Protocol of the Session on September 6, 2018

Die Erzieherinnen und Erzieher in der Kindertagespflege müssen auch die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit für die mittelbare pädagogische Tätigkeit erhalten. Das muss mindestens noch nachverhandelt werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Als Nächster spricht für die AfD-Fraktion Herr Dr. Weigand.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben mich sogar am Anfang überrascht. Ich hatte wirklich damit gerechnet, dass Sie hier so ein bisschen ein Feierfeuerwerk abbrennen. Aber es waren sogar kritische Stimmen bei Ihnen dabei. Darüber habe ich mich gefreut.

Ich habe zwei kleine Kinder und habe mich bei dem Thema „Schritt für Schritt mehr Qualität in sächsischen Kitas“ gefragt: Welche Schritte gehen Sie? Welche Schritte springen meine Kinder aus dem Stand? Wer erreicht da wohl mehr? Jetzt haben Sie ab 2014 die Situation verbessert. Das ist toll. Aber die Geburtenraten steigen eben schon seit 2000, und das sehen Sie jetzt in der Situation und haben es eingestanden, Frau Pfeil-Zabel.

Es ist nur auf dem Papier toll gesenkt. Was passiert, wenn eine Erzieherin krank oder auf Weiterbildung ist? Was passiert, wenn – und das ist ja sogar löblich – eine junge Erzieherin selbst Mutter wird und in Elternzeit geht? Dann ist der Betreuungsschlüssel einfach schlecht und zeitweise muss eine Erzieherin mehr als die zwölf Kinder betreuen; dann sind es vielleicht 18 etc. Jeder, der Kinder hat, die in eine Kita gehen, hat das schon erlebt. Wenn wir dann in der Debatte erleben, dass Sie sagen, der Betreuungsschlüssel könne in Sachsen nicht so sehr gesenkt werden wie in anderen Bundesländern, weil wir so viele Kinder haben, dann ist das auch in gewisser Weise ein Schlag ins Gesicht der Eltern. Denn ich als Vater möchte, dass meine Kinder genauso gut betreut werden wie in anderen Bundesländern.

(Lothar Bienst, CDU: Weil wir Fachkräfte haben! – Staatsminister Christian Piwarz: Betreuungsquoten, darum geht es!)

Ja, Herr Piwarz. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr deutlich bei den Erziehern bedanken, die eine tolle Arbeit leisten. Denn wir haben tatsächlich diese angespannte Fachkräftesituation. Es wurde bereits angesprochen, dass die Tagespflege Hort bei den bisherigen Maßnahmen außen vor bleibt. Dort besteht deutlicher Handlungsbedarf.

Was mich etwas schockiert hat, Herr Piwarz, war die Aussage aus Ihrem Hause, dass es in Sachsen keinen Fachkräftemangel in Kitas gebe.

(Zuruf von der CDU: Darauf haben wir doch bereits reagiert!)

Die Anzahl der Absolventen an den Fachschulen decke den aktuellen Bedarf. Ich denke, dazu besteht einiger Redebedarf im Ministerium. Denn das ist einfach falsch und grob fahrlässig. Der Markt ist leer, das wurde bereits bestätigt.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt schauen Sie sich einmal den Altersdurchschnitt der Erzieher an.

(Staatsminister Christian Piwarz: Kommen Sie mit Argumenten!)

Ich komme doch mit Argumenten, Herr Piwarz: 36 % der Erzieher sind über 50 Jahre alt. Das sind in den nächsten zehn bis 15 Jahren noch einmal 13 700 Erzieher, die uns fehlen werden. Wo wollen Sie die herzaubern?

Unser Vorschlag ist es, nicht nur auf die staatliche Kita einzugehen, sondern auch den Elternwillen zu stärken. Es ist bereits von Anfang an eine Forderung von uns, dass die Eltern ihre Kinder im Bereich bis drei Jahre zu Hause betreuen können. Das Landeserziehungsgeld reicht hierfür nicht aus. Erhöhen Sie das! Die Eltern haben die Wahlmöglichkeit, die Kinder zu Hause zu betreuen. Dadurch entlasten Sie auch die Kindertagesstätten, weil Personal frei wird. Denn nichts ist so wichtig wie die Bindung einer Mutter zu ihrem Kind. Das ist die Grundvoraussetzung für Bildung. Das würde auch die sächsischen Familien und Mütter endlich stärken.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der SPD)

Den Landeszuschuss, den Sie ab nächstem Jahr im Juli erhöhen – knapp vor der Sachsenwahl – ist im Endeffekt doch nur ein Wahlkampfgeschenk und reicht hinten und vorn nicht. Wenn Sie es genau berechnen, brauchen Sie nicht 300 , sondern 500 Euro, damit Kommunen und Eltern nicht belastet werden.

(Zuruf des Abg. Lothar Bienst, CDU)

Das führt zwangsweise dazu, dass Elternbeiträge steigen. Das ist kein Hirngespinst, sondern in den ersten Kitas in Dresden bittere Realität. Das lehnen wir ab. Das ist keine Familienförderung in Sachsen und keine Entlastung der arbeitenden Mittelschicht.

Worüber ich mich gefreut habe, das ist Ihre Selbstkritik. Wir fordern weiterhin – das ist bereits angeklungen – eine Entspannung bei der Ausbildungsvergütung, damit der Erzieherberuf endlich attraktiv wird; mehr dazu in der zweiten Rederunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt spricht für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Zais.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Bienst, Sie haben von einem Gespräch mit einem jungen Mann aus den alten Bundesländern berichtet – –

(Lothar Bienst, CDU: Menschen!)

Darauf haben Sie gesagt, wie stolz Sie auf das sind, was wir hier in Sachsen alles haben und was es dort nicht gibt. Vielleicht wäre es besser, Sie würden ab und an auch einmal mit den Praktikern in unseren Kitas sprechen. Ich zitiere einmal, was eine Kita-Leiterin aus Chemnitz gesagt hat: „Der seit über zehn Jahren gesetzlich verbindliche Sächsische Bildungsplan kann aufgrund fehlender Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden. Denn für ein individuelles, bedürfnisorientiertes Eingehen auf jedes einzelne Kind, wie es der Bildungsplan vorsieht, wäre ein

Arbeiten in kleinen Gruppen erforderlich. Doch das ist mit einem Erzieher pro zwölf Kindergartenkindern nicht zu gewährleisten.“ Das ist die Einschätzung einer KitaLeiterin, und ich denke, es gibt hier überhaupt keinen Grund, sich selbst zu beweihräuchern –

(Patrick Schreiber, CDU: Wer macht das denn?)

für etwas, das total selbstverständlich gewesen ist.

(Widerspruch von der CDU)

Die Kollegin Junge hat bereits auf die Trippelschritte verwiesen, die Sie bei der Anpassung des Betreuungsschlüssels vorgenommen haben. Der Bildungsmonitor zur frühkindlichen Bildung hat da dazwischengefunkt. Vorige Woche ist er veröffentlicht worden. Darin wird ganz klar: Sachsen hat die rote Laterne bzw. den vorletzten Platz, wenn es um die Qualität der Betreuung in den Kitas geht. Bei den Ein- bis Dreijährigen in den Krippen haben wir den letzten Platz. Bei den bis zu Sechsjährigen sind wir Vorletzter.

(Widerspruch von der CDU)

Das macht deutlich, dass Sie es tatsächlich versäumt haben, in den letzten 20 Jahren weiter an der Qualitätsentwicklung in den Krippen und Kitas zu arbeiten. Die Trippelschritte haben eben nicht – das sagen Ihnen alle Praktiker – die von Ihnen versprochene Wirkung in der Praxis gezeigt. Unbeantwortet, Herr Kollege Bienst, bleibt die Frage, warum andere Ostbundesländer, zum Beispiel Sachsen-Anhalt oder Brandenburg, es schaffen, bei vergleichbaren Betreuungsquoten deutlich mehr Geld in den Betreuungsschlüssel zu stecken.

Es ist ganz klar, dass der Betreuungsschlüssel nicht alles ist. Das sehen auch wir so. Aber er ist die Grundvoraussetzung für die Qualität in der frühkindlichen Bildung, die sich eben auch, und das müssen wir verinnerlichen, an den zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes zeigt. Deshalb bleiben wir als GRÜNE dabei: Wir wollen weg von diesen Trippelschritten. Wir wollen eine deutliche Verbesserung, die man auch merkt, die in den Kitas auch ankommt. Das bedeutet einen Betreuungsschlüssel von 1 : 4 in der Krippe und 1 : 10 für die Kita. Ich habe es an dieser Stelle bereits oft gesagt: Den Hort haben Sie immer und immer wieder vergessen. Es ist an der Zeit, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und den Betreuungsschlüssel auf 1 : 16 abzusenken. Das ist etwas, wofür wir GRÜNE ohne Wenn und Aber einstehen und auch die entsprechenden Haushaltsanträge einbringen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Wir haben Sie – das ist noch gar nicht so lange her – im Juni, also vor der Sommerpause, hier im Plenum mit einem eigenen Antrag aufgefordert, eine langfristige Strategie zur Qualitätsentwicklung in den Kitas vorzulegen. Dabei ging es nicht nur um den Personalschlüssel, sondern auch um die Vor- und Nachbereitungszeit, die Anerkennung von Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub

und Weiterbildung – Frau Kollegin Junge ist darauf eingegangen –, die Anerkennung von Leitungstätigkeit und die Förderung von Kitas mit besonderen Problemlagen. Es ging um die Entwicklung und Unterstützung der Kindertagespflege und um die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung. Wir sagen es Ihnen hier ganz klar: Dies wird das nächste Fiasko, in das Sie stürzen, wenn Sie weiter so machen wie bisher. Sie haben alles abgelehnt, was wir mit unserem Antrag vorgeschlagen haben.

Die heutige Aktuelle Debatte zeigt vom Grundsatz her erneut, dass Sie nur ansatzweise – ich kann das nur an ganz, ganz wenigen Stellen erkennen – tatsächlich einen Plan haben, wie Sie eine Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung in Sachsen erreichen wollen. Dazu gehört eben auch, beispielsweise die Frage nach Qualitätssicherungssystemen zu stellen.

(Zuruf der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Davon ist überhaupt keine Rede. Wie begleiten wir denn die Kitas? Wie begleiten wir die Erzieherinnen und Leiterinnen bei der Entwicklung in den Kitas? Die Fachberatung ist ein Thema, auf das Sie überhaupt nicht eingegangen sind. Damit ist man völlig überfordert.

Ich erwarte von Ihnen, Kollege Bienst, dass Sie ehrlich sind und sich zu den Vorschlägen positionieren, die wir als Opposition gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Lothar Bienst, CDU: Mache ich!)

Der letzte Redner in dieser ersten Rednerrunde ist Herr Kollege Wurlitzer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der Koalition, Ihre Selbstbeweihräucherung hilft uns nicht wirklich weiter. In unseren Kitas in Sachsen wird landauf, landab gute Arbeit geleistet, aber nicht wegen Ihrer Politik, sondern trotz Ihrer Politik.

(Zurufe der Abg. Lothar Bienst und Patrick Schreiber, CDU – Zuruf von der SPD: Bezug nehmen auf die Vorredner! Das kann helfen!)

Wenn ich mich in den Kitas umhöre, egal, ob es kommunale Kitas sind oder Kitas freier Träger, wird immer eines gesagt: Der Schuh drückt vor allem beim Personal. Das ist heute auch schon sehr oft gesagt worden. Verteilungsschlüssel hin, Verteilungsschlüssel her, eines ist ganz wichtig: Wir müssen unsere Erzieherinnen und Erzieher vor allem von den teilweise umfangreichen Berichtspflichten befreien, damit sie die Zeit, die sie zur Verfügung haben – es wurde heute mehrfach angesprochen, dass diese eben relativ gering ist –, dafür verwenden können, sich um die Kinder zu kümmern.

Aber lassen Sie mich noch eines ansprechen, was noch gar nicht angesprochen worden ist. Es geht um das Defacto-Arbeitsverbot von Schwangeren in Kindertagesein

richtungen. Eine Frau, die schwanger ist, ist nicht per se krank, wie viele annehmen,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Beschäftigungsverbot!)

das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir hier im Hohen Hause immer von Selbstbestimmung sprechen,