Protocol of the Session on September 5, 2018

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Frau Kollegin Wilke hat den Antrag für die AfD-Fraktion eingebracht. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Kuge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ja, Frau Wilke, es stimmt: In Sachsen werden leider mehr Kinder abgetrieben als im Bundesdurchschnitt. Sind es bundesweit pro 1 000 Geburten 132 Kinder, kommen hier im Freistaat circa 147 Kinder nicht zur Welt. Aber ich muss sie korrigieren: Es sind nicht 20 %.

Es lohnt sich aber auch ein Blick über den Tellerrand. In Berlin sind es 232, in Bremen 227 und in MecklenburgVorpommern 208. Dort sieht es also schlechter aus als bei uns. Zudem zeigt ein Blick in die bereits vorhandenen Statistiken – was ich Ihnen übrigens vor der Erstellung eines solchen Antrages dringend empfehlen würde –, dass die überwiegende Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung und nicht aus medizinischen Gründen vorgenommen wird.

Daher ist der Ansatz, die Konfliktberatung zu evaluieren, sicher ein möglicher Weg. Aber Sie dürfen nicht vergessen: Gespräche bedürfen vor allem eines: Vertrauen. Daher ist fraglich, ob eine Evaluierung den Ausgang bzw. dem Vertrauensverhältnis zuträglich wäre.

Die von Ihnen gewünschten Daten widersprechen dem Bestreben der Beratungsstellen, ein Vertrauensverhältnis zu den Frauen aufzubauen, um so den Schutz des Lebens zu ermöglichen. Statt das Gefühl einer Rechtfertigungspflicht entstehen zu lassen, wird versucht, Verständnis zu zeigen und Wege mit dem Kind zu verdeutlichen. Wie dies vorbildlich geht, zeigen Caritas und Diakonie.

Ein Blick auf die Stiftung „Hilfe für Familien, Mutter und Kind“ des Freistaates Sachsen zeigt, dass individuelle Hilfe in Form eines Zuschusses, den die Stiftung vergibt und der im Gespräch direkt beantragt werden kann, den Erhalt des Lebens in erheblichem Maße fördert. Vielleicht sollten Sie solche Themen vorher mit Ihrem Kollegen André Wendt besprechen, der ebenfalls im Stiftungsrat sitzt.

Unter Punkt II könnte ich Ihnen Unterstellungen und das Haschen nach Populismus vorwerfen oder einfach, dass Sie keine Ahnung von den Problemen der Betroffenen haben. Wir sollten daher gemeinsam im Sozialausschuss versuchen, mithilfe der Landesärztekammer und der Liga einen Weg zu finden, der alle Bedürfnisse im Blick hat: die des Kindes genauso wie die der Mutter, aber auch des Vaters. Da wir hierbei noch einiges an Arbeit erledigen müssen, bitte ich Sie, sich hierzu im Sozialausschuss einzubringen.

Dennoch möchte ich noch einmal betonen: Für uns ist jede Entscheidung gegen ein Kind eine zu viel. Wer mich kennt, der weiß: Ich spreche mich klar für den Erhalt von Leben aus.

Für eine Behandlung im Plenum ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt und wir werden Ihren Antrag heute ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Iris Raether-Lordieck, SPD)

Als Nächstes ergreift Frau Kollegin Buddeberg für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Hohen Haus über das Thema Schwangerschaftsabbruch reden, und es wird sicher auch nicht das letzte Mal sein. Aber ich kann zu

Beginn meiner Rede schon einmal festhalten, dass sich die Position der LINKEN nicht geändert hat. Wir sind weiterhin für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und für die Abschaffung der §§ 218 und 219.

(Beifall bei den LINKEN)

Damit vertreten wir eine wichtige Forderung der Frauenbewegung. In der BRD sind in den Siebzigerjahren die Frauen auf die Straße gegangen und haben unter dem Slogan „Mein Bauch gehört mir“ für Selbstbestimmung demonstriert. 1971 gab es den „Stern“-Titel „Ich habe abgetrieben“. 374 Frauen haben sich dazu bekannt, einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen zu haben. Das war damals ein großer Skandal und gleichzeitig ein Meilenstein im Kampf gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Es gab eine große gesellschaftliche Debatte dazu, die bis heute nicht aufgehört hat. Nach langem Ringen gab es eine Kompromisslösung. Das lag aber auch daran, dass die Situation im Osten anders aussah. Davon erzählen die Erfahrungen von Frauen, die mit einer großen Selbstverständlichkeit von selbstbestimmter Familienplanung

sozialisiert wurden und quasi durch die Wiedervereinigung über Nacht kriminalisiert waren. Auch das war der Ausgangspunkt für die sogenannte Fristenlösung, die dann gefunden wurde.

Heute sehen wir uns einem Rollback gegenüber. Wir müssen die mühsam erkämpften Rechte verteidigen, auch und besonders gegen Angriffe von der AfD. Die AfD hat sich einschlägig dazu geäußert, auch heute wieder. Aber heute hat sie mit dem hier vorliegenden Antrag nach meiner Ansicht einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Es lohnt sich fast nicht, auf die plumpen handwerklichen Fehler und Schnitzer im Antrag einzugehen, zum Beispiel, dass sich hier allein auf ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht von 1993 gestützt wird, das aber zwei Jahre später zu einer Neuregelung des Abtreibungsrechtes durch den Bundestag führte. Es ist also alles andere als aktuell.

Auch die Zahlen werden hier in schönster alternativer Faktenmanier verdreht – oder eben auch nicht so schöner Manier –; denn die Zahlen der Schwangerschaftsabbrüche sind auch in Sachsen seit Jahren rückläufig. Das Jahr 2016 isoliert herauszunehmen und diese Zahl als Beweis anzuführen, ohne sie in irgendein Verhältnis zu setzen – zum Beispiel zur Zahl der Geburten in Sachsen –, ist einfach nur absurd.

Die These, die im Antrag aufgemacht wird, ist schon abenteuerlich. Ich möchte sie noch einmal zusammenfassen, denn sie besagt sinngemäß: Wenn es trotz der Beratung eine steigende Zahl von Abbrüchen gibt, dann stimmt wohl etwas mit den Beratungen nicht. Das ist allerdings eine völlige Umdeutung der gesetzlichen Regelung. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz dient nicht einzig und allein dem Schutz des ungeborenen Lebens, sondern es dient vor allem der Unterstützung der

Personen, die durch eine Schwangerschaft in einen Konflikt geraten sind.

(Beifall bei den LINKEN)

Deshalb heißt es übrigens „Schwangerschaftskonfliktgesetz“ und nicht „Lebensschutzgesetz“ oder „Mutterpflichtgesetz“.

Falls Sie es nicht gelesen haben, dann empfehle ich Ihnen, das Gesetz einmal aufmerksam zu lesen. In dem Gesetz steht mehrfach das Wort „ergebnisoffen“. Die Beratungen sind ergebnisoffen zu führen. Das ist ein ganz einfaches Wort, das ganz unmissverständlich ausdrückt: Das Ergebnis des Gesprächs soll offen sein. Es ist nach der Beratung und der dreitägigen Bedenkzeit die Entscheidung der Schwangeren, ob sie die Schwangerschaft weiterführt oder nicht.

Aber in Ihrer Welt und Ihrer Logik gibt es diese freie Entscheidung eben nicht. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass in Ihrem Antrag „Dunkelziffer“ der Abbrüche auftaucht. Das ist ein Wort, das eigentlich aus der Kriminalstatistik stammt und sicher nicht zufällig von Ihnen gewählt wurde. Sie unterstreichen nämlich – das ist auch in Ihrer Rede zum Ausdruck gekommen –, was Sie über die Frauen denken, die eine Schwangerschaft abbrechen. Für Sie sind es nichts anderes als Täterinnen. Ihnen ist es egal, welche Gründe und welcher immense Druck hinter dieser Entscheidung steht. Ihnen ist, kurz gesagt, das Schicksal der Frauen und der Paare egal.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Dr. Petry.

Frau Buddeberg, Sie haben über die Dunkelziffer gesprochen. Stimmen Sie mir darin zu, dass nach geltender Rechtslage Abtreibung zwar straffrei gestellt ist, aber weiterhin eine Straftat darstellt?

Das ist mir bekannt, und das kritisieren wir immer wieder. Die Frage der Dunkelziffer bezieht sich ja trotzdem auf etwas anderes. Da es ja straffrei ist, ist es möglich, trotzdem Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Wenn aber mit dem Wort „Dunkelziffer“ operiert wird, dann macht das eine Kriminalisierung auf, die sonst in diesem Duktus immer wieder vorkommt.

Einen Tiefpunkt stellt der Antrag auch deshalb dar, weil die AfD nicht nur diejenigen kriminalisiert, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden – das wäre nicht neu. Neu ist, dass jetzt die Beratungsstellen selbst in den Fokus geraten. Ja, wir als LINKE sind für eine Entscheidung ohne verpflichtende Beratung, und dennoch sind wir froh, dass es Beratungsmöglichkeiten gibt, die Menschen in einer solch schwierigen Situation und bei einer solch

weitreichenden Entscheidung zur Seite stehen. Die Menschen, die in diesen Beratungsstellen in Sachsen arbeiten, machen eine wichtige und wirklich gute Arbeit. Wir möchten uns ganz ausdrücklich bei ihnen bedanken.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Der Antrag ist aus sehr vielen Gründen abzulehnen, aber einen weiteren muss ich nennen. Denn auch bei diesem Thema darf natürlich ein Hauch Rassismus nicht fehlen, wenn ein Antrag von der AfD kommt. In Punkt II wird eine Statistik gefordert, die die Abbrüche dokumentiert und dabei Merkmale ausweist. Ein Merkmal, das hier aufgeführt werden soll, ist neben der finanziellen Situation und dem Bildungsniveau der Eltern die Staatsangehörigkeit bzw. der Migrationshintergrund.

Wozu denn eigentlich? Mir dämmert schon, worauf das abzielen könnte. Sind wir da nicht schon wieder mittendrin im braunen Sumpf? Wenn ich an die Nazirhetorik mit Begriffen wie „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ denke, die ja von prominenter Stelle der AfD schon unverblümt geäußert worden ist, dann kann ich mir schon denken, wie widerwärtig das wird. Die AfD bekämpft emanzipatorische Errungenschaften, sie stellt sich gegen Frauenrechte, angeblich geht es ihr um die Kinder, aber dann doch nur um die weißen und die deutschen Kinder.

Wenn wir gerade dabei sind: Lebensschutz. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Wer über Lebensschutz spricht, der darf über die Zehntausenden Frauen nicht schweigen, die jährlich weltweit an den Folgen illegaler Abtreibungen sterben.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. „Alle Menschen müssen diskriminierungsfrei über ihre Familienplanung und ihr Sexualleben entscheiden können und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt werden, unabhängig von ihrer Herkunft, sexuellen und geschlechtlichen Orientierung oder der sozialen, ökonomischen und gesundheitlichen Situation.“ – Das ist ein Zitat aus der Bündniserklärung des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung und sie rufen für den 22. September nach Berlin zu einem Aktionstag auf. Wir unterstützen die Forderungen und den Aufruf, und wir lehnen Ihren Antrag aus tiefster Überzeugung ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Als Nächstes erteile ich Frau Kollegin Raether-Lordieck das Wort. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein „Ich bin schwanger“ kann viel verändern. Es kann Glück bringen, wenn ein vielleicht lang ersehnter Kinderwunsch erfüllt wird. Ein „Ich bin schwanger“ kann aber auch Angst und

Sorgen bringen, wenn eine Elternschaft eben nicht gewollt ist. Dann stürzen viele Emotionen und Fragen besonders auf die Frau ein.

In so einer Zeit können starke Stützen kleine Wunder wirken, wenn sie Orientierung geben, zuhören, Fragen beantworten und ein bisschen auf dem Weg begleiten. Das ist Aufgabe der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung. Dort können schon viele Sorgen genommen werden, sei es im Umgang mit der nötigen Bürokratie, sei es vor der Elternschaft selbst. Wer Zweifel hat, sollte diese aussprechen können, sollte sich vertrauensvoll an jemanden wenden können; denn nach dem Gesetz ist eine Schwangerschaftskonfliktberatung ergebnisoffen zu

führen und geht von der Verantwortung der Frau aus. Selbstverständlich, wovon denn sonst?

Die Entscheidung selbst ist dann folgerichtig eine ganz eigene, ohne Druck von außen, seien es Familie, Freunde, Arbeit oder gar Politik. An dieser Stelle eine Mahnung an die rechte Seite unseres politischen Spektrums: Ungeborenes frühes Leben ist nur mit der Frau und nicht gegen sie zu schützen.

(Karin Wilke, AfD: So steht es im Gesetz!)