Protocol of the Session on September 26, 2018

Die sächsische Polizei hat meines Wissens mehr als 2 000 Tarifbeschäftigte, für die dieser Beauftragte nicht zuständig wäre. Beschwerdemöglichkeiten von Bürgern werden in dem Gesetzentwurf eher als Feigenblatt benannt, sind aber nicht die eigentliche Aufgabe des Polizeibeauftragten. Ebenfalls in § 1: „Der Polizeibeauftragte stärkt das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürgern und Polizeivollzugsdienst.“ Zudem ist im Gesetzentwurf nicht geregelt, wie Beschwerden von Bürgern durch den Beauf

tragten befasst werden sollen, obwohl er Einfluss nehmen soll – so das Gesetz –, dass begründeten Beschwerden abgeholfen wird. Meines Erachtens ist eher zu vermuten, dass nicht die Stärkung der Bürger und Grundrechte, sondern Law and Order und die Erweiterung der polizeilichen Handlungsbefugnisse Ziel und Zweck des Gesetzentwurfes sind.

Herr Abg. Wippel hat in der Plenardebatte zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Ombudsstelle wie folgt formuliert: „Diese Beschwerdestelle“ – gemeint war die Ombudsstelle – „kann auch dazu führen, dass polizeiliches Handeln übervorsichtig wird. Wir brauchen aber Polizisten, die grundsätzlich mutig vorangehen und nicht dorthin kommen, dass sie polizeiliches Handeln ein Stück weit zurückstellen, weil sie Angst vor einer Beschwerdestelle haben, die vonseiten des polizeilichen Gegenübers wie ein drohendes Zeichen gezeigt wird.“

Dieser Beauftragte nach dem vorliegenden Gesetzentwurf wird mit rudimentärem Auftrag und gesetzlich kaum ausformulierten Befugnissen den Bürgern gegenüberstehen. Nach unserer Auffassung werden damit in keiner Weise die Erfordernisse eines unabhängigen Polizeibeauftragten erfüllt. Der Gesetzentwurf ist unzureichend. Wir lehnen ihn ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich sehe erneut eine Kurzintervention. – Bitte, Herr Wippel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Kollege Stange! Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die Sie soeben in Ihrem Redebeitrag gebracht haben. Ich möchte nicht darauf eingehen, was Sie glauben, vermuten, spekulieren oder negieren, obwohl es im Gesetz steht. Das spottet jeder Beschreibung. Halten wir uns einfach an die Fakten.

Sie haben richtig zitiert, was ich über Ihren Gesetzentwurf gesagt habe. Er war für uns damals wirklich nicht zustimmungsfähig, und zwar aus genau den von Ihnen wiederholten und zitierten Gründen. Das ist völlig richtig. Was Sie vorhatten, ist, eine Art Parallelinstanz zu schaffen, eine Art Paralleljustiz. Das geht zu weit, und das wollen wir nicht. Die Rechte, mit denen Sie Ihren Ombudsmann ausstatten wollten, hätten dazu geführt, dass es möglich gewesen wäre, in übertriebener Art und Weise in die Polizei hereingehen zu können, und das sogar ohne konkreten Anlass. Genau das wollten wir nicht.

Wir wollten zu einem vernünftigen Ausgleich zwischen den Interessen der Bürger und denen der Polizeibeamten beitragen, und wenn es zum Konfliktfall kommt, dass an dieser Stelle auch vermittelnd eingeschritten werden kann. Deshalb benötigen wir die weitreichenden Befugnisse, wie Sie sie haben wollen, nicht. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit des Disziplinarverfahrens, und es besteht auch im Fall von rechtswidrigem Handeln sowohl das Recht für die Bürger, das Strafrecht als auch die

Verwaltungsgerichtsbarkeit zu bemühen. Damit ist alles abgedeckt. Das, was Sie vorhatten, geht einfach zu weit. Wir bleiben dabei: Ihr damaliger Gesetzentwurf war schlecht, und deshalb mussten wir ihn auch ablehnen.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt kommt die Reaktion auf die Kurzintervention von Herrn Kollegen Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident! Beim Verhältnis von Bürgern und Polizei handelt es sich um ein besonderes Verhältnis. Da aufgrund der Tatsache, dass die Polizei durch polizeiliche Maßnahmen tief in den Grundrechtsbereich von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen können, geht es hier also darum, wie die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern auf gesetzlicher Grundlage im Falle eines nicht angemessenen polizeilichen Handelns gesichert werden können. Dies allerdings wird mit Ihrem Gesetzentwurf – um sich einmal auf den Gesetzentwurf zu beziehen, um den es heute geht – nicht im Ansatz erfüllt. Darum geht es.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir fahren fort in der Rednerreihe, und ich bitte Herrn Kollegen Pallas nach vorn. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über den Gesetzentwurf der AfD, die Stelle eines Polizeibeauftragten im Freistaat Sachsen einzurichten. Das eigentliche Thema ist die Stärkung der Transparenz von polizeilicher Arbeit und Stärkung des Vertrauens in die Polizei. Hier wurde aus aktuellen Erhebungen zitiert, wonach 86 % der Bevölkerung Vertrauen in die Polizei haben. Das mag in historischen Vergleichen ein hoher Wert sein. Aber mit Blick auf Erhebungen in den letzten Jahren ist das ein leicht sinkender Wert, und das sollte uns allen zu denken geben. Der Landtag berät wiederholt darüber, wie wir das Vertrauen in die Polizei stärken können. Ich begrüße die Debatten darüber, auch die heutige, ausdrücklich, weil das ein sehr relevantes und wichtiges Thema ist. Es zeigt auch, dass die Koalition den Finger auf die richtige Stelle gelegt hat, als sie bereits 2014 beschloss, eine unabhängige zentrale Beschwerdestelle einzurichten. – So viel zu den Fakten.

Nun gibt es sie seit Anfang 2016. Wir haben zwei Jahresberichte mit durchwachsenem Befund vorgelegt bekommen. Einerseits nehmen viele Bürgerinnen und Bürger dieses Angebot an. Das Spektrum reicht vom reinen Informationsbedürfnis bis zu echten Beschwerden. Andererseits ist die Zahl der sich an die Beschwerdestelle wendenden Polizeibeamten tatsächlich sehr gering. Deshalb führen wir zu Recht schon länger die Diskussion darüber, wie wir die Beschwerdestelle weiter verbessern können. Auf Antrag der Koalitionsfraktion hat dann dieses Hohe Haus 2016 beschlossen, diese regelmäßigen öffentlichen Berichte einzuführen und die Ergebnisse der Polizei, aber auch dem Landtag und der Öffentlichkeit zur

Kenntnis zu geben. Wir haben den Gesetzentwurf der LINKEN über die Ombudsstelle. Diesen Teil spare ich mir jetzt. Das hatten wir eben schon und auch damals zur Genüge gehört. Als SPD hatten wir ihn damals abgelehnt, weil es auch uns deutlich zu weit ging.

Der Grundcharakter des Gesetzentwurfs war damals eher Misstrauen gegenüber der Polizei und hätte damit die Ziele konterkariert.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Die Rechte der Bürger!)

Aber in der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf, Herr Stange, wurden doch einige Punkte benannt, mit denen die bestehende Beschwerdestelle konkret verbessert werden kann. Das sind drei Punkte, die ich als zentral empfinde und die sich auch in dem wirklich guten Entwurf für ein neues Polizeigesetz im Freistaat Sachsen wiederfinden.

(Vereinzelt Lachen bei den GRÜNEN)

Erstens geht es darum, überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die Beschwerdestelle zu schaffen, um ihr größeres Gewicht zu verleihen, um ihre Arbeit verbindlicher zu gestalten und um sie langfristig abzusichern.

Zweitens soll die Unabhängigkeit der Beschwerdestelle verstärkt werden. Mir ist schon klar, dass sie nicht völlig unabhängig ist, aber gegenwärtig befindet sie sich an der Spitze der Polizeistruktur, wenn man so will: beim Landespolizeipräsidenten. Wenn Sie in den Gesetzentwurf schauen, stellen Sie fest, dass sie an der Spitze des Innenministeriums angesiedelt werden soll. Ich sage einmal ganz offen: Die SPD kann sich vorstellen, eine solche Stelle tatsächlich auch beim Landtag oder anderswo anzubinden,

(Sebastian Wippel, AfD: Darüber beraten wir doch hier!)

aber das ist nicht Konsens innerhalb der Koalition. Das ist auch kein Problem, wie ich finde. Aber die Unabhängigkeit soll gestärkt werden.

Drittens sollte der Dienstweg für die Polizeibeamten bei solchen Beschwerden aufgehoben werden – das war eine Forderung aus der Anhörung. Das, lieber Kollege Wippel, ist tatsächlich das Haupthindernis für Polizeibeamte, sich an die Beschwerdestelle zu wenden – nicht aber die Gründe, die Sie vorhin angeführt haben. Allerdings muss man dabei auch feststellen, dass man den Dienstweg nicht einfach so mir nichts, dir nichts aufheben kann, auch nicht per Gesetz, sondern das müsste sich in den beamtenrechtlichen Rahmenbedingungen bewegen.

Wir haben jetzt einen Vorschlag der Staatsregierung empfangen, einen Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Polizeirechts. Wir werden ihn gründlich beraten und bewerten. Und dann kommen Sie von der AfD mit dem hier vorliegenden kleinteiligen Gesetzentwurf.

(Sebastian Wippel, AfD: Wieso kleinteilig?)

Sie wollen einen Polizeibeauftragten, dem Sie aber keine Befugnisse geben wollen. Als SPD-Fraktion werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Zum einen enthält er in seinem Drang, alles wirklich bis ins allerkleinste Detail abschließend zu regeln, ziemlich fragwürdige Punkte. Das will ich an zwei Beispielen deutlich machen.

Einerseits wollen Sie bei Einreichung einer Beschwerde eine Verpflichtung zur Schriftform. Das ist deshalb fragwürdig, weil es dazu verpflichten würde, etwas auf Papier Aufgeschriebenes mit Unterschrift und allem Drum und Dran abzugeben. Das verschließt sich aber völlig den heute gängigen Mitteln, etwa einem Kontaktformular auf der Homepage oder einer E-Mail, die man an die Beschwerdestelle schickt.

(Zuruf von der AfD: Das ist auch schriftlich!)

Zweitens wollen Sie eine starre Dreimonatsfrist, die an den Zeitpunkt der Beendigung der polizeilichen Maßnahme geknüpft ist. Das erscheint sehr unpraktikabel, weil weder der Bürger noch der Mitarbeiter des Polizeibeauftragten zum Zeitpunkt der Annahme der Beschwerde genaue Kenntnis darüber haben dürfte, wann die polizeiliche Maßnahme wirklich beendet war. Diese Beispiele zeigen, dass es sehr fraglich ist, ob es für eine gute Bearbeitung von Beschwerden bezüglich polizeilichen Handelns sinnvoll ist, ein derart kleinteiliges Gesetz zu erlassen.

Das steht auch ein bisschen im Widerspruch zu dem, was Sie, Herr Wippel, vorhin auf die berechtigten Vorwürfe des Kollegen Anton im Hinblick auf die fehlende Beschreibung des Verhältnisses zur Beschwerdestelle äußerten. Einerseits regeln Sie alles bis ins Kleinste, aber diesen wichtigen Punkt – das Verhältnis des Polizeibeauftragten zur Beschwerdestelle oder den Umgang mit ihr – ignorieren Sie völlig. Tut mir leid, das bekomme ich nicht zusammen.

Zudem habe ich bei diesem Thema schwerwiegende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der AfD. Der Gesetzentwurf sollte außer im federführenden Innenausschuss eigentlich noch im Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Verfassungs- und Rechtsausschuss fachlich mitberaten werden. Zeit genug wäre gewesen. Sie haben nach längerer Pause den Gesetzentwurf jedoch ausschließlich im Innenausschuss aufgerufen und legen ihn nun dem Plenum vor.

(Sebastian Wippel, AfD: Das war ein Fehler des Ausschusssekretariats!)

Einerseits fehlt die fachliche Perspektive der mitberatenden Ausschüsse, andererseits drängt sich mir der Gedanke auf, dass Sie an dem Thema nicht wirklich ernsthaft interessiert sind, sondern dass es sich hier nur um ein weiteres Schaufenstervorhaben der AfD handelt, meine Damen und Herren.

Schließlich ist der vorgelegte Gesetzentwurf nur eine der Möglichkeiten, die Themen Transparenz, Vertrauen in die Polizei und Beschwerdestelle weiterzuentwickeln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte, Herr Präsident.

Bitte, Herr Wippel.

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr Kollege Pallas. – Herr Pallas, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es sich bei der letzten Tagesordnung um einen Fehler des Ausschusssekretariats gehandelt hat und dass die Mitberatung nicht in der Form vorgesehen war, wie Sie sie gerade eben benannt haben?

Ich nehme das jetzt zur Kenntnis, was Sie in Ihre Frage verpackt haben, Herr Wippel. Auf der anderen Seite ist jede Fraktion selbst für ihre Drucksachen verantwortlich. Sie ist dafür verantwortlich, dass ihre Initiativen ordnungsgemäß in den Ausschüssen beraten werden. Das heißt, wenn Sie ein Interesse daran haben, dass die Debatte in den Fachausschüssen umfangreich und vollständig erfolgt, dann wird man doch wohl, nach dem Sie vier Jahre lang in diesem Hohen Hause sind, erwarten dürfen, dass die AfD das auf die Reihe bekommt, Herr Wippel.

Die war aber nicht vorgesehen, die Beratung! Sie war nicht vorgesehen!

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Dann hätten Sie sich ja beschweren können!)

Die Frage ist beantwortet.

Ich bin bei der Aussage stehengeblieben, dass der hier vorliegende Gesetzentwurf nur eine Möglichkeit ist, das Thema Beschwerdestelle weiterzuentwickeln. Eine andere Möglichkeit der Weiterentwicklung finden Sie in dem umfangreichen und guten Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des sächsischen Polizeirechts, welcher sich seit letzter Woche zur Beratung im Sächsischen Landtag befindet. Dort wird – ich wiederhole es – ein Vorschlag für eine gesetzliche Grundlage der Beschwerdestelle, für eine größere Unabhängigkeit der Beschwerdestelle und für eine Lockerung des Dienstweges vorgelegt.

Im anstehenden parlamentarischen Verfahren wird meine SPD-Fraktion die Vorschläge der Staatsregierung natürlich gründlich prüfen und die im Ergebnis erforderlichen und konsensfähigen Maßnahmen zusammen mit dem Koalitionspartner ergreifen.

Dabei haben wir ein Hauptziel: Wir wollen Polizeiarbeit verbessern und die Transparenz polizeilicher Arbeit weiter erhöhen. Dazu haben wir mit der Beschwerdestelle ein niedrigschwelliges Angebot, Kritik an polizeilicher Arbeit vorzubringen. Wir haben auch die Möglichkeit vorgesehen, dass die Polizei darüber reflektieren kann und ihre