Wissen Sie, was ich amüsant finde? – Noch vor drei Monaten, als wir hier über die Novellierung des Kulturraumgesetzes debattierten, war aus Ihrer Sicht alles in Ordnung, wurde unser Gesetzentwurf, welcher unter anderem eine signifikante Erhöhung der Kulturraummittel beinhaltete, um aus der Haustarifproblematik herauszukommen, mit der Begründung abgelehnt, die Kommunen wären nicht in der Lage, diese Erhöhung gegenzufinanzieren.
Jetzt, da Sie unter Druck geraten – Umfragen legen dies nahe und die Landtagswahlen stehen vor der Tür –, bringen Sie plötzlich – ich kann Ihnen dazu nur gratulieren – Themen der Opposition auf das Tapet – vielen Dank, Frau Fiedler – und erfüllen das Wahlprogramm der LINKEN. Es gibt plötzlich – wir fordern das im Übrigen seit Jahren – Gelder für eine bessere Bezahlung der Beschäftigten an den Theatern und Orchestern im Land und können die Kommunen aus heiterem Himmel 10 Millionen Euro gegenfinanzieren.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Wir begrüßen den Ansatz, 7 Millionen Euro mehr für die Theater und Orchester bereitzustellen und die Kulturraummittel um 3 Millionen Euro zu erhöhen. Ob diese Gelder jedoch tatsächlich ausreichen werden, um das leidige Thema der Haustarifverträge zu beenden und die Kultur in der Fläche auskömmlich zu finanzieren, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Ich gratuliere Ihnen wirklich dafür, Frau Ministerin Dr. Stange, dass Sie es geschafft hatten, die Mittel im Haushaltsplanentwurf zu erstreiten; aber das Spiel der Verhandlung war doch in dieser Situation unter den Umständen des Druckes ein leichteres.
Was mich wirklich ärgert, ist der Fakt, dass die Problematik der Unterfinanzierung beileibe kein neues Thema ist. Schon im Jahr 2005 machte die Fraktion DIE LINKE mit einem Antrag auf die Situation der Beschäftigten aufmerksam und forderte eine langfristige und tragfähige Perspektive für die Theater und Orchester. Im Jahr 2007 stellte die Kulturstiftung dann fest, dass sich die Haustarifverträge in der Regel als Falle für die Zukunft erweisen. Im Jahr 2014 forderte der Kultursenat vor diesem Hintergrund 10 Millionen Euro mehr. Auch wir wollten in den letzten beiden Haushaltsverhandlungen Aufwüchse in Höhe der Forderungen aus den Reihen der Kunst und Kultur.
Sie hatten also im letzten Jahrzehnt und darüber hinaus öfter die Möglichkeit, die Dinge ins Lot zu bringen. Darum glaube ich heute hier nicht, dass bei Ihnen tatsächlich – ausgeschlossen die Kulturpolitikerinnen – die Einsicht in die Notwendigkeit der Auslöser für diese noch nicht beschlossenen Gelder ist, sondern es ist der Versuch, eines von vielen Feuern im Land zu löschen. Sie gerieren sich gerade als Gönner, Kümmerer, gehen mit der Gieß
Eines bleibt auch zu sagen. Wir debattieren hier heute über noch nicht gelegte Eier. Bisher haben wir keinen Haushaltsbeschluss. Wir gehen in im August die Verhandlungen.
Noch wissen wir nicht, welche Anforderungen auf die Kulturräume durch die geforderten Strukturentwicklungskonzepte zukommen, welche Mehraufgaben die Theater und Orchester leisten müssen – beides Voraussetzungen, wie zu lesen war, für die Beantragung der Strukturmittel von 7 Millionen Euro.
Auch werden die Theater am 2. Juli, also erst in einer Woche, seitens des SMWK mit den Details bekannt gemacht. Ich meine: Worüber reden wir denn hier eigentlich? Noch wissen wir gar nicht, ob alle Kommunen die Gegenfinanzierung von 30 % stemmen können, also welche Theater und Orchester tatsächlich davon profitieren.
Des Weiteren gibt es die Mittel nur für vier Jahre. Was ist danach? Müssen die Theater und die Kommunen das dann allein tragen? Ich frage Sie: Wäre es denn nicht sinniger gewesen, das alles gleich im Kulturraumgesetz fest zu verankern? Diese Möglichkeiten hatten Sie vor drei Monaten und haben Sie vertan.
Ich halte diese Debatte wirklich für eine Selbstbeweihräucherungsdebatte, eine Debatte der Selbstdarstellung: „Wir machen das!“ Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier reden und streiten,
dass für alle hier im Raum Klarheit besteht, dass die Mittel bewilligt werden und offene Fragen beantwortet sind. So viel zum ersten Teil Ihrer Debatte „Kultur in Sachsen – gut gemacht“ – für mich sieht das anders aus.
Für die Fraktion DIE LINKE war das Herr Kollege Sodann. Jetzt spricht Frau Kollegin Wilke für die AfD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Kultur in Sachsen – gut gemacht und gut bezahlt“: Der Wahlkampf wirft Steuergeld voraus. Ein wahrer Geldregen soll auf die Kulturschaffenden in Sachsen herniederprasseln. Plötzlich soll möglich sein, was lange mit vielen guten Argumenten abgewehrt wurde.
Wie schon bei den Lehrern verliert die Politik auch hier den Mut, eine stringente Struktur- und Besoldungspolitik zu verfolgen. Das liegt vielleicht auch an neuen Voraussetzungen und Herausforderungen, vor allem aber an der Kopflosigkeit der Regierung. Dabei habe ich nicht unbedingt die neuen Regierungsschauspieler im Sinn. Aber nur so erklärt sich die ungerechte Würdigung der sächsischen Ü42-Lehrer in Fragen der Verbeamtung oder die Tatsache, dass der Pförtner am Zittauer Theater mehr verdient als ein ausgebildeter Schauspieler, oder weshalb die Etats der Staatstheater um 50 % gestiegen sind.
Es fehlt an klaren und nachvollziehbaren Grundsätzen, nicht nur in Fragen der Entlohnung, sondern auch der Aufgabenstellung und der Verantwortlichkeiten zwischen den verschiedenen Trägern. Deshalb haben wir im März eine Evaluation für die Kulturräume gefordert. Das wurde abgelehnt – natürlich weil es von uns, der AfD, kam. Abgelehnt heißt aber nicht, dass sich die staatstragenden Populisten nicht trotzdem noch unserer Initiative annehmen könnten, auch im Interesse der Rettung ihrer Wahlergebnisse.
Es wäre uns allen zu wünschen, weil wir endlich Ordnung ins Chaos bekämen, Ordnung ins Chaos bringen müssen. Das beginnt schon mit dem Kulturbegriff. Was hat das allgemein wuchernde Sozio-Geschwurbel mit den schönen Künsten zu tun? Nichts; aber viel mit einer Kunst- und Kulturtheorie, nach der alles, was gesungen, geflötet, rezitiert oder agitiert wird, immer auch politisch sei.
Solch einer Kulturauffassung mag anhängen, wer will. Nur ist das dann Sache der jeweiligen Partei, aber nicht der Allgemeinheit. Angesichts des Dschungels unserer Parteienfinanzierung sollte das auch kein Problem sein. Es wäre nur ehrlicher, man würde die Öffentlichkeit und das Publikum nicht mehr in die Irre führen. Aber dieses Modell hätte dann nichts mit Kunst und Kultur in einer freien und demokratischen Gesellschaft zu tun. Warum? Im Dresdner Albertinum kann man im Moment zumindest auf dem Gebiet der Malerei sehr sauber nachvollziehen, was es bedeutet, wenn die Kultur nicht mehr Kultur, sondern Propaganda in anspruchsvoller Verkleidung ist.
Das Problem ist alt. Nicht erst seit der Renaissance sind Künstler abhängig von ihren Förderern. Goethe, der bekanntlich kein Freund der Französischen Revolution war, brachte es einmal so auf den Punkt: Er küsse lieber seinem Fürst die Füße als seinem Schuhputzer.
Was früher der Adel, Bürgerfürsten oder Mäzene übernahmen, muss heutzutage die Allgemeinheit gewährleisten. Das ist auch gut so; denn all das, was die Gesellschaft unterstützt, darf nicht einseitig politisch sein – wobei „parteiisch“ vielleicht der bessere Ausdruck ist. Nur die Demokratie ist der Garant für die Freiheit von Kunst und Kultur. Alle Förderung muss sich auf die Autonomie der Künstler beziehen.
Diese Errungenschaft darf aber nicht durch die Hintertür der Gleichschaltung wieder verschlossen werden. Deshalb
brauchen wir eine Evaluation aller Förderungssysteme, eine Evaluation, die die Kriterien von Unabhängigkeit und Qualität zum Maßstab aller Entscheidungen und Förderungen macht.
Vielen Dank, Frau Wilke, dass Sie eine Zwischenfrage annehmen. – Mich würde bezüglich Ihrer These, dass das, was wir als Kultur in Sachsen erleben, inhaltlich-politisch gesteuert sei und sozusagen den Herrschenden dienen solle, interessieren, ob Sie mir aus den aktuellen Spielplänen der großen, vom Freistaat geförderten Häuser – Symphoniekonzert, Oper oder Schauspiel – Belege nennen können, die Ihre These untermauern. Wir bieten ja von Wagner bis sonst wohin alles.
Was mir ad hoc einfällt, ist diese Diskussion in Freiberg über diese „Fear“-Aufführungen. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von der CDU: Das stand nicht im Manuskript, da gibt es keine Antwort! – Unruhe)
Okay, ich fahre mit meiner Rede fort. – Wir brauchen eine Evaluation aller Förderungssysteme, eine Evaluation, die die Kriterien von Unabhängigkeit und Qualität zum Maßstab der Entscheidungen und Förderungen macht. Dazu gehört natürlich der Ausgleich struktureller Nachteile; denken Sie an den ländlichen Raum.
Oberster Leitgedanke muss die Starthilfe in die Freiheit sein. Deshalb plädiert die AfD für eine am Erfolg orientierte Förderung. Natürlich wissen wir auch um die weichen Stellen des Konzepts, also um die Gefahr des Boulevards. Aber wir vertrauen auf den Geist, den Spirit der Kulturschaffenden, die ihr Ding machen wollen.
Nochmals in aller Deutlichkeit: Sinn und Zweck aller Kulturförderung in der Demokratie kann nicht sein, dass wir als Parlamentarier die Rolle des Fürsten übernehmen.
Damit wäre nichts gewonnen. Demokratie lebt von Freiheit und Selbstbestimmung auch der Kulturschaffenden, die wiederum vom Erfolg und von der Akzeptanz ihrer Leistungen durch das Publikum leben. Daran müssen wir uns halten.
Das war Frau Kollegin Wilke für die AfD-Fraktion. Jetzt, fast am Ende der Rederunde, spricht Frau Dr. Maicher für die Fraktion GRÜNE. Danach folgt Frau Dr. Muster. Bitte.