Dieses neue Gesetz hat unter anderem das Ziel, eine möglichst gleichberechtigte Besetzung von Führungspositionen in der öffentlichen Verwaltung durch Frauen und Männer zu erreichen. Auf die verbindliche Einhaltung von Frauenförderplänen und weiteren Regelungen wird noch stärker geachtet. Diesen Arbeitsstand erfragen Sie doch regelmäßig.
Zudem weist Ihr Gesetzentwurf einige Mängel auf. Ihr Vorschlag ist nicht ausreichend mit der kommunalen Ebene abgestimmt. Der Sächsische Landkreistag weist darauf hin. Die Mängel in Ihrem Vorschlag gehen gar so weit, dass damit in die Grundsätze der organisatorischen Gestaltungsfreiheit der Kommunen eingegriffen werden würde.
Dies könnte verfassungswidrig sein. Außerdem ist die inhaltliche Regelung zur Qualifikation der Bewerber in § 7 und die Regelung zur Vergabe öffentlicher Aufträge in § 32 kritisch zu sehen. Es erscheint doch sinnvoller, gemeinsam an einem schon vorliegenden Entwurf zu arbeiten, der bereits einige Ihrer Vorschläge enthält. Zum Beispiel werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Rolle und Aufgaben der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten diskutiert. Im Anhörungsverfahren und den Workshops zum Entwurf von Frau Ministerin Petra Köpping gab es genug Möglichkeiten für Sie, sich und Ihre Standpunkte einzubringen.
Ich selbst bedaure es, dass die Familienverbände nicht einbezogen wurden. Dies habe ich auch der Ministerin persönlich gesagt. Ich weiß, dass es richtig und wichtig ist, sich genug Zeit für die Gesetzesänderung zu nehmen und alle Interessen genau abzuwägen. Eine falsch verstandene Quote schadet uns Frauen mehr, als es uns nützt.
Gestatten Sie mir den Hinweis: Die Koalition dauert noch mindestens – wenn nicht gar länger – bis zum 1. September 2019, also haben wir noch ein Jahr Zeit.
Ich verspreche Ihnen, mich weiterhin für Frauen in Führungspositionen einzusetzen; aber dafür brauchen wir nicht Ihren Gesetzentwurf, und wir lehnen ihn ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Beste zuerst: Wir diskutieren heute im Parlament endlich zu einem Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz für Sachsen. Leider ist es nicht der lange angekündigte Entwurf der Staatsregierung, und die Ausschussvoten lassen vermuten, dass diesen Gesetzentwurf dasselbe Schicksal ereilt, wie den wirklich guten Gesetzentwurf, den DIE LINKE in der letzten Legislatur eingebracht hat, dass er nämlich abgelehnt wird. Das ist schade, denn es ist schon wirklich sehr viel Schönes dabei in diesem Gesetzentwurf. Ich möchte ein paar Punkte nennen.
Zum Beispiel ist dieses Gesetz im Gegensatz zu dem Frauenfördergesetz von 1994 sehr viel konkreter, und Frau Kuge hat es gerade schon angesprochen, genau daher kommt die Kritik des Sächsischen Landkreistages, der dann sagt, das ist eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Kommunen. Wahr ist aber auch: Der Gestaltungsspielraum, den das alte Gesetz geboten hat, wurde vielfach einfach nicht genutzt. Es braucht konkretere Vorgaben, um die Gesetzesziele zu erreichen.
Das erinnert mich so ein bisschen an die freiwillige Selbstverpflichtung einer Frauenquote in Dax-Vorständen, da hat die Freiwilligkeit vor allem eines sichtbar gemacht:
dass die Männer freiwillig schon einmal gar nicht ihre Vorstandsposten räumen und im Gegenteil ein erstaunliches Sitzfleisch aufweisen. Ich habe ja selten Gelegenheit, in Gleichstellungsdebatten meine Argumente mit Zitaten von CDU-Seite zu untermauern; das kann ich aber heute machen. Die damalige Arbeitsministerin von der Leyen hat nämlich gesagt: „Ich bin der festen Überzeugung, ohne Gesetz wird es nicht gehen.“ Aber auch das beste und schönste Gesetz bleibt wirkungslos ohne Sanktionsmöglichkeiten. Das ist aber bisher der Fall.
Ein Beispiel möchte ich nennen, nämlich den Frauenförderbericht – der letzte von 2012, der neue müsste seit 2016 vorliegen. Ich habe mehrere Kleine Anfragen gestellt, wo er denn bleibt. Das ist ein sehr sinnvolles und notwendiges Instrument, und das ist im geltenden Frauenfördergesetz vorgeschrieben. Aber der Frauenförderbericht wird nicht vorgelegt, das ist ein klarer Gesetzesbruch – Konsequenzen: keine. Die GRÜNEN wollen das ändern, und das ist auch dringend notwendig.
Positiv hervorzuheben ist im vorliegenden Gesetzentwurf neben der paritätischen Besetzung von Gremien, die wir für sehr wichtig halten, die Beachtung von Gesetzeszielen bei der Vergabe. Das begrüßen wir als LINKE natürlich. Wir haben selbst erst kürzlich ein Vergabegesetz eingebracht. Ein Vergabegesetz ist eine staatliche Steuerungsmöglichkeit auf die freie Wirtschaft, und eine Staatsregierung, die klare politische Ziele hat – zum Beispiel Gleichstellung, die ja in der Verfassung festgeschrieben ist, wie es Frau Meier erwähnt hat –, sollte dieses Instrument nicht ungenutzt lassen.
Ein letzter Punkt, den ich positiv anmerken möchte, weil er für sächsische Verhältnisse ungeheuer progressiv ist, ist das Angehörigenverständnis, das hier um emotionale Angehörige erweitert wird. Die Definition ist: „Personen, die aufgrund besonderer sozialer Bindung zum Lebensumfeld gehören.“ Das stimmt mit einer LINKENForderung überein: Familien dort fördern, wo sie stattfinden; und Familien finden genau dort statt, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen.
Das wird in anderen Bereichen auch gern so gehandhabt. Zum Beispiel werden bei Hartz IV schnell einmal Bedarfsgemeinschaften gebildet; aber wenn es um Rechte geht und nicht um Pflichten, dann sieht es wieder anders aus, wie zum Beispiel bei der beruflichen Freistellung.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN geht also genau in die richtige Richtung. Die Regelung würde dem Freistaat wirklich sehr gut zu Gesicht stehen.
Trotz allem Positivem bleiben zwei erhebliche Knackpunkte, die wir kritisch sehen und die ich vortragen möchte:
Erstens, den Vorschlag, auch Männer zu Gleichstellungsbeauftragten – zu internen Gleichstellungsbeauftragten; diese Unterscheidung wird ja im Gesetz gemacht – berufen zu können. Das klingt im ersten Moment sehr modern, denn warum sollen sich nicht auch Männer im Bereich der Gleichstellung engagieren – und es gibt
engagierte Männer. Aber es geht hier um eine Interessenvertretung und dann muss man die Frage stellen: Wer vertritt welche und wessen Interessen? Wer ist eine vertrauenswürdige Ansprechperson für die Vertretenen?
Bisher ist es nicht festgeschrieben, aber gängige Praxis, dass Frauen eine Frau wählen. Wir hatten dazu eine wirklich ausführliche Diskussion im Gleichstellungsbeirat, und dort ging es nicht nur um das passive, sondern auch um das aktive Wahlrecht. In der Anhörung ist darauf hingewiesen worden – und das war ganz interessant –, dass mit der hier vorgeschlagenen Regelung theoretisch auch die Möglichkeit besteht, dass eine Mehrheit von Männern einen Mann in die Funktion wählt, und das vielleicht nicht, um die Interessen zu vertreten, sondern um eine Interessenvertretung zu verhindern.
Die paritätischen Teams scheinen das zu lösen: Wenn ein Mann Gleichstellungsbeauftragter wird, muss die Stellvertretung von einer Frau übernommen werden. Aber dennoch ist die Frage zentral, um welche Themen es hier geht. Im Vordergrund steht nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vor allem sexuelle Belästigung. Hier hat die „MeToo“-Debatte verdeutlicht, wie massiv dieses Problem nach wie vor ist. Da tun sich Abgründe auf und es ist weit verbreitet und betrifft überwiegend Frauen. Das ist kein Zufall, sondern ein Zusammenhang mit gesellschaftlich verfestigten Machtstrukturen, und man muss sich schon fragen: Ist dort ein Mann eine vertrauensvolle Ansprechperson?
Ironischerweise ist es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf so, dass die Männer die größere Expertise und Sachkompetenz bei Frauen vermuten – übrigens zu Recht –, weil sie dieses Thema in- und auswendig kennen. Wir sehen also diesen Punkt im Gesetz kritisch.
Der zweite Kritikpunkt – Frau Meier, ich kann es Ihnen nicht ersparen –, den ich für wesentlicher halte, ist die Frage nach der Beseitigung von Unterrepräsentanz unabhängig vom Geschlecht – also eine Männerförderung im öffentlichen Dienst dort, wo Männer unterrepräsentiert sind. Hier sind die GRÜNEN ein bisschen in die Falle getappt. Denn auch das erscheint modern und fortschrittlich und ist an sich auch nicht falsch.
Allerdings werden hier wahrscheinlich die CDU und vielleicht sogar die AfD Beifall klatschen, auch wenn die GRÜNEN das nicht gewollt haben; denn sie beklagen in den Gleichstellungsdiskussionen die vermeintliche Männerdiskriminierung – vermeintlich, denn auch hier muss man sich Fakten gefallen lassen. Ja, es stimmt: Wenn man sich den öffentlichen Dienst insgesamt anschaut, dann sind dort mehr Frauen als Männer beschäftigt. In Sachsen stellt der öffentliche Dienst eine vergleichsweise gute Beschäftigungsmöglichkeit für Frauen dar – sowohl in Bezug auf das Gehalt als auch arbeitsrechtlich. Auf den ersten Blick könnte man also meinen, dass Männer dort benachteiligt sind.
Weitet man den Blick allerdings auf den Arbeitsmarkt in Sachsen insgesamt, so stellt sich ein ganz anderes Bild dar: Frauen verdienen nämlich Brutto 11 % weniger als
Männer. Das ist der Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern, und der ist in Sachsen so hoch wie in keinem anderen Ost-Bundesland.
Den öffentlichen Dienst separat zu betrachten ist im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit also irreführend – und wenn, dann muss man nicht den öffentlichen Dienst in seiner Gesamtheit betrachten, sondern bitte auch vertikal –, und was stellt man da fest: Oh Wunder, in den Hierarchieebenen zeigt sich das gleiche Bild wie überall sonst: Je höher die Führungsebene, desto geringer der Frauenanteil.
Wenn also Unterrepräsentanz ausgeglichen werden soll, dann doch bitte von oben nach unten, Führungsebenen paritätisch besetzen und sich dann nach unten vorarbeiten.
Wer Männerförderung gerade in den Bereichen betreibt, in denen Frauen gute Berufschancen haben, der fällt auf der anderen Seite vom Pferd herunter und benachteiligt Frauen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt. Das Grundgesetz gibt den Auftrag, aktiv für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu sorgen. Eine besondere Förderung ist vor dem Grundgesetz nur dann standhaft, wenn tatsächlich eine strukturelle Benachteiligung vorliegt. Das ist im öffentlichen Dienst bei den Frauen der Fall. Mehr als die Hälfe der Beschäftigten sind weiblich und in der Führungsebene nur noch 20 bis 25 % – ein klares Indiz für Benachteiligung.
Aber die Analyse muss über die reine Statistik hinausgehen, denn die Realität zeigt auch: Berufe, auch im öffentlichen Dienst, in denen vornehmlich Frauen arbeiten, sind für Männer oft nicht attraktiv. Das hat mit der geringen Entlohnung zu tun, mit mangelnder Anerkennung und mit geringen Aufstiegschancen. Das beste Beispiel dafür sind Erzieherinnen und Erzieher. Hier zeigt die Praxis – und das ist sehr interessant –: Wenn sich ein Mann als Erzieher in der Kita bewirbt, wird er mit Kusshand genommen. Das geht aber Frauen in männertypischen Berufen leider nicht so.
Meine Fraktion wird trotz vorgetragener Kritik dem Gesetzentwurf zustimmen – übrigens auch dem Änderungsantrag, um das schon einmal vorwegzunehmen –, und das nicht nur, weil er gegenüber dem veralteten Frauenfördergesetz wesentliche Verbesserungen enthält, sondern auch, weil das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben, ein modernes Gleichstellungsgesetz vorzulegen, auf sich warten lässt, und das ist leider ein bisschen wie das Warten auf Godot.
Schon 2016 gab es die Beteiligungs-Workshops. Frau Kuge hat sie angesprochen. Aber, Frau Kuge, waren Sie es nicht, die auf Facebook gepostet hat, oh, wir arbeiten gerade am Gleichstellungsgesetz, ich muss das noch ein bisschen rundschleifen. Da schwant mir nichts Gutes. Mehrfach wurden Entwürfe und strittige Punkte im Gleichstellungsbeirat intensiv diskutiert. Tapfer trägt Ministerin Köpping in fast jedem Ausschuss den aktualisierten Zeitplan vor. Was nicht kommt, ist das Gesetz. An der Ministerin und ihrem Referat liegt es ganz offensichtlich nicht.
Ich lehne mich jetzt einmal ganz weit aus dem Fenster und tippe, hier blockiert die CDU-Fraktion. Meine Fraktion ist bereit, diesen Weg abzukürzen. Deshalb stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, denn besser als das alte Frauenfördergesetz ist er allemal.
Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Abg. Raether-Lordieck. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Oftmals ist es hilfreich, Gesetze nicht nur von der Landesebene aus zu betrachten. In der kommunalen Umsetzung erweist sich deren Wirksamkeit oder eben Unwirksamkeit.
Als Stadträtin in Limbach-Oberfrohna hatte ich im Jahr 2015 an die Stadtverwaltung eine Anfrage nach der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten gestellt, deren konkreten Tätigkeiten in den vergangenen zwei Jahren, dem hierfür aufgewandten Zeitkontingent und eventuellen Aufwendungen im Rahmen dieser Tätigkeit. Wohlgemerkt, Limbach-Oberfrohna ist eine große Kreisstadt mit gut 24 000 Einwohnern. Hierzu gibt die Sächsische Gemeindeordnung in § 64 Abs. 2 vor: „In Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Mann und Frau haben die Gemeinden mit eigener Verwaltung Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. In Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern soll diese Aufgabe hauptamtlich erfüllt werden.“
Die Antwort des Oberbürgermeisters auf meine Anfrage: „Aktivitäten der Gleichstellungsbeauftragten unserer Verwaltung beschränkten sich in den vergangenen Jahren auf die Beschäftigung mit einschlägiger Fachliteratur, Sichtung von Informationen und Newslettern. Die Wahrnehmung dieser Tätigkeit nahm in der Vergangenheit einen durchschnittlichen zeitlichen Umfang von circa zwei Stunden monatlich ein. Es wurden im genannten Zeitraum keine Anliegen von Beschäftigten oder Bürgern der Stadt an die Gleichstellungsbeauftragte herangetragen. Jährlich anfallende Kosten waren lediglich die Umlage zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Sachsens.“
Mit anderen Worten, hier ist nichts passiert. Das ist nach aktueller Gesetzeslage grenzwertig, aber nicht zu ahnden, denn das noch aktuelle Frauenfördergesetz aus dem Jahr 1994 sieht bereits konkrete Maßnahmen vor, hat aber leider den Nachteil, dass Zuwiderhandlungen keinerlei Sanktionen nach sich ziehen. Sie, Frau Buddeberg, hatten das anhand eines anderen Beispiels genauso dargestellt.
Laut Abschlussbericht der Kreisbereisung 2011 bis 2014 der Landesstelle für Frauenbildung und Projektberatung Sachsen gab es einzelne Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern, wie Torgau, Werdau und Borna, die gar nicht erst hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte bestellten.
Frauenförderung bleibt aber notwendig, weil nach wie vor strukturelle Nachteile von Frauen ausgeglichen werden müssen. Es stellt sich die Forderung nach einer Stärkung und nach öffentlicher Anerkennung kommunaler Gleichstellungsarbeit durch konkrete politische Vorgaben vonseiten der Landespolitik. Aus diesem Grund halten wir von der SPD-Fraktion die Verabschiedung eines modernen Gleichstellungsgesetzes für unverzichtbar, ein Gesetz, das regelmäßige Kontrollmaßnahmen und bei Nichteinhaltung geeignete Sanktionsmöglichkeiten festschreibt, um nur die wesentlichsten Forderungen zu nennen.
Auf der Grundlage umfangreicher Empfehlungen des Landesfrauenrats wurde im Gleichstellungsministerium ein Gesetzentwurf erarbeitet und auch im Gleichstellungsbeirat immer wieder diskutiert. Zum aktuellen Stand hat unsere Ministerin im Sozialausschuss berichtet. Das Gesetz sollte in Kürze im Kabinett verabschiedet werden, um anschließend hier im Landtag diskutiert und verabschiedet zu werden, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Dem heute in zweiter Beratung vorliegenden Gesetzentwurf sowie dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir von der SPD-Fraktion deshalb nicht zustimmen.