Protocol of the Session on September 27, 2018

Ihrem Antrag als grundlegendes Bekenntnis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zuzustimmen wäre unproblematisch. Im Gegenteil, es gäbe überhaupt keinen Grund, es nicht zu tun. Sie knüpfen allerdings das Bekenntnis an einen Bericht, den wir nicht für sinnvoll halten. Einerseits handelt es sich bei den kritischen Themen, wenn man sich zum Beispiel die AmnestyBerichte anschaut, ausschließlich um Bundesthemen. Andererseits ist die Gefährdungslage durch regelmäßiges Anzeigen von Verstößen so in Deutschland nicht gegeben.

Diese Anzeigen liegen bei uns in dem Maße, dass sie einen Bericht rechtfertigen, einfach nicht vor. Es ist trotzdem gut, dass Sie darauf aufmerksam machen, dass in unserem Land bezüglich der Wahrnehmung der Menschenrechte nicht alles selbstverständlich ist. Es steht uns nicht gut zu Gesicht, mit erhobenem Zeigefinger in Richtung Türkei oder anderer Länder zu zeigen. Es steht uns gut zu Gesicht, zu prüfen, was wir besser machen können.

„Human rights are yours and mine“, so stand es auf meinem Plakat. Menschenrechte gehören dir und mir. Dass uns Menschenrechte gehören, dass wir ein Recht darauf haben, darin sind wir uns hier im Raum alle ganz sicher. Jeder von uns will sein Recht auf Unversehrtheit, sein Recht auf Meinungsfreiheit etc. jederzeit gewahrt wissen. Doch sind wir auch bereit, es jederzeit auch allen anderen zuzugestehen? Bedingungslos? Dann kämen wir an den Punkt, zum Beispiel Artikel 19 der Meinungsfreiheit, dass diese zum Beispiel für Herrn Wendt, dem ich nicht gern zuhöre, genauso gilt wie für Frau Neukirch, der ich sehr gern zuhöre. Auch das bedeutet Wahrung der Menschenrechte.

Ich hatte ein paar Gedanken, als ich Ihren Antrag gelesen habe, in Bezug auf das Thema Flucht, die mir in letzter Zeit häufiger durch den Kopf gegangen sind. Ich denke dabei immer an ein Plakat, das es zu den Montagsdemonstrationen in Leipzig gab, worauf stand – vielleicht kennt es der eine oder andere –: „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh‘n wir zu ihr!“

(André Barth, AfD: Genau!)

Diese Menschen haben für sich in Anspruch genommen, aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land zu verlassen – völlig legitim. Heute tun sich manche davon schwer, Menschen aus anderen Ländern genau das zuzugestehen. Sein Land zu verlassen, sein Glück im Wohlstand zu suchen, das war für manchen DDR-Bürger ein Ziel. Solche Träume haben auch Menschen in Afrika.

(André Barth, AfD: Das waren alles Deutsche!)

Ja, das war mir klar, dass das jetzt kommt. Das sind alles Menschen! Darum geht es!

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ihnen das zuzugestehen, nicht dem stattzugeben, das können wir rechtlich nicht, das ist auch Achtung von Menschenrechten. Ich glaube, auch ohne einen Bericht können wir alle einmal in uns gehen und uns fragen, wie tolerant und wie gerecht wir tatsächlich sind. Damit meine ich nicht gerecht gegenüber uns selbst, sondern gegenüber anderen. Dafür ist der Antrag ein guter Anlass.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Dr. Weigand. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ungefähr 20 Jahren habe ich ein Gespräch mit meiner Großmutter geführt, weil wir uns in der Schule mit dem Thema Zweiter Weltkrieg auseinandersetzen mussten. Sie hat mir damals mit Tränen in den Augen erzählt, wie sie zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu Hause die Fenster verdunkelt hat, weil die Alliierten Deutschland noch bombardiert haben und es hier das letzte Aufbegehren auf europäischem Boden gab, wo noch gerungen wurde. Deswegen ist es eine große Errungenschaft, dass wir heute in Europa Frieden haben. Das ist eine wirklich wichtige Errungenschaft, die wir auch an unsere Kinder weitergeben sollten. Der 70. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist ein wichtiger Gedenktag, dem wir zustimmen.

Herr Bartl, dann haben Sie sich, anstatt eine sachliche Diskussion zu führen, selbst demaskiert, indem Sie gesagt haben: Mit denen da drüben nicht. Das zeigt mir Ihre Ansicht zur Meinungsfreiheit in diesem Hohen Hause, die Sie nicht anerkennen.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei den LINKEN)

Vielleicht sollten Sie diesen Anti-AfD-Kaugummi, den Sie sich 2014 gekauft haben, nicht in jedem Plenum kauen, weil sich das ganze Ding irgendwann einmal auslutscht.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Schauen wir doch einmal in die Menschenrechte hinein. Bei dem Artikel 19 – „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit“ – haben Sie sich vorhin schon selbst demaskiert. Wenn ich mir anschaue, was bis 1989 in diesem Land gelaufen ist, was mir mein Vater noch erzählt, dann ist das ein roter Schatten, der über Ihrer Partei liegt.

(Beifall bei der AfD)

Dass Sie hier als die Menschenrechtspartei auftreten, ist einfach lächerlich. Im Artikel 16 Abs. 3 steht, dass die Familie die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat. Das stellen Sie immer wieder infrage mit diesem ganzen Gender-Gaga und der Frühsexualisierung, die Sie vorhaben.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Aha!)

Aufgrund Ihrer Scheinheiligkeit können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Lippmann. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube,

werte Kollegen von der AfD, es wird nie in Ihr Hirn hineingehen, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, dass man Ihnen nicht widersprechen darf, sondern dass es heißt, dass man Ihnen widersprechen kann, wenn es notwendig ist.

(André Barth, AfD: Das hat niemand behauptet! – Mario Beger, AfD: Das ist unglaublich! – Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den LINKEN)

Hören Sie einmal Ihren eigenen Abgeordneten zu!

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorstellung, dass Menschen unveräußerliche und unteilbare Menschenrechte haben, ist eine der wirkmächtigsten Überlegungen der Geschichte. Der Kampf um ihre Verwirklichung im Eintreten gegen Barbarei und Unterdrückung war nicht zuletzt das Ziel vieler Revolutionen. Eine der berühmtesten Erklärungen der Menschen- und Bürgerrechte, die der Französischen Revolution, enthielt bereits die klare Feststellung: Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Auch die erste deutsche Verfassung von 1848, die nie verwirklicht wurde, enthielt eine erhebliche Zahl der Rechte, die wir heute in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte finden.

Vor nunmehr 70 Jahren wurden die in vielen Ländern der Welt mit Blut erkämpften Menschenrechte in Anbetracht des noch viel größeren Zivilisationsbruchs der Gräueltaten des Nationalsozialismus als Völkerrecht kodifiziert. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gilt seitdem als die Mutter aller menschenrechtlichen Konventionen. Daran zu erinnern und uns ins Bewusstsein zu rufen, dass diese Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern ein verletzliches Gut, das tagtäglich aufs Neue verteidigt werden muss, ist auch Aufgabe dieses Landtags als Verfassungsorgan. Von daher begrüßen wir die mit dem Antrag vorgenommene Würdigung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anlässlich des 70. Jahrestages als GRÜNE ausdrücklich.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn aber in diesem Land Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer politischen Einstellung beleidigt, bedroht oder gar angegriffen werden,

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Dann zeigt dies, dass wir auch in einem Land Handlungsbedarf haben, das sich zu Recht rühmt, eine fortschrittliche Verfassung zu haben. Aber eine Verfassung allein reicht nicht, wenn es bei ihrer tagtäglichen Umsetzung Probleme gibt und ihre Werte nicht in dem Maße verwirklicht werden, wie es vielleicht notwendig wäre.

Aktuell läuft das Überprüfungsverfahren zu Deutschland vor dem Menschenrechtsausschuss. Die letzte Überprüfung war im Jahr 2013. Bereits damals wurde der Umgang in Deutschland mit Migrantinnen und Migranten, mit Minderheiten, wurde der geringe Schutz vor Rassismus kritisiert. Die GRÜNEN hatten bereits 2017 in einer Anfrage nachgehakt und den Einsatz vorrangig der

Bundesregierung für Menschenrechte als durchaus ausbaufähig kritisiert.

Der Menschenrechtsrat hat bei der Überprüfung Deutschlands unter anderem dazu aufgefordert, stärker gegen Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz vorzugehen. Auch die Menschenrechtsbeauftragte des Bundes, Bärbel Kofler, räumte Rassismusprobleme als ein Kernproblem in Deutschland bei der Umsetzung von Menschenrechten ein.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte am 21. September 2018 die Bundesregierung dazu auf, dass dem Bekenntnis zur Bekämpfung von Rassismus nun Taten folgen müssten. Alle politisch Verantwortlichen müssen sich klar gegen rassistischen Hass und rassistische Gewalt positionieren und dürfen Rassismus nicht herunterspielen – das sei einmal klar in Richtung der AfD gesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Beifall der Abg. Hannelore Dietzschold, CDU)

Die Regierung soll zudem darauf achten, dass ihre Politik gegenüber Schutzsuchenden keine rassistische Stereotype stärkt. Werte Kolleginnen und Kollegen, genau das erwarte ich dann auch von der Sächsischen Staatsregierung. Es braucht ein klares und tagtägliches Einstehen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Bei manchen Äußerungen von Kollegen in diesem Haus und auch von der Staatsregierung in den vergangenen Monaten habe ich Zweifel, ob klar und deutlich ist, wann und wie man tagtäglich für Menschenrechte in diesem Land einstehen sollte.

Da darf es auch kein Wegducken unter Verweis auf die Bundesebene geben. Wenn das Staatsministerium für Justiz in der Stellungnahme auf die regelmäßigen Berichte zur Einhaltung der Verpflichtung aus dem Menschenrechtsabkommen in Deutschland hinweist, dann hat es grundsätzlich recht; die gibt es. Aber das hindert die Sächsische Staatsregierung nicht daran, für Sachsen die Situation der Menschenrechte zu überprüfen. Anlass gibt es mehr als genug.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Al-Hussein, verurteilte jüngst die Gewalt in Chemnitz scharf. Er kritisierte die Angriffe rechter Demonstranten auf ausländische Passanten und forderte eine mutige und klare Gegenwehr der politischen Akteure. Es sei unabdingbar, dass Politiker dies verurteilen.

Ja, wir brauchen jetzt eine Konzentration der Stimmen in dieser Sache, für Menschlichkeit und für Menschenrechte. Spätestens nach den Vorfällen in Chemnitz ist es wichtig, sich als Staatsregierung zu Menschenrechten nicht nur zu bekennen, sondern Verletzungen von Menschenrechten auch in Sachsen klar in einem Bericht zu benennen. Ein solcher Bericht kann in Sachsen ein Anfang sein; er kann in diesen Zeiten aber vor allem ein wirkmächtiges Signal sein. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei den LINKEN)

Nun Frau Abg. Dr. Muster. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, wenn wir uns im Sächsischen Landtag an die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom

10. Dezember 1948 erinnern. Die Fraktion DIE LINKE hat uns daran erinnert; hierfür gebührt ihr unser Dank. Vielen Dank!

Die Abgeordneten der blauen Partei unterstützen Ziffer 1 Ihres Antrags. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat keine rechtsverbindliche Wirkung. Sie richtet sich zuallererst an die Weltgemeinschaft. Sie kann keinesfalls Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Rechten einzelner Menschen sein. Rechtsgrundlage hierfür sind zum Beispiel die UN-Menschenrechtspakte von 1966.

Warum Sie eine solch weltumspannende Regelung wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gerade in Sachsen diskutieren, ist mir unklar.

(Lachen bei den LINKEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie leben ja auch nicht hier! Wir haben nie ein Problem hier!)