Protocol of the Session on June 27, 2018

Das Thema Weiterbildung wurde im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgegriffen, und es soll eine nationale Weiterbildungsstrategie mit deren Hilfe erarbeitet werden. Dies soll unter anderem dem Ziel dienen, breiten Bevölkerungsschichten einen beruflichen Aufstieg zu erleichtern, die Fachkräftebasis zu stärken und die Beschäftigungsfähigkeiten in einer sich wandelnden Arbeitswelt nachhaltig zu fördern. Mit dieser Strategie sollen alle Weiterbildungsprogramme des Bundes und der Länder gebündelt, entlang der Bedarfe der Beschäftigten und der Unternehmen ausgerichtet und eine neue Weiterbildungskultur etabliert werden.

Vor diesem Hintergrund ist der jetzige Zeitpunkt eben kein guter, um davon losgelöst ein eigenes sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz jetzt und heute zu verabschieden. Dass es einen arbeitnehmerzentrierten Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung geben muss, steht für den SPD-Teil der Regierung weiterhin außer Frage. Er muss aber in eine ganzheitliche Weiterbildungsstrategie eingebettet sein und die Elemente, die ich genannt habe, berücksichtigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz über den Anspruch auf Bil

dungsfreistellung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz), Drucksache 6/10397, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es wird auf der Grundlage dieses genannten Gesetzentwurfes abgestimmt. Änderungsanträge liegen nicht vor.

Frau Zais, ich möchte vorschlagen, dass wir en bloc abstimmen. Erhebt sich bei den Damen und Herren Abgeordneten Widerspruch? Das könnte dann der Fall sein, wenn Sie schon wissen, dass Sie zu einem Teil des Gesetzentwurfes ein vielleicht abgeändertes Stimmverhalten haben, als es befürchtet werden kann. – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, dann verfahren wir so.

Aufgerufen ist die Überschrift § 1 Bildungsfreistellung Anspruchsberechtigte, § 2 Anspruch auf Bildungsfreistellung, § 3 Inanspruchnahme der Bildungsfreistellung, § 4 Bildungsfreistellungsentgelt, Verbot der Erwerbstätigkeit, § 5 Anerkennung von Weiterbildungsveranstaltungen,

§ 6 Ausgleich für Kleinstbetriebe, § 7 Bericht der Staatsregierung, § 8 Inkrafttreten. Wer den genannten Bestandteilen des Gesetzentwurfes seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Enthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür gibt es nicht die erforderliche Mehrheit für die genannten Vorschriften.

Frau Zais, wird noch eine Schlussabstimmung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist nicht beschlossen, aber dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz über die psychosoziale Notfallversorgung im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/10491, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/13743, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Meine Damen und Herren! Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt, zunächst die einbringende Fraktion DIE LINKE, danach die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Die Aussprache eröffnet für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Schaper. Frau Schaper, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem Innenministerium seien keine Defizite bei der Vernetzung der in Sachsen vorhandenen psychosozialen Angebote

bekannt. Diese Auffassung bekräftigte die Landesregierung Anfang Oktober 2016 und noch bis Ende September 2017. Dabei sind die Defizite spätestens im Februar 2017 so unmissverständlich zur Sprache gebracht worden, dass man vermuten muss, dass es bis dahin wohl keinen Erfahrungsaustausch zwischen dem Innenministerium und den mit der psychosozialen Notfallversorgung betrauten Personen, Vereinen und Organisationen gegeben hat.

Die Initiativgruppe Landeszentralstelle Psychosoziale Notfallversorgung wandte sich mit den Positionspapier an die Öffentlichkeit. Sie forderte eine landesweit zuständige Stelle für die regionale Vernetzung der Helfer. Dort sollten Führungskräfte ausgebildet und die Qualität in der

psychosozialen Notfallversorgung gesichert werden. Mit diesen Forderungen stehen die Mitglieder der Initiativgruppe nicht allein. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt die Einrichtung solcher Landeszentralstellen in den Ländern. Elf Bundesländer sind diesen Empfehlungen gefolgt, Sachsen bislang nicht.

Wir haben in Sachsen 22 Teams für psychosoziale Notfallversorgung und ungefähr 500 Einsatzkräfte, von denen lediglich 12 hauptamtlich tätig sind. Sie alle führen rund 1 200 Einsätze im Jahr durch. Es sind in Sachsen vor allem Ehrenamtliche, die zum Teil in drei Monaten bis zu 300 Stunden erbringen und in diesem Zeitraum mit ihrem privaten Pkw über 2 500 Kilometer fahren, um zu ihren Einsatzorten zu gelangen.

Bei den beiden sächsischen Großschadenslagen, den Jahrhunderthochwassern 2002 und 2013, traten die angesprochenen Defizite deutlich zutage. So musste 2002 ein externer Fachberater für psychosoziale Notfallversorgung beauftragt werden, der die sächsische Versorgungslandschaft überhaupt nicht kannte. 2013 wurden sogar kostenpflichtig PSNV-Teams aus anderen Bundesländern angefordert, weil man nicht wusste, dass noch ausreichend sächsische Kräfte einsatzbereit gewesen wären.

Die von uns vorgeschlagene Landeszentralstelle würde die Entstehung solcher unnötigen Kosten verhindern und dazu beitragen, dass die Versorgungsqualität der psychosozialen Notfallversorgung deutlich verbessert wird. Das sollte der Anspruch und das Anliegen aller hier Anwesenden sein.

Angesichts der immer extremer werdenden Wetterlagen ist davon auszugehen, dass Großschadenslagen wahrscheinlicher werden. Ich erinnere an das Unwetter und die daraus folgenden Wassermassen, die sich erst vor wenigen Wochen über das Vogtland ergossen.

Ein weiteres Problem ist, dass es keine einheitlichen Ausbildungsstandards für PSNV-Kräfte in Sachsen gibt und das 80-Stunden-Ausbildungsprogramm, das seit 2013 existiert, diesem Anspruch nicht gerecht wird.

In der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf vom 14. Mai 2018 haben alle Sachverständigen die erläuterten Defizite und den Regelungsbedarf klar und deutlich formuliert. Sachsen ist nicht auf Großschadenslagen und Katastrophenfälle vorbereitet. Vorhandene Strukturen genügen nicht den bundesweiten Standards. Weitere Anregungen der Sachverständigen haben wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen, den ich hier ebenfalls einbringe.

Zumindest bezüglich der Landeszentralstelle scheint es, dass ein Umdenken bei der Koalition stattgefunden hat. Und so wurde erfreulicherweise am 15. Juni 2018 im Innenausschuss, nachdem unser Gesetz abgelehnt worden war, einem Antrag der GRÜNEN zur Einrichtung einer Landeszentralstelle unter Annahme des Änderungsantrages der CDU- und der SPD-Fraktion einstimmig zugestimmt.

Dennoch oder gerade deshalb werbe ich um und hoffe auf breite Zustimmung zum vorliegenden Gesetz, da es eine viel verbindlichere Rechtsqualität als eine politische Absichtserklärung des Landtags hat, bei der es vom Belieben der Staatsregierung abhängig ist, ob und wann der Beschluss in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird, falls das überhaupt noch der Fall ist.

Sorgen wir dafür, dass die psychosoziale Notfallversorgung in Sachsen zukünftig koordiniert und die Ausbildung vereinheitlicht wird. Davon profitieren nicht nur die Betroffenen und die Einsatzkräfte, sondern auch das Innenministerium, das eine fachlich fundierte Beratungsstelle für die psychosoziale Notfallversorgung gewinnt.

Wenn der Landtag heute dem von meiner Fraktion vorgelegten ersten PSNV-Gesetz in Deutschland zustimmt, stärken wir denen den Rücken, die für uns stark sind.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung. Ich rufe die CDU-Fraktion auf, Herrn Abg. Hartmann. Herr Hartmann, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Sachsen existiert eine Reihe guter ehrenamtlicher regionaler Strukturen, die die psychosoziale Notfallversorgung vor Ort sicherstellen. Dies wurde auch in der Anhörung am 14. Mai 2018 von der großen Mehrheit der Sachverständigen mehrfach betont. Der Iststand der psychosozialen Notfallversorgung in Sachsen ist gut, gleichwohl die Strukturen nicht in jedem Fall auf Großschadenslagen ausgerichtet sind. Bisher existiert in Sachsen ein auf ehrenamtlicher Basis entwickeltes Netz, das zwar räumlich begrenzt Notfallseelsorge und Krisenintervention leisten kann, das aber mit der Gesamtkoordination im Katastrophenfall wahrscheinlich überfordert wäre.

Wichtige Zentralstellenfunktionen, wie sie unter anderem in der Empfehlung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu den Qualitätsstandards und Leitlinien in der psychosozialen Notfallversorgung gefordert werden, kann die derzeitige ehrenamtliche Struktur nicht in vollem Umfang abbilden. Dazu gehören zum Beispiel die fortlaufende Evaluierung des Fort- und Ausbildungsstands der Teams in den unterschiedlichen Trägerschaften, die Organisation gemeinsamer Übungen und Abstimmungen, die Evaluierung der Arbeit und die Weiterentwicklung der PSNV.

Alle Sachverständigen haben für eine Landeszentralstelle plädiert, die auf den bereits bestehenden Strukturen aufsetzen sollte. Das Staatsministerium des Innern hat bereits zum Ausdruck gebracht, die psychosoziale Notfallversorgung auf eine sichere Grundlage stellen zu wollen und für Großschadenslagen eine Landeszentralstelle einzurichten. Auch die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass es im Großschadensfall eine in Sachsen gewachsene und vernetzte zentrale Koordinierungsstelle

braucht, um jederzeit – auch bei landkreisübergreifenden Katastrophen – sachgerechte PSNV-Maßnahmen für Betroffene koordinieren zu können.

Insbesondere vor dem Hintergrund der allgemeinen Terrorgefahr, ganz aktuell dem vereitelten Rizin-Anschlag in Köln, wächst die Sorge vor Großschadenslagen mit einem Massenanfall an verletzten und traumatisierten Personen. Aber auch menschliches oder technisches Versagen kann zu Unfällen katastrophalen Ausmaßes führen. Nicht zu vergessen sind Amoklagen wie in München oder auch Naturkatastrophen.

Allerdings halten wir es für zweckmäßig, wenn sich das Aufgabenspektrum der Zentralstelle auf wenige Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben sowie die Bewältigung von Großschadensereignissen beschränkt, um mit einer schlanken Struktur möglichst effektiv arbeiten zu können.

Diesem Ansinnen sind wir gemeinsam mit der SPDFraktion mit einem Änderungsantrag und mit der Zustimmung zu einem entsprechend geänderten Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefolgt. Im

geänderten Antrag wird die Staatsregierung aufgefordert, in Abstimmung mit den Behörden, Verbänden, Vereinen und Hilfsorganisationen, die die psychosoziale Notfallversorgung in Sachsen gewährleisten oder diese unterstützen, eine Landeszentralstelle für psychosoziale Notfallversorgung einzurichten, wofür wiederum klare Qualitätsstandards definiert wurden.

Aus Sicht meiner Fraktion wie übrigens auch aus der Sicht einer Reihe von Sachverständigen ist der vorliegende Gesetzentwurf dafür nicht das geeignete Instrument. Der Gesetzentwurf geht weit über den genannten Kernauftrag einer PSNV-Stelle, wie wir sie für sinnvoll halten, hinaus und schafft neue Verwaltungsstrukturen, die dem Ansinnen, eine möglichst schlanke und damit flexible und effektive Koordinationsstelle für Großschadenslagen zu schaffen, entgegenläuft. Wir lehnen den Gesetzentwurf daher ab.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Pallas. Herr Pallas, Sie haben das Wort.

Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt eine weitere Zweite Beratung, diesmal zur psychosozialen Notfallversorgung im Freistaat Sachsen, ein Gesetzentwurf der LINKEN. Eigentlich geht es zugleich um einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der in geänderter Fassung durch den Innenausschuss beschlossen wurde und den wir heute unter Tagesordnungspunkt 20 als Teil einer Sammeldrucksache bestätigen werden. Wir sprechen über die psychosoziale Notfallversorgung oder – in Gänsefüßchen – die „Erste Hilfe für die Seele“ nach belastenden Ereig

nissen, wie ein Sachverständiger es in der Anhörung im Mai so schön umschrieb.