Protocol of the Session on September 6, 2018

Ich möchte die Situation nutzen, um die Zahlen aufzurufen, wo wir im Jahr 2014 standen, wo wir heute stehen und wo wir im Jahr 2020 stehen werden. Im Jahr 2014 hatten wir 2 860 Kindertageseinrichtungen. Im Jahr 2017 sind es schon 2 947. Ja, auch steigende Kinderzahlen tragen dazu bei; aber schauen wir uns einmal die Erzieherzahl an. Hatten wir im Jahr 2014 circa 28 400 Erzie

her, liegen wir jetzt bei 31 200 Erziehern. Das hat nicht nur mit steigenden Kinderzahlen zu tun, sondern es sind auch ganz klar die Auswirkungen unserer Absenkung des Betreuungsschlüssels.

Das wirkt sich natürlich auch auf den Haushalt aus. Im Jahr 2014 hatten wir Ausgaben für Qualitätsverbesserungen in Höhe von 431 Millionen Euro. Wir werden im Jahr 2020, mit Blick auf den Doppelhaushalt, bei 811 Millionen Euro landen. Das entspricht einer Verdoppelung der Ausgaben. Das war etwas, was diese Koalition und maßgeblich auch die SPD mit vorangetragen hat.

(Beifall bei der SPD – Susanne Schaper, DIE LINKE: Genau!)

Das heißt natürlich nicht, dass wir schon am Ende sind; Herr Bienst hat es gerade angesprochen. Wir wollen einen wichtigen weiteren Schritt gehen, das ist die Einführung der Vor- und Nachberatungszeit. Es ist wirklich wichtig, dass wir an dieser Stelle auch mit Blick auf den Doppelhaushalt eine ehrliche Variante finden, die zwei Stunden für einen Großteil der Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat bringen wird.

Wir haben es in den letzten Jahren erlebt, wie lange es gedauert hat, bis die Schlüsselabsenkungen tatsächlich ankamen. Wenn wir jetzt die Vor- und Nachbereitungszeit einführen, dann muss sie bei jeder einzelnen Erzieherin ankommen und nicht in Deutungshoheit der Leiterin oder der Träger bleiben.

Es ist ein Anfang, haben wir uns auch gedacht und unseren Perspektivenwechsel als Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion in diesem Jahr dafür genutzt, in die Kindertageseinrichtungen zu gehen. Ich glaube, es war für jeden von uns ein guter Moment, zu sehen, dass tatsächlich mehr Personal in den Einrichtungen vorhanden ist. Wir haben uns sehr wohl vorher angeschaut, wie der Personalstamm im Jahr 2014 war und wo sie heute stehen. Es ist wirklich zu sagen, es sind nicht nur Minuten. Es sind neue Köpfe, neue Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen angekommen. Das hat gedauert, aber spätestens zum 1. September 2018 ist neues Personal da. Ich glaube, das war gut und richtig.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Es gab aber natürlich – das Aber kommt immer hinzu – nicht nur positive Rückmeldungen. Ja, das neue Personal ist da, aber die Probleme, die wir nach wie vor damit haben, dass der Schlüssel nicht ehrlich ist – wir haben keine Einrechnung von Urlaub, Krankschreibung und Weiterbildung –, führen immer wieder dazu, dass es zwar auf dem Papier gut aussieht, aber in der Realität nicht so viele Erzieherinnen und Erzieher in der Einrichtung sind, wie im Gesetz eigentlich angedacht. Ich denke, an der Stelle müssen wir weiter dranbleiben. Den Schlüssel ehrlich zu machen wäre wichtig.

Ein weiteres Aber – das bedrückt mich wirklich sehr – ist die Frage des Personalbedarfs. Ich glaube, keiner von

meinen Kollegen war in einer Einrichtung, in der die Leiterin gesagt hätte: „Ich finde von heute auf morgen eine neue Erzieherin“, oder: „Auf meine Ausschreibung haben sich drei, vier Personen beworben und wir können auswählen.“ Die Realität ist mittlerweile eine andere. Teilweise liegen Ausschreibungen ein halbes Jahr, teilweise gibt es gar keine Bewerberinnen und Bewerber mehr. Ich denke, wir haben tatsächlich ein Problem.

Herr Bienst hat es zu Recht angesprochen: Wenn wir über weitere Qualitätsverbesserungen nachdenken, dann

können wir das nur gemeinsam machen, indem wir eine Antwort auf die Frage nach dem Fachkräftebedarf geben. Es hilft uns auch nicht, wenn wir wieder den gleichen Fehler begehen wie jahrelang bei den Lehrerinnen und Lehrern und sagen: Der Bedarf ist eigentlich gedeckt, wir bilden genug aus. Rein rechnerisch bilden wir 2 000 Erzieherinnen und Erzieher aus, aber kommen sie denn tatsächlich an? – Offensichtlich nicht, ansonsten würden uns die Leiterinnen und Leiter und die Träger nicht sagen, dass sie tatsächlich Probleme haben, überhaupt noch Erzieher zu finden.

Wir führen die Vor- und Nachbereitungszeit ein. Egal, welche Rechnung man aufstellt. Es wird mindestens 1 000 Vollzeitäquivalenten mehr bedürfen. Die Erzieher müssen dann auch tatsächlich da sein. Wir werden nicht nur die einzelnen Stundenkontingente aufbrechen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen also über die Ausbildung spreche – dies werde ich auch gern noch einmal in der zweiten Runde tun.

Ich denke, wir haben als Koalition einen guten Anfang gemacht. Das sollte man auch nicht schlechtreden. Wir haben gute Schritte getan mit der Absenkung des Schlüssels und der Einführung der Vor- und Nachbereitungszeit. Am Ende sind wir damit aber noch nicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wir fahren fort in der Rednerreihe und kommen zur Fraktion DIE LINKE. Das Wort ergreift hier Frau Kollegin Junge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD! Ich möchte Sie heute herzlich beglückwünschen, nicht zu Ihrer Politik – dazu besteht wahrlich kein Grund –, aber immerhin zu Ihrer erkennbaren Lernfähigkeit.

(Oh-Rufe bei der CDU und der SPD)

Vor einem Jahr hat die Fraktion der LINKEN hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, das Gesetz zur schrittweisen Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen. Im Juni 2018 haben Sie es abgelehnt.

(Staatsminister Christian Piwarz: Eine Wünsch-dir-was-Liste!)

Heute stellen Sie eine Aktuelle Debatte unter das Thema – Sie hatten es genannt – „Auf den Anfang kommt es an – Schritt für Schritt zu mehr Qualität in unseren Kitas“. Ich kann einfach einmal sagen: Links wirkt.

(Beifall bei den LINKEN – Lachen bei der CDU und der SPD – Lothar Bienst, CDU: Mit „ü“ geschrieben! – Heiterkeit bei der CDU – Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Schön wäre es, wenn Sie nicht noch einmal ein Jahr brauchen würden, bevor Sie unsere konkreten Vorschläge übernehmen; denn die Zeit drängt.

Wir, DIE LINKE, wollen bis spätestens 2030 den erforderlichen Qualitätsstandard für Personalschlüssel erreichen. Zwölf Jahre klingt nach viel Zeit, aber selbst dieser Zeitraum erfordert größere Schritte.

Ich weiß, Sie wollen sich heute feiern und selbst loben,

(Lothar Bienst, CDU: Haben Sie doch gerade gemacht!)

unter anderem für die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit, für welche die Mittel jetzt in den Doppelhaushalt mit eingearbeitet werden sollen.

(Dirk Panter, SPD: Ist nicht der Rede wert!)

Das kam in Ihren Redebeiträgen heute zum Ausdruck.

(Patrick Schreiber, CDU: Wer feierte sich denn gerade eben? Eine langweilige Feier heute! – Weitere Zurufe von der CDU)

Nun ist auch dieser Vorschlag schon ein Vorschlag aus dem Jahr 2017. Sie können sich erinnern: Als Antrag der Fraktion DIE LINKE haben wir ihn hier eingebracht. Insofern könnten wir uns jetzt natürlich auch dafür loben und sagen, alles wäre wunderschön. Leider sehen wir es aber nicht so. Wir sehen, es fallen Schatten auf den KitaBereich. Es gibt Probleme. Ich möchte insbesondere auf drei Probleme eingehen.

Erstes Problem: Der jüngste Bildungsmonitor der Bertelsmann Stiftung in der letzten Woche hat Sachsen bescheinigt, dass wir gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern heute die Schlusslichter beim Personalschlüssel in den Kitas sind.

(Lothar Bienst, CDU: Darüber haben wir doch aber schon diskutiert!)

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Vor 20 Jahren hatte Sachsen die besten Kitas in der gesamten Bundesrepublik.

(Lothar Bienst, CDU: Haben wir immer noch!)

Obwohl – Sie haben es dargestellt – in den letzten Jahren etwas verbessert wurde, sind wir von allen anderen überholt worden.

(Lothar Bienst, CDU: Ist doch Quatsch!)

Die Schritte im frühkindlichen Bereich waren viel zu klein. Es waren Kaffeebohnenschritte.

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Zweites Problem: Die geplante Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit für Erzieherinnen und Erzieher in Krippen, Kindergärten und Horten bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ist auch diesmal viel zu wenig. Sie hatten im April dieses Jahres versprochen, 75 Millionen Euro für die Maßnahme einzusetzen, die aus der KitaUmfrage herauskommt. Das haben Sie nicht getan. Schauen Sie in Ihren Haushalt hinein.

(Holger Gasse, CDU: Der ist doch noch gar nicht beschlossen! – Dr. Stephan Meyer, CDU: Der ist doch noch gar nicht beschlossen!)

75 Millionen Euro, das klingt nach viel Geld, zumindest für jeden, der dieses Geld nicht hat. Es sind aber umgerechnet weniger als ein Euro pro betreutem Kind und Tag. Es ist noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Deswegen sage ich: Diese Kaffeebohnenschritte können wir nicht weitergehen.

Drittes Problem: Zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit pro Erzieherin waren versprochen. Als Sie das versprachen, wussten Sie, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher im Durchschnitt mit 32 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt sind – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Dass Sie jetzt an dieser Stelle nachbessern, ist wirklich das Mindeste, was man erwarten kann. Wir fordern jedoch die Koalition auf, die versprochenen 75 Millionen Euro Landesmittel pro Jahr für die Vor- und Nachbereitungszeit komplett oder ab 2019 einzusetzen.

(Beifall bei den LINKEN – Lothar Bienst, CDU: Das hat niemand versprochen! – Staatsminister Christian Piwarz: Sie müssen schon richtig zuhören! –)

Die Erzieherinnen und Erzieher – –

Die Redezeit ist zu Ende.

Ich würde noch den einen Satz beenden.

Bitte, Frau Junge.

Die Erzieherinnen und Erzieher in der Kindertagespflege müssen auch die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit für die mittelbare pädagogische Tätigkeit erhalten. Das muss mindestens noch nachverhandelt werden.