Protocol of the Session on May 30, 2018

Eines muss uns allen klar sein: Isolation und Passivität sind keine guten Wegbereiter für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Liebe Kolleginen, liebe Kollegen! Das war eine meiner längsten Reden hier im Parlament. Ich danke Ihnen, dass Sie mir bis hierhin gefolgt sind, gleichwohl will ich noch einmal kurz zusammenfassen.

Erstens. Gute Integrationspolitik, also funktionierende Maßnahmen, hilfreiche Programme, zielgenaue Initiativen und Förderungen, ist genauso wichtig für eine gelingende Integration wie der Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die damit einhergehende Akzeptanz gegenüber diesen Maßnahmen und den Zugewanderten selbst. Ohne breite Akzeptanz, egal, wie gut wir sie organisieren, wird das nicht möglich sein.

Zweitens. Wir müssen unsere Integrationsmaßnahmen noch stärker individualisieren. Zu den Fragen Spracherwerb und soziale Betreuung haben wir gute Programme erstellt und gute Erfahrungen gemacht. Zukünftig müssen wir noch zielgenauer bei der Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt werden.

Drittens. Vielfalt und Zuwanderung lohnen sich. Sie sind bedeutsam für einen zukunftsfähigen innovativen und Wissenschaftsstandort Sachsen. Unterschiedliche Herkunft, Denkweisen und Ansichten sorgen für Austausch, Diskurs und Kreativität.

Viertens. Wir müssen viele unserer Maßnahmen und Programme verstetigen. Wir brauchen daher demnächst eine Debatte – und ich betone, eine öffentliche Debatte – über ein Sächsisches Integrationsgesetz, welches dann beispielsweise auch die Zuständigkeit der kommunalen Familie in dem Bereich Integration regelt, denn die Integration geschieht nun einmal maßgeblich vor Ort in den Kommunen.

Fünftens. Es ist gut, dass das BAMF weiter aufgestockt wird. Auch sollten die Anstrengungen bei dem Rückführungsabkommen erhöht werden. Wir müssen ebenso dafür kämpfen, dass der Bund seine Verantwortung im Bereich der Integration weiter stärkt und wahrnimmt. Eine Einengung der Integrationskurse ist beispielsweise ebenso falsch wie die fehlende Unterstützung bei den Kosten für Ausbildungsvorbereitung bei den nicht mehr schulpflichtigen Geflüchteten oder die fehlende Übernahme von Dolmetscherkosten in weiten Teilen des Sozialgesetzbuches.

Sechstens und letztens. Integration und Sicherheit sind keine Gegensätze. Schnelle und intensive Integration sorgt für weniger Ausgrenzung und Diskriminierung und verringert damit die Gefahr von Kriminalität. Oder, um es abschließend mit den Worten des Bürgermeisters von Mechelen, Bart Somers, zu sagen, mit denen ich nunmehr

ende und mich für Ihre Aufmerksamkeit noch einmal ganz herzlich bedanke: „Wer Teil einer Gesellschaft ist, der greift sie nicht an.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Nach der Fachregierungserklärung kommen wir nun zur Aussprache dazu. Folgende Redezeiten für die Fraktionen wurden festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 16 Minuten, AfD 12 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, fraktionslose MdL jeweils 1,5 Minuten. Außerdem hat der Sächsische Ausländerbeauftragte um das Wort gebeten, und ich werde es Geert Mackenroth nach den Fraktionen erteilen. Zunächst spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Dierks.

(Zurufe von den LINKEN)

Entschuldigung. Zunächst spricht natürlich – es war eine Fachregierungserklärung, ganz klar – die Fraktion DIE LINKE. Das Wort ergreift Frau Nagel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Köpping! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns über das hier nun vorliegende Zuwanderungs- und Integrationskonzept II. Es passt die konzeptionellen Pfeiler, auf denen der Freistaat Sachsen die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte gestalten will, an die Gegenwart an. Oder anders gesagt: Es verdient im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem ZIK I überhaupt den Namen Konzept. Daher will ich am Anfang meiner Ausführungen explizit einen Dank an das Integrationsministerium, an Frau Köpping und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Prozess organisiert und gestaltet haben, richten.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Sachsen war über Jahre ein Entwicklungsland in Sachen Zuwanderung und Integration. Die Quote an Menschen ohne deutschen Pass lag über Jahre zwischen 2 und 3 %. Auch heute bewegt sie sich mit knapp über 4 % und in absoluten Zahlen mit 195 227 nicht deutschen Staatsangehörigen im Bundesvergleich auf sehr niedrigem Niveau. Als Tausende, ja Hunderttausende Sächsinnen und Sachsen den Freistaat aufgrund fehlender Perspektiven verließen, kamen freiwillig auch kaum Migrantinnen und Migranten hierher. Dies bildet sich auch heute noch ab. Die Zahl der Menschen ohne deutschen Pass stieg in Sachsen seit 2015 um circa 30 000. Der Anstieg liegt an der Zuwanderung der EU-Bürger und -Bürgerinnen einerseits, aber vor allem an der Zuweisung von geflüchteten Menschen.

Auch die vielfältige Gruppe der Menschen mit Migrationsgeschichte, zu denen die zählen, die sich für eine deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben, die in zweiter Generation mit deutschem Pass hier leben oder einen Elternteil mit Migrationshintergrund haben, lag laut

Statistischem Bundesamt im Jahr 2016 bei 267 000. Dies macht 6,5 % aus und ist weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, der bei 22,5 % liegt.

Die Besonderheiten der Einwanderung in die ostdeutschen Bundesländer allgemein und im Speziellen in Sachsen haben ihre Wurzeln auch in der Geschichte der DDR und in den zehn Jahren nach ihrem Ende. Frau Köpping hat ebenfalls darauf abgestellt. Vielfach wird aber übersehen – und das möchte ich hier stärken –, welche Zäsur die Wiedervereinigung nicht nur für die Ostdeutschen, sondern auch für die hier lebenden Einwanderinnen und Einwanderer, vor allem die Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter darstellte.

Das gesellschaftliche Klima, besonders in der Nachwendezeit, war geprägt von Ressentiments und unverhülltem Rassismus. Ich nenne hier exemplarisch das Stichwort Hoyerswerda. Angeheizt von einer unsäglichen nationalistischen Politik und einem ebenso ausfallenden öffentlichen Diskurs wurden unter dem Beifall der sogenannten Mitte der Gesellschaft faktisch nationalbefreite Zonen geschaffen. Zu diesem Klima gehört eine Kultur des Wegschauens und des Relativierens, überhaupt eine mangelhafte demokratische Kultur. Das können wir bis zum heutigen Tag zum Beispiel an den Befunden der „Sachsen-Monitore“ ablesen.

Orientierungslosigkeit, Perspektivlosigkeit der Ostdeutschen auch nach der Wende kann niemals eine Ausrede für den Rassismus sein, den viele Migrantinnen und Migranten, die schon zu DDR-Zeiten hier lebten, erleben. Ich betone an dieser Stelle: Die Politik der CDU-geführten Staatsregierung nährte die feindliche gesellschaftliche Stimmung. Migrantinnen und Migranten wurden unsichtbar gemacht, Rassismus totgeschwiegen, viel zu oft Geflüchtete in Sammelunterkünften kaserniert und explizit nicht als Teil der sächsischen Gesellschaft betrachtet und auch so behandelt. Das Feld der Integrationspolitik lag weitestgehend brach.

Diesen Geist atmete auch das Zuwanderungs- und Integrationskonzept von 2012, der Vorgänger des heute diskutierten Konzeptes. Davon zeugen die Wegzugsbewegungen aus Sachsen noch heute. Nach Angaben des „Monitoring Asyl“ lebten zum 31. März 2017 noch rund 47 600 anerkannte Geflüchtete in Sachsen. Demnach ist mehr als die Hälfte der seit 2013 zugewiesenen Asylsuchenden nach der Anerkennung weggezogen. Wir wissen, es gibt dafür Gründe: familiäre Netzwerke, soziale Bezugspunkte vor allem in den westdeutschen Bundesländern, aber auch die Frage der Perspektiven und der Möglichkeiten eines menschenwürdigen Lebens hier.

Viele Menschen mit Migrationsgeschichte spüren Rassismus und Diskriminierung und finden das unerträglich. Erst vor wenigen Tagen erzählte mir ein Geflüchteter in Leipzig, dass er es hier kaum noch aushält. Dass er mit der Aufenthaltsgestattung, die er hat – und seine Freunde verfügen teilweise über eine Duldung –, keinen Zutritt zu vielen Diskotheken in Leipzig erhält, ist dabei nur ein ITüpfelchen.

(Steve Ittershagen, CDU: Das kann doch wohl nicht wahr sein, Frau Kollegin! – Zurufe von der AfD)

Ausschluss aus dem Alltag und institutionelle Diskriminierung sind die bittere Realität für viele geflüchtete Menschen in diesem Land, die die schwächste Gruppe der Einwanderinnen und Einwanderer sind.

Der Vorgänger des aktuellen Integrationskonzeptes von 2012 war Ausdruck der Ignoranz für die Interessen von Migrantinnen und Migranten. Der Name des damaligen Konzeptes „Respekt, Toleranz und Achtung“ war fast schon zynisch. Sachsen war seinerzeit übrigens das letzte Bundesland, das überhaupt ein Integrationskonzept vorlegte.

Dem vorausgegangen – und das möchte ich kurz in Erinnerung rufen – war ein mehrjähriger Ausarbeitungsprozess unter Beteiligung von Migrantenorganisationen, vorrangig des Sächsischen Migrantenbeirats. Die Vorschläge der Organisationen, der Vereine und Initiativen fanden dann aber keinen Niederschlag in dem Konzept, was die Akteure und Akteurinnen selbstverständlich echauffierte. Laut Marc Lalonde, damaliger Vorsitzender des Ausländerbeirates Dresden, war das Konzept im Wesentlichen nur die Auflistung der bis dato völlig ungenügenden Integrationspolitik des Landes.

Das vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz in Auftrag gegebene Gutachten von 2014, erstellt vom Sachverständigenrat Deutsche Stiftung für Migration und Integration, stützt diesen Befund. Begrüßt wird zwar grundsätzlich, dass es überhaupt ein Konzept gibt, aber es werden viele Hausaufgaben aufgegeben, zum Beispiel Konkretisierung von Handlungsfeldern, von Zielen und Verantwortlichkeiten, die Frage der Beteiligung, aber auch der dynamische Charakter des Konzeptes wird eingefordert.

Wenn die Lage also schlecht ist, kann es eigentlich nur besser werden, sage ich als Optimistin. Seit der Regierungsbildung, das wissen wir, verfügen wir über ein Integrationsministerium, zumindest ein kleines. Wie Sie sicher wissen und wie wir das oft betonen, befürworten wir durchaus die Aufwertung des Geschäftsbereiches Integration und Migration zu einem Vollministerium, auch unter Übernahme von Aufgaben, die bis jetzt im SMI liegen, weil wir denken, es geht hier nicht um ordnungspolitische Aufgaben, sondern es geht um Menschen.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Mit ihrem kleinen, durchaus prekär aufgestellten Haus hat Frau Köpping in den letzten dreieinhalb Jahren einiges auf den Weg gebracht. Man kann exemplarisch die Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“, die sehr komplex ist, aber auch soziale Betreuung erwähnen. Aber auch auf der „weichen“ Komponente wissen wir, was Frau Köpping geleistet hat. Sie war vor Ort – dort, wo Menschen sich für Willkommenskultur engagiert haben. Sie hat die Menschen ermutigt, die Geflüchteten auch

gegen Widerstände geholfen, gegen Rassismus gekämpft haben. Das verdient wirklich einen großen Respekt.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir sprechen hier nicht über Orchideenthemen – das erwähne ich oft in den Reden zu diesem Thema – oder über sonstiges Gedöns, wie es möglicherweise auch der größere Koalitionspartner abwerten mag. Wir sprechen hier über eine zentrale Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wir können uns vorstellen, wie hart es an vielen Stellen gewesen sein mag, Projekte gegen den großen Koalitionspartner und auch gegen manche Verantwortungsträger durchzusetzen – mag es aus inhaltlichen oder finanziellen Gründen sein.

Es ist folgerichtig, dass das ZIK II mit dem Titel „Zuwanderung und Integration gut gestalten – Zusammenhalt leben“ überschrieben ist. Denn Integration kann nur als mehrseitiger, nicht als einseitiger Prozess betrachtet werden. Es braucht unbedingt auch die Menschen, die hier leben. Integration muss von der Aufnahmegesellschaft gelebt und ermöglicht werden. Offenheit und Mut zu Veränderungen müssen die Devise sein – und dies gerade in den Zeiten, in denen mit globalen Produktionsketten und Märkten, weltweiten virtuellen Kommunikationswegen, Staatenverbünden wie der Europäischen Union Grenzen so und so erodieren. Neben den materiellen Grenzen des globalen Nordens und in unserem Bezugsraum, der Festung Europa, die Schutz suchende Menschen mit aller Gewalt abhalten sollen, sind es vor allem die Grenzen im Kopf, die eine gute Integration, die einen mehrseitigen, komplexen Integrationsprozess quasi

verhindern.

Bevor ich Teilbereiche des ZIK II beispielhaft fokussiere, ein paar Worte zum Prozess. Seit 2016 befand sich das ZIK II im Fortschreibungsprozess, so wie es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Zahlreiche Vorschläge des bereits genannten Gutachtens des Sachverständigenrates wurden aufgenommen. Auch der Prozess wurde besser gestaltet als der von ZIK I; Frau Köpping hat dazu ausgeführt. Dass die Beteiligung nicht immer gut oder nicht immer perfekt war, möchte ich hier nur am Rande erwähnen, zum Beispiel, wenn beim Verbändegespräch im letzten Juni eine Printversion des Konzeptes ausgeteilt wurde und die Leute nicht genug Zeit hatten, sich vor Ort ad hoc damit zu befassen und kompetent in die Diskussion zu gehen. Zu kritisieren ist vielleicht auch – ich will das gar nicht in den Vordergrund stellen –, dass das Konzept nicht ordentlich an die Akteure zurück kommuniziert und die finale Version des Konzeptes erst sehr spät der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde.

Ich möchte in die Zukunft blicken. Für die Zukunft ist uns wichtig, dass zivilgesellschaftliche Akteure und vor allem Migrantenselbstorganisationen stringent in den Prozess der Umsetzung involviert werden, sodass wir von einem dynamischen und partizipativen Prozess sprechen. Wenn wir nun in das ZIK II hineingehen, sehen wir schnell die Grenzen des Möglichen und möglicherweise kompromissorientiert auch des Gewollten.

Erstens – kurz angetippt: Der Bund ist für viele Sachen im Bereich des Aufenthaltsrechts zuständig. Da kommen wir hier nicht weiter. Wir hätten uns mehr Mut und auch die Formulierung von Ansprüchen in Richtung Bund gewünscht.

Zweitens – das ist entscheidend – bleibt ein Konzept ein Konzept ohne rechtsverbindliche Wirkmacht. Im ZIK II finden wir viele wohlklingende Absichtserklärungen und vielen guten Willen. Unterm Strich fehlen aber wieder konkrete Verantwortlichkeiten und Zeitpläne. Es fehlt der versprochene Umsetzungsplan mit Maßnahmenmatrix. Hinzu kommt der über allen Willensbekundungen schwebende Haushaltsvorbehalt.

Drittens ist an vielen Stellen ein schlechter Kompromiss herauszulesen. Es fehlt aber ein fundamentaler Richtungswechsel, zum Beispiel im Bereich der Bildung; Frau Köpping hat zu dem Thema schon gesprochen. Wir wissen, dass die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche in den Erstaufnahmeeinrichtungen faktisch außer Kraft gesetzt ist. Wir wissen auch, dass Sachsen damit seit Jahren gegen die EU-Aufnahmerichtline verstößt, die besagt, dass spätestens nach drei Monaten Zugang zu Bildungsmaßnahmen ermöglicht werden muss.

Seit Mai gibt es einen Pilotversuch in nur einer Erstaufnahmeeinrichtung. Wir meinen, es muss fundamental gedacht werden. Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen brauchen vom ersten Tag an den Zugang zu Bildung, und zwar im Regelschulsystem oder im Regelbildungswesen. Eine Proformalösung einer Beschulung in den Erstaufnahmeeinrichtungen finden wir als keinen großen Wurf. Welche selektive und isolierende Wirkung dies mit der längeren Wohnsitzverpflichtung in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Ankerzentren für die Betroffenen haben wird, ist kaum auszudenken und hat nichts mit Integration zu tun.

Auch beim Bildungszugang für die volljährig gewordenen jungen Menschen gibt es keine fundamentale Bereinigung des selbst erst geschaffenen Problems, die da beispielsweise heißen könnte, die Schulpflicht wie in Bayern zu verlängern und damit systematisch nachholende Bildungsabschlüsse zu ermöglichen – übrigens nicht nur für Menschen mit Migrationsgeschichte oder Fluchterfahrung. Wir wissen, dass seit zwei Jahren die Berufsschulen für die über 18-jährigen Geflüchteten faktisch tabu und die vermeintlichen Alternativen bei der Bundesagentur und an den Colleges zu hochschwellig sind.

An dieser Stelle würdigen wir durchaus, dass das SMGI die heiße Kartoffel aus dem Feuer geholt hat, die infolge des Kompetenzgerangels in der Staatsregierung fast verbrannt wäre. Natürlich muss auch für die U18-Kurse Geld herausgerückt werden, damit nicht noch mehr Zeit verloren geht. Eine strukturelle Lösung, die nicht wieder unter Haushaltsvorbehalt steht und wieder ein Sonderprogramm für Geflüchtete bedeuten würde, hätte allerdings anders aussehen können.

Als weiteres Beispiel möchte ich das Feld der Gesundheitsversorgung erwähnen. Es fehlen ein Bekenntnis zur

elektronischen Gesundheitskarte, die strukturelle Benachteiligungen hinwegfegt, und das Bekenntnis zum Ausbau und einer institutionellen Förderung der psychosozialen Zentren. Wir wissen, was für ein wichtiges Thema das ist.

Erwähnen muss ich leider auch die Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete. Diese restriktive Maßnahme, die nichts anderes als einen krassen Einschnitt in die Freiheitsrechte und die Freizügigkeit der Betroffenen bedeutet und integrationsfeindlich ist, ernsthaft in ein solches Konzept aufzunehmen, und dann noch in den Bereich Wohnungspolitik, finden wir, gelinde gesagt und ohne Verrenkungen gesprochen, fragwürdig und unmöglich.

Richtig enttäuschend kommt der Bereich der demokratischen und politischen Teilhabe daher. Die institutionellen Schranken für Menschen, vor allem aus Drittstaaten, die auch in ihren Herkunftsländern bereits gesellschaftspolitisch aktiv waren, vielleicht in einer anderen als in der formalisiert bürokratischen deutschen Variante, mit einer Handvoll Floskeln abzuspeisen, ohne die Schranken zu benennen und abbauen zu wollen, das finden wir schwach.

Machen wir es konkret: In Leipzig wird seit zwei Jahren um die indirekte Wahl des Migrantenbeirates gerungen, wie es in Dresden schon längst Praxis ist. Dagegen positionieren sich bis dato die Leipziger Stadtverwaltung und die konservativen Teile des Stadtrates. Überhaupt stagniert die Zahl von Migrantenbeiräten in Sachsen bei vier. Für beide Fälle wäre es ein Leichtes, die Gemeinde- und die Landkreisordnung zu ändern. Das wäre eine echte strukturelle Lösung. An einem demokratisch legitimierten Organ für Fragen von Migration und Integration, zum Beispiel in Form eines Landesbeirates, fehlt es in Sachsen weiterhin – auch hier eine Leerstelle im ZIK II. Das Thema Wahlrecht für Drittstaatlerinnen und Drittstaatler fehlt außerdem ganz und gar.

Es ist also Fakt: Politische Partizipation bleibt in Deutschland und auch in Sachsen und auch mit dem ZIK II eine Frage der Staatsangehörigkeit. Zwar geht das ZIK II – und das will ich auch würdigen – über seinen Vorgänger hinaus, es rüttelt jedoch nicht einmal im Geringsten an dieser defizitären Situation. Dabei muss klar sein: Nur wer sich als gleichberechtigtes Mitglied einer Gesellschaft wahrgenommen fühlt, sich auch eingeladen fühlt, in ihr mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen, der wird hier auch ankommen. Erst dann gelingt Integration. Es muss vor allem darum gehen, politische Partizipation und die dazu notwendigen Rechte von Anfang an zu gewähren und nicht erst als Schlussstein einer gelungenen Integration oder einer Einbürgerung.