp 2 Milliarden Euro entlastet. Durch das BEG II werden vor allem solche Unternehmen entlastet, die typischerweise am meisten von Bürokratie belastet sind: kleine Betriebe mit zwei bis drei Mitarbeitern, beispielsweise Handwerksbetriebe.“

Dadurch gibt also die Bundesregierung konkrete Zahlen vor, und es muss auch für den Freistaat Sachsen möglich sein, die Auswirkungen dieser Gesetze für den Freistaat Sachsen zu beziffern. Genau darauf zielt mein Änderungsantrag, den ich im Anschluss vorstellen werde.

Danke.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Gibt es noch Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Somit bitte ich nun Herrn Staatsminister Dulig, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag hat eine einzige Zielrichtung: der Staatsregierung ein Zuschussprogramm für Unternehmensgründer und -nachfolger im Handwerk abzuringen, weil die AfD meint, das sächsische Handwerk retten zu müssen. Zum Glück ist das weder nötig noch sinnvoll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir zunächst fest: Das sächsische Handwerk konnte seit 2008 ein im Bundesvergleich besonders starkes Wachstum verzeichnen, sowohl bei der Zahl der Unternehmen und der Zahl der im Handwerk Beschäftigten als auch insbesondere im Umsatz mit plus 11,9 %. Das Handwerk hat sich in Sachsen in den vergangenen Jahren besser entwickelt als in allen anderen ostdeutschen Bundesländern, besser auch als das Handwerk in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hamburg oder Hessen. Das sächsische Handwerk hat die

höchste Geschäftsauslastung seit 28 Jahren. Wir haben jährlich circa 3 200 Neueintragungen. Es ist also nicht so, dass das Gründungsgeschehen zum Erliegen gekommen wäre. Ganz im Gegenteil: Wir haben in Sachsen bundesweit ungebrochen die höchste Handwerkerdichte, auf alle Einwohner gesehen, und gemessen an der Auftragslage gibt es wohl keine bessere Zeit, sich im Handwerk selbstständig zu machen, als jetzt.

Dass es angesichts der Auftragslage nicht zu einem Gründungsboom im Handwerk kommt, sollte eines ganz deutlich zeigen: Der Schritt in die Selbstständigkeit ist stets eine sorgsam abgewogene Entscheidung, da damit auch persönliche Risiken verbunden sind und Unternehmertum sehr viel Engagement und Weitsicht erfordert. Kein Zuschussprogramm wird einen gesunden Finanzierungs- und Rentabilitätsplan ersetzen oder die Fachkräfte, die für den Betrieb nötig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterstützungsangebote für Existenzgründer sind richtig und wichtig. Der Freistaat Sachsen unterbreitet eine Reihe unterschiedlichster Angebote. Alle unsere Instrumente haben den Vorteil, dass sich ihr Nutzen effektiv bewerten lässt. Bei der Meistergründungsprämie, die in anderen Ländern eingeführt wurde, bin ich mir dessen nicht so sicher. Sie können sich ja einmal die Zahlen aus Brandenburg geben lassen. Letztlich sollte es uns auch nie um die pure Anzahl an Unternehmen gehen.

Wir haben in Sachsen zwar die höchste Handwerkerdichte, aber mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von sieben Beschäftigten je Unternehmen haben wir auch eine sehr kleinteilig strukturierte Handwerkerschaft. Über ein Drittel aller sächsischen Handwerksunternehmen sind Solo-Selbstständige. Diese erwirtschaften aber gerade 3 % des Gesamtumsatzes im Handwerk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht zuerst um Quantität, sondern mehr noch um Qualität. Wir haben in Sachsen kein ernsthaftes Gründerproblem im Handwerk. Deswegen scheint mir die Debatte um eine Meistergründungsprämie einseitig. Andere Fragen erscheinen mir für das Handwerk wichtiger. Insbesondere geht es um solche Fragen: Wie sorgen wir dafür, dass die überwiegend Kleinst- und Kleinunternehmer des Handwerks zukunftsfest sind?

Deshalb haben wir uns in Bezug auf das Handwerk mehr mit Fragen auseinanderzusetzen zu Fachkräften, zu Netzwerken und Clustern, zu Innovations- und Wertschöpfungsketten, zur Digitalisierung und auch zur Entbürokratisierung. Deswegen haben wir die umfassende Struktur- und Potenzialanalyse „Das Handwerk in Sachsen“ in Auftrag gegeben, die sich intensiv mit vielen dieser Fragestellungen beschäftigt. Deren Ergebnisse werden im Juni 2019 vorgestellt. Diese Überlegungen schließen ein – da stimme ich in einem einzigen Punkt zu –, dass es notwendig ist, die große Anzahl an Unternehmensnachfolgen in Sachsen abgesichert zu bekommen.

Über ein neues Förderprogramm für regionales Wachstum wollen wir deshalb im kommenden Jahr mehr als einen attraktiven Anreiz setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sachlage ist etwas komplizierter, als es die Fragen dieses Antrages suggerieren. Als Staatsregierung wollen wir die Unternehmen in Sachsen bestmöglich mit zielgenauen Mitteln unterstützen und nicht aus dem Bauch heraus. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Für die AfDFraktion Herr Abg. Beger. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz kurz zu Ihrer Rede, Herr Staatsminister. Warum haben wir denn so viele SoloSelbstständige? – Durch die Handwerksnovelle! Weil viele, die damals in der Handwerksrolle A waren, in die Handwerksrolle B übersetzt worden sind. Diese haben sich alle selbstständig gemacht, und diese Firmen bilden keine Lehrlinge aus. Diese Handwerker müssen gefördert werden.

(Staatsminister Martin Dulig: Der Solo- Selbstständige kommt aus den Neunzigerjahren!)

Genau! Um nichts anderes geht es.

Und nun das Schlusswort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den drei angesprochenen Themenfeldern Ausbildungsförderung, Betriebsübernahme bzw. Betriebsgründungen und Bürokratieabbau möchte ich gern noch einmal auf den Bürokratieabbau eingehen.

Sehr anschaulich zu den Bemühungen der Staatsregierung zum Bürokratieabbau sind die jährlichen Berichte des Sächsischen Normenkontrollrates. Zu den 14 Regelungsvorhaben im Jahresbericht 2016 attestiert dieser einen Anstieg an Erfüllungsaufwand für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung von circa 38 000 Stunden und circa 2,2 Millionen Euro plus Auslösung eines einmaligen Erfüllungsaufwandes in Höhe von 5,3 Millionen Euro und 1 600 Stunden für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung. Der Jahresbericht 2017 verweist auf einen quantifizierbaren Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft und Verwaltung in Höhe von circa 10,4 Millionen Euro usw. usf.

Meine Damen und Herren! Das sind die Mehrkosten für neue Regelungen. Entbürokratisieren können wir aber nur, wenn wir den Mut haben, Regelungen zu streichen, wenn wir unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen, die einen regionalen Bezug haben, mehr Vertrauen entgegenbringen und diese nicht unter Generalverdacht stellen.

Wir können Aufbewahrungsfristen verkürzen, Pauschalen einführen, sinnvolle Leitfäden erstellen und auch – wie es das Handwerk anregt – gern einen sogenannten KMUTest einführen, um zu sehen, welche Mehrbelastungen entstehen und wie diese vermieden oder möglichst gering gehalten werden können.

Lassen Sie uns daran arbeiten, und stimmen Sie dem vorliegenden Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Zunächst haben wir zu beraten über einen Änderungsantrag der Abg. Andrea Kersten in Drucksache 6/15339. Frau Kersten, Sie haben jetzt Gelegenheit, den Antrag einzubringen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Antrag umfasst drei Ergänzungen des vorliegenden Antrags. Punkt I.1 habe ich ergänzt und um Auskunft gebeten, wie hoch der finanzielle Aufwand für den Freistaat Sachsen durch die in Auftrag gegebene Analyse ist. Das ist sicherlich nicht weltbewegend, aber durchaus interessant.

Die zweite Änderung bzw. Ergänzung betrifft den Punkt I.2. Hierbei geht es um bürokratieabbauende Maßnahmen der Staatsregierung. Hierzu gab es ganz konkrete Forderungen, vor allem der Handwerkskammer Dresden, hinsichtlich der Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Es wäre interessant zu erfahren, was die Staatsregierung in dieser Richtung unternommen hat; ebenso ist es interessant zu erfahren, wie die Umsetzung der Bürokratieentlastungsgesetze, die ich vorhin schon angesprochen hatte, der Gesetze I und II, in Sachsen abläuft.

Die dritte Ergänzung betrifft den Punkt I.3. Diese befasst sich mit dem konkreten Erfüllungsaufwand, welcher bei den Unternehmen durch die Bürokratieentlastungsgesetze I und II in den Jahren 2015 bis 2017 eingespart wurde. Für den Bund hat das ja das Bundeswirtschaftsministerium konkret mitgeteilt. Von daher dürften diese Zahlen auch für Sachsen verifizierbar werden. Aus meiner Sicht sind diese sehr interessant, weil man mit diesen Zahlen die Wirkung dieser Gesetze für Sachsen beurteilen kann.

Bei der Formulierung zu Punkt I.3 ist mir ein begrifflicher Lapsus unterlaufen, den ich korrigieren möchte. Es geht nicht um den Erfüllungsaufwand der sogenannten Bürokratiebremse, sondern um den eingesparten Erfüllungsaufwand hinsichtlich der Entlastungsgesetze I und II.

Ergänzend möchte ich sagen, dass es auch möglich gewesen wäre, diese Informationen über eine Kleine Anfrage abzufragen, das ist richtig. Aber nun lag einmal dieser Antrag auf dem Tisch und es erschien mir doch recht günstig, meine Fragen gleich anzukoppeln. Ich gehe aber davon aus, entsprechend den vorherigen Redebeiträgen, dass der Antrag der AfD abgelehnt wird. Demzufolge

wird auch mein Änderungsantrag abgelehnt. Ich werde offensichtlich die Anfragen dann doch über die parlamentarische Initiative der Kleinen Anfrage stellen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das heißt, Sie wünschen jetzt eine Entscheidung?

(Zuruf von der AfD: Ja!)