Nun möchte ich noch einige Worte zur IstanbulKonvention generell sagen. Das Abkommen stammt aus dem Jahr 2011, wurde aber erst Ende 2017 vom Bundestag ratifiziert, also erst in dieser Legislaturperiode. Die Istanbul-Konvention ist seit Februar 2018 geltendes Recht in Deutschland.
Artikel 3 der Konvention bestimmt, das Geschlecht nicht als biologische Gegebenheit, sondern ausschließlich als soziale Zuordnung zu betrachten: Der Begriff Geschlecht bezeichnet „die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht“.
Damit ist die Istanbul-Konvention das erste internationale Abkommen überhaupt, das das Geschlecht im Sinne der Gender-Ideologie definiert. Sehr geehrte CDU, mir ist völlig unklar, wie Ihre Kollegen im Bund der IstanbulKonvention zustimmen konnten. Zu meinem christlich geprägten Weltbild passt das nicht.
Unsere Verfassung geht in Artikel 3 von einer biologischen Bestimmung des Geschlechts aus. Die Abgeordneten der blauen Partei lehnen die Gender-Ideologie in Gänze ab.
In Artikel 12 heißt es, es seien „Vorurteile, Bräuche, Traditionen und alle sonstigen Vorgehensweisen, die auf der Vorstellung der Unterlegenheit der Frau oder auf Rollenzuweisungen für Frauen und Männer beruhen, zu beseitigen“. Nehmen Sie es mir nicht übel, für mich klingt das nach Umerziehung. Ich mache mir Gedanken, ob der Volkstanz, Heimatabende und die schwäbisch-alemannische Fastnacht auch ein Opfer Ihrer Regelung werden.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Landen die im Backofen? Und die böse Hexe? – Lachen bei den LINKEN – Unruhe)
Nach Artikel 14 der Konvention ist sogar die Aufhebung der Rollenzuweisung in die offiziellen Lehrpläne und auf allen Ebenen des Bildungssystems aufzunehmen. Die Vertragsstaaten – –
Die Vertragsstaaten haben sich auch verpflichtet, eng mit den relevanten NGOs, bestehend aus all den GenderFeministinnen vor Ort, zusammenzuarbeiten und deren Aktivitäten auch noch finanziell zu unterstützen. So viel Ideologisierung bringt deutliche Eingriffe in Grundrechte wie Meinungsfreiheit, elterliche Erziehungsrechte und die Religionsfreiheit mit sich. Die Konvention ahndet jedwede Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und öffnet Rechtsmissbräuchen Tür und Tor. Wir lehnen die Istanbul-Konvention ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt ein bisschen unsicher. Natürlich habe ich einen zweiten Redebeitrag vorbereitet, hatte aber nicht damit gerechnet, dass hier ein völkerrechtlicher Vertrag grundsätzlich infrage gestellt wird.
Aber gut, das muss man vielleicht an anderer Stelle diskutieren. Das ist geltendes Recht. Es geht eigentlich nur um die Umsetzung; das hatte ich in meinem Redebeitrag schon ausgeführt. Also konzentriere ich mich auf das, was mir wichtig erscheint, nämlich den Blick darauf zu lenken, wo in Sachsen Lücken sind.
Ich wäre gern noch auf Frau Kuge eingegangen, kann sie im Saal aber nicht sehen. Sie hat ihren Redebeitrag vorgetragen und ist gegangen; das ist sehr schade. Aber vielleicht hört sie später noch irgendwann meine Rede. Ich fahre also fort.
Dr. Ulrike Böhm ist freiberufliche Rechtsmedizinerin aus Leipzig. Sie arbeitet in einem ohnehin schon anstrengenden Beruf und geht darüber hinaus einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, sie arbeitet nämlich in der Opferambulanz des Vereins Frauen für Frauen in Leipzig. Dort führt sie vertrauliche Spurensicherungen durch. Damit ist Leipzig einer der wenigen Orte in Sachsen, wo eine solche Beweisaufnahme möglich ist.
Für alle hier im Raum, denen nicht bekannt ist, worum es bei der vertraulichen Spurensicherung geht: Opfer sexualisierter Gewalt sind häufig nicht in der Lage, sofort Anzeige zu erstatten. Das hat damit zu tun, dass dies oft schambesetzt ist, dass sie Angst haben. Häufig kommt der Täter aus dem Nahumfeld. Die Hemmschwelle, Personen anzuzeigen, ist dann sehr hoch,. Wenn sie sich aber später entscheiden, Anzeige zu erstatten, haben sie vor Gericht am Ende große Schwierigkeiten, Beweise vorzulegen.
Das hat fatale Folgen. Von den Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt werden, gehen nämlich nur 8 % überhaupt zur Polizei. Von diesen wenigen zur Anzeige gebrachten Fällen kommt es bei 87 % nicht zu einer Verurteilung. Die häufigste Ursache dafür ist die mangelnde Beweislage. Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass sich die Täter über die Konsequenzen ihrer Tat eigentlich relativ wenige Gedanken machen müssen; denn die Wahrscheinlichkeit, strafrechtlich verfolgt zu werden, ist dann doch ziemlich gering.
Genau hier greift die vertrauliche Spurensicherung. Sie dient nämlich der Beweisaufnahme und der Sicherung der Spuren – anonym und vertraulich –, sodass sich das Opfer später entscheiden kann, die Tat zur Anzeige zu bringen, und dennoch eine Beweiskette hat, mit der sie vor Gericht die Tat auch belegen kann.
Frau Dr. Böhm dürfte einigen von Ihnen bekannt sein; denn sie war als Sachverständige in der Anhörung des
Sozialausschusses am 7. Mai hier im Landtag. Sie hat dort zu einem Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema gesprochen, hat ihre Arbeit dargestellt, die – ich möchte es noch einmal betonen – ehrenamtlich erfolgt. Sie hat deutlich gemacht, dass diese Versorgungsleistung für sie als Ärztin nicht abrechnungsfähig ist.
Am vergangenen Freitag wurde sie vom Landesfrauenrat mit dem Engagementpreis ausgezeichnet, und ich möchte ihr von dieser Stelle aus noch einmal ganz herzlich dazu gratulieren.
In der Jury dieser Preisverleihung sitzt übrigens auch Frank Peter Wieth, der Leiter des Referats für Gleichstellung des Sozialministeriums – er ist auch heute bei der Debatte anwesend –, und es gab ein Grußwort der Ministerin Köpping. Das heißt, hier wurde die Arbeit von Frau Dr. Böhm gewürdigt. Aber bisher gibt es eben keine Finanzierung, und das ist ein Problem. Dies muss sich ganz dringend ändern. Auch hier gibt es nun eine neue gesetzliche Vorgabe durch die Istanbul-Konvention.
Der Landesfrauenrat hat in diesem Jahr den Engagementpreis zum Thema Kampf gegen häusliche Gewalt ausgelobt und verweist damit auf das Jahresthema, vor allem auch auf die Sächsische Frauenwoche, die im November stattfindet. Hier wird es zahlreiche Veranstaltungen zum ganzen Themenkomplex Häusliche Gewalt geben. Ich kann Ihnen nur empfehlen, möglichst viele dieser Veranstaltungen zu besuchen, weil in der heutigen Debatte – das wird schon so ein bisschen deutlich – eigentlich die Zeit fehlt, um auf alle Aspekte ausführlich einzugehen. Umso mehr freue ich mich, dass sich der Landesfrauenrat so sehr auf diesem Themenfeld engagiert.
Das ist übrigens genau der Landesfrauenrat, der von Teilen dieser Regierung schon einmal beinahe kaputtgespart worden wäre. Es ist den engagierten und widerstandsfähigen Frauen zu verdanken, dass diese Durststrecke überstanden werden konnte und dass es den Landesfrauenrat überhaupt noch gibt.
Das macht auch deutlich, dass wir die Verantwortung für dieses Thema nicht allein bei den Vereinen belassen dürfen. Wir müssen den Kampf gegen häusliche Gewalt auf die politische Agenda setzen.
Wenn wir schon beim Thema Finanzierung sind: Es ist ein gutes und ein wichtiges Zeichen – eigentlich viel mehr als ein Zeichen –, dass im letzten Doppelhaushalt mehr Geld für den Kampf gegen häusliche Gewalt eingestellt wurde. Es ist aber erschreckend, wie wenig davon abgerufen werden konnte. Das liegt wirklich nicht am mangelnden Bedarf, sondern liegt an der Förderpraxis und den Förderbedingungen, vor allem an der anteiligen Finanzierung durch die Kommunen und an den Eigenmitteln, die die Vereine aufbringen müssen. Der Schutz vor Gewalt darf
Als die Gelder im letzten Landeshaushalt erhöht wurden, haben wir gesehen, dass sofort klamme Kommunen den Rückzug aus der Finanzierung erwogen haben. Wir hatten das Beispiel in Görlitz, wo ein Frauenschutzhaus zwischendurch schließen musste. Es ist wieder ein neues eröffnet worden. Aber von 17 Plätzen sind nur acht übrig geblieben.
Die Forderung, die wir heute mit diesem Antrag stellen, die Istanbul-Konvention umzusetzen, kommt nicht von uns. Das ist in einigen Redebeiträgen schon angeklungen. Es ist eine Forderung, die wir hier ins Parlament tragen. Das fordern der Juristinnenbund, der Deutsche Frauenrat und das Deutsche Institut für Menschenrechte. Wir bekräftigen damit die Forderung der 28. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder, die im Juni in Bremerhaven getagt hat. Dort gab es einen Leitantrag mit dem Titel „Frauen vor Gewalt schützen – IstanbulKonvention umsetzen – Chancen für Frauen- und Gleichstellungspolitik nutzen“. Genau das wollen wir mit diesem Antrag. Der Antrag in Bremerhaven wurde einstimmig beschlossen.
Liebe Fraktionen CDU und SPD, wenn Ihre Ministerin Köpping dem dort zustimmen konnte, dann – so denke ich – können Sie das heute auch.
Meine Damen und Herren! Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Doch! Sie waren noch im Gespräch, und es ist Ihnen erst jetzt eingefallen. Sie haben das Wort, bitte.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Buddeberg, nur ganz kurz. Weil Sie gerade auf das Thema eingingen, habe ich mich überhaupt nur hier nach vorn begeben. Sie hatten gerade die verfahrensunabhängige Beweissicherung relativ ausführlich dargestellt.
Das war in der Tat ein wesentlicher Gegenstand unseres Antrages Drucksache 6/13748 zum Opferschutz, den wir im Juni hier im Haus – wie ich glaube – einstimmig beschlossen haben. Das ist ein Thema, mit dem sich die Staatsregierung befasst. Wir haben das auf den Weg gebracht.
Es soll in ganz Sachsen ein Netzwerk entstehen, in dem für alle Betroffenen, vor allem für die Frauen und Kinder, die in der Regel davon betroffen sind, kurze Wege entstehen sollen, wo sie vertrauensvolle Beratung finden, ohne deswegen ihre Familienverhältnisse gleich zu gefährden. Die Schwelle, die dort zweifellos besteht, wollen wir absenken. Wir wollen den Leuten ermöglichen, dass sie die Beweise sichern lassen, ohne dass deswegen sofort ein Strafverfahren eingeleitet werden muss.
Die Dunkelziffer ist gewaltig. Sie liegt schätzungsweise bei 70 %. Das muss man sich klarmachen. Wenn man das betrachtet, dann weiß man, wovon wir hier reden.
Aber wir sind auf dem Weg, Frau Buddeberg. Wir machen das. Wir könnten natürlich noch ein neues Konzept stricken und dann „Istanbul-Konvention“ darüberschreiben. Eigentlich steht über unserem Opferschutzantrag die Istanbul-Konvention.
Es ist schon gesagt worden, wie wir dazu stehen. Natürlich ist das Anliegen völlig berechtigt, aber wir machen es doch schon.