(André Barth, AfD: Da brauchen wir das Gesetz nicht mehr! – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)
Moment, Moment! Es ist richtig – da gehe ich mit Ihnen mit –, in der Sachverständigenanhörung haben die Experten gesagt, wir sind verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet. Wir sind aus dem Bundeszwang heraus nicht dazu verpflichtet – auch nicht durch das Homogenitätsprinzip. Ich gebe zu, dass ich mich geirrt habe, weil ich meinte, das Homogenitätsprinzip zwingt uns dazu, weil der Bund eine solche Regelung längst hat. Das müssen wir nicht.
Johannes Hahlen, langjähriger Hauptkommentator des Bundeswahlgesetzes und anderer wahlrechtlicher Nebengesetze, also die graue Eminenz im Wahlrecht der Bundesrepublik – Zitat: „Was die Neuregelung selbst betrifft, bin ich der Auffassung, dass sie sowohl demokratiepolitisch als auch wahlpolitisch sinnvoll und angezeigt ist. Die legitimierende Wirkung einer demokratischen Wahl wird nicht nur durch objektive und sonstige Fehler beeinträchtigt, sondern sie wird genau so beeinträchtigt, wenn Rechte der Bürger bei der Wahl beeinträchtigt sind. Das lindert im wesentlichen Umfang die legitimierende Wirkung einer Parlamentswahl. Von daher scheint es durchaus angeraten, die Ergänzungen im Gesetz vorzunehmen.“
Ähnlich Prof. Heinrich Lang, Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Greifswald: Er wurde im Protokoll mit den Worten wiedergegeben: „Nun ist gesagt worden, der Sächsische Verfassungsgerichtshof habe die Rechtslage geklärt. Jetzt brauchen wir keine Änderungen mehr. Das kann man so sehen. Ich glaube aber, dass man mit Blick auf den Bürger die Sache in ihrem Normen klarstellen sollte. Auch spektakuläre Fälle geraten in Vergessenheit. Vielleicht sitzen in 15 Jahren hier Leute bei der Anhörung, was der Sächsische Verfassungsgerichtshof damals entschieden hat, wenn es nicht im Gesetz steht. Ich glaube, dass man gut beraten ist, diese Fälle im Gesetz zu regeln. Nicht jeder Bürger will – wenn er sich überlegt: kann ich das anfechten oder nicht? – sagen: Moment, da muss ich mir erst einmal die Entscheidungssammlung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes ziehen und nachlesen, was der alles entschieden hat. Das ist keine Polemik. Ich glaube einfach, dass dies dem Bürger dienen würde.“ So klar und so schlüssig ist die Position der angehörten Sachverständigen. Das ist genug Autoritätsbeweis.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, in den einschlägigen Gesetzen nicht das, was in einem mühsamen Prozess der Befassung mit der Lex Samtleben als Verfassungsgerichtsurteil in Kernaussagen vorliegt, im Konzentrat ins Gesetz aufzunehmen, damit der Bürger, der es will, die Partei nominieren will, die es braucht, im Gesetz erkennt, was gemeint ist und nicht auf ein Urteil zurückgreifen muss. Das dient der Normenklarheit, das dient dem Bestimmtheitsgebot, das dient der Transparenz, das dient
der Bürgerfreundlichkeit und es schafft für alle Anwender Rechtssicherheit, eingeschlossen künftig für diesen Landtag oder andere parlamentarische Gremien oder nominierende Parteien. Wer sich dem verschließt und sagt, lebt mit dem Gesetz und behaltet das Urteil in der Schublade – sorry, das ist einfach eine sture Verweigerungshaltung. Heute war einmal von borniert die Rede – vom Kollegen Hartmann meines Wissens – in Richtung meiner Fraktion. Das ist borniert. Das ist nicht logisch.
Das ist nicht klug. Das ist keine gesetzgeberische Haltung. Deshalb bitten wir herzlich darum, vor allem auch in der Änderungsfassung, weil wir die berechtigten Änderungsvorschläge der Sachverständigen aufgenommen haben – die liegen in dem Änderungsantrag vor –, dem Gesetz mindestens in dieser Änderung zuzustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie begehren die Stärkung des subjektiven Rechtsschutzes und die innerparteiliche Demokratie bei den Wahlen zum Sächsischen Landtag. Herr Bartl hat das schon mit der Rechtsprechung erläutert. Es gab auch eine Anhörung. Aber, Herr Bartl, ich habe die Anhörung ein wenig anders wahrgenommen als Sie und DIE LINKE.
Ja. Ich will jetzt nicht wie der Kollege Bartl in die rechtliche Bewertung der Frage des subjektiven Rechtsschutzes einsteigen, das haben wir ausführlich gemacht und wir könnten noch einmal eine halbe Stunde nachlegen. Das haben wir in der Rechtsausschusssitzung sehr intensiv getan. Der Kollege Lippmann wird wahrscheinlich noch einmal aus seiner Arbeit zitieren, oder wir schauen uns hier und heute das an, was unsere politische Aufgabe als gesetzgebende Gewalt, als Parlamentarier wirklich ist.
Man muss bedenken, dass DIE LINKE den Gesetzentwurf vor der Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes in den Landtag eingebracht hat. In der „Lex Samtleben“, wie Sie es nennen, ich würde sagen: In der Causa Samtleben, das war eine AfD-Personalie auf einer Liste in Bautzen, hat es erhebliche Probleme gegeben. Der Kandidat oder, wie man ihn auch nennt, der Nichtkandidat hat vor dem Verfassungsgerichtshof geklagt. Am 11. April 2018 hat es das besagte Urteil gefällt. In diesem Urteil hat es zu all den Fragen, die rechtlich in der Gesetzesinitiative der LINKEN aufgeworfen worden sind, abschließend und für den Einzelfall – es ist immer wichtig für den Einzelfall – Stellung bezogen und Recht gesprochen. Das ist die Aufgabe dieses Gerichts. Man kann
sagen, es bestätigt nur, dass ein Regelungsbedarf besteht und wir das, was gerade angesprochen worden ist, in das Gesetz hineingießen müssen.
Das Gesetz – das ist mein Rechtsverständnis – gibt einen Rahmen vor, der das Zusammenleben in der Gemeinschaft regeln soll. Es soll das regeln und ordnen. Das ist für mich Rahmengesetzgebung, Rechte und Pflichten in einem Rahmen. Das Sächsische Verfassungsgericht hat für den Einzelfall Regelungen auszulegen und die Rechtsfortbildung zu betreiben. Das können wir Anwälte auch mit unseren Anträgen, da sind wir bei der Rechtsfortbildung dabei. Dann kann der Gesetzgeber uns aufzeigen – das hätte in dem Urteil auch stehen müssen –, wann eine oder mehrere Regelungslücken – – Das sind Lücken, die im Gesetz aufgetreten sind. Dann sind wir als Gesetzgeber gefragt, hier aufzutreten und im Gesetz diese Regelungslücke zu schließen.
Jetzt sind wir bei unserer Anhörung des Verfassungs- und Rechtsausschusses, die nach dem Urteil stattgefunden hat. Dort wurde der eben erläuterte Rechtsansatz bestätigt. Die Sachverständigen insgesamt erklärten übereinstimmend – hierfür möchte ich beispielhaft Frau Prof. Dr. Josephine Schönberger oder den Sachverständigen Dr. Stadler nennen, der klarstellend gesagt hat, diese Regelungslücken haben nicht bestanden – das Gericht hat hier klarstellend Recht sprechen dürfen und es dürfte hier Recht sprechen. Es bedarf keiner weiteren Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Herr Bartl, da bin ich bei dem Punkt: Müssen wir als Gesetzgeber Gesetze ändern? Ich zitiere Sie aus der letzten Sitzung: „Es schadet uns doch nicht, und es würde uns vielleicht ganz gut zu Gesicht stehen und vielleicht können wir es auch so machen.“
Sie haben in der letzten Ausschusssitzung argumentiert – – Heute haben Sie das auch ausgeführt und versucht, andere Sachverständige zu zitieren, die nicht dort waren.
Ich gehe davon aus, dass wir, wenn wir die Änderungen und Ergänzungen hineinnehmen, die Rahmengesetzgebung verlassen, die uns vom Gesetzgeber gegeben wurde, und in die Einzelgesetzgebung gehen. Das ist die allgemeine preußische Landordnung. Das wollte das BGB nicht mehr und hat Rahmengesetzgebungen eingeführt.
Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie gerade gesagt haben, die Sachverständigen, die ich zitiert habe, waren nicht zu der
Die ganze Zeit. Aber das ist die Rosinentheorie. Ich weiß, wir versuchen immer die herauszusuchen, die uns gerade passen. Sie haben auch einige Kommentare zitiert, die ein wenig helfen sollen. Nur ich sage halt Rahmengesetzgebung, Einzelfallgesetzgebung. Wenn ich die verlasse, habe ich nämlich ein anderes Problem. Jetzt einmal weitergedacht: Jeder Kandidat, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt und ein Urteil erwirkt hat – wie die Causa Samtleben –, der muss sich dann – Ihre Sache weiter konsequent gedacht – in dem Gesetz auch wiederfinden.
Nein, das ist nicht meine Konsequenz. Für diese Sache, Herr Bartl, in diesem Rahmen, den wir einhalten müssen, wo es keine Regelungslücke gibt, sind meiner Ansicht nach die Richter zuständig. Das ist die richterliche Unabhängigkeit; es sei denn, die Regelungslücke wird aufgetan und das Gericht sagt uns: Lieber Gesetzgeber, hier gibt es eine Regelungslücke, und die musst du schließen. Dann müssen wir tätig werden.
Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass Herr Samtleben – wie immer man zu ihm stehen mag – bereits nach der Streichung von der Landesliste versucht hat, die Verletzung seiner Rechte zu rügen, und dass er deshalb unter anderem auch Antrag zum Verfassungsgerichtshof etc. machte und dass er letzten Endes, weil unsere Rechtslage das nicht vorsieht, damit keinen Erfolg hatte, aber auch im Nachhinein nichts machen konnte, weil er nicht gewählt war. Geben Sie mir darin recht? Geben Sie mir weiter darin recht, dass allein die Aufnahme der Tatsache des subjektiven Rechtsschutzes in das Gesetz davor warnen würde, derart sorglos mit den subjektiven Rechten von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern, also mit dem Demokratieprinzip, umzugehen?
War das die Frage der Feststellung oder die der Fortsetzungsfeststellungsklage? Wollen Sie darauf hinaus?
Genau das ist das Problem, Frau Petry, da gebe ich Ihnen recht. Deshalb wollte ich jetzt auch nur – –
Frau Schönberger hat – – Jetzt noch einmal zu uns, weil wir das im Verfassungsausschuss besprochen haben. Es gibt die Fortsetzungsfeststellungsklage. Das ist ein Instrument, das genutzt werden kann. Wir müssen keine neuen Instrumente entwerfen. Die Causa Samtleben hat – – Über diesen Rechtsweg, den er beschreiten konnte, konnte er das wahrnehmen. Die Rechte waren stark genug. Es gibt keine weiteren Rechte, die notwendig gewesen wären. Das war das Ergebnis der Anhörung, Herr Bartl. Ich weiß, Sie sehen es anders. Sie hätten dort gern subjektive Rechte eingebracht.
Ich sage aber trotzdem: nicht in Gesetze eingreifen. Es ist eine Rahmengesetzgebung, und wenn wir es hätten tun müssen, hätte es das Urteil hergegeben.
Das Urteil hat es ausdrücklich nicht gesagt. Wenn man mir manchmal nachsagt, wir hören nicht auf die Anhörung: Doch, wir haben genau auf die Anhörung gehört. Deshalb sagen wir, es besteht kein Handlungsbedarf. Das ist für mich eine Tatsache. Insoweit kann ich nicht verstehen, dass Sie jetzt unter Berücksichtigung der Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs kurzfristig noch einen Änderungsantrag einbringen, wo man sagt, der ist wichtig. Wenn ich ehrlich bin, die Anhörung und danach die Sitzung waren nach dem Urteil, und diesen Änderungsantrag hätten wir im Verfassungs- und Rechtsausschuss – –