Protocol of the Session on November 8, 2018

Um den Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, zu helfen, gibt es Hilfeeinrichtungen aller Art. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Es gibt Beratungsstellen verschiedener Träger, es gibt Übernachtungsstellen und die örtlich zuständigen Sozial- und Ordnungsämter. Diese ergreifen konkrete Maßnahmen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden oder Wohnungslosigkeit zu beenden.

Aber es ist nicht so einfach. Die Ursachen, die individuell zu Wohnungslosigkeit geführt haben, bedürfen unserer Aufmerksamkeit. Auch vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten können nicht in jedem Fall sofort das Problem lösen, wenn wir beispielsweise an Widerstände bei Ver

mietern denken, wenn es um Wohnungen für Strafentlassene geht. Und ja, Menschen müssen sich auch helfen lassen wollen, und das ist gerade bei psychischen Problemen manchmal schwierig.

Diese Themen sind bei den Kommunen sachgerecht verankert, weil individuelle Hilfen vor Ort benötigt werden. Auch können regional bestehende sozialräumliche Hilfestrukturen zielgerichtet auf den individuellen Bedarf eingehen. Die Sozialgesetzbücher sehen dafür Maßnahmen und Rahmenbedingungen vor, zum Beispiel Leistungen für Unterkunft und Heizung und sonstige Hilfen, wie eine mögliche Schuldenübernahme.

Die Zahlen wurden bereits angesprochen. Das Sozialministerium hatte bis 2008 jährlich bei den Kommunen entsprechende Daten zur Wohnungslosigkeit erfragt, die Ergebnisse wurden jedoch regelmäßig von den Wohlfahrtsverbänden angezweifelt, sicher auch zu Recht. Diese verwiesen auf eigene Zahlen, die jeweils höher waren.

Trotz des Versuchs, Erfassungskriterien zu definieren, konnten Doppel- und Mehrfachzählungen ebenso wie das Nichterfassen von Personal nicht ausgeschlossen werden. Daher wurde auch diese Abfrage – denke ich – sachgerecht wieder eingestellt.

Die Thematik beschäftigt uns unabhängig von Abfragen jedoch fortwährend. Es gibt Aktivitäten auf Bundesebene zur Einführung einer bundesweiten Wohnungslosen- und Wohnungsnotfallstatistik. Das wurde bereits angesprochen. Ja, der Bund hat in Aussicht gestellt, das Anliegen der Einführung einer Bundeswohnungslosenstatistik

zeitnah zu verfolgen und einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Das Ansinnen unterstützt der Freistaat Sachsen ganz explizit. Vor Ort muss auf die Bedarfe und Situationen reagiert werden. Das übernehmen bereits die örtlichen Sozialhilfeträger und auch die Ordnungsämter. Der Bedarf kann örtlich und regional durchaus sehr unterschiedlich sein, einerseits im Umgang und andererseits in der Art der erforderlichen Unterstützungsleistung. Unabhängig von einer statistischen Erfassung von Fallzahlen gehören Maßnahmen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit bzw. bei Wohnungslosigkeit zu den kommunalen Pflichtaufgaben. Auch das ist bereits deutlich angesprochen worden.

Ja, es muss Aufgabe der verschiedenen Handlungspartner sein, auf kommunaler und staatlicher Ebene jeweils an den individuellen Ursachen für Wohnungslosigkeit anzusetzen. Um dem Anliegen gerecht zu werden, das hinter der Forderung nach einer Landesstatistik steht, hat mein Haus vorgeschlagen, konkrete Ursachen bzw. Ansätze zu entwickeln, um einer Wohnungslosigkeit entgegenwirken zu können. Dazu wurden und werden auf verschiedenen Ebenen regelmäßig Gespräche geführt, für den Bereich Wohnraum auch unter Einbindung des Staatsministeriums des Innern. Darüber hinaus soll nach den gemeinsamen Empfehlungen beider Häuser die Verwaltungsvorschrift Wohnungslosenhilfe mit Anpassungen an die aktuelle Rechtslage verlängert werden. Im

Frühjahr 2019 ist die Vorlage der überarbeiteten Fassung vorgesehen.

Auch zur Frage der Begleitforschung möchte ich auf bereits laufende Aktivitäten auf Bundesebene hinweisen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert aktuell eine Studie zur Erforschung von Entstehung, Verlauf und Struktur von Wohnungslosigkeit und Strategien ihrer Vermeidung und Behebung. In bundesweit ausgewählten Kommunen soll in Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung und bei freien Trägern der Hilfen für Wohnungslose eine Befragung durchgeführt werden.

Darüber hinaus sollen vertiefende Fallstudien in mehreren ausgewählten Orten erfolgen. Um auch die Perspektiven von Betroffenen einzubeziehen, werden zudem aktuelle und ehemals Wohnungslose mit befragt. Die Durchführung des Forschungsvorhabens erfolgt durch die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung. Das ist ein Institut, das seit vielen Jahren in dem Themenfeld Wohnungslosigkeit wissenschaftlich tätig ist und über viel Erfahrung und Hintergrundwissen verfügt. Auch sächsische Kommunen sind an der Befragung beteiligt. Daher können die Ergebnisse des Untersuchungsvorhabens auch für uns, für den Freistaat Sachsen, wertvolle Informationen liefern und gegebenenfalls auch Empfehlungen für die Praxis abgeleitet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Sebastian Wippel, AfD, steht am Mikrofon.)

Das war Frau Staatsministerin Klepsch. Bevor wir zum Schlusswort kommen, jetzt eine Kurzintervention. Bitte, Herr Wippel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Ich verwahre mich dagegen, dass Sie uns vorwerfen, dass wir irgendwelche Einzelfälle gegeneinander aufrechnen würden.

(Zuruf von den LINKEN: Das habt ihr doch vorher gemacht! – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Es ist schlicht und ergreifend notwendig, zur Beschreibung einer Vielzahl von Problemlagen auf die einzelnen einzugehen und auch auf größere Gruppen abzustellen, die zu einer Verschärfung der Problemlage führen.

(Zuruf von den LINKEN)

Insofern können wir es gar nicht anders machen. Wenn wir natürlich hier über Lösungen reden, ohne die Ursachen zu kennen, dann werden wir niemals das Problem lösen können. Wenn man immer wieder nur nach dem Kellner ruft, wenn man ein Haar in der Suppe findet, wird man auch nicht weiterkommen. Irgendwann muss man auch mit dem Koch sprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Wippel. Frau Staatsministerin, wollen Sie auf die Kurzintervention reagieren? – Nein.

Jetzt kommen wir zum Schlusswort, und das Schlusswort hat die einbringende Fraktion. Das übernimmt Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wohnen ist ein Menschenrecht. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Zschocke, bei Frau Neukirch, bei Frau Kuge und bei Ihnen, Frau Staatsministerin, für die sachliche Debatte bedanken. Man hat, wenn man vielleicht aus bestimmten Zwängen heraus sich nicht überwinden kann, einem Antrag der LINKEN zuzustimmen, trotzdem gespürt, dass Ihnen dieses Thema am Herzen liegt. Das möchte ich an dieser Stelle anerkennen. Haben Sie recht vielen Dank dafür.

Vielleicht schaffen wir es noch, uns zu überwinden – gerade an solchen Tagen wie heute, an denen deutlich wird, mit welchen vielfältigen Problemen wir es bei der Ausgrenzung von Minderheiten und schwachen Menschen im Freistaat Sachsen zu tun haben –, dass wir allmählich näher zusammenrücken und solchen Themen zustimmen können.

Ich danke Ihnen für die Debatte und beantrage trotzdem – ich versuche es ein letztes Mal, da Frau Kuge mir einen Wink gegeben hat – punktweise Abstimmung.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN – Ines Springer, CDU: Er hat gesagt, dass es in den Ausschuss soll. – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/14579 wie begehrt punktweise zur Abstimmung und beginne mit dem Punkt 1. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist Punkt 1 abgelehnt.

Ich stelle zur Abstimmung den Punkt 2. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –

(Zuruf von der CDU – Heiterkeit bei der CDU)

Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Doch. Entschuldigung, einige Stimmenthaltungen. Damit ist Punkt 2 trotzdem abgelehnt.

Ich stelle zur Abstimmung Punkt 3 des Antrages. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Trotzdem ist der Punkt 3 abgelehnt.

Ich stelle zur Abstimmung den Punkt 4 dieses Antrags. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke.

Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit sind alle vier Punkte dieses Antrags abgelehnt, und es erübrigt sich die Gesamtabstimmung. Die Drucksa

che 6/14579 ist nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 10

Berufliche Selbstständigkeit im sächsischen Handwerk stärken –

bessere Rahmenbedingungen für Betriebsgründungen und

Betriebsnachfolge entwickeln

Drucksache 6/15043, Antrag der Fraktion AfD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können in gewohnter Weise Stellung nehmen. Die Reihenfolge ist wie folgt: AfD als einbringende Fraktion, dann die CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung. Für die AfD spricht Herr Kollege Beger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir den finanziellen und rechtlichen Rahmen für das sächsische Handwerk möglichst zeitnah verbessern. Worum geht es im Detail? Es geht uns einerseits um die individuelle Förderung der Aus- und Weiterbildung, aber insbesondere um eine Neuordnung des Meisterbonus mit einem deutlich höheren Mittelansatz sowie passgenauen Angeboten und Zuweisungen für Abschlüsse in den Mangelberufen. Dazu in den Haushaltsverhandlungen mehr. Die Kürzung des Meisterbonus um fast ein Drittel – wie im aktuellen Haushaltsentwurf der Staatsregierung vorgesehen – erhöht die Attraktivität der Meisterausbildung garantiert nicht. Aber die Attraktivitätssteigerung war in der Unkostenargumentation der Staatsregierung ja ohnehin nie vorgesehen.

Es geht uns auch darum, neben dem Meister weitere Fachkräfte für das Handwerk zu gewinnen. Eine solche Fachkraft kann der Techniker sein. Nach Rücksprache mit den Handwerkskammern konnten wir erfahren, dass die Anzahl der eingetragenen Techniker in die Handwerksrolle marginal ist. Hier müssen wir prüfen, wie wir dieses Verhandlungspotenzial für das Handwerk, insbesondere für Betriebsgründungen und -fortführungen, besser nutzen können.

Es geht uns weiterhin um die finanzielle Unterstützung der Betriebsneugründungen und Betriebsübernahmen. Die Meistergründungsprämie ist ein Mittel, das wir diesbezüglich noch einmal auf die Agenda gesetzt haben. Dazu später mehr.

Meine Damen und Herren! Die Punkte unseres Antrages sind aktuell und wichtig. Sie sind jedoch nicht in Gänze neu. Jenseits der von Ihnen praktizierten Übungen, jeden Antrag abzulehnen, der nicht von CDU und SPD eingebracht wurde, hoffe ich zumindest auf eine ertragreiche Debatte zum vorliegenden Antrag.

Die Debatte am 14. Dezember 2017 zur Meistergründungsprämie sollte für uns indes kein Vorbild sein. Kolle

ge Pohle verwies damals pauschal darauf, dass Handwerksbetriebe vor allem unter Überbürokratie und Reglementierung leiden. Herr Handwerkskollege, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Partei als eine der beiden Regierungsparteien sowohl im Land als auch im Bund maßgeblich für dieses Leiden bei den Handwerksbetrieben mitverantwortlich ist. Der vorliegende Antrag sollte diese pauschale, aber dennoch richtige Behauptung nun messbar machen.

Es gab bereits in der letzten Legislaturperiode eine Studie, die die bürokratische Belastung von kleinen und mittelständischen Unternehmen gemessen hat. Es gibt einen Normenkontrollrat. Dieser prüft allerdings nur den Erfüllungsaufwand neuer und nicht bestehender Gesetze. Aber hier können und müssen wir umfassend anknüpfen, und dann können wir etwas dagegen tun. Genau das fordert der Antrag.

Nicht nur CDU und SPD sind mit unzähligen Gesetzen und Verordnungen Bürokratietreiber im Handwerk. So gibt es mittlerweile Bäcker, die bis zu 90 Meter an Regalen brauchen, weil sie ihre Dokumentationspflichten erfüllen und deren Ergebnisse in Aktenordnern über zehn Jahre verwahren müssen. Ein passender Satz dazu: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare.“